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Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.02.1989, Az.: IX ZR 99/88

Feststellung des übereinstimmenden Willens beider Parteien bei der Abgabe und Annahme der Bürgschaftserklärung ; Haftungsbeschränkung des Bürgen im Text der Bürgschaftsurkunde; Nichtigkeit einer Bürgschaftserklärung, welche der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform ermangelt; Bestimmbarkeit von Gläubiger und Schuldner aufgrund der Bürgschaftsurkunde bei fehlender ausdrücklicher Nennung; Erklärung des Willens, für eine fremde Schuld einzustehen, Bezeichnung des Gläubigers und der verbürgten Hauptschuld als Mindestinhalt der Bürgschaftsurkunde

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
02.02.1989
Aktenzeichen
IX ZR 99/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 13049
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 18.03.1988
LG Münster - 05.06.1987

Fundstellen

  • MDR 1989, 538-539 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1989, 1484-1486 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1989, 819 (amtl. Leitsatz)
  • ZIP 1989, 434-437

Prozessführer

Alexander Z., E. straße ..., C.-R.,

Prozessgegner

Helmut G., B. straße ..., N.,

Amtlicher Leitsatz

Sind die den Hauptinhalt der Bürgschaftsverpflichtung umgrenzenden wesentlichen Vertragsbestandteile (hier: die Bezeichnung der verbürgten Hauptschuld und des Hauptschuldners) nicht wenigstens in hinlänglich klaren Umrissen in der Bürgschaftsurkunde angegeben, ist die Bürgschaft auch dann wegen Formmangels nichtig, wenn die Vertragsparteien sich über den Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung einig waren.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 1989
durch
den Vorsitzenden Richter Merz und
die Richter Henkel, Fuchs, Gärtner und Winter
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. März 1988 aufgehoben und das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 5. Juni 1987 abgeändert, soweit es die Widerklage abgewiesen hat.

Auf die Widerklage wird festgestellt, daß die Bürgschaft des Beklagten vom 31. Mai 1984 unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Der Vater des Beklagten betrieb einen Weinhandel. Der Kläger gewährte ihm nach seinem Vortrag zum Umbau einer Probierstube ein Darlehen von 40.000 DM sowie einen Wechselkredit. Außerdem übernahm er am 22. Dezember 1983 gegenüber der V. bank O. eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM zuzüglich Zinsen, Provisionen und Kosten für die Bankverbindlichkeiten des Vaters des Beklagten.

2

Im Frühjahr 1984 trat der Kläger an den Beklagten, der damals noch Zahnmedizin studierte, heran, um ihn zur Übernahme einer Bürgschaft zu bewegen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger bei diesem Vorgespräch, an dem auch der Vater des Beklagten teilnahm, von dem Beklagten verlangt hat, ihm - dem Kläger - gegenüber eine Rückbürgschaft für den Fall zu übernehmen, daß er aus der zugunsten der V. bank O. übernommenen Bürgschaft in Anspruch genommen werde und mit seinem Rückgriffsanspruch gegen den Vater des Beklagten ausfalle (so die Behauptung des Klägers), oder ob der Kläger die Übernahme einer Ausfallbürgschaft gegenüber einer nicht näher bezeichneten Bank für seine eigenen Bankverbindlichkeiten gefordert hat (so die Darstellung des Beklagten). Der Beklagte lehnte zunächst die Abgabe einer schriftlichen Bürgschaftserklärung ab. Auf Drängen seines Vaters übersandte er jedoch dem Kläger einige Wochen später eine selbstverfaßte und eigenhändig unterschriebene Erklärung vom 31. Mai 1984 mit folgendem Inhalt:

"Ich ... übernehme hiermit für Herrn Helmut G. (Kläger) eine Ausfallbürgschaft über

DM 100.000 (einhunderttausend),

wobei diese nicht während des Studiums, der Assistenzzeit und der Praxisgründungs- und Aufbauzeit in Kraft tritt, um die wirtschaftliche Existenz des Bürgen nicht zu gefährden oder in Frage zu stellen."

3

Eine mit seiner Unterschrift versehene Durchschrift dieser Erklärung sandte der Kläger an den Beklagten zurück.

