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Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.09.1988, Az.: VII ZR 186/87

Verpflichtung des Ehepartners bei Abschluss eines Bauvertrages über die Errichtung eines Massivhauses; Bauvertrag als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfes; Voraussetzungen für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ; Individuelles Aushandeln von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ; "Isolierte" Vereinbarung der zweijährigen Gewährleistungsfrist

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
29.09.1988
Aktenzeichen
VII ZR 186/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 16779
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt am Main - 17.03.1987
LG Gießen - 18.11.1985

Fundstellen

  • DB 2010, 476 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1989, 154 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1989, 85-86 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

1. Dipl. Ökotrophologin Annedore B.

2. Zahnarzt Dr. Helmut B., Bi.allee ..., Bie. ... (K.)

Prozessgegner

Firma Gebrüder A. Betonwerk GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer Erich A., Rh. Straße ...-..., G.-L.

Amtlicher Leitsatz

Der Abschluß eines Bauvertrages über ein Wohnhaus gehört nicht zu den durch § 1357 BGB ("Schlüsselgewalt") erfaßten Rechtsgeschäften (im Anschluß an BGHZ 94, 1 [BGH 13.02.1985 - IVb ZR 72/83]).

Die "isolierte" Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der VOB/B, die auf eine vom Unternehmer/Auftragnehmer gestellte Vertragsbedingung zurückgeht, ist auch dann unwirksam, wenn nur für die "Arbeiten des Rohbaues bis einschl. Dachstuhl" die 5-Jahresfrist des § 638 BGB gelten soll (im Anschluß an Senatsurteile BGHZ 96, 129;  100, 391 [BGH 07.05.1987 - VII ZR 366/85];  NJW 1987, 2373).

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 1988
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Girisch sowie
die Richter Doerry, Bliesener, Obenhaus und Prof. Dr. Walchshöfer
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin zu 1 wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 1987 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zu 1 gegen das Teilurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 18. November 1985 zurückgewiesen worden ist.

Die Revision des Klägers zu 2 wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 2 hat seine eigenen außergerichtlichen Auslagen im Revisionsrechtszug sowie die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu tragen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die restlichen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1 (künftig: Klägerin) schloß im Jahre 1979 mit der Beklagten einen Bauvertrag über die Errichtung eines A.-Massivhauses zum Preis von 697.000,- DM. Dem Vertrag liegen Angebote der Beklagten vom 17. Mai 1979 und 20. Juni 1979 zugrunde, die der Ehemann der Klägerin - der Kläger zu 2 (künftig: Kläger) - als Miteigentümer des zu bebauenden Grundstücks bei der Beklagten eingeholt hatte. Außerdem wird in dem Vertrag auf "Verkaufs- und Lieferbedingungen" der Beklagten mit Änderungen und Ergänzungen Bezug genommen. Diese "Verkaufs- und Lieferbedingungen für das A.-Massivhaus der Frau A. B. in H." (= Klägerin) sind mit Schreibmaschine geschrieben; in § 8 enthalten sie folgende Regelung:

"Die Gewährleistung für das Gebäude erfolgt gem. VOB beginnend vom Tage der Übergabe bzw. des Einzuges an. Sie beträgt 2 Jahre; für vom Feuer berührte Teile der Feuerungsanlage 1 Jahr. Für die Arbeiten des Rohbaues bis einschl. Dachstuhl übernimmt der Auftragnehmer eine BGB-Gewährleistung (5 Jahre)."

2

Das am 1. April 1980 fertiggestellte Haus enthält zahlreiche Mängel, die in einem Übergabeprotokoll vom 12. Mai 1980 aufgeführt sind. Die Klägerin beantragte deshalb am 9. März 1982 die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens. In diesem Verfahren wurde am 7. Juli 1982 von einem Sachverständigen ein Gutachten erstattet, das der Klägerin am 26. Juli 1982 zugegangen ist.

