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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 30.08.1988, Az.: 1 StR 357/88

Aufklärungsrüge bei unterlassener Vernehmung eines wichtigen Zeugen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.08.1988
Aktenzeichen
1 StR 357/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 15870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Traunstein - 20.10.1987

Verfahrensgegenstand

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Prozessführer

Zeki K. aus B., geboren am ... 1939 in H. (Türkei),

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 30. August 1988 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20. Oktober 1987, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragschrift vom 24. Juni 1988 ausgeführt.

"Die Revision des Angeklagten K. muß mit einer Aufklärungsrüge Erfolg haben.

Sie ist zu Recht der Auffassung, daß die Strafkammer gemäß § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet gewesen sei, den Zeugen Hassan D. zu den im Schriftsatz des Verteidigers, Rechtsanwalt J., vom 07. Oktober 1987 vorgetragenen, in das Wissen dieses Zeugen gestellten Tatsachen zu vernehmen.

In dem vorbezeichneten Schriftsatz hatte Rechtsanwalt J. für seinen Mandanten u.a. vorgebracht, der Angeklagte K. habe nach dem ersten Gespräch mit Frau K. in deren Wohnung, da er Zweifel an ihrer Behauptung hatte, ihr Mann sei nach einem Unfall in ein Krankenhaus verbracht worden, den im selben Haus wohnenden Schuster Hassan D. aufgesucht und befragt, ob die Angaben von Frau K. richtig seien. Dieser habe daraufhin gesagt, Frau K. lüge sicherlich; ein anderer Nachbar habe erzählt, daß Herr K. beim Holen von Kohlen aus dem Keller beobachtet worden sei. Zum Beweise hierfür benannte Rechtsanwalt J. Hassan D. als Zeugen. Er trug ferner vor, der Angeklagte K. habe sich über die als Lüge erkannten Behauptungen der Frau K. derart geärgert, daß er ihr alsbald telefonisch vorgehalten habe, sie habe ihn angelogen, Herr K. sei doch in B.

Die Strafkammer hat demgegenüber - ohne Hassan D. als Zeugen zu vernehmen, ohne über den im Schriftsatz vom 7. Oktober 1987 enthaltenen Beweisantrag auf dessen Vernehmung als Zeuge zu befinden und ohne das Beweisverlangen in der Hauptverhandlung zu erörtern - festgestellt, der Angeklagte K. habe die bei seiner ersten Begegnung mit Frau K. gewonnenen Erkenntnisse an seine Hinterleute weitergegeben und von diesen den Auftrag erhalten, Frau K. zu bedrohen, um Informationen über den Verbleib des Rauschgifts zu erhalten; diesem Auftrag sei er durch das anschließende Telefongespräch nachgekommen (UA Seite 4/5, 19).

Dieses Verfahren der Strafkammer verstößt gegen § 244 Abs. 2 StPO. Wie die Revision zutreffend ausführt, wäre die vom Landgericht getroffene Feststellung einer Rücksprache mit den Hinterleuten und eines von diesen erteilten Auftrags möglicherweise in frage gestellt worden, wenn der Zeuge D. in der Hauptverhandlung vernommen worden wäre und die Behauptungen im Schriftsatz vom 7. Oktober 1987 bestätigt hätte. Dessen Vernehmung ließ auch ein dem Vorbringen des Schriftsatzes entsprechendes Ergebnis erwarten. Die darin enthaltene Schilderung fand nämlich in einem wesentlichen Punkt eine Stütze in der polizeilichen Aussage der Zeugin K. vom 5. Juni 1987. Diese hatte seinerzeit u.a. bekundet, etwa 10 bis 15 Minuten nach dem Gespräch in ihrer Wohnung habe K. ihr fernmündlich vorgehalten, sie würde ihn anlügen, ihr Mann sei doch in B., er habe ihren Mann im Keller mit einem deutschen Nachbarn sprechen hören, dies habe ihm der türkische Schuster aus dem selben Wohnhaus erzählt (Band I, Blatt 227 d.A.).

In Anbetracht dieser sich aus den Akten ergebenden Erkenntnisse mußte das Landgericht begründete Zweifel an der Richtigkeit der bereits gewonnenen Überzeugung haben und die Möglichkeit nutzen, den Sachverhalt durch Vernehmung des Zeugen Hassan D. weiter aufzuklären (vgl. BGH NJW 1951, 283; BGH bei Holtz MDR 1985, 629).

Die Aufklärungsrüge scheitert nicht daran, daß der Angeklagte und sein Verteidiger das im Schriftsatz vom 7. Oktober 1987 enthaltene Beweisverlangen in der Hauptverhandlung nicht wiederholt haben. Eines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages als Informationsquelle für das Gericht bedurfte es nicht. Ein stillschweigender Verzicht auf die am 7. Oktober 1987 beantragte Beweiserhebung ist dem Verhalten des Angeklagten und seines Verteidigers in der Hauptverhandlung nicht zu entnehmen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß diese eine Wiederholung des Beweisverlangens in der Hauptverhandlung unterlassen haben, weil sie sich von der Vernehmung des Zeugen Hassan D., Entlastendes nicht mehr versprachen, und deshalb auch das Landgericht hiervon nichts Wesentliches mehr erwarten durfte.

Auf dem dargelegten Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO kann die Verurteilung des Angeklagten K. beruhen. Das Landgericht hat aus den hier fraglichen Feststellungen geschlossen, daß K. als Verbindungsmann zu K. für Hinterleute tätig geworden sei und daß er an dem betreffenden Tag das Heroin bei K. habe abholen oder ihm weitere Weisungen habe erteilen wollen (UA Seite 19, vierter Absatz). Hierauf beruht wesentlich die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe sich der Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln schuldig gemacht (vgl. UA Seite 4 unter II. 2)."

2

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Der Angeklagte K. hatte sich auch noch in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, der Grund, warum er die Familie K. gleich nach deren Rückkehr aufgesucht habe, sei gewesen, daß K. den Kaufpreis für den von C. gekauften Wagen immer noch schuldig gewesen sei; dieser habe ihn deshalb ständig bedrängt und auch beleidigt (UA S. 17). Damit konnte für das Landgericht kein Anlaß zu der Annahme bestehen, der Angeklagte habe - stillschweigend - auf die Vernehmung des Zeugen D. verzichtet. Es kommt hinzu, daß - jedenfalls im Urteil nicht geklärte - Zweifel bestehen, ob der von C. an K. verkaufte Wagen das Tatfahrzeug war; bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte C. bekundet, er habe an K. einen grünen Opel Ascona (Bd. I Bl. 302, 303 d.A.), nicht einen schwarzen Opel Rekord verkauft.

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