Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.09.1988, Az.: V ZR 77/87
Wirksamkeit einer Auflassungsvormerkung; Anspruch auf Zustimmung zur Löschung; Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags; Formerfordernis der notariellen Beurkundung für alle mit dem Grundstückskaufvertrag in Zusammenhang stehenden Vereinbarungen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.09.1988
- Aktenzeichen
- V ZR 77/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 22967
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Oldenburg - 30.01.1987
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DNotZ 1989, 501-503
- NJW-RR 1989, 198-199 (Volltext mit red. LS)
- WM 1988, 1702
Prozessführer
1. Jürgen N.
2. Friedelore N. geb. S.,
beide wohnhaft K. straße 9, N.
Prozessgegner
1. Heinz S., H. 32, B.
2. Erika S. geb. B., H. 32, B.
3. Annette S., K.straße 18, N.
4. Beate Sch. geb. S., K.-P.-Straße 5, B.
5. Josef P., W.straße 78, M./...
6. Bärbel P. geb. K., W. straße 78, M.
Redaktioneller Leitsatz
Im Rahmen des Formzwangs für nicht zum eigentlichen Grundstücksgeschäft gehörende Nebenabreden sind Rechtsgeschäft miteinzubeziehen, deren juristischer Vetragstypus unterschiedlich ist und an denen zum Teil verschiedene Personen beteiligt sind.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 1988
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Hagen und
die Richter Dr. Vogt, Dr. Räfle, Dr. Lambert-Lang und Dr. Wenzel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30. Januar 1987 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Den Klägern gehört das Anwesen K. straße 9 in N., bestehend aus dem mit einem Hotel bebauten Flurstück Nr. 31/3 mit einer Größe von 980 qm und dem Flurstück Nr. 31/2 mit einer Größe von 9 qm. Dieses Grundstück verläuft längs der Grenze des ebenfalls mit einem Hotel bebauten Grundstücks K.straße 10, das die Beklagten im Jahre 1984 von Klaus M. gekauft haben. Schon 1975 hatten der Kläger zu 1 und Meister privatschriftlich u.a. vereinbart, daß Meister einen Hotelneubau auf dem Grundstück K.-Straße 10 unter Einbeziehung des Flurstücks 31/2 in geschlossener Bauweise unmittelbar an dem Hotel der Kläger errichten dürfe; der Kläger wollte dazu den Grundstücksstreifen kostenlos zur Verfügung stellen; M. sollte bestimmte Baupflichten gegenüber dem Kläger übernehmen. In einer notariell beglaubigten Vereinbarung vom 21./22. November 1983 regelten Meister und die Kläger unter Bezugnahme auf die Vereinbarung von 1975 weitere Einzelheiten des Anbaues; insbesondere sollten "die Bauherren" des Grundbesitzes K.straße 10 einen Balkon vor dem Schlafzimmer der Kläger erstellen und für eine einwandfreie Sicherung der Fundamente des Hauses der Kläger sorgen.
Mit Urkunde vom 16. Oktober 1984 des Notars Fremer in Norden boten die Kläger den Beklagten den Abschluß eines Grundstücksübertragungsvertrages bezüglich des Flurstücks 31/2 zur Begradigung des von den Beklagten erworbenen Grundstücks K.straße 10 an. In § 4 des Angebotes heißt es: "Ein Entgelt wird für die Übertragung nicht gezahlt". Die Kläger erteilten dem Bürovorsteher des Notars Vollmacht, alle zur Durchführung des Vertrages und eventuell zur Grundbuchbereinigung notwendigen Erklärungen abzugeben und Anträge jeder Art zu stellen. Weiter bewilligten und beantragten sie die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerber. In der Schlußbestimmung heißt es:
"An dieses Vertragsangebot halten sich die Erschienenen bis zum 15. November 1984 einschließlich gebunden."
Am 15. November 1984 ging den Klägern die Annahmeerklärung der Beklagten zu 5 und 6 zu; die am 26. Oktober 1984 beurkundete Annahmeerklärung der Beklagten zu 1 bis 4 sandte der beurkundende Notar mit Schreiben vom 12. November 1984 an den Notar F. in N..
