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Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.10.1989, Az.: I ZR 22/88
„VOGUE-Ski“

Verfahrensfehlerhaft unterlassene Beweiserhebung; Nichtprüfung von zusätzlichen Anspruchsgrundlagen durch das Gericht; Bezeichnung eines Skimodells mit dem Zusatz "VOGUE" im selben Schriftbild wie die gleichnamige Zeitung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
19.10.1989
Aktenzeichen
I ZR 22/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 14618
Entscheidungsname
VOGUE-Ski
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 22.10.1987
LG München I

Fundstellen

  • GRUR 1990, 68-70 (Volltext mit amtl. LS) "VOGUE-Ski"
  • MDR 1990, 413-414 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1990, 480-481 (Volltext mit amtl. LS) "Vogue-Ski"
  • WRP 1990, 274-276 (Volltext mit amtl. LS) "VOGUE-Ski"

Verfahrensgegenstand

VOGUE-Ski

Prozessführer

C. N. Verlag GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer Cyril W. K., L. straße ..., M. ...,

Prozessgegner

Kä. Ski GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer, A. H./Ö.,

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Zurückverweisung durch das Berufungsgericht an das Landgericht gemäß § 539 ZPO wegen einer Verfahrensfehlerhaft unterlassenen Beweiserhebung, wenn das Berufungsgericht zwar zusätzliche Anspruchsgrundlagen ungeprüft gelassen hat, diese Prüfung aber ihrerseits eine im wesentlichen der unterlassenen gleichartige Beweiserhebung erfordert hätte.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 1989
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Piper, Dr. Teplitzky, Dr. Mees und Nobbe
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Oktober 1987 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied des internationalen Zeitschriftenkonzerns A. Publications N. & Sun, New York, der u.a. die Zeitschrift "VOGUE" verlegt. Die Klägerin gibt die seit Juli 1979 erscheinende deutsche Ausgabe dieser Zeitschrift heraus, die seit 1892 in den USA, seit 1916 in England, seit 1921 in Frankreich und seit 1961 in Italien vertrieben wird. Die deutsche Ausgabe wurde mit umfangreichen Werbemaßnahmen vorbereitet; sie erscheint monatlich mit einer verkauften Auflage von ca. 100.000 Stück, die ca. 890.000 Leser erreicht. "VOGUE" ist auf die Ansprüche einer international orientierten Leserschaft ausgerichtet und befaßt sich vorwiegend mit der Berichterstattung über Schmuck, Möbel, neue Modetrends usw.

2

Die Beklagte, die Ski herstellt, brachte im Februar 1979 für die Wintersaison 1979/80 ein Damenskimodell unter der Bezeichnung "Kästle VOGUE" auf den Markt. Ab 1981/82 benutzte sie für die Bezeichnung eine Schreibweise in Didot-Schrift, die der des Zeitschrifttitels entsprach. Diese Schrift wurde geändert, nachdem die Beklagte auf Verlangen der Klägerin am 27. Januar 1983 eine auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, mit der sie sich verpflichtete, "VOGUE" nicht mehr entsprechend dem Layout des Zeitschriftentitels zu verwenden.

3

Die Klägerin erstrebt das Verbot der Benutzung ihres Titels auch in der Ausgestaltung des neuen Schriftzuges. Sie hat vorgetragen, die Abweichungen des neuen Schriftzuges von ihrem Layout seien nur gering. Auch dieser Schriftzug weise auf ihre Zeitschrift hin. "VOGUE" komme eine überdurchschnittliche Verkehrsbekanntheit zu. Für diesen Titel könne sie Verkehrsgeltung beanspruchen, was durch eine demoskopische Umfrage bewiesen werden könne. Die Werbung der Beklagten für ihren Damenski und für das dazu gehörende Outfit zeige, daß sie sich unzulässig an den guten Ruf der Zeitschrift anhänge, indem sie diesen guten Ruf für sich ausbeute. Der Verkehr werde auch irregeführt, wenn die Bezeichnung "VOGUE" für Skier verwendet werde, ohne daß hierfür eine Lizenz erteilt worden sei. Er verbinde mit dem Titel nämlich nicht nur Herkunfts-, sondern auch Gütevorstellungen. Außerdem bestehe Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, so daß der Klägerin Ansprüche auch aus § 16 UWG zustünden.

4

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland für Skier, Ski-Stöcke, Ski-Hüfttaschen und/oder Fäustlinge die Bezeichnung "VOGUE" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen.

5

Außerdem hat die Klägerin Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt.

6

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat eine für die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Rufausbeutung erforderliche Verkehrsbekanntheit des Titels "VOGUE" bestritten und die Meinung vertreten, die Klägerin habe etwaige Ansprüche auch verwirkt, weil ihr die Verwendung ihres Titels durch die Beklagte seit 1980 bekannt gewesen sei.

7

Das Landgericht hat Ansprüche gemäß § 1 UWG bejaht und der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht geführt.

8

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

I.

Das Berufungsgericht hat es als verfahrensfehlerhaft angesehen, daß das Landgericht der Klage gemäß § 1 UWG wegen wettbewerbswidriger Rufausbeutung stattgegeben hat, ohne Beweis darüber zu erheben, ob der Bezeichnung "VOGUE" der von der Klägerin behauptete und für einen Verstoß gegen § 1 UWG erforderliche überragende Ruf zukommt. Es hat deshalb den Rechtsstreit gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen.

10

II.

Die hiergegen erhobene Revision ist zulässig.

11

1.

Die Klägerin ist durch die zurückverweisende Entscheidung des Berufungsgerichts beschwert, da ihrem Antrag auf sachliche Entscheidung nicht entsprochen worden ist (BGHZ 31, 358, 361; BGHZ 59, 82, 83).

