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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.10.1988, Az.: I ZR 219/87
„Umweltengel“

Irreführende Werbung durch Verwendung eines für eine Ware erteilten Umweltzeichens - Umweltengel; Notwendigkeit der Angabe der Beziehung der Anerkennung "umweltfreundlich" zu Produkt

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.10.1988
Aktenzeichen
I ZR 219/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 14911
Entscheidungsname
Umweltengel
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 21.10.1987
LG Köln

Fundstellen

  • BGHZ 105, 277 - 283
  • DB 1989, 379 (Volltext mit amtl. LS)
  • GRUR 1991, 548-550 (Volltext mit amtl. LS) "Umweltengel"
  • MDR 1989, 326-327 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1989, 711-712 "Umweltengel"
  • NJW-RR 1989, 430 (amtl. Leitsatz) "Umweltengel"
  • ZIP 1989, 128-130

Verfahrensgegenstand

Umweltengel

Prozessführer

K. AG,
vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder H. G. und H. G., L. 44, V.

Prozessgegner

Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e.V.,
vertreten durch seinen Vorstandsvorsitzenden Rechtsanwalt Wolf B., W. straße 21, K.

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Irreführung in Fällen, in denen ein Händler das dem Hersteller einer Ware erteilte Umweltzeichen (Umweltengel) zur Werbung für diese Waren nutzt, ohne dabei - wie es der erteilten Benutzungsbefugnis entspräche - anzugeben, in welcher Beziehung die Anerkennung als "umweltfreundlich" erfolgt ist.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 1988
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Piper, Dr. Erdmann, Dr. Scholz-Hoppe und Dr. Mees
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Oktober 1987 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Beklagte ließ in einem der von ihr betriebenen Einzelhandelsgeschäfte in Köln im September 1986 an den Regaleinlageböden unter anderem Schilder (im folgenden: Regalstopper) mit dem nachfolgend abgebildeten Inhalt anbringen:

0000-6517a
2

Diese Schilder waren jeweils bei den einzelnen Waren in der nachfolgend abgebildeten Art angebracht:

0000-6517b
3

Auf den Verpackungen der Erzeugnisse, für die die Beklagte in dieser Weise warb, befanden sich die von den Herstellern jeweils von der Jury "Umweltzeichen" verliehenen Umweltzeichen. In dieser Jury arbeiten verschiedene für den Umweltschutz tätige Organisationen mit, ferner Vertreter der Bundesländer, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, des Umweltbundesamtes und des RAL (Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.). Die Jury erteilt nach Abschluß der Prüfung der vorgeschlagenen Produkte das Umweltzeichen. Es enthält in dem Umfeld um den blauen Umweltengel neben dem Wort "umweltfreundlich" auch die Angabe des Grundes, der der jeweiligen Erteilung zugrundeliegt. Aufgrund eines Zeichenbenutzungsvertrages wird der Hersteller zur Führung des Zeichens für das jeweilige Produkt berechtigt; jede Benutzung des Umweltzeichens, die Irreführungen auslösen kann, ist ihm ausdrücklich untersagt.

4

Der Kläger, ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört, hat in der Verwendung der Regalstopper, bei denen die Angabe des Grundes für die Anerkennung als umweltfreundlich in der Umschrift des Umweltengels fehlte, eine Irreführung der angesprochenen Verbraucher gesehen, weil diese annähmen, die. so beworbenen Waren seien schlechthin umweltfreundlich, während das nur in Teilbereichen der Fall ist, wie es auch auf den Umweltzeichen, die auf den Warenpackungen selbst angebracht seien, angegeben sei. Den angesprochenen Verbrauchern sei die Vergabepraxis für das Umweltzeichen in Einzelheiten nicht bekannt. Durch die Werbung mit dem Umweltzeichen ohne Benennung des Grundes für die Umweltfreundlichkeit verschweige die Beklagte, daß dies nur in einzelnen Beziehungen anerkannt worden sei und täusche dadurch die angesprochenen Verbraucher über Ausmaß und Art der behaupteten Umweltfreundlichkeit.

5

Der Kläger hat deshalb, soweit es für den Revisionsrechtszug noch von Bedeutung ist, die Beklagte auf Unterlassung des Gebrauchs der Regalstopper in Anspruch genommen.

6

Die Beklagte ist dem Unterlassungsbegehren entgegengetreten und hat vorgetragen, ihre Hinweisschilder würden von den Verbrauchern ausschließlich in dem Sinne verstanden, daß sich in den Regalen Erzeugnisse befänden, die von dem Umweltbundesamt als umweltfreundlich anerkannt worden seien. Den Grund dafür, daß Einzelerzeugnisse als umweltfreundlich eingestuft worden seien, könne der Verbraucher dem auf dem Produkt aufgedruckten Umweltzeichen entnehmen. Die Verbraucher verstünden den Begriff der "Umweltfreundlichkeit" eines Erzeugnisses auch nicht in dem Sinne, daß durch dieses Produkt die Umwelt überhaupt nicht belastet werde. Sie wüßten vielmehr, daß es in der Regel nur um eine relative Umweltfreundlichkeit, mithin um eine geringere Belastung der Umwelt durch die beworbenen Produkte als durch andere Produkte gehen könne.