3

Mehrfachen Aufforderungen, innerhalb einer bestimmten Frist die Mängel am Haus zu beseitigen, kam die Beklagte nicht nach. Mit der am 26. Juli 1984 eingereichten, der Beklagten am 7. August 1984 zugestellten Klage begehrt die Klägerin deshalb festzustellen, daß die Beklagte sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die durch die im einzelnen aufgeführten Mängel entstanden sind. Außerdem verlangt sie Zahlung von 2.911,14 DM nebst Zinsen.

4

Während des Verfahrens vor dem Landgericht trat der Kläger in den Rechtsstreit ein. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

5

Das Landgericht hat mit Teilurteil die Klage des Klägers sowie die Leistungsklage der Klägerin in vollem Umfang, deren Feststellungsklage zum Teil abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der - angenommenen - Revision, die die Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgen die Kläger deshalb ihr durch das Teilurteil des Landgerichts abgewiesenes Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Den Bauvertrag, aus dem die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche erhoben würden, habe allein die Klägerin mit der Beklagten abgeschlossen. Daß die Beklagte ihr Angebot an den Kläger gerichtet habe, sei ohne Bedeutung. Auch sei unerheblich, daß der Kläger Miteigentümer des bebauten Grundstücks und damit des errichteten Hauses sei.

7

Die Revision greift dies mit der Begründung an, der Kläger sei nach § 1357 BGB durch den von der Klägerin abgeschlossenen Bauvertrag ebenfalls Vertragspartei geworden. Damit hat sie keinen Erfolg.

8

Gemäß § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Die Vorschrift verleiht dem Ehegatten, dem die Haushaltsführung überlassen ist, somit die Rechtsmacht, durch bestimmte Rechtsgeschäfte auch den anderen Ehegatten zu berechtigen und zu verpflichten. Diese Befugnis des ermächtigten Ehegatten bezieht sich nach dem Gesetzeswortlaut jedoch nur auf diejenigen Geschäfte, die auf den Lebensbedarf der Familie, also auf ihr Vermögen und ihr Einkommen, zugeschnitten sind und der Erfüllung dieses Bedarfs dienen (vgl. BGHZ 94, 1, 5 ff. [BGH 13.02.1985 - IVb ZR 72/83] m.N.).

9

Der von der Klägerin abgeschlossene Vertrag, der die Bebauung eines Grundstücks mit einem Massivhaus zum Preis von 697.000,- DM zum Inhalt hat, stellt kein solches Geschäft dar. Zwar können unter § 1357 Abs. 1 BGB alle Geschäfte fallen, die sich innerhalb des verfügbaren Familieneinkommens halten und für den Familienunterhalt erforderlich sind (Palandt/Diederichsen, BGB, 47. Aufl., § 1357 Anm. 2 b bb; Wacke in MünchKomm, BGB, § 1357 Rdn. 16). Ein Bauvertrag, mit dem sich ein Ehegatte zur Zahlung von 697.000,- DM verpflichtet, zählt aber nicht mehr zu diesen Geschäften. Mit einem solchen Vertragsabschluß deckt der handelnde Ehegatte nicht den angemessenen Lebensbedarf der Familie. Vielmehr erwirbt er über diesen Bedarf hinaus Vermögen und geht dabei eine Verpflichtung ein, die mit der Führung des Haushalts und dem Unterhalt der Familie nicht mehr in Zusammenhang steht. Dies gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - beide Ehegatten Grundstückseigentümer sind, der Ehemann ein überdurchschnittlich hohes Einkommen hat und in dem Haus die Zahnarztpraxis des einen Ehegatten eingerichtet werden soll.

