Bundesgerichtshof
Urt. v. 11.04.1990, Az.: XII ZR 32/89
Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines notariellen Vertrags zwischen den damaligen Eheleuten "über ihre Trennung und die Regelung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse"; Aufteilung eines Hauses mit zwei Wohnungen und Geschäftsräumen unter den Eheleuten; Nutzung des dem anderen Ehepartner zugeteilten Wohnbereichs ohne seine Genehmigung hierzu einzuholen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 11.04.1990
- Aktenzeichen
- XII ZR 32/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 15331
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 09.03.1989
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- NJW 1991, 570-571 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1990, 1435-1436 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
1. Ursula K., B. straße ..., D.
2. Suk Youn K., Geburtsname: K., wohnhaft ebenda
Prozessgegner
Heinz Walter G., apartado coreos ..., P., A. (Al.) S.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 1990
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Portmann, Dr. Zysk, Nonnenkamp und Dr. Knauber
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. März 1989 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger und die Beklagte zu 1, die damals miteinander verheiratet waren und seit Herbst 1978 geschieden sind, schlossen am 28. November 1977 einen notariellen Vertrag "über ihre Trennung und die Regelung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse". Hinsichtlich der Nutzung des Hausgrundstücks Bahnstraße 46 in D., deren Miteigentümer je zur Hälfte sie waren und heute noch sind, vereinbarten sie darin, daß Erdgeschoßräume von ca. 60 qm ab 1. Dezember 1977 fest auf zwölf Jahre an die Beklagte zu 1 zum Betriebe einer Bar oder einer ähnlichen gastronomischen Einrichtung gegen ein monatliches Entgelt von 2.000 DM vermietet wurden. Weiter vereinbarten sie, daß die im Erdgeschoß des Anwesens belegene Wohnung mit Garage und Kellerräumen der Beklagten zu 1, die Wohnung im ersten Obergeschoß mit Nebenräumen dem Kläger zur alleinigen unentgeltlichen Benutzung überlassen wurde.
In der Folgezeit übersiedelte der Kläger nach Spanien, wo er heute noch lebt. Die Beklagte zu 1 heiratete den Beklagten zu 2 und bezog mit diesem auch die Wohnräume, die dem Kläger durch die Vereinbarung zugewiesen worden sind. Im Erdgeschoß des Anwesens wurde eine Bar betrieben.
Mit der Klage verlangte der Kläger von beiden Beklagten die Herausgabe und teilweise Wiederherstellung der ihm zugewiesenen Wohnung samt Nebenräumen sowie die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit von Mai 1978 bis Dezember 1986 in Höhe von insgesamt 72.350 DM nebst gestaffelten Zinsen. Ferner forderte er von der Beklagten zu 1 rückständige Mietzinsen für die Gaststättenräume in Höhe von 126.000 DM für die Zeit von Januar 1978 bis Dezember 1982 nebst gestaffelten Zinsen. Die Beklagten machten vor allem geltend, daß die notarielle Vereinbarung vom 28. November 1977 unwirksam sei, und zwar wegen Geschäftsunfähigkeit der Beklagten zu 1, wegen Wuchers und Sittenwidrigkeit und infolge einer auf § 123 BGB gestützten Anfechtung. Hilfsweise rechneten sie mit titulierten Zahlungsansprüchen der Beklagten zu 1 gegen den Kläger in Höhe von 77.600 DM und 130.000 DM nebst Zinsen auf. Die Beklagte zu 1 erhob außerdem Widerklage auf Zahlung von 107.500 DM nebst Zinsen, weil der Kläger sich in dieser Höhe an von ihr getilgten Verbindlichkeiten für die Finanzierung des Hausgrundstücks zu beteiligen habe. Der Kläger trat der Widerklage entgegen und rechnete insoweit hilfsweise mit seinen Ansprüchen auf Mietzins für die Jahre 1983 bis 1987 (120.000 DM) sowie auf Nutzungsentschädigung für das Jahr 1987 (8.400 DM) auf.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Herausgabe verurteilt und im übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Es hat den notariellen Vertrag vom 28. November 1977 als wirksam angesehen. Den Anspruch auf rückständigen Mietzins hat es in Höhe von 120.000 DM, denjenigen auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 65.900 DM gegen beide Beklagten und 5.950 DM allein gegen die Beklagte zu 1 für begründet erachtet, aber insoweit die Hilfsaufrechnung der Beklagten durchgreifen lassen. Die Widerklageforderung hat es in Höhe von 41.202,03 DM für begründet, aber insoweit durch die Hilfsaufrechnung des Klägers als getilgt angesehen.