4

Im Oktober 1985 nahm die V. bank O. den Kläger aus seiner Bürgschaft vom 22. Dezember 1983 in Höhe von 119.061,38 DM in Anspruch. Nachdem der Beklagte sein zahnmedizinisches Examen bestanden hatte, forderte der Kläger aufgrund der Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 31. Mai 1984 mit der Klage einen Teilbetrag von 10.000 DM zuzüglich Zinsen. Der Beklagte beantragte widerklagend die Feststellung, daß er dem Kläger aus der Ausfallbürgschaft vom 31. Mai 1984 nichts schulde. Das Landgericht wies Klage und Widerklage ab. Die Berufung des Beklagten mit dem Antrag, auf die Widerklage hin festzustellen, daß die Bürgschaft vom 31. Mai 1984 unwirksam sei, hilfsweise, daß dem Kläger aus der Bürgschaft vom 31. Mai 1984 kein Anspruch gegen den Beklagten zustehe, hatte keinen Erfolg.

5

Mit der Revision verfolgt der Beklagte die Widerklageanträge aus dem Berufungsrechtszuge weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg. Der gemäß § 256 ZPO zulässige Hauptantrag der Feststellungswiderklage ist begründet.

7

1.

Das Berufungsgericht stellt fest, dem übereinstimmenden Willen beider Parteien bei der Abgabe und Annahme der Bürgschaftserklärung vom 31. Mai 1984 habe es entsprochen, daß der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Rückbürgschaft über 100.000 DM für den Fall übernehme, daß der Kläger von der V. bank O. aus seiner Bürgschaftserklärung vom 22. Dezember 1983 in Anspruch genommen werde und mit seinem Rückgriffsanspruch gegen den Vater des Beklagten ausfalle. Diese Feststellung gründet sich auf eine Würdigung der objektiven Interessenlage der Beteiligten, die vom Berufungsgericht als glaubhaft angesehene Darstellung des Vorgesprächs durch den Kläger, ferner den Umstand, daß der Bürgschaftsvertrag zwischen den Parteien und nicht zwischen dem Beklagten und einer Bank geschlossen worden sei, sowie auf die Haftungsbeschränkung des Bürgen im Text der Bürgschaftsurkunde, die als private Rücksichtnahme aufgrund der persönlichen Bekanntschaft der Parteien verständlich sei, aber für eine Bank nicht annehmbar gewesen wäre.

8

Ob die Angriffe der Revision gegen diese Feststellung und die ihr zugrundeliegende Tatsachenwürdigung begründet sind, kann dahinstehen; denn der Revision muß aus einem anderen Grund stattgegeben werden.

9

2.

Nach § 766 Satz 1 BGB ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Die Voraussetzungen, unter denen eine formfreie Bürgschaftserklärung wirksam wäre, liegen hier nicht vor. Eine Bürgschaftserklärung, welche der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform ermangelt, ist gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.

10

Das Berufungsgericht meint, dem Schriftformerfordernis sei durch die Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 31. Mai 1984 genügt. Die Bürgschaftsurkunde lasse den Verbürgungswillen, den verbürgten Betrag sowie die Person des Gläubigers und des Schuldners erkennen. Wenngleich in der Urkunde Gläubiger und Schuldner nicht genannt seien, seien sie doch aus der Urkunde bestimmbar. Dazu genüge es, daß sich die Personenbeziehung aus der verbürgten Forderung ergebe. Das sei hier der Fall. Die Bürgschaftsurkunde weise einen Höchstbetrag von 100.000 DM aus, der mit dem Betrag der von dem Kläger gegenüber der V. bank O. übernommenen Bürgschaft übereinstimme. Dieses sei kein Zufall, sondern das Ergebnis der konkreten Absprache der Parteien. Eine andere Bürgschaft des Klägers, für die eine Rückbürgschaft des Beklagten in Betracht gekommen wäre, habe nicht im Raum gestanden. Aus dem Urkundentext sei mithin die verbürgte Forderung einschließlich der Personen des Schuldners und des Gläubigers bestimmbar gewesen.