7

Das Landgericht hat dem Antrag des Klägers entsprochen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht (Urteil veröffentlicht in GRUR 1988, 51) mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es die Beklagte verurteilt hat, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, die Regalstopper in der vorstehend abgebildeten Art an den Regalböden anzubringen.

8

Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, begehrt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

9

I.

Das Berufungsgericht hat in der Verwendung der Regalstopper eine irreführende Werbung der Beklagten gesehen, weil sie nicht angegeben habe, worauf sich die Angabe der Umweltfreundlichkeit beziehe. Es hat dazu im einzelnen ausgeführt: Eine Irreführung beachtlicher Verkehrskreise erfolge, wenn man davon ausgehe, die Kaufinteressenten verstünden die Angabe auf den Regalstoppern so, daß die beworbenen Waren ohne Einschränkung umweltfreundlich seien. Eine Irreführung sei aber auch dann gegeben, wenn maßgebliche Verkehrskreise der Verwendung der blickfangmäßig gestalteten Regalstopper entnähmen, die Waren seien - im Verhältnis zu anderen Waren - weniger umweltbelastend. Der Begriff der "Umweltfreundlichkeit" sei auch noch in diesem relativierten Sinn mehrdeutig; die angesprochenen Verbraucher könnten ihn auf die Herstellung, den Gebrauch der Erzeugnisse oder aber auch auf beides beziehen; Kriterien, nach denen das Umweltzeichen vergeben werde, seien weitgehend unbekannt. Da das Ausmaß der "Umweltfreundlichkeit" zudem oft nach subjektiven Maßstäben von der Bevölkerung aufgefaßt werde, bedürfe sie einer Erläuterung, wenn sie zu Werbezwecken benutzt werde; das sei insbesondere auch dann erforderlich, wenn das Umweltzeichen im Zusammenhang mit dem Begriff der "Umweltfreundlichkeit" verwandt werde, weil die Verbraucher ihm einen gewissen "amtlichen" Charakter beimäßen. Die mit der Verleihung verbundene Beschränkung des Umweltzeichens - nämlich Angabe des Verleihungsgrundes - müsse daher auch bei einer blickfangmäßigen Werbung zum Ausdruck gebracht werden.

10

II.

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.

11

1.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, das sich insoweit auch die Ausführungen des Landgerichts zu eigen gemacht hat, enthalten die Hinweise "umweltfreundlich" und die Verwendung des Umweltzeichens (nämlich des Umweltengels) auf den Regalstoppern an den Regalböden in unmittelbarer Nähe der beworbenen Ware konkrete Angaben über bestimmte Eigenschaften dieser Waren. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

12

Nach den ohne Rechtsverstoß getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entnimmt der Verkehr aus der konkreten Art der Kennzeichnung der Waren als umweltfreundlich unter Benutzung und Hervorhebung des Umweltzeichens mehr als nur den bloßen Hinweis auf das Angebot von allgemein umweltfreundlichen Waren, wie die Revision meint; der Verkehr erwartet vielmehr aufgrund der Kennzeichnung und Gesamtaufmachung der Ankündigung, daß die fraglichen Waren bestimmte Eigenschaften und eine bestimmte Beschaffenheit aufweisen, die sie - konkret feststellbar - von einem gleichartigen, aber nicht als umweltfreundlich eingestuften Warenangebot abheben.

13

2.

Das Berufungsgericht ist weiter der Auffassung, daß diese Art der Werbung, bei der der Grund der Umweltfreundlichkeit zwar auf der Warenbeschriftung aber nicht auf den Regalstoppern mit der Beschriftung "umweltfreundlich", dem Umweltzeichen und dem Engel und der Umschrift "umweltfreundlich, weil ...", bei dem Verkehr irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der so beworbenen Ware hervorrufe. Denn bei einem nicht unerheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise werde der Eindruck erweckt, die dergestalt beworbenen Produkte seien ohne Einschränkung umweltfreundlich. Das ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

14

a)

Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ist ähnlich wie die Gesundheitswerbung (vgl. dazu BGHZ 47, 259, 261 - Gesunder Genuß) grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und schutzbedürftigen Gutes hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein verstärktes Umweltbewußtsein entwickelt, das dazu geführt hat, daß der Verkehr vielfach Waren (Leistungen) bevorzugt, auf deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. Gefördert wird ein solches Kaufverhalten auch durch den Umstand, daß sich Werbemaßnahmen, die an den Umweltschutz anknüpfen, als besonders geeignet erweisen, emotionale Bereiche im Menschen anzusprechen, die von einer Besorgnis um die eigene Gesundheit bis zum Verantwortungsgefühl für spätere Generationen reichen (vgl. auch Rohnke, Werbung und Umweltschutz, GRUR 1988, 667, 668). Gleichwohl bestehen in Einzelheiten noch weitgehend Unklarheiten, insbesondere über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe - wie etwa umweltfreundlich, umweltverträglich, umweltschonend oder bio - sowie der hierauf hindeutenden Zeichen (vgl. OLG Frankfurt WRP 1985, 271; OLG Düsseldorf GRUR 1988, 55; OLG Köln GRUR 1988, 630; LG Köln GRUR 1988, 53 und 59). Eine Irreführungsgefahr ist daher in diesem Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß. Wie die angeführten Entscheidungen erkennen lassen, sind die beworbenen Produkte überdies regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender (weniger umweltstörender) als andere Waren. Unter diesen Umständen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner "Umweltfreundlichkeit" bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht im besonders hohen Maße die Gefahr, daß bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflußt werden.

