Bundesgerichtshof
Urt. v. 18.04.1989, Az.: X ZR 31/88
Aufrechnung; Unstreitige Forderung; Zulässigkeit der Aufrechnung; Unwirksamkeit einer Klausel; AGB; Teilunwirksamkeit; Teilnichtigkeit; Vollnichtigkeit
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 18.04.1989
- Aktenzeichen
- X ZR 31/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 13452
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Nr. 3 AGBG
- § 6 AGBG
Fundstellen
- BGHZ 107, 185 - 191
- DB 1989, 1563-1564 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1989, 810 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1989, 3215-3216 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1990, 59 (amtl. Leitsatz)
- ZIP 1989, 783-785
Amtlicher Leitsatz
1. Eine Bestimmung in AGB, die nach ihrem Wortlaut nur die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen zuläßt, erfaßt sinngemäß auch die Zulässigkeit der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen.
2. An der in BGHZ 92, 312 (316) = NJW 1985, 319 = LM § 9 (c) AGBG Nr. 3 vertretenen Auffassung, daß eine in einer AGB-Bestimmung enthaltene unwirksame Regelung ohne weiteres die Unwirksamkeit der in derselben Bestimmung enthaltenen anderen Regelung, gegen deren Wirksamkeit - für sich gesehen - keine Bedenken bestehen, nach sich ziehe, wird nicht festgehalten.
Tatbestand:
Die Klägerin befaßt sich mit der Herstellung und Montage von Hydraulikanlagen. Die Beklagte ist auf die Herstellung eines sogenannten »Bündelziehkrans« spezialisiert. Mitte des Jahres 1985 beauftragte sie die Klägerin mündlich mit der Erstellung der Elektrosteuerung für einen solchen Kran, mit der Lieferung eines umfangreichen Materialsatzes sowie mit der Montage der Hydraulik. Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Schreiben vom 29. August 1985. Die Auftragsbestätigung schließt mit einem Betrag von 170 665,98 DM. Als Lieferzeit ist angegeben: »Material Mitte November 85, Montage fünf Wochen ab Ende November«. Auf der Vorderseite der Auftragsbestätigung war - durch einen blauen Unterdruck optisch hervorgehoben - darauf hingewiesen, daß die Auftragsdurchführung unter ausschließlicher Zugrundelegung der (umseitigen) Verkaufsbedingungen der Klägerin erfolge. Die Beklagte hat diese »Allgemeinen Geschäftsbedingungen gültig ab 1. April 1977« zusammen mit der Auftragsbestätigung erhalten. Ziffer III 4 der Geschäftsbedingungen der Klägerin lautet:
»Die Zurückhaltung von Zahlungen oder die Aufrechnung wegen etwaiger vom Lieferer bestrittener Gegenansprüche des Bestellers sind nicht statthaft.«
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 84 202,43 DM nebst Zinsen in Anspruch, wobei sich die als solche nicht bestrittene Klageforderung aus einem Restbetrag von 56 898,42 DM gemäß der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 29. August 1985 sowie aus einer Reihe weiterer fälliger und angemahnter Rechnungsbeträge zusammensetzt.
Die Beklagte hat die Aufrechnung mit Ansprüchen erklärt, die ihr wegen Lieferverzugs und Schlechterfüllung gegen die Klägerin zustünden. Sie hat insoweit behauptet, ihre Auftraggeberin, an die sie den Bündelziehkran geliefert habe, habe auf Fertigstellung bis Januar 1986 gedrungen. Deshalb sei mit der Klägerin der Montagetermin »fünf Wochen ab Ende November« vereinbart worden. Insoweit habe es sich um ein Fixgeschäft gehandelt. Die Klägerin habe jedoch weder diesen Termin noch den später auf Februar 1986 festgelegten Termin eingehalten, sondern ihre Arbeiten erst im Mai 1986 abgeliefert. Wie sich in einem von der Auftraggeberin der Beklagten angestrengten Beweissicherungsverfahren ergeben habe, seien die Arbeiten der Klägerin zudem überwiegend mangelhaft gewesen. Die Auftraggeberin der Beklagten habe ihren Schaden mit 160 000 DM beziffert, der sich aus einem zurückbehaltenen Restkaufpreis in Höhe von 110 000 DM, aus nicht bezahlten Rechnungen für Ersatzteile in Höhe von 6 800 DM und für Monteure in Höhe von 1 368 DM sowie aus Verzugsschaden »aus weiteren Gründen« in Höhe von 40 000 DM zusammensetze.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch ihre Revision blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I.
1. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ohne weitere Sachprüfung an dem Aufrechnungsverbot in Ziffer III 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin scheitern lassen, die es im Hinblick auf das Schweigen der Beklagten auf das Bestätigungsschreiben der Klägerin als rechtswirksamen Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages angesehen hat.