Die Beklagten haben mit der Berufung ihren Antrag auf Abweisung der Klage und ihre Widerklage weiterverfolgt. Der Kläger hat sich ihrem Rechtsmittel angeschlossen und die Abweisung der Widerklage unabhängig von seiner Hilfsaufrechnung erstrebt.
Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Herausgabe der Wohnung im ersten Obergeschoß und dagegen richtet, daß die Mietzinsklage nur wegen Tilgung der Klageforderung durch Aufrechnung abgewiesen worden ist. Im übrigen hat es die Entscheidung über Berufung und Anschlußberufung dem Schlußurteil vorbehalten.
Hiergegen haben die Beklagten Revision eingelegt, mit der sie u.a. rügen, daß das erlassene Teilurteil nicht zulässig sei.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil das angefochtene Teilurteil unzulässig ist.
Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit der notariellen Vereinbarung vom 28. November 1977. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß diese rechtlich als einstimmige Benutzungsregelung der Miteigentümer im Sinne von § 745 Abs. 1 BGB einzuordnen ist, durch die u.a. ein alleiniges Nutzungs- und Besitzrecht des Klägers an der Wohnung im ersten Obergeschoß des Anwesens sowie ein Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1 über die Gaststättenräume im Erdgeschoß begründet werden sollte und auch konnte (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 17. Dezember 1973 - II ZR 59/72 - NJW 1974, 364 f). Es hat in dem Teilurteil die Wirksamkeit dieser Vereinbarung trotz der dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten bejaht. Von dieser strittigen Frage hängen aber nicht nur die im Teilurteil verbeschiedenen Ansprüche ab, sondern auch solche, die dem Schlußurteil vorbehalten worden sind. Dies führt dazu, daß das Teilurteil nicht zulässig ist, weil die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht.
a)
Das Oberlandesgericht hat entschieden, daß dem Kläger auf der Grundlage der genannten Vereinbarung rückständiger Mietzins für die Gaststättenräume in Höhe von 120.000 DM für die Zeit von Januar 1978 bis Dezember 1982 zusteht und titulierte Zahlungsansprüche gegen ihn in gleicher Höhe, mit denen hilfsweise aufgerechnet worden ist, verbraucht sind (§ 322 Abs. 2 ZPO). Als Gegenstand des weiteren Verfahrens sind aber die aus dem gleichen Verpflichtungsgrund hergeleiteten Mietzinsforderungen für die Jahre 1983 bis 1987 (ebenfalls 120.000 DM) verblieben, mit denen der Kläger hilfsweise gegen die Widerklageforderung der Beklagten zu 1 aufgerechnet hat. Das Landgericht hat diese Forderung in Höhe von 41.202,03 DM für gerechtfertigt erachtet und die Widerklage nur abgewiesen, weil insoweit die Hilfsaufrechnung des Klägers durchgreife. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Oberlandesgericht im Schlußurteil über die Widerklage ohne Rückgriff auf diese Hilfsaufrechnung entscheiden kann. Auch diese Entscheidung kann daher von der Wirksamkeit des Vertrages vom 28. November 1977 abhängen. Der Verpflichtungsgrund für die Mietzinsforderung des Klägers ist dann im weiteren Verfahren ebenfalls im Streit. Die Beurteilung des Teilurteils, daß der Vertrag wirksam sei, kann als bloßes Urteilselement nicht mit in Rechtskraft erwachsen. Damit besteht die Gefahr, daß über diesen Punkt im Teil- und im Schlußurteil widersprechende Entscheidungen ergehen; auch wenn das Berufungsgericht im Schlußurteil den gleichen Standpunkt einnimmt wie im Teilurteil, besteht die Möglichkeit einer anderweiten Beurteilung durch das Revisionsgericht. Die Ansprüche, über die das Berufungsgericht vorab entschieden hat, sind deswegen nicht im Sinne von § 301 Abs. 1 ZPO entscheidungsreif; denn die durch Teilurteil getroffene Entscheidung ist nicht unabhängig davon, wie der Streit über den Rest ausgeht (vgl. Senatsurteil BGHZ 107, 236, 242 m.w.N.; OLG Düsseldorf NJW 1970, 2217 [OLG Düsseldorf 25.06.1970 - 13 U 66/70]; Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 301 Nr. 8; de Lousanoff, Zulässigkeit des Teilurteils - 1979 - S. 98).