Nach Beginn der Bauarbeiten auf dem Grundstück straße 10 kam es im November 1984 zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, weil sich am Hause der Kläger Schäden zeigten. Mit einem an den Notar F. gerichteten Schreiben vom 23. November 1984 widerriefen die Kläger die dessen Bürovorsteher im Vertragsangebot erteilte Vollmacht. Mit Schreiben vom 26. November 1984 beantragte Notar F. die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten in das Grundbuch, die am selben Tage erfolgte.
Die Kläger meinen, der Übertragungsvertrag sei nicht zustande gekommen, weil ihnen die Annahmeerklärung der Beklagten zu 1 bis 4 nicht innerhalb der bis zum 15. November 1984 gesetzten Annahmefrist zugegangen sei. Jedenfalls sei der Vertrag nach § 313 BGB deswegen formunwirksam, weil das von den Parteien Gewollte unvollständig beurkundet worden sei; ihnen sei es darauf angekommen, und die Beklagten hätten das gewußt, daß auch die Beklagten die Verpflichtungen aus den Vereinbarungen mit M. von 1975 und 1983 einhielten. Sie hätten nicht gewußt, daß diese Gegenleistung ebenfalls notariell hätte beurkundet werden müssen. Schließlich haben die Kläger vorsorglich das Vertragsangebot wegen groben Undanks widerrufen. Sie verlangen von den Beklagten die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung; die Beklagten begehren widerklagend, die Kläger zur Auflassung des streitigen Flurstücks an sie zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen sie ihren Klagantrag und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht läßt offen, ob der Notar die Auflassungsvormerkung erst nach dem - an ihn gerichteten - Widerruf der Vollmacht seines Bürovorstehers beantragt hat. Die Durchsetzung des Löschungsanspruchs sei jedenfalls arglistig, weil die Kläger zur Auflassung verpflichtet seien. Die Beklagten zu 1 bis 4 hätten nämlich das Vertragsangebot gleichfalls rechtzeitig angenommen, und der Vertrag sei weder wegen Verstoßes gegen § 313 BGB nichtig, noch sei er gemäß § 530 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen worden. Auch der Einwand der Kläger, der Vertrag sei nichtig, da er nicht die Abrede enthalte, daß die Beklagten als Gegenleistung auf ihre Kosten einen Balkon vor dem Schlafzimmer der Kläger zu bauen hätten, gehe fehl.
Die Kläger seien damit zur Auflassung verpflichtet und könnten Löschung der Vormerkung nicht verlangen.
II.
Die Revision hat Erfolg.
Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Löschungsanspruch der Kläger und bejaht den widerklagend geltend gemachten Auflassungsanspruch der Beklagten.
1.
Im Ergebnis zu Recht läßt das Berufungsgericht zwar dahingestellt, wann die dem Bürovorsteher des Notars erteilte Vollmacht von den Klägern widerrufen worden ist. Darauf kommt es schon deshalb nicht an, weil die Kläger selbst die Eintragung der Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt hatten (vgl. § 885 BGB). Eine Einigung fordert das Entstehen der Vormerkung nicht (BGHZ 28, 182, 184) [BGH 01.10.1958 - V ZR 26/57]; es reicht aus, daß die in der Bewilligung liegende Willenserklärung dem Gläubiger (oder dem Grundbuchamt) zugeht (Erman/Hagen, BGB 7. Aufl. § 885 Rdn. 2; MünchKomm/Wacke, BGB 2. Aufl. § 885 Rdn. 16); das ist hier geschehen.
2.
Die zugunsten der Beklagten eingetragene Auflassungsvormerkung ist jedoch unwirksam, und die Kläger können gemäß § 894 BGB analog die Zustimmung zur Löschung fordern (RGZ 163, 62), wenn der gesicherte Auflassungsanspruch der Beklagten nicht entstanden ist (BGHZ 57, 341, 344) [BGH 10.12.1971 - V ZR 90/69].