12

2.

Die Revision rügt auch in einer den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO genügenden Form die Verletzung einer konkreten Verfahrensnorm. Sie beanstandet, daß das Berufungsgericht den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen hat, ohne sich mit den Anspruchsgrundlagen der §§ 3, 16 UWG auseinanderzusetzen. Sie ist der Auffassung, das Berufungsgericht hätte - gestützt auf diese Normen - selbst zugunsten der Klägerin entscheiden müssen.

13

Damit rügt die Revision - konkludent - die fehlerhafte Anwendung des § 539 ZPO durch das Berufungsgericht; denn ihre Beanstandung hat erkennbar den Sinn, das Landgericht habe den Anspruch der Klägerin im Ergebnis zutreffend bejaht und das Berufungsgericht demnach zu Unrecht einen für die Entscheidung erheblichen Verfahrensfehler angenommen. Dies läßt mit einer für § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO hinreichenden Deutlichkeit erkennen, daß die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der Begründung erstrebt, das Berufungsgericht habe § 539 ZPO verletzt; der ausdrücklichen Nennung dieser Vorschrift bedarf es dazu nicht (vgl. BGHZ 18, 107, 108; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 557 Rdn. 7 und 11). Soweit die Revisionserwiderung sich demgegenüber auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Februar 1983 - IX ZR 35/82 (NJW 1984, 495 = LM ZPO § 539 Nr. 13) - beruft, vernachlässigt sie, daß in jenem Fall - anders als im vorliegenden - Beanstandungen, aus denen sich die Verletzung einer konkreten Verfahrensnorm ergeben konnten, gerade nicht erhoben worden waren.

14

III.

Die Revision ist jedoch nicht begründet; das Berufungsgericht hat die Vorschrift des § 539 ZPO nicht rechtsfehlerhaft angewendet.

15

1.

Allerdings ist an die Voraussetzungen des § 539 ZPO nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein strenger Maßstab anzulegen, da die Bestimmung nur eine Ausnahme von der Regel des § 537 ZPO enthält, wonach das Berufungsgericht grundsätzlich sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Beziehung über den Prozeßstoff ein neues eigenes Urteil zu fällen hat (BGHZ 18, 107, 109 f; BGHZ 31, 358, 362). Nach diesem Maßstab ist eine Anwendung des § 539 ZPO dann rechtsfehlerhaft, wenn sie wegen eines Verfahrensfehlers erfolgt, auf den es für das Ergebnis der Entscheidung rechtlich nicht ankommt (vgl. BGHZ 31, 358, 364). Ob dies der Fall ist, hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner umfassenden Zuständigkeit nach § 537 ZPO zu prüfen, wobei es auch solche Streitpunkte des Anspruchs zu berücksichtigen hat, über die im ersten Rechtszugs nicht entschieden worden ist (vgl. BGHZ 71, 226, 230).

16

Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht zwar nur unzureichend gerecht geworden; denn es hat nicht geprüft, ob die Entscheidung des Landgerichts nicht durch die Vorschriften der §§ 3, 16 UWG getragen werden kann, obwohl die Klägerin ihren Anspruch auf beide Vorschriften ebenfalls gestützt und dazu in der Klageschrift und in ihrer Berufungserwiderung schlüssig behauptet hatte, daß die Voraussetzungen dieser Vorschriften in tatsächlicher Hinsicht erfüllt seien. Dies erweist sich jedoch deshalb als unschädlich, weil für eine solche Prüfung die vom Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassene Sachaufklärung ebenfalls unerläßlich gewesen wäre und somit kein Fall vorliegt, in dem es für das Ergebnis der Entscheidung auf den Verfahrensfehler rechtlich nicht ankommt.

17

Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, daß der Verkehr mit dem Titel "VOGUE" nicht nur Herkunfts-, sondern auch Gütevorstellungen verbinde und deshalb § 3 UWG verletzt sein könne, wenn irrige Vorstellungen über die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse, etwa über das Bestehen einer Lizenzbeziehung mit entsprechenden Qualitätskontrollen, erweckt würden. Die Feststellung solcher Vorstellungen bedurfte aber in gleicher Weise wie bei der Prüfung eines Anspruchs aus § 1 UWG einer Beweiserhebung hinsichtlich eines für Qualitätsvorstellungen des Verkehrs und deren Übertragung auf das Produkt der Beklagten erforderlichen überragenden Rufs.

18

Außerdem hat die Klägerin eine für die Anwendung des § 16 UWG vorauszusetzende Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne behauptet und diese schlüssig damit begründet, daß dem Verkehr die Praxis der Lizenzvergabe zur Vermarktung von exklusiven Marken auch zwischen branchenfremden Unternehmen bekannt sei und daß er deshalb aus der Verwendung des Titels "VOGUE", der zu diesen Marken zu zählen sei, auf das Bestehen wirtschaftlicher Zusammenhänge zwischen dem Hersteller eines mit dieser Marke versehenen Damenskis mit der - speziell an Damen gerichtete und primär modische Themen behandelnden - Zeitschrift schließen könne. Auch dieser Sachvortrag bedurfte einer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht, die ohne Beweiserhebung über Verkehrsvorstellungen des Verkehrs ebenfalls nicht möglich erscheint.

19

Da es somit in jedem Fall auf die vom Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassene Beweiserhebung - mit lediglich unterschiedlichen Akzentuierungen der Fragestellung bei der Feststellung der Verkehrsauffassung - ankommt, hat das Berufungsgericht § 539 ZPO jedenfalls im Ergebnis zu Recht angewendet.

20

IV.

Die Revision der Klägerin bleibt somit ohne Erfolg. Sie ist daher mit der Kostenfolge gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

v. Gamm
Piper
Teplitzky
Mees
Nobbe