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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.12.1988, Az.: II ZR 129/88

Zulässigkeit einer unselbständigen Anschlussberufung bei zwei Anträgen, gegen den Berufungskläger und gegen eine neben diesen tretende, am Verfahren bisher nicht beteiligte Partei; Anschlussberufung durch einen vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten bestimmenden Schriftsatz oder lediglich eine in der mündlichen Verhandlung abgegebene und dort protokollierte Erklärung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.12.1988
Aktenzeichen
II ZR 129/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 14844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 19.02.1988
LG München - 03.08.1987

Fundstellen

  • MDR 1989, 522 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1989, 441 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Abraham B.-D., O. straße ..., M.,

Prozessgegner

1. H. B.-C. GmbH & Co. Bau KG,
gesetzlich vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, die H. B.-C. GmbH,
diese gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer Marin D., N. Straße ..., M. 19,

2. Marin D., E. straße ..., M. 81,

3. Horst von M., H. straße ..., M. 19,

4. H. B.-C. GmbH,
gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer Martin D., N. Straße ..., M. 19,

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Werden mit einer unselbständigen Anschlußberufung Anträge nicht nur gegen den Berufungskläger, sondern auch gegen eine neben diesen tretende, am Verfahren bisher nicht beteiligte Partei gestellt, so ist die Anschlußberufung insoweit unzulässig.

  2. b)

    Schließt ein Kläger sich in der Berufungsinstanz der Berufung des Beklagten unselbständig an, so kann das nur durch einen von seinem Prozeßbevollmächtigten unterzeichneten bestimmenden Schriftsatz geschehen; eine in der mündlichen Verhandlung abgegebene und dort protokollierte Erklärung ist für die Anschließung nicht ausreichend.

In dem Rechtsstreit
hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 1988
durch
den Vorsitzenden Richter Boujong und
die Richter Brandes, Röhricht, Dr. Henze und und Stodolkowitz
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Februar 1988 wird verworfen, soweit sie sich dagegen wendet, daß die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Revision mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die unselbständige Anschlußberufung gegen das Urteil der 15. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 3. August 1987 (Erweiterung der Klage auf die Beklagten zu 2 bis 4) als unzulässig verworfen wird.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages der verklagten GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 1, beträgt das Stammkapital der Gesellschaft 100.000,00 DM. Hieran sind die Komplementär-GmbH, die Beklagte zu 4, mit einer Einlage von 5.000,00 DM, der Kläger mit einer Einlage von 57.000,00 DM und die Beklagten zu 2 und 3 mit Einlagen von je 19.000,00 DM beteiligt. Nach § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages entscheidet die Gesellschafterversammlung mit der Mehrheit der Stimmen, wobei je 1.000,00 DM Beteiligung eine Stimme gewähren; § 7 Abs. 3 bestimmt, daß Gesellschafterbeschlüsse nur binnen vier Wochen seit Beschlußfassung durch Klage angefochten werden können. § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages gestattet, Geschäftsanteile aus wichtigem Grunde einzuziehen.

2

Am Gesamtkapital der Beklagten zu 4 in Höhe von 100.000,00 DM sind der Kläger zu 60 % und die Beklagten zu 2 und 3 zu je 20 % beteiligt. Der Beklagte zu 2 ist deren Geschäftsführer.

3

In einer für den 17. März 1987 einberufenen Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1 beschloß der Beklagte zu 3 allein mit seinen Stimmen, den Gesellschaftsanteil des Klägers aus denselben Gründen einzuziehen, aus denen er zuvor schon den Geschäftsanteil des Klägers an der Beklagten zu 4 eingezogen hatte. Der Kläger hat innerhalb der von der Satzung vorgeschriebenen Frist Klage gegen die Beklagte zu 1 mit dem Antrag erhoben, die Einziehung für nichtig zu erklären, hilfsweise, festzustellen, daß sie unwirksam sei.

4

Das Landgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Dagegen hat sich die Beklagte zu 1 mit der Berufung gewendet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger durch Erklärung zu Protokoll des Gerichts die Klage mit dem Antrage erweitert, die Unwirksamkeit der Einziehung des Gesellschaftsanteils auch gegenüber den Beklagten zu 2 bis 4 festzustellen. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 mangels Passivlegitimation und die gegen die Beklagten zu 2 bis 4 abgewiesen, weil der Kläger die Anfechtungsfrist versäumt habe. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klaganträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

6

1.

Sie wird verworfen, soweit der Kläger rügt, daß das Berufungsgericht die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen hat. In diesem Punkt ist die Revision unzulässig, weil der Kläger nicht begründet, auf welchen Rechtsfehlern die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhen soll, vielmehr die Ansicht des Berufungsgerichts teilt, daß die Beklagte zu 1 nicht passivlegitimiert sei.

7

2.

Soweit die Revision sich gegen die Beklagten zu 2 bis 4 richtet, ist sie unbegründet.