b)
Die Wirksamkeit des Vertrages vom 28. November 1977 ist vorgreiflich auch für die noch nicht beurteilten Ansprüche des Klägers auf Nutzungsentschädigung. Gegenstand der Klage ist insoweit der Zeitraum von Mai 1978 bis Dezember 1986, während mit den Ansprüchen für das Jahr 1987 hilfsweise gegen die Widerklageforderung aufgerechnet worden ist. Ist der Vertrag unwirksam, entfällt auch die darin enthaltene Einigung der Miteigentümer darüber, daß die fragliche Wohnung dem Kläger zur alleinigen unentgeltlichen Nutzung überlassen worden ist. Ohne eine solche Einigung gilt aber zunächst der Grundsatz, daß die alleinige Nutzung eines in Miteigentum stehenden Grundstücks durch einen Teilhaber noch keine Entschädigungsansprüche des anderen Teilhabers auslöst (vgl. BGHZ 87, 265, 271). Für einen Anspruch des Klägers auf Nutzungsentschädigung müßten daher besondere Voraussetzungen vorliegen, etwa daß ihm entgegen seinem Verlangen der Mitgebrauch des Eigentums hartnäckig verweigert worden ist (§ 823 Abs. 1 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1966 - V ZR 163/63 - NJW 1966, 1707, 1709) oder daß er mit hinreichender Deutlichkeit eine billigem Ermessen entsprechende Benutzungsregelung nach § 745 Abs. 2 BGB verlangt hat, die die Zahlung einer angemessenen Nutzungsentschädigung für die fragliche Wohnung einschließt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. Februar 1982 - IX ZR 88/80 - FamRZ 1982, 355, 356 sowie Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 - IVb ZR 82/84 - FamRZ 1986, 434, 435). Eine Verweigerung des Mitgebrauchs in diesem Sinne könnte nach den bisherigen Feststellungen in dem Schreiben der Beklagten zu 1 vom 7. März 1980 liegen, mit dem sie dem Kläger untersagt hat, irgendwelche Räume in dem Anwesen zu benutzen. Es ist hingegen nicht einmal behauptet, daß der Kläger in der Zeit davor in einer dem § 745 Abs. 2 BGB genügenden Weise eine seine Ansprüche rechtfertigende Benutzungsregelung für die Wohnung im ersten Obergeschoß verlangt habe. Jedenfalls für die Zeit von Mai 1978 bis Februar 1980 ist daher auch die dem Schlußurteil überlassene Entscheidung über die beanspruchte Nutzungsentschädigung nicht unabhängig von der im Teilurteil bejahten Wirksamkeit der Vereinbarung vom 28. November 1977. Auch insoweit besteht deswegen die Gefahr widersprechender Entscheidungen, die, wie ausgeführt, dem Erlaß eines Teilurteils entgegensteht.
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