11

Gegen diese Ausführungen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

12

a)

Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, muß die Urkunde nach § 126 Abs. 1 BGB von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Das Erfordernis eigenhändiger Namensunterschrift erfüllt die Bürgschaftserklärung vom 31. Mai 1984.

13

§ 126 Abs. 1 BGB setzt jedoch weiterhin voraus, daß das eigenhändig unterschriebene Schriftstück das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft enthält. Welchen Mindestinhalt die Urkunde haben muß, ist aus der jeweils maßgebenden Formvorschrift unter Berücksichtigung von deren Zweck zu entnehmen (vgl. BGHZ 57, 53, 57 ff), hier also dem § 766 BGB.

14

Die Bürgschaft ist ein streng einseitiges, risikoreiches Geschäft. Das Schriftformerfordernis für die Bürgschaftserklärung bezweckt die Warnung des Bürgen vor der mit ihr verbundenen strengen Haftung. Der Warnfunktion wird nicht schon dadurch genügt, daß der Bürge überhaupt ein Schriftstück unterzeichnet, aus dem sich sein Verbürgungswille ergibt. Vielmehr ist das zu übernehmende Risiko in der Urkunde zu bezeichnen und einzugrenzen und so dem Bürgen bei Abgabe der Bürgschaftserklärung vor Augen zu führen (vgl. BGHZ 76, 187, 189). Der Bundesgerichtshof fordert deshalb in ständiger Rechtsprechung neben der Erklärung des Willens, für eine fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, der verbürgten Hauptschuld und damit des Hauptschuldners (BGH, Urt. v. 29. Mai 1984 - IX ZR 57/83, WM 1984, 924; v. 20. Juni 1985 - IX ZR 173/84, WM 1985, 1172, 1173). Das bedeutet allerdings nicht, daß sich diese notwendigen Bestandteile einer Bürgschaftserklärung eindeutig und zweifelsfrei allein aus dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde ergeben müssen. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung des Bürgschaftstextes schadet nicht, wenn die sich daraus ergebenden Zweifel im Wege der Auslegung, zu der auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden dürfen, behoben werden können. Erforderlich ist nur, daß sich aus dem Urkundeninhalt selbst ein zureichender Anhaltspunkt für diese Auslegung ergibt (BGH, Urt. v. 29. Mai 1984 a.a.O. S. 925; v. 20. Juni 1985 aaO). Die durch das Schriftformerfordernis gezogene Grenze wird erst dann überschritten, wenn in der Bürgschaftsurkunde fehlende wesentliche Angaben ausschließlich anhand von Umständen ermittelt werden können, die außerhalb der Urkunde liegen.

15

Von diesen Rechtsgrundsätzen geht das Berufungsgericht an sich zutreffend aus. Seiner Auffassung, der von ihm durch Auslegung ermittelte Parteiwille - der hier zugunsten des Klägers unterstellt wird - habe in der Bürgschaftsurkunde noch einen hinreichenden Ausdruck gefunden, vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.

16

b)

Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß die Urkunde einen genügenden Anhaltspunkt für die Auslegung enthält, der Beklagte habe sich gegenüber dem Kläger verbürgt. Die Formulierung, der Beklagte übernehme "für" den Kläger eine Ausfallbürgschaft, kennzeichnet den Kläger zwar nicht zweifelsfrei als Gläubiger. Juristischem Sprachgebrauch entspricht es eher, darin die Bezeichnung des Hauptschuldners zu sehen, "für" dessen Verbindlichkeit der Bürge einstehen will; Gläubiger ist dagegen nach dem Sprachgebrauch des § 765 Abs. 1 BGB derjenige, "gegenüber" dem die Bürgschaftsverpflichtung übernommen wird. Da die Bürgschaftserklärung von einem juristischen Laien formuliert worden ist, hat jedoch das Berufungsgericht mit Recht diesem juristischen Sprachgebrauch keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Auslegung zugemessen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch läßt sich die in der Bürgschaftsurkunde verwendete Formulierung auch als Bezeichnung des Bürgschaftsgläubigers verstehen, "für" dessen Forderung der Bürge sich verbürgen will. Es steht deshalb mit den oben dargestellten Auslegungsgrundsätzen in Einklang, daß das Berufungsgericht die Nennung des Klägers in der Bürgschaftsurkunde unter Heranziehung von außerhalb der Urkunde gelegenen Umständen als Bezeichnung des Gläubigers auslegt.