15

b)

Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, daß für die von der Werbung mit der Angabe umweltfreundlich und dem Umweltengel mit der Angabe "umweltfreundlich, weil ..." angesprochenen Verbraucher der Begriff der "Umweltfreundlichkeit" keinen eindeutig und klar umrissenen Inhalt hat; weil die Kriterien, nach denen das Zeichen vergeben werde, nicht im einzelnen bekannt seien, verbinde sich für einen Teil der Verbraucher damit die Vorstellung, die Waren seien beim Ge- oder Verbrauch, für einen anderen Teil bei der Herstellung und wieder für einen anderen in beiden Bereichen umweltfreundlich. Auch hätten die angesprochenen Verbraucher im einzelnen eine unterschiedliche Vorstellung davon, in welchem Ausmaß und Umfang eine Ware umweltfreundlich sein könne. Die Revision hält dem entgegen, entscheidend sei, daß die beworbenen Waren umweltfreundlicher als andere angebotenen Waren seien. Dem kann nicht beigetreten werden.

16

Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Begriff der Umweltfreundlichkeit nicht einheitlich verstanden wird. Mit der Bezeichnung "umweltfreundlich" werden zwar Eigenschaften der Waren angesprochen, jedoch ohne weitere Aufklärung zunächst noch ohne nähere Vorstellung des Verkehrs darüber, wann bei Vorliegen welcher konkreter Eigenschaften das nur allgemein so beworbene Erzeugnis "umweltfreundlich" ist. Zwar gibt es - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - eine absolute "Umweltfreundlichkeit" nicht, wie übrigens auch den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt sei. Bezieht sich die Beklagte in ihrer blickfangmäßigen Werbung aber für die von ihr vertriebenen Erzeugnisse auf deren Umweltfreundlichkeit, also auf ein in seinen Grundlagen noch unaufgeklärten und mit widersprüchlichen Erwartungen, Vorstellungen und Emotionen belegten Begriff, ist sie zu einer entsprechenden Aufklärung verpflichtet. Andernfalls führt sie über die ihren Waren vom Verkehr beigelegten Eigenschaften irre. Sie muß daher bereits in der Blickfangwerbung über die in Frage stehenden Eigenschaften eindeutig aufklären. Sie kommt dieser ihr obliegenden Aufklärungspflicht jedenfalls nicht nach, wenn sie nicht zumindest auf die Einschränkungen hinweist, unter denen auch der Hersteller für die Waren nur werben darf. Denn dieser darf mit dem Umweltzeichen nur in der verliehenen Form werben. Sie umfaßt die Angabe des Grundes für die Verleihung; denn dieser liegt regelmäßig nur eine "relative Umweltfreundlichkeit" zugrunde. "Orientierungsmaßstab ist nicht das idealtypische Produkt, das der Verbraucher nirgendwo kaufen kann, sondern der in einer Produktgruppe erreichte bestmögliche Stand der Technik" (vgl. dazu "Das Umweltzeichen Ziele, Hintergründe, Produktgruppen". Eine Information des Umweltbundesamtes, S. 4). Der Verbraucher soll darauf vertrauen können, daß er im Rahmen eines bestimmten Marktsegments die umweltfreundlichste Produktvariante kauft (Antwort der Bundesregierung in BT-Drucks. 11/2527 v. 21.6.1988).

17

c)

Bei diesem Sachverhalt konnte die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht auch nicht dadurch genügen, daß sie in den von ihr verwandten Regalstoppern neben dem Wort "umweltfreundlich" in dem Umweltzeichen das Wort "weil" eindruckte. Allein dadurch wurde für den flüchtigen Verkehr nicht hinreichend deutlich, daß die "Umweltfreundlichkeit" nur in bestimmter Beziehung gegeben ist. Danach kann offenbleiben, ob bei der beanstandeten Werbung nicht allein deshalb strengere Anforderungen an die erforderliche Aufklärung zu stellen sind, weil der Verkehr in solchen Fällen infolge der Einschaltung offizieller Stellen bei der Einräumung der Benutzungsbefugnis für den "Umweltengel" und entsprechende Hinweise eine dementsprechend strenge Kontrolle erwartet.

18

III.

Das Berufungsgericht hat danach mit Recht der Beklagten die Werbung für die von ihr vertriebenen Waren mit den Regalstoppern untersagt. Die Revision der Beklagten war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

v. Gamm
Piper
Erdmann
Scholz-Hoppe
Mees