Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.06.1988, Az.: IX ZR 172/87
Konkurs; Masseschuld; Revision; Arbeitsverhältnis; Rechtshängigkeit; Lohnforderung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 23.06.1988
- Aktenzeichen
- IX ZR 172/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 13545
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 561 ZPO
- § 146 KO
Fundstellen
- BGHZ 105, 34 - 39
- DB 1988, 1948 (amtl. Leitsatz)
- MDR 1988, 960 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1989, 170-171 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1988, 979-981
Amtlicher Leitsatz
1. Der Übergang von einer Klage auf Feststellung zur Konkurstabelle auf eine Leistungs- oder Feststellungsklage wegen einer Masseschuld ist in der Revisionsinstanz unzulässig.
2. War zwischen dem späteren Gemeinschuldner und einem Gläubiger beim ArbG ein Rechtsstreit auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses rechtshängig, der durch die Konkurseröffnung unterbrochen worden ist, muß nicht dieses Verfahren unter Änderung des Antrags aufgenommen werden, wenn der Gläubiger zeitlich befristete Lohnansprüche zur Tabelle angemeldet und der Verwalter diese Forderung bestritten hat.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Lohnforderung, die der Beklagte als Konkursverwalter der Firma P. Bauunternehmung GmbH bestritten hat (§ 146 KO).
Vor Konkurseröffnung, am 30. September 1982, hatte der Kläger gegen die spätere Gemeinschuldnerin Klage vor dem Arbeitsgericht mit dem Antrag erhoben, festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis bei ihr fortbestehe. Dieses Verfahren ruht gemäß Beschluß vom 6. Januar 1983, nachdem das Arbeitsgericht die Mitteilung erhalten hatte, daß die beklagte Firma P. GmbH am 2. Dezember 1982 Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt habe.
Nach Konkurseröffnung am 25. Februar 1983 meldete der Kläger mit Schreiben vom 24. Mai 1983 eine Lohnforderung für die Zeit vom 9. August bis 30. November 1982 in Höhe von 16 000 DM als bevorrechtigt zur Konkurstabelle an. Deren Höhe begründete er im einzelnen damit, daß er im Akkord täglich 200 DM brutto verdient und in der Zeit vom 9. August 1982 bis zum 30. November 1982 keine Zahlungen mehr erhalten habe. Der Beklagte hat als Konkursverwalter die geltend gemachte Forderung bestritten. Der Kläger hat beim Landgericht Klage auf Feststellung seiner Forderung zur Konkurstabelle erhoben.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet, das Berufungsgericht hat sie als unzulässig abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Antrag, festzustellen, daß ihm die angemeldete Forderung als Masseschuld zusteht. Hilfsweise beantragt er, seine Forderung als bevorrechtigt zur Tabelle festzustellen, weiter hilfsweise, das Verfahren auszusetzen oder den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zu verweisen. Die Revision führte unter Aufhebung des Berufungsurteils zur Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht D.
Entscheidungsgründe
I.
In beiden Tatsacheninstanzen hat der Kläger Feststellung der von ihm mit einem Konkursvorrecht geltend gemachten, vom Verwalter bestrittenen Forderung zur Konkurstabelle begehrt (§ 146 Abs. 1 KO). Schon im ersten Rechtszug hatte der Beklagte darauf hingewiesen, daß für die Zeit vom 24. August 1982 an eine - allerdings von ihm bestrittene - Masseschuld vorliegen könne. Im Berufungsrechtszug berief sich der Kläger dann u. a. auch auf ein Vorrecht nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO, ohne hieraus in seinem Klageantrag Folgerungen zu ziehen.
Erstmals in der Revisionsinstanz hat der Kläger Feststellung einer Masseschuld begehrt. Dies ist eine Antragsänderung; der Kläger verlangt jetzt eine andere Feststellung als die ursprünglich geforderte, wobei offen bleiben kann, ob hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen wäre, weil er sofort auf Leistung, also auf Zahlung aus der Masse, klagen könnte. Eine solche Änderung, bei der statt des ursprünglichen ein anderes Begehren mit einem geänderten Antrag verfolgt wird, ist in der Revisionsinstanz nicht zulässig (BGH Urt. vom 4. Mai 1961 - III ZR 222/59, LM Nr. 27 zu § 561 ZPO = NJW 1961, 1467).
II.
1. Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil die Streitsache bereits anderweitig rechtshängig sei (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Rechtshängigkeit sei durch die vor dem Arbeitsgericht D. erhobene Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses eingetreten. Im Feststellungsstreit nach § 146 KO verfolge der Kläger seine Lohnforderung für den gleichen Zeitraum, für den er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch das Arbeitsgericht festgestellt wissen wolle. Das genüge für die Annahme anderweiter Rechtshängigkeit, weil vorliegend für deren Begründung nicht wie im Regelfall die Identität der Parteien erforderlich sei, sondern nur die Identität des im Konkurs angemeldeten und des im Prozeß - d. h. im Verfahren vor dem Arbeitsgericht D. - verfolgten Anspruches vorausgesetzt werde.