Das Berufungsgericht bejaht zu Unrecht einen Auflassungsanspruch der Beklagten hinsichtlich des streitigen Flurstücks Nr. 31/2.
a)
Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, das Berufungsgericht sei nur unter Verkennung der Beweislast zu dem Ergebnis gelangt, die Bestimmung einer Annahmefrist durch die Kläger habe nicht die Bedeutung gehabt, daß die Annahmeerklärung den Antragenden innerhalb der Frist zugehen müsse. Richtig ist zwar, daß das Berufungsgericht - anders als das Reichsgericht (vgl. z.B. RGZ 49, 127, 132; RG WarnRspr 1913 Nr. 354; RG Gruchot Bd. 57, 148, 149; RGZ 96, 273, 275 m.w.N.) und der wohl überwiegende Teil des Schrifttums (Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Bd. 1 § 152 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB 47. Aufl. § 152; Planck/Flad, BGB 4. Aufl. § 152 Anm. 2; Soergel/Heinrichs/Lange/Hefermehl, BGB 11. Aufl. § 152 Rdn. 6; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 152 Rdn. 7; vgl. aber auch Rdn. 9) - davon ausgeht, die Bestimmung einer Frist sei nicht regelmäßig dahin zu verstehen, daß der Zugang der Annahmeerklärung innerhalb der Frist erforderlich sei (so auch Erman/Hefermehl, BGB 7. Aufl. § 152 Rdn. 4; Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. Bd. 2 § 35 II 1; MünchKomm/Kramer, BGB 2. Aufl. § 152 Rdn. 3; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 152 Rdn. 7). Richtig ist auch der Hinweis der Revision, daß von der Entscheidung dieser Frage abhängen kann, wer die Beweislast dafür trägt, ob innerhalb der gesetzten Frist (nur) die Annahme oder bereits der Zugang der Annahmeerklärung von dem Antragenden gewollt war (RGZ 96, 273, 275 m. N.; und die überwiegende Meinung im Schrifttum, z.B. BGB-RGRK/Piper 12. Aufl. § 152 Rdn. 5 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat aber seine Entscheidung nicht mit der Darlegungs- und Beweislast begründet, sondern die Erklärung so, wie sie die Beklagten nach den Umständen des Falles verstehen mußten, ausgelegt (§§ 133, 157 BGB; vgl. auch RG JW 1912, 133 Nr. 4; RG WarnRspr 1912 Nr. 152; RGZ 96, 273, 276). Dabei hat es die von ihm gewonnene Überzeugung, daß ein Interesse der Kläger an einem Zugang der Annahmeerklärung bei ihnen persönlich nicht ersichtlich sei, damit begründet, es hätten nach der Interessenlage, insbesondere den langjährigen Verhandlungen und der festen Zusage der Kläger, sowie deshalb, weil die Bauarbeiten schon begonnen gehabt hätten, nur die Beklagten an dem Erwerb interessiert sein können. Das Urteil beruht damit nicht auf einem von der Auffassung des Reichsgerichts abweichenden Regel-Ausnahmeverhältnis, sondern auf der Würdigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Interessenlage der Parteien, und kommt auf dieser Grundlage zu dem im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes vertretbaren Auslegungsergebnis, daß die Fristsetzung hier nur als Benachrichtigungspflicht zu verstehen sei (vgl. dazu auch Erman/Hefermehl, a.a.O. § 152 Rdn. 4; MünchKomm/Kramer, a.a.O. § 152 Rdn. 3; Soergel/Wolf, a.a.O. § 152 Rdn. 7).
b)
Von Rechtsfehlern beeinflußt sind jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts, soweit es Formnichtigkeit des Übertragungsvertrages nach §§ 313, 125 Satz 1 BGB verneint.