10

Ob § 1357 Abs. 1 BGB nur derartige Geschäfte betrifft, über deren Abschluß sich die Eheleute üblicherweise vorher nicht verständigen (so Palandt/Diederichsen aaO) oder ob unter die Vorschrift lediglich die dem Familienunterhalt dienenden Geschäfte fallen (Wacke a.a.O. Rdn. 19), kann offen bleiben. Jedenfalls läßt sich die Befugnis eines Ehegatten, den anderen Ehegatten in einem solchen Ausmaß zu verpflichten, wie es ein Vertrag über die Bebauung eines Grundstücks zur Folge hat, dem Wortlaut des § 1357 Abs. 1 BGB nicht entnehmen. Eine solche Auslegung widerspräche auch dem Zweck der Vorschrift, die nach ihrer Entstehungsgeschichte Geschäfte derartigen Umfangs offensichtlich nicht erfassen soll (vgl. die Begründung in Bundestags-Drucksache 7/650 S. 99).

11

II.

Das Berufungsgericht nimmt weiter an, aufgrund der in § 8 der Verkaufs- und Lieferbedingungen vorgesehenen Verjährungsfrist von zwei Jahren, auf die der Bauvertrag Bezug nehme, seien Ansprüche der Klägerin verjährt. Zwar könne in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Gewährleistungsregelung der VOB/B nicht isoliert vereinbart werden. Bei den zwischen den Parteien vereinbarten Verkaufs- und Lieferbedingungen handle es sich jedoch nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 AGBG. Die Bedingungen seien vielmehr unter den Parteien individuell ausgehandelt und somit wirksam vereinbart worden. Für ausführliche Verhandlungen zwischen den Parteien sprächen die mehrfachen Änderungen und Ergänzungen der endgültigen Vereinbarungen. Hinsichtlich der Gewährleistungsregelung sei auch nicht unerheblich, daß in § 8 der Verkaufs- und Lieferbedingungen nicht lediglich auf die entsprechenden Bestimmungen der VOB/B verwiesen, sondern die Regelung in ihren Einzelheiten niedergeschrieben worden sei. Ohne die Bezugnahme "gem. VOB" wäre sie ebenso verständlich und vollständig. Auch sei die Fristenregelung des § 13 VOB/B nicht voll übernommen, sondern hinsichtlich des Rohbaues zugunsten der Klägerin als Bauherrin geändert worden. Daß es sich bei den Bedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handle, habe die Klägerin zu beweisen. Diesen Beweis habe sie nicht erbracht; ihr erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärter Beweisantritt sei als verspätet zurückzuweisen gewesen.

12

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

13

1.

Die in § 8 der Verkaufs- und Lieferbedingungen geregelte zweijährige "Gewährleistung für das Gebäude ... gem. VOB" stellt eine "isolierte" Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der VOB/B dar. Eine solche Vereinbarung verstößt nach der Rechtsprechung des Senats gegen das AGBG und ist daher unwirksam (BGHZ 96, 129;  100, 391) [BGH 07.05.1987 - VII ZR 366/85]. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Gewährleistungsregelung, die die Gewährleistungsfrist des § 638 BGB abkürzt, in dem von der Klägerin mit der Beklagten abgeschlossenen Bauvertrag unter Bezugnahme auf die Verkaufs- und Lieferbedingungen formularmäßig vereinbart oder ob der Bauvertrag samt Geschäftsbedingungen - wovon das Berufungsgericht ausgeht - von den Vertragsparteien individuell ausgehandelt wurde. Auch wenn die Regelung in einem Individualvertrag enthalten ist, liegt eine unwirksame Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen vor. Denn die Bestimmungen des § 13 VOB/B stellen schon für sich solche Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die durch bloße Inbezugnahme oder Wiedergabe ihres Wortlauts, also ohne ausgehandelt worden zu sein, Vertragsinhalt werden können und damit der Kontrolle nach dem AGBG unterliegen (Senatsurteil NJW 1987, 2373, 2374).