17

c)

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts enthält die Bürgschaftsurkunde jedoch keinen zureichenden Anhaltspunkt für die Ermittlung der verbürgten Hauptschuld und des Hauptschuldners. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts, das der Darstellung des Klägers folgt, entsprach es dem übereinstimmenden Willen der Parteien, daß der Beklagte sich gegenüber dem Kläger für dessen Rückgriffsanspruch gegen den Vater des Beklagten aus der Bürgschaft vom 22. Dezember 1983 verbürgen sollte. Gewollt war also nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Rückbürgschaft (vgl. dazu Palandt/Thomas, BGB 48. Aufl. Einführung 2 b vor § 765). Dieser Parteiwille hat in der Bürgschaftsurkunde keinen genügenden Ausdruck gefunden.

18

Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, enthält die Bürgschaftsurkunde keinen unmittelbaren Hinweis auf den Vater des Beklagten als Hauptschuldner der verbürgten Rückgriffsforderung. Dies wäre unschädlich, wenn die Urkunde wenigstens einen zureichenden Anhaltspunkt für die Feststellung der verbürgten Hauptforderung enthalten würde; denn aus der Feststellung der Hauptverbindlichkeit ergibt sich notwendig auch die Person des Hauptschuldners. Auch für die verbürgte Hauptschuld fehlt jedoch ein ausreichender Anhaltspunkt in der Bürgschaftsurkunde.

19

aa)

Der in der Urkunde angebene Betrag von 100.000 DM bildet für sich keinen genügenden Anhaltspunkt. Nach der rechtsirrtumsfreien Wertung des Berufungsgerichts handelt es sich um die Angabe des Höchstbetrages der Bürgenhaftung. Bezeichnet ist also in der Bürgschaftsurkunde nur die Bürgschaftssumme, nicht aber der Betrag der verbürgten Hauptverbindlichkeit. Es stellt sich deshalb von vornherein nicht die Frage, ob die verbürgte Hauptverbindlichkeit durch Angabe ihres Betrages in der Bürgschaftsurkunde hinreichend gekennzeichnet werden kann. Die Angabe einer Bürgschaftssumme allein stellt jedenfalls keinen ausreichenden Hinweis auf Art und Umfang der verbürgten Hauptschuld dar. Sie bezeichnet nur die betragsmäßige Grenze, bis zu der der Bürge dem Gläubiger äußerstenfalls haften will, und entspricht nicht notwendig dem Bestand der Hauptverbindlichkeit, der innerhalb der Grenzen des Höchstbetrages gemäß § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Verpflichtung des Bürgen maßgebend ist. Der Höchstbetrag der Bürgenhaftung bildet für sich insbesondere dann keinen ausreichenden Hinweis auf die verbürgte Hauptschuld, wenn dem Gläubiger mehrere Forderungen zustehen, die als Gegenstand der Bürgschaft in Betracht kommen. So liegt der Fall hier. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger zugunsten des Vaters des Beklagten nicht nur eine Bürgschaft übernommen/aus der ihm ein Rückgriffsanspruch erwachsen konnte; er hat ihm vielmehr auch ein Darlehen von 40.000 DM und Wechselkredite eingeräumt. Auch darauf hatte er nach seiner Darstellung den Beklagten bei dem Vorgespräch im Frühjahr 1984 hingewiesen. Dem Umstand allein, daß der Höchstbetrag der vom Beklagten übernommenen Bürgschaft in etwa dem Betrag der vom Kläger für den Vater des Beklagten übernommenen Bürgschaft entsprach, kann bei dieser Sachlage kein Hinweis mehr entnommen werden, daß von den Forderungen des Klägers gerade der Rückgriffsanspruch aus der von ihm gegenüber der V. bank O. übernommenen Bürgschaft verbürgt sein sollte.