2. Mit der Verfahrensrüge aus § 286 ZPO beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht es unterlassen habe, Feststellungen darüber zu treffen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechts (§§ 320, 273 BGB) erfüllt seien. Die Revision verweist insoweit auf den erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten, aus dem sich ergebe, daß die in dem von der Auftraggeberin der Beklagten durchgeführten Beweissicherungsverfahren festgestellten Mängel - abgesehen von unerheblichen Ausnahmen - von der Klägerin zu vertreten seien. Dieser Vortrag habe nicht als unschlüssig behandelt werden dürfen, weshalb das Vorliegen der Voraussetzungen eines Leistungsverweigerungsrechts zugunsten der Beklagten im Revisionsverfahren zu unterstellen sei.
3. Diese Rüge der Revision geht schon deshalb ins Leere, weil die Beklagte gegenüber der unstreitigen Klageforderung in den Vorinstanzen zu keiner Zeit ein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, sondern von Beginn der streitigen Auseinandersetzung der Parteien an stets ausdrücklich nur die Aufrechnung mit ihr angeblich wegen Verzugs bzw. Schlechterfüllung zustehenden Schadensersatzansprüchen erklärt hat. Die wiederholten Aufrechnungserklärungen der Beklagten waren somit unmißverständlich auf Tilgung der Klageforderung und nicht etwa auf Zurückbehaltung des Werklohns bis zur Bewirkung irgendwelcher Gegenleistungen der Klägerin gerichtet.
Ein Nachbesserungs- oder Mängelbeseitigungsverlangen hat die Beklagte an die Klägerin nicht gestellt. Vielmehr hat sie die von ihrer Auftraggeberin gegen sie geltend gemachten Schadensersatz- und Minderungsansprüche in den Vorinstanzen kurzerhand an die Klägerin »weitergegeben«, indem sie mit den ihr daraus angeblich gegen die Klägerin zustehenden Schadensersatzansprüchen die Aufrechnung gegen die unbestrittene Klageforderung erklärt hat. Das Entgegenhalten dieser Gegenansprüche, die weder auf Erfüllung durch die Klägerin - sei es durch Nachbesserung oder durch Mängelbeseitigung - noch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung der Nachbesserungs- oder Mängelbeseitigungspflicht durch die Klägerin noch etwa auf Minderung des Werklohns, sondern unmittelbar auf den Ersatz eines der Beklagten angeblich entstandenen Verzugs- und Werkmangelschadens in Geld gerichtet sind, ist nicht die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechts und kann auch nicht dahin umgedeutet werden. Denn die »Zurückbehaltung« einer fälligen Geldforderung wegen einer ebenfalls auf Geld abzielenden Gegenforderung stellt in Wahrheit nichts anderes als eine Aufrechnung dar (BGH NJW 1984, 128, 129 unter Hinweis auf RGZ 132, 305, 306).
II.
Es geht daher bei der weiteren Beurteilung des Falles nicht mehr um die Frage, ob der Beklagten gegenüber der Klägerin ein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht zusteht, sondern allein darum, ob die von der Beklagten erklärte Aufrechnung die Klageforderung zu Fall bringt (§ 389 BGB). Diese Frage ist im Hinblick auf das in Ziffer III 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Aufrechnungsverbot zu verneinen.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Parteien die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bei Vertragsabschluß wirksam vereinbart haben. Dagegen richtet die Revision keine Angriffe.
2. Ziffer III 4 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen erklärt die Zurückbehaltung von Zahlungen oder die Aufrechnung wegen etwaiger von der Klägerin bestrittener Gegenansprüche des Bestellers für unstatthaft. Damit ist zugleich gesagt, daß die Zurückbehaltung oder Aufrechnung wegen unbestrittener Gegenforderungen zulässig sein soll. Die Bestimmung hält sich damit hinsichtlich des in ihr enthaltenen Aufrechnungsverbotes im Rahmen dessen, was gemäß § 11 Nr. 3 AGBG statthaft ist. Um so weniger begegnet die Bestimmung hier in Anbetracht der Tatsache, daß die Parteien Kaufleute sind (§§ 13 Abs. 3 GmbHG, 6 Abs. 1 HGB) und der Vertrag sich auf ihr Handelsgewerbe bezieht (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG), auch unter diesem Gesichtspunkt der nach § 24 Satz 2 AGBG anwendbaren Generalklausel des § 9 AGBG rechtlichen Bedenken.
Allerdings verhält sich die Ziffer III 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ihrem Wortlaut nach allein über die Zulässigkeit der Aufrechnung mit unbestrittenen Gegenansprüchen, nicht dagegen über die mit rechtskräftig festgestellten Forderungen, gegenüber denen ein Aufrechnungsverbot gemäß § 11 Nr. 3 AGBG ebenfalls unzulässig ist. Rechtskräftig festgestellte Forderungen im Sinne dieser Vorschrift stellen jedoch nur einen Unterfall der unbestrittenen Forderungen dar, weil sie mit präkludierten Einwendungen nicht mehr bestritten werden können. Eine Bestimmung, die - wie im zu entscheidenden Fall - nur die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen vorsieht, erfaßt daher sinngemäß auch rechtskräftig festgestellte Forderungen (ebenso Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 2. Aufl. § 11 Nr. 3 Rdn. 6; Palandt/Heinrichs, BGB 48. Aufl. § 11 AGBG Anm. 3 a; OLG Hamm NJW 1983, 523, 525 [OLG Hamm 18.10.1982 - 2 W 29/82] und OLG Frankfurt/Main WM 1986, 139, 141). Da sich dies unmittelbar aus dem Sinnzusammenhang der AGB-Bestimmung ergibt, liegt insoweit auch keine unzulässige »geltungserhaltende Reduktion« vor.