8

a)

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage auf der Passivseite um die Beklagten zu 2 bis 4 wirksam erweitert worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zu 1 habe für die Beklagten zu 2 bis 4 zur Sache verhandelt, ohne zu rügen, daß Förmlichkeiten nicht eingehalten worden seien; er habe zur Frage, ob die Klage zulässig erweitert und begründet sei, Stellung genommen und dadurch schlüssig beantragt, sie abzuweisen. Die Beklagten zu 2 bis 4 hätten zwar der Erweiterung der Klage nicht zugestimmt; doch komme es darauf nicht an, weil ihre Weigerung rechtsmißbräuchlich sei. Diese Beurteilung trägt die Entscheidung nicht, weil mit der Klageerweiterung Normen verletzt worden sind, auf deren Einhaltung die Beklagten nicht verzichten konnten, so daß eine Heilung nach § 295 ZPO entfällt.

9

b)

Dem Kläger ging es in der Berufungsinstanz nicht nur um die Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 1; er wollte vielmehr das Ersturteil zu seinen Gunsten dahingehend abgeändert wissen, daß außer der Beklagten zu 1 auch die Beklagten zu 2 bis 4 verurteilt wurden. Ein Kläger, der in erster Instanz obsiegt, kann in der Berufungsinstanz seine Klage nur dadurch erweitern, daß er sich der Berufung des Beklagten unselbständig anschließt (§ 521 Abs. 1 ZPO). Geschehen kann das nach § 522 a Abs. 1 ZPO nur durch einen vom Prozeßbevollmächtigten des Berufungsbeklagten unterzeichneten bestimmenden Schriftsatz; eine in der mündlichen Verhandlung abgegebene und dort protokollierte Erklärung, der bisherige Klagantrag werde dahin erweitert, daß er sich auch gegen bestimmte, am Verfahren bisher nicht beteiligte Beklagte richte, ist nicht ausreichend (vgl. BGHZ 33, 169, 172 f.; BAG, Urt. v. 28. Oktober 1981 - 4 AZR 251/79, NJW 1982, 1175). Auch muß die Anschlußschrift spätestens in dem Zeitpunkt, in dem die Anträge gestellt werden, beim Gericht eingereicht sein; sie kann nicht der Antragstellung nach Schluß der mündlichen Verhandlung nachfolgen (vgl. BGH, Beschl. v. 22. September 1961 - V ZB 23/61, NJW 1961, 2309). Im vorliegenden Falle fehlte die Anschlußschrift, als der Kläger die Anträge zu Protokoll des Gerichts stellte. Die Verletzung der Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen ist grundsätzlich einer Heilung entzogen (vgl. BGHZ 65, 46, 48;  101, 134, 140).

10

c)

Die Anschlußberufung des Klägers ist aber noch aus einem weiteren Grunde unzulässig. Die unselbständige Anschlußberufung ist kein Rechtsmittel, sondern ermöglicht dem Berufungsbeklagten nur, Anträge innerhalb einer fremden Berufung zu stellen (vgl. BGHZ 80, 146, 148;  83, 371, 376). Da einheitlich über ein einziges Rechtsmittel zu entscheiden ist, setzt die unselbständige Anschlußberufung ihrem Wesen nach voraus, daß sie sich mit ihren Anträgen gegen den Berufungskläger wendet und Ziele verfolgt, die allein dessen Zielen entgegengesetzt sind. Sie soll dem höheren Gericht einen Entscheidungsspielraum auch zugunsten des Rechtsmittelgegners verschaffen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. November 1981 - IV b ZB 593/80, NJW 1982, 224, 226). Dagegen kann dieser nicht innerhalb einer fremden Berufung die Klage um bisher am Verfahren nicht beteiligte Dritte erweitern und Anträge gegen sie stellen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Oktober 1954 - VI ZR 49/54, LM ZPO § 521 Nr. 4; Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 521 Rdnr. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 521 Anm. 1 B b). Soweit die Rechtsprechung es für zulässig gehalten hat, daß der Kläger in der Berufungsinstanz vom Gesellschafts- zum Gesellschafterprozeß übergeht, handelte es sich nicht darum, daß eine neue Partei neben eine bereits am Verfahren beteiligte trat; vielmehr wurden die Parteien ausgewechselt, so daß die neue Partei innerhalb des schon bestehenden Prozeßrechtsverhältnisses die Stelle der ausgeschiedenen einnahm (vgl. BGH, Urt. v. 13. Februar 1974 - VIII ZR 147/72, WM 1974, 279 - der Abdruck in BGHZ 62, 131 läßt nicht erkennen, daß der Kläger in jener Sache die Parteien mit einer unselbständigen Anschlußberufung ausgewechselt hatte; BGHZ 91, 132, 134). Im übrigen kann ein Kläger, falls er in erster Instanz unterlegen ist, als Berufungskläger die Klage auch auf Dritte erstrecken, falls diese zustimmen oder sich rechtsmißbräuchlich weigern, das zu tun (vgl. BGHZ 91, 132, 134); denn er ist nicht den Beschränkungen unterworfen, die nach den obigen Ausführungen für die unselbständige Anschlußberufung seines Gegners gelten.

11

Die Anschlußberufung des Klägers war nach alledem nicht statthaft und konnte daher keine Grundlage für die Sachentscheidung des Berufungsgerichts abgeben. Die Revision ist folglich mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Anschlußberufung gegen die Beklagten zu 2 bis 4 als unzulässig zu verwerfen war (§§ 522 a Abs. 3, 519 b Abs. 1 ZPO).

Boujong
Brandes
Röhricht
Dr. Henze
Stodolkowitz