14

So ist es hier. Die in § 8 der Verkaufs- und Lieferbedingungen enthaltene Regelung verweist hinsichtlich der Gewährleistung für das Gebäude allgemein auf die VOB/B und sieht eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren vor. Damit wird in dem Bauvertrag, dem die Verkaufs- und Lieferbedingungen zugrunde liegen, lediglich auf die Bestimmung des § 13 VOB/B Bezug genommen. Nicht etwa wird zugleich die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkungen im ganzen zur Vertragsgrundlage gemacht. Diese Verkürzung der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 638 BGB verstößt gegen § 11 Nr. 10 f AGBG; sie ist, da sie nicht in den Ausnahmebereich des § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG fällt, unwirksam (Senatsurteile BGHZ 100, 391, 397, 399 [BGH 07.05.1987 - VII ZR 366/85];  NJW 1987, 2373, 2374 m.w.N.).

15

2.

Die "isolierte" Vereinbarung der zweijährigen Gewährleistungsfrist des § 13 VOB/B kann nicht etwa aufgrund des übrigen Inhalts der in § 8 der Verkaufs- und Lieferbedingungen getroffenen Regelung als wirksam angesehen werden. Zwar übernimmt nach § 8 dieser Bedingungen die Beklagte als Auftragnehmerin "für die Arbeiten des Rohbaues bis einschl. Dachstuhl" die Gewährleistung nach BGB innerhalb der Frist von fünf Jahren. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt dieser Vertragsklausel jedoch für die Wirksamkeit der im übrigen vereinbarten Zweijahresfrist keine Bedeutung zu. Daß die Fristenregelung des § 13 VOB/B nicht voll übernommen wurde, sondern hinsichtlich des Rohbaues eine Änderung zugunsten der Klägerin vorgesehen ist, spricht nicht dafür, daß die gesamte Klausel zwischen den Parteien als Individualvertrag vereinbart wurde. Trotz dieser Einschränkung bleibt die Bezugnahme auf die Gewährleistungsregelung der VOB/B und damit auf Allgemeine Geschäftsbedingungen bestehen. Die "isolierte" Vereinbarung der zweijährigen Gewährleistungsfrist wird damit nicht zu einem der Kontrolle nach dem AGBG nicht unterliegenden Individualvertrag. Insbesondere kann darin nicht eine sinnvolle und auch ausreichende Anpassung an die Bedürfnisse des Einzelfalls gesehen werden (vgl. insoweit Senatsurteil vom 26. März 1987 - VII ZR 196/86 = ZfBR 1987, 191, 196 = BauR 1987, 445, 447). Vielmehr ist mit der getroffenen Regelung die Fünfjahresfrist des § 638 BGB ausdrücklich nur für die am "Rohbau bis einschließlich Dachstuhl" durchgeführten Arbeiten beibehalten worden. Das genügt nicht.

16

3.

Die Gewährleistungsfrist für die Mängel, die nach Behauptung der Klägerin an dem von der Beklagten errichteten Haus bestehen, beträgt somit nicht zwei, sondern gemäß § 638 BGB fünf Jahre. Da das Haus am 12. Mai 1980 übergeben und die Klägerin am 7. August 1984 gegen die Beklagte Klage erhoben hat, sind etwaige Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nicht verjährt. Auf das von der Klägerin eingeleitete Beweissicherungsverfahren sowie auf eine dadurch herbeigeführte Unterbrechung der Verjährung kommt es somit nicht an.

17

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin und über die Kosten entschieden hat. In diesem Umfang ist es aufzuheben. Das Berufungsgericht hat über die von der Klägerin behaupteten Mängel keine Feststellungen getroffen. Der Senat ist daher nicht in der Lage, nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Vielmehr ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, sofern sie nicht der Kläger zu tragen hat, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Soweit das Berufungsgericht zum Zahlungsanspruch mehr beiläufig angenommen hat, es fehle auch an einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung, wird es sich noch mit dem Vortrag der Klägerin auseinanderzusetzen haben (GA 90/91), wonach eine solche Aufforderung hier entbehrlich war.

Girisch
Doerry
Bliesener
Obenhaus
Walchshöfer