Es sei unerheblich, daß mit dem vor dem Arbeitsgericht erhobenen Feststellungsanspruch keine Geldforderung verfolgt werde, wie im Feststellungsstreit nach § 146 KO. Im Konkurs seien nämlich gemäß § 69 KO alle Forderungen, welche nicht auf einen Geldbetrag gerichtet seien, nach ihrem Schätzwert geltend zu machen; sie verwandelten sich in eine Geldforderung. Zwischen dem Anspruch auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum und dem für denselben Zeitraum begehrten Arbeitslohn bestehe Identität. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bilde nämlich die Grundlage für das Entstehen von Lohnansprüchen. Neuklagen seien auch dann unzulässig, wenn das ursprüngliche Klagebegehren zum Zweck der Geltendmachung im Konkurs gegenständlich verändert werden müsse. § 146 Abs. 3 KO bestimme, daß, wenn zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig sei, die Feststellung derselben durch Aufnahme (§ 250 ZPO) dieses Rechtsstreits zu erfolgen habe. Dies gelte auch dann, wenn die rechtshängige Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben worden sei. Die Arbeitsgerichte seien in diesem Fall auch für die Feststellung von Ansprüchen zur Konkurstabelle zuständig. Das streitgegenständliche Verfahren könne nicht nach § 148 ZPO ausgesetzt werden. Die Entscheidung sei nämlich nicht vom Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abhängig. In beiden Verfahren seien dieselben Ansprüche Streitgegenstand. Die Nämlichkeit der Ansprüche berechtige aber nicht zur Aussetzung; vielmehr sei die später erhobene Klage abzuweisen.
2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision, die den ursprünglichen Klageantrag als Hilfsantrag weiterverfolgt, mit Recht.
a) Die Zuständigkeitsvorschrift des § 146 Abs. 2 KO gilt nicht für den Fall, daß bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens ein Rechtsstreit über die streitig gebliebene Forderung anhängig war, oder für Forderungen, für deren Feststellung ein besonderes Gericht, beispielsweise das Arbeitsgericht, zuständig ist, (§ 146 Abs. 3, 5 KO; RGZ 52, 54, 55; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 146 Rdnr. 17).
Die Aufnahme eines bereits anhängigen Rechtsstreits zur Feststellung einer Konkursforderung setzt entsprechend dem Wortlaut des § 146 Abs. 3 KO voraus, daß es sich um »die(selbe) Forderung« handelt. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muß anhand der konkursrechtlichen Vorschriften entschieden werden, welche insoweit den allgemeinen Regeln der Zivilprozeßordnung vorgehen. Dies ergibt sich aus § 240 ZPO, welcher ausdrücklich bestimmt, daß im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Konkursmasse betrifft, unterbrochen wird, bis es nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. Soweit die Aufnahme eines anhängigen Prozesses zulässig ist, ist es dem Anmelder einer Forderung verwehrt, eine neue Klage zu erheben (Jäger/Weber, KO 8. Aufl. § 146 Rdnr. 23 a; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 146 Rdnr. 16).
b) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Identität des Streitgegenstandes in dem bereits beim Arbeitsgericht rechtshängigen Verfahren mit demjenigen der vorliegenden Klage ausgegangen. Die Rechtsschutzziele der vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage, nämlich das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin festzustellen, und des hier verfolgten Begehrens, eine Geldforderung mit Vorrecht zur Konkurstabelle festzustellen, stimmen nicht überein. Die Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses mag zwar für die angemeldete Lohnforderung vorgreiflich sein, sie geht aber über diese hinaus; denn sie umfaßt auch einen Zeitraum, in dem eine Lohnforderung Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO sein kann, und sie kann auch Grundlage für andere Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis sein. Deshalb hätte die Aufnahme des beim Arbeitsgericht anhängigen Verfahrens gegen die Masse auch nach § 11 KO erfolgen können. Die Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses ist nicht vergleichbar mit Fällen, in denen auf Feststellung einer Forderung vor Konkurseröffnung geklagt worden war und bei denen das anhängige Verfahren unter Anpassung des Antrags an die Konkurssituation beim Streit um die Feststellung der Forderung zur Tabelle (§ 146 Abs. 1 KO) weiterzuführen ist; denn die Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses betrifft nicht nur den Lohnanspruch. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der möglichen Folge der Lohnzahlungspflicht an den Kläger kann auch gegenüber dem beklagten Konkursverwalter festgestellt werden.
Mit dem Reichsarbeitsgericht (RAG JW 1933, 1551) kann davon ausgegangen werden, daß der Kläger auch das beim Arbeitsgericht bereits anhängige Feststellungsverfahren hätte aufnehmen können, wenn er nur noch die Feststellung eines bezifferten Lohnanspruchs zur Konkurstabelle mit einem an das Konkursverfahren angepaßten Antrag hätte begehren wollen. Er mußte dies aber nicht tun, weil seine Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht ein weitergehendes Rechtsschutzziel verfolgte. Die im Revisionsverfahren unzulässige Änderung seines Klageantrags wie sein Vortrag im Berufungsrechtszug, er nehme ein Vorrecht nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO in Anspruch, zeigen, daß er seine Lohnansprüche aus dem von ihm behaupteten Arbeitsverhältnis uneingeschränkt für die Zeit bis zum 30. November 1982 verfolgen wollte. Dazu war aber die Aufnahme des beim Arbeitsgericht anhängigen Verfahrens mit dem Antrag auf Feststellung einer bevorrechtigten Lohnforderung zur Tabelle nicht der richtige Weg. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die beim Arbeitsgericht anhängige Klage denselben Streitgegenstand wie der hier verfolgte Antrag habe, trifft nicht zu. Die Klageabweisung durch Prozeßurteil kann daher nicht bestehen bleiben.
3. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß sowohl für eine Klage wegen einer Masseschuld aus einem Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO, als auch für die Feststellung einer Lohnforderung zur Konkurstabelle die Arbeitsgerichte und nicht die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Der Senat konnte auf den Hilfsantrag des Klägers, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht D. verweisen (§ 281 ZPO). § 549 Abs. 2 ZPO steht einer solchen Verweisung nicht entgegen, weil hier ein Verweisungsantrag in allen Instanzen hilfsweise gestellt war und das Berufungsgericht sich an einer Verweisung dadurch gehindert gesehen hat, daß es zu Unrecht von einer Rechtshängigkeit der gleichen Sache beim Arbeitsgericht ausgegangen ist.