Bei der Veräußerung eines Grundstücks erstreckt sich das Beurkundungserfordernis des § 313 Satz 1 BGB auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (BGHZ 63, 359, 361 [BGH 20.12.1974 - V ZR 132/73]; 69, 266, 268 [BGH 23.09.1977 - V ZR 90/75]; 74, 346, 348) [BGH 06.04.1979 - V ZR 72/74]. Gleiches gilt, wenn, was hier ebenfalls in Betracht zu ziehen ist, weitere, nicht zum Grundstücksgeschäft gehörende Vereinbarungen mit diesem eine rechtliche Einheit bilden sollen; das ist dann der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Vertragschließenden derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander "stehen und fallen" sollen. Nicht erforderlich ist, daß an jedem der Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind (BGHZ 76, 43, 48, 49 [BGH 06.12.1979 - VII ZR 313/78]m.w.N.). Haben die Parteien ihre Vereinbarungen, oder die gewollte Einheitlichkeit mit einer anderen Absprache, nur unvollständig beurkunden lassen, sind die nicht beurkundeten Abreden und im Zweifel der gesamte Vertrag (§ 139 BGB) nichtig (vgl. Senatsurt. v. 20. Juni 1980, V ZR 84/79, NJW 1981, 222; BGHZ 78, 346 ff; BGH Urt. v. 16. März 1988, VIII ZR 12/87, NJW 1988, 1781 = WM 1988, 825).
aa)
Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gerade nicht darauf an, ob der Wille der Parteien einen, wenn auch nur andeutungsweisen, Ausdruck im Vertrag gefunden hat. Eine unvollständige Beurkundung mit der Folge aus § 125 BGB setzt gerade voraus, daß Teile des Gewollten nicht beurkundet sind. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht Formnichtigkeit daher mit der Begründung, die notarielle Urkunde sei eindeutig und enthalte keine Anhaltspunkte für die von den Klägern behauptete Vereinbarung. Maßgebend ist vielmehr das Vorhandensein eines solchen Willens der Beteiligten. Zu Recht rügt die Revision in diesem Zusammenhang, daß das Berufungsgericht das Anwaltsschreiben der Beklagten vom 13. Mai 1985 unberücksichtigt gelassen hat. In diesem Schreiben bringen die Anwälte der Beklagten zum Ausdruck, daß deren Verpflichtungen, unter anderem diejenige zum Bau des Balkons, dergestalt mit der Übereignungspflicht der Kläger zusammenhängen, daß sie mangels Beurkundung unwirksam seien. Auch wenn dieses Schreiben zeitlich dem Vertragsschluß nachfolgt, kann es hier als Indiz für den - früheren - Parteiwillen beachtlich sein (vgl. dazu auch Senatsurt. v. 24. Juni 1988, V ZR 49/87, Umdruck S. 8/9 zur Veröffentlichung vorgesehen). Daß das Schreiben nur die Auffassung ihrer Anwälte, nicht ihre eigene, wiedergebe, haben die Beklagten in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet.
bb)
Nicht frei von Rechtsfehlern sind danach auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, die Verpflichtung zum Bau des Balkons sei (nur) Gegenstand einer Vereinbarung der Kläger mit einem Dritten gewesen und gehöre deshalb nicht zum Vertrag. Denn die Einheitlichkeit zweier getrennt geschlossener Vereinbarungen wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Rechtsgeschäfte verschiedenen juristischen Geschäftstypen angehören und an ihnen zum Teil verschiedene Personen beteiligt sind. Dabei können die Abmachungen einer Vertragspartei mit Dritten nach dem Willen der Vertragspartner in den Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung einzubeziehen und daher dem Beurkundungszwang unterworfen sein (BGHZ 11, 90, 101 f) [BGH 20.11.1953 - V ZR 124/52]. Entscheidend ist allein, ob nach dem Willen der Vertragsschließenden die versprochene Leistung von einer anderen Leistung untrennbar abhängen soll.
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung darüber, ob nach dem Willen der Parteien der Grundstückserwerb mit einer Verpflichtung, (u.a.) den Balkon zu erstellen, untrennbar verbunden sein sollte, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Vogt
Räfle
Lambert-Lang
Wenzel