20

bb)

Der Wille, gerade den Rückgriffsanspruch des Klägers aus der für den Vater des Beklagten übernommenen Bürgschaft zu verbürgen, könnte allerdings dann in der Urkunde einen genügenden Anhalt finden, wenn im Urkundentext zum Ausdruck käme, daß es sich bei der vom Beklagten übernommenen Bürgschaft um eine Rückbürgschaft handele; aus dem Begriff der Rückbürgschaft ergibt sich nämlich, daß der Rückbürge einem anderen Bürgen für dessen Rückgriffsforderung gegen den Hauptschuldner einstehen will. Die schriftliche Bürgschaftserklärung des Beklagten enthält indessen weder den Ausdruck "Rückbürgschaft", noch nimmt sie in sonstiger Weise auf die von dem Kläger für den Vater des Beklagten übernommene Bürgschaft Bezug.

21

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die in dieser Hinsicht nicht eindeutig sind, könnten allerdings dahin verstanden werden, daß die Parteien mit dem in der Bürgschaftsurkunde verwendeten Begriff "Ausfallbürgschaft" übereinstimmend das Vorliegen einer Rückbürgschaft ausdrücken wollten. In diesem Fall wäre der Begriff "Ausfallbürgschaft" lediglich als Falschbezeichnung zu werten, das heißt als eine unrichtige Bezeichnung des von den Beteiligten übereinstimmend Gewollten. Haben Parteien den Vertragsgegenstand versehentlich falsch bezeichnet, übereinstimmend sich aber etwas anderes vorgestellt und gewollt, so gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Bereich formbedürftiger Rechtsgeschäfte nicht das objektiv Erklärte, sondern das Gewollte, wenn das objektiv Erklärte dem Formerfordernis genügt (vgl. BGHZ 74, 116, 119;  87, 150, 152 ff [BGH 25.03.1983 - V ZR 268/81]). Hätten also hier die Parteien übereinstimmend mit dem Begriff "Ausfallbürgschaft" einen Bedeutungsinhalt verbunden, der in der Rechtssprache unter dem Begriff "Rückbürgschaft" zusammengefaßt wird, so wäre die Bürgschaftsurkunde so zu lesen, als stände dort anstelle von "Ausfallbürgschaft" das Wort "Rückbürgschaft".

22

Die Feststellungen des Berufungsgerichts und der Parteivortrag ergeben indessen nicht, daß hier eine Falschbezeichnung in dem eben dargestellten Sinne vorliegt. Das folgt insbesondere nicht schon daraus, daß die Parteien nach der Feststellung des Berufungsgerichts übereinstimmend eine Rückbürgschaft wollten. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind erkennbar von der Vorstellung beeinflußt, dem Begriff "Ausfallbürgschaft" stehe in einem Gegensatz zu dem Begriff "Rückbürgschaft"; eine Ausfallbürgschaft könne also nicht vorliegen, wenn eine Rückbürgschaft gewollt sei. Das ist nicht richtig. Die Vereinbarung einer Ausfallbürgschaft besagt, daß der Ausfallbürge erst haftet, wenn der Gläubiger trotz Zwangsvollstreckung beim Hauptschuldner und wegen Fehlens oder Versagens sonstiger Sicherheiten einen Ausfall erlitten hat. Anders als bei der gewöhnlichen Bürgschaft braucht der Ausfallbürge nicht erst die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) zu erheben, um den Gläubiger im Rechtsstreit zur Darlegung eines entsprechenden Ausfalls zu zwingen. Darüber hinaus entfällt die Haftung des Ausfallbürgen anders als im Regelfall bereits dann, wenn der Gläubiger selbst den Ausfall durch Verletzung von Sorgfaltspflichten verschuldet hat (BGH, Urt. v. 18. Oktober 1978 - VIII ZR 278/77, NJW 1979, 646). Die Vereinbarung einer Ausfallbürgschaft verstärkt also nur die in § 771 BGB bereits angelegte Subsidiarität der Bürgenhaftung. Auch eine Rückbürgschaft kann als Ausfallbürgschaft in dem vorstehend dargestellten Sinne vereinbart werden. Der in der Bürgschaftserklärung des Beklagten verwendete Begriff "Ausfallbürgschaft" besagt deshalb weder etwas für noch gegen das Vorliegen einer Rückbürgschaft.