3. Mit Recht weist die Revision allerdings auf das Urteil des erkennenden Senats vom 16. Oktober 1984 (BGHZ 92, 312, 316 Abs. 2 a. E.) hin, in dem ausgesprochen worden ist, daß eine jedenfalls teilweise gegen die Grundsätze des § 9 AGBG verstoßende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in ihrer Gesamtheit unwirksam sei, auch soweit sie Bestandteile enthalte, die - für sich gesehen - nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstießen.
Die sich aus dieser Rechtsprechung für den vorliegenden Fall ergebende Frage, ob das in Ziffer III 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin - neben dem für sich gesehen zulässigen Aufrechnungsausschluß - enthaltene Verbot der Zurückbehaltung wegen bestrittener Gegenansprüche des Bestellers trotz der darin liegenden Einschränkung jedenfalls im kaufmännischen Verkehr mit dem Benachteiligungsverbot des § 9 AGBG zu vereinbaren ist (bejahend u. a. Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 5. Aufl. § 11 Nr. 2 Rdn. 15; Palandt/Heinrichs, BGB 48. Aufl. § 11 AGBG Anm. 2 c; MünchKomm/Krötz 2. Aufl. § 11 Nr. 2 Rdn. 22; a. A. u. a. Löwe/von Westphalen/Trinkner, AGBG 2. Aufl. § 11 Nr. 2 Rdn. 29; Staudinger/Schlosser, BGB 12. Aufl. § 11 Nr. 2 AGBG Rdn. 8), braucht indessen nicht entschieden zu werden. Soweit nämlich der erkennende Senat in dem oben angeführten Urteil vom 16. Oktober 1984 die Auffassung vertreten hat, daß eine in einer AGB-Bestimmung enthaltene unwirksame Regelung ohne weiteres die Unwirksamkeit einer in derselben Bestimmung enthaltenen anderen Regelung, gegen deren Wirksamkeit - für sich gesehen - keine Bedenken bestehen, nach sich ziehe, hält er hieran nach erneuter Überprüfung nicht fest. Der Senat schließt sich vielmehr der vom VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertretenen Auffassung an, nach der inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen, unwirksamen Regelungen stehen (vgl. BGH NJW 1982, 178, 181; 2311, 2312 f.; 1984, 2687, 2688 [BGH 04.04.1984 - VIII ZR 313/82]; 1985, 320, 325; WM 1987, 1338, 1340). Dieselbe Auffassung vertritt der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (NJW 1984, 2816, 2817; 1988, 2106, 2107). Nur wenn der als unwirksam anzusehende Rest im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere wenn der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, daß von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muß, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH NJW 1984, 2816, 2817).
An diesen Grundsätzen gemessen läßt eine etwaige Unwirksamkeit der die Rechte des Bestellers aus §§ 273, 320 BGB beschneidenden Teilregelung der Ziffer III 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin das in derselben Bestimmung enthaltene Aufrechnungsverbot unberührt. Trotz ihrer sprachlichen Zusammenfassung in einem Satz sind beide Regelungen inhaltlich voneinander trennbar und einzeln aus sich heraus verständlich. Insbesondere der kaufmännische Vertragspartner des Klauselverwenders erkennt ohne Schwierigkeit, daß beide Regelungen einen unterschiedlichen Regelungsgehalt haben, auch wenn sie im Ergebnis jeweils auf eine (vorübergehende oder endgültige) Nichtzahlung des Werklohns an den Unternehmer hinauslaufen. Jedenfalls hat eine etwaige Unwirksamkeit der einen Regelung für die Wirksamkeit der anderen keine erkennbare Bedeutung; diese bleibt auch dann noch sinnvoll, wenn jene entfällt.
4. Nach allem ist der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Aufrechnungsausschluß wirksam und deshalb die von der Beklagten erklärte Aufrechnung als unzulässig zurückzuweisen (BGH WM 1986, 477). Das Berufungsgericht ist daher im Ergebnis zutreffend nicht mehr auf die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen eingegangen, sondern hat die nach Grund und Höhe unbestrittene Klageforderung für begründet angesehen.
Der Beklagten bleibt es unbenommen, ihre behaupteten Gegenforderungen ungeachtet des für sie ungünstigen Ausgangs des vorliegenden Rechtsstreits in einem anderen Rechtsstreit gegen die Klägerin einzuklagen.