Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.05.1988, Az.: IX ZR 276/87
Konkurs; Aussonderung; Kostenerstattung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.05.1988
- Aktenzeichen
- IX ZR 276/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 13619
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 43 KO
Fundstellen
- BGHZ 104, 304 - 308
- DB 1988, 2252 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1988, 1034
- MDR 1988, 859 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1988, 3264-3265 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1988, 853-855
Amtlicher Leitsatz
Stellt der Konkursverwalter Aussonderungsgut zur Abholung durch den Eigentümer bereit, so fallen die dadurch entstandenen Kosten grundsätzlich der Masse zur Last.
Tatbestand:
Der Beklagte ist Verwalter im Konkurse über das Vermögen der B. GmbH in S. Zur Herstellung von Gußstücken hatte die Gemeinschuldnerin neben anderen auch Holzformen verwendet, die im Eigentum der Klägerin standen. Es bestand eine Vereinbarung, daß die Gemeinschuldnerin die Formen für die Klägerin kostenlos lagerte, um deren Aufträge erfüllen zu können. Die Klägerin verlangte von dem Beklagten Herausgabe ihrer in einer Liste zusammengestellten Formen. Dieser erkannte ein Aussonderungsrecht der Klägerin grundsätzlich an, lehnte jedoch deren Angebot, die mit der Aussonderung der Formen verbundenen Arbeiten selbst durchzuführen, unter Hinweis auf die Vielzahl aussonderungsberechtigter Gläubiger und eine Gefährdung der geordneten Abwicklung des Konkurses ab. Er sonderte 175 aus insgesamt ca. 700 Teilen bestehende Formen aus und stellte sie zur Abholung durch die Klägerin bereit. Dafür berechnete er ihr 375 Arbeitsstunden zu je 80 DM nebst 14 % Mehrwertsteuer, insgesamt einen Betrag von 34 200 DM, den die Klägerin unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlte. Mit ihrer Klage verlangt sie Rückzahlung dieses Betrages. Der Beklagte macht geltend, er habe die herausgegebenen Formen anhand einer desolaten Kartei aus ca. 15 000-18 000 Formen zusammensuchen und dabei zum Teil einen Kranwagen einsetzen müssen. Die dadurch bedingten unverhältnismäßigen, den Rahmen des Üblichen übersteigenden Aufwendungen zur Bedienung der Sonderrechte eines einzelnen Gläubigers müßten der Konkursmasse wenigstens annähernd ersetzt werden.
Landgericht und Oberlandesgericht (OLG Köln WM 1987, 908 = ZIP 1987, 653) haben der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Beklagten auf Aufwendungsersatz verneint und dem Herausgabeverlangen der Klägerin aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung entsprochen. Zwischen den Parteien sei eine Aufwandsentschädigung im Sinn von §§ 662, 670 BGB nicht vereinbart worden. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag stehe dem Beklagten nicht zu, weil er durch Feststellung und Herausgabe der im Eigentum der Klägerin stehenden Holzformen ein eigenes und nicht ein fremdes Geschäft besorgt und den Herausgabeanspruch der Klägerin nicht bevorzugt bedient habe. Auch eine Zunahme masseloser Insolvenzen infolge einer Überlastung der Masse mit Gläubigervorrechten führe nach geltendem Recht nicht zur Anerkennung eines Anspruchs des Beklagten auf Aufwendungsersatz, zumal es sich bei dem Aussonderungsgut nicht um Mobiliarsicherheiten gehandelt habe.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
Der Klägerin steht der Klageanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO gegen den Beklagten als Konkursverwalter zu, weil die Masse um den unter Vorbehalt gezahlten Betrag ungerechtfertigt (rechtlos) bereichert ist.
Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung liegt ein rechtlicher Grund nicht in einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Beklagte hat mit den Aufwendungen, die zur Herausgabe der Formen erforderlich waren, nicht ein Geschäft für die Klägerin besorgt.
Nach § 43 KO bestimmen sich die Ansprüche auf Aussonderung nach den außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Gesetzen, hier in erster Linie nach § 985 BGB.
Macht ein Eigentümer gegen den unmittelbaren Alleinbesitzer von beweglichen Sachen einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB geltend, so gehört es zur Pflicht des Besitzers, die Sachen grundsätzlich dort, wo sie sich befinden, »in den Bereich der unmittelbaren Wahrnehmung und der möglichen Apprehension« des Eigentümers zu bringen (BGB-Motive III 398 f.; BGB-RGRK/Pikart 12. Aufl. § 85 Rdnr. 26; MünchKomm/Medicus 2. Aufl. § 985 Rdnr. 18, 21; Staudinger/Gursky, BGB 12. Aufl. § 985 Rdnr. 32), mit anderen Worten sie zur Abholung durch den Eigentümer bereitzustellen (vgl. Lenzen, OLG Köln EWiR § 43 KO 1/87, 701, 702). Der Besitzer führt damit ein eigenes, nicht ein Geschäft des Eigentümers. Es ist deshalb nur folgerichtig, daß die im Zusammenhang mit der Bereitstellung entstehenden Kosten nach einhelliger Meinung von dem Besitzer zu tragen sind (vgl. Heck, Sachenrecht § 66 Nr. 7 = S. 274 f.; Hopt DB 1975, 1061; Lenzen aaO; MünchKomm/Medicus aaO § 985 Rdnr. 20; Palandt/Bassenge, BGB 47. Aufl. § Anm. 3 a; Staudinger/Gursky aaO § 985 Rdnr. 33; auch BGHZ 79, 211, 213 ff.) [BGH 12.01.1981 - VIII ZR 184/79]. Ähnliches gilt für den hier ebenfalls gegebenen Anspruch aus § 695 BGB. Denn grundsätzlich hat der Schuldner einer Leistung auch die zur Bewirkung der Leistung erforderlichen Ausgaben zu bestreiten (BGB-Motive II 328; Staudinger/Köhler aaO § 448 Rdnr. 1; Lenzen aaO S. 701). Dies erscheint - den Konkurs hinweggedacht - auch deswegen gerechtfertigt, weil die Verwendung der Holzformen auch im Interesse der Verwahrerin lag. Ohne den Konkurs wären die Kosten für eine Bereitstellung der Modelle zur Abholung durch die Klägerin mithin von der späteren Gemeinschuldnerin als Besitzerin zu tragen gewesen.
Infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens richtete sich der Herausgabeanspruch der Klägerin gegen den Beklagten als Konkursverwalter. Er wurde mit Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die zum Betrieb der Gemeinschuldnerin gehörenden Gegenstände gemäß § 854 Abs. 1 BGB Besitzer auch der im Eigentum der Klägerin stehenden Holzformen (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 6 Rdnr. 1; § 43 Rdnr. 70 b), mögen diese auch nicht zum Vermögen der Gemeinschuldnerin und damit gemäß § 1 Abs. 1 KO nicht zur Konkursmasse gehört haben. Eine weitere Änderung des Herausgabeanspruchs war mit der Eröffnung des Konkursverfahrens nicht verbunden. Dies ist die Folge der in engem Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 KO stehenden Vorschrift des § 43 KO, als deren »leitender Grundsatz« in den Motiven zu dem Entwurf einer Konkursordnung herausgestellt wurde (S. 158): »Die Ansprüche bleiben dem außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Recht unterworfen. Der Berechtigte macht die Ansprüche gegenüber der Konkursmasse nach demjenigen Recht geltend, welches maßgebend sein würde, falls der Gemeinschuldner nicht in Konkurs gerathen wäre.« Dies entspricht bis heute einhelliger Rechtsmeinung (vgl. RG LZ 1909 Sp. 863; Hess/Kropshofer, Kommentar zur Konkursordnung 2. Aufl. § 43 Rdnr. 15; Kilger, Konkursordnung 15. Aufl. § 43 Anm. 2; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 43 Rdnr. 49; Lenzen aaO). Sind aber die rechtlichen Grundlagen für im Wege der Aussonderung geltend zu machende Ansprüche dieselben Normen wie vor der Konkurseröffnung, dann müssen auch die Rechtsfolgen eines Aussonderungsanspruchs dieselben wie vor der Eröffnung des Konkursverfahrens sein. Abweichende Bestimmungen sieht die Konkursordnung nicht vor.
Daraus folgt, daß der Beklagte mit der Bereitstellung der Holzformen ein eigenes, nicht aber ein Geschäft der Klägerin geführt hat und daß ihm (der Masse) und nicht der Klägerin die im Zusammenhang mit der Bereitstellung entstandenen Kosten zur Last fallen (so auch Hopt aaO S. 1062; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 43 Rdnr. 70 b; § Rdnr. 52 c; Lenzen aaO S. 702; a. A. AG Gütersloh ZIP 1981, 756, 757; Borchers KTS 1972, 237, 239; Hess/Kropshofer aaO § 43 Rdnr. 127; Kilger aaO § 43 Anm. 3 b cc; unentschieden LG Hamburg ZIP 1981, 890).
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer eingeschränkten Auskunftspflicht des Konkursverwalters gegenüber einem Absonderungsberechtigten (BGHZ 70, 86, 91 m. Anm. Hiddemann in LM Nr. 21 zu § 355 HGB) sind entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht ihm günstige Rechtsfolgen nicht herzuleiten. Zum einen betrifft diese Rechtsprechung den Umfang der Auskunftspflicht, nicht aber die Frage, wer für die Kosten der Auskunft aufzukommen hat (vgl. dazu OLG Karlsruhe ZIP 1981, 257, 258 f.). Zum anderen wird die (unselbständige) Auskunftspflicht in besonderem Maße durch Zumutbarkeitserwägungen (§ 242 BGB) bestimmt, während die dem Besitzer gegenüber dem Eigentümer obliegende Herausgabepflicht einem wesentlich strengeren Beurteilungsmaßstab unterliegt (vgl. BGB-RGRK/Pikart aaO § 985 Rdnr. 44; MünchKomm/Medicus aaO § 985 Rdnr. 23, 42; Staudinger/Gursky aaO § 985 Rdnr. 53).
Auch die anläßlich der Vorarbeiten zu einer Insolvenzreform erörterten Modelle einer Beteiligung Aus- und Absonderungsberechtigter an den Kosten, die im Zusammenhang mit ihrer Befriedigung entstehen (vgl. etwa Heinsius/Kretzer WM 1985 Sonderbeilage Nr. 2 S. 6 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung Bd. VI S. 766 f.), sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Sie bewegen sich im rechtspolitischen Raum und sollen zudem der Verhinderung einer Masseausschöpfung durch Mobiliarsicherheiten dienen, die im Streitfall nicht in Rede steht, weil den Holzformen der Klägerin eine Sicherungsfunktion nicht zukam.