23

Die Umstände, aus denen das Berufungsgericht die Vereinbarung einer Rückbürgschaft gefolgert hat, ergeben nicht, daß nach dem übereinstimmenden Parteiwillen gerade durch die Verwendung des Begriffs "Ausfallbürgschaft" in der Bürgschaftsurkunde die Vereinbarung einer Rückbürgschaft ausgedrückt werden sollte. Weder die vom Berufungsgericht dargestellte Interessenlage der Beteiligten, noch der Inhalt des Vorgesprächs oder der schriftlichen Bürgschaftserklärung läßt eine solche Schlußfolgerung zu. Vielmehr ergeben sich aus dem Text der Bürgschaftsurkunde sowie aus der Darstellung des Klägers über den Inhalt des Vorgesprächs Anhaltspunkte dafür, daß mit dem Begriff "Ausfallbürgschaft" durchaus das ausgedrückt werden sollte, was er objektiv bedeutet. Der Bürgschaftstext läßt nämlich erkennen, daß die Bürgenhaftung des Beklagten, der sich bei Abgabe der Bürgschaftserklärung noch im Studium befand, so schonend wie möglich gestaltet werden sollte. Darüber hinaus hat nicht nur der Beklagte, sondern auch der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung durch das Berufungsgericht den Ausdruck "Ausfallbürgschaft" dahin erläutert, daß damit eine Ausfallhaftung des Beklagten gemeint gewesen sei. Die Darstellungen der Parteien gingen nur insoweit auseinander, als streitig war, für wessen Ausfall der Beklagte einstehen sollte. Das Vorliegen einer Falschbezeichnung ist also weder ausreichend festgestellt, noch überhaupt durch den insoweit darlegungspflichtigen Kläger schlüssig vorgetragen.

24

Danach beruht die Feststellung der verbürgten Hauptschuld und des Hauptschuldners hier letztlich nur auf Umständen, die außerhalb der schriftlichen Bürgschaftserklärung des Beklagten liegen. Die Angabe des Bürgschaftsbetrages in der Urkunde, die allein als denkbarer Anknüpfungspunkt verbleibt, hat - wie bereits dargelegt wurde - so wenig Aussagekraft in bezug auf die verbürgte Hauptschuld und den Hauptschuldner, daß dadurch allein das gesetzliche Schriftformerfordernis für diese wesentlichen Bestandteile der Bürgschaftserklärung nicht mehr als gewahrt angesehen werden kann. Die Geltung des Parteiwillens, auf den es bei Willenserklärungen in der Regel entscheidend ankommt und der daher nach § 133 BGB regelmäßig auch dann maßgebend ist, wenn er im Wortlaut der Erklärung nur einen unzulänglichen Ausdruck gefunden hat, findet ihre Grenze in den gesetzlichen Formvorschriften; bei formbedürftigen Willenserklärungen entscheidet nicht mehr der irgendwie geäußerte Parteiwille, sondern nur der in der vorgeschriebenen Form erklärte. Die Berücksichtigung von Umständen außerhalb der Urkunde bei der Auslegung wird zwar durch den Schutzzweck der Formvorschriften nicht vollständig ausgeschlossen. Sie ist jedoch nicht unbeschränkt zulässig. Die Zulässigkeitsgrenze wird bei der Bürgschaftserklärung dort überschritten, wo die den Hauptinhalt der Bürgschaftsverpflichtung umgrenzenden wesentlichen Vertragsbestandteile nicht wenigstens in hinlänglich klaren Umrissen im Text der formgerechten Urkunde selbst angegeben sind (vgl. BGHZ 63, 359, 363). So ist es im vorliegenden Fall.

25

Die Bürgschaftserklärung des Beklagten ist, wenn man mit dem Berufungsgericht den vom Kläger behaupteten Vertragsinhalt als übereinstimmend gewollt ansieht, gemäß § 125 Satz 1 BGB formnichtig.

Merz
Henkel
Fuchs
Gärtner
Winter