Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.05.1988, Az.: V ZR 269/86
Grundstücksbestandteil; Gebäude; Blockhaus; Isolierter Eigentumserwerb; Mobiliarzwangsvollstreckung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.05.1988
- Aktenzeichen
- V ZR 269/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 13457
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHZ 104, 298 - 304
- DB 1988, 1993-1994 (Volltext mit red. LS)
- DNotZ 1989, 420-422
- MDR 1988, 946 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1988, 2789-2790 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1988, 1480 (amtl. Leitsatz)
- RdL 1988, 236
- ZIP 1988, 1283-1285
Redaktioneller Leitsatz
Zu den Kriterien für die Grundstücksbestandteilseigenschaft eines Gebäudes (hier: Blockhaus mit festem Fundament).
Der isolierte Eigentumserwerb an wesentlichen Grundstücksbestandteilen durch Übereignungsakte in der Mobiliarzwangsvollstreckung ist nicht möglich.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Campingplatzes. Diesen hatte sie 1982 zunächst für 15, später auf die Dauer von 25 Jahren an die Firma W. GmbH verpachtet. In § 4 Abs. 4 des Pachtvertrages vom 1./4. Februar 1982 heißt es:
»Die von der Pächterin während der Pachtzeit erstellten neuen baulichen Anlagen gehen in das Gemeindeeigentum über. Ersatzansprüche der Pächterin sind ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem die baulichen Anlagen während der Dauer des Pachtverhältnisses erstellt werden.«
Der 1969 auf dem Gelände errichtete Verkaufskiosk brannte Ende 1982 ab. Die Pächterin schloß deshalb am 21. März 1983 mit der Beklagten einen Werkvertrag über die Lieferung und Montage eines finnischen Blockhauses zum Preise von 105 353,18 DM ab. Entsprechend der Baubeschreibung wurde das Blockhaus auf Streifenfundamenten und einem 0,50 m hohen verblendeten Sockel errichtet, der Schornstein wurde in massiver Bauweise außerhalb des Hauses hochgeführt; für die Ölheizung wurde ein 5 000 l Erdtank eingebaut; ferner wurde das Blockhaus an das Stromnetz, die Wasserleitung und eine Kläranlage angeschlossen. Die Beklagte berechnete der Pächterin für Lieferung und Montage des Blockhauses 115 281,80 DM; hierauf wurden 88 923,83 DM gezahlt, davon 48 162,83 DM von der Feuerversicherung der Klägerin für den abgebrannten Kiosk.
Über den Restbetrag und einen weiteren Betrag aus einer anderen Rechnung erwirkte die Beklagte gegen die Firma W. GmbH einen Vollstreckungstitel und ließ das Blockhaus durch den Gerichtsvollzieher im Wege der Mobiliarvollstreckung pfänden. Unter dem 6. Dezember 1984 beantragte die Beklagte beim Vollstreckungsgericht, ihr gemäß § 825 ZPO das Eigentum an dem Blockhaus unter Anrechnung auf ihre Forderung zuzuweisen. Mit Beschluß vom 4. Januar 1985 ordnete das Vollstreckungsgericht gemäß § 825 ZPO an, der Gläubigerin das Eigentum an dem Holzblockhaus unter Anrechnung auf deren Forderung zuzuweisen. Sodann »übereignete« der Gerichtsvollzieher der Beklagten das Blockhaus und übergab es ihr.
Die Klägerin hat beantragt, die Zwangsvollstreckung in das Blockhaus für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Herausgabe zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Drittwiderspruchsklage als unzulässig abgewiesen und dem Herausgabeanspruch stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auch die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe schon aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 4 des Pachtvertrages, die eine vorweggenommene Einigung über den Eigentumserwerb enthalte, das Eigentum an dem Blockhaus erlangt. Jedenfalls habe sie gemäß § 946 BGB Eigentum erworben, da das Blockhaus wesentlicher Bestandteil des Grundstücks mit seinem Einbau geworden sei: Es sei aufgrund seines Eigengewichts und durch Fundament und Sockel fest mit dem Boden verbunden; eine Trennung würde zur Beschädigung wesentlicher Bestandteile führen. Entscheidend sei zudem, daß das Blockhaus zusammen mit Fundament, Sockel und Leitungen bei natürlicher Betrachtung als »das Gebäude« im Sinne von § 94 Abs. 2 BGB anzusehen sei, das fest und nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit Grund und Boden verbunden worden sei. Das Blockhaus sei auch kein Scheinbestandteil gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn nach der Regelung in § 4 Abs. 4 des Pachtvertrages hätten während der Pachtzeit erstellte neue bauliche Anlagen in das Eigentum der Klägerin übergehen sollen. Es liege nichts dafür vor, daß sich die Pächterin an diese Regelung nicht gebunden gefühlt und sie für unwirksam erachtet habe.
Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Zwangsvollstreckung, wie das Landgericht meine, nichtig gewesen sei. Die funktionelle Unzuständigkeit der Rechtspflegerin und des Gerichtsvollziehers sei nicht offenkundig, sondern von der Frage abhängig gewesen, ob das Blockhaus wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sei oder nicht. Die Eigentumsübertragung sei jedoch ins Leere gegangen und habe rechtliche Wirksamkeit nicht entfalten können. Rechtspflegerin und Gerichtsvollzieher seien rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage gewesen, der Beklagten das Eigentum an einem wesentlichen Bestandteil des Grundstücks zu übertragen. Die §§ 93, 94 BGB entfalteten eine stärkere Wirkung als die Hoheitsakte der Zwangsvollstreckung.
II.
1. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe in erster Linie prüfen müssen, ob nicht die Vereinbarung eines sofortigen und entschädigungslosen Überganges des Eigentums von neu zu errichtenden Bauten auf dem Pachtgrundstück gegen § 138 BGB verstoße und somit sittenwidrig sein könnte.
Die Revision wendet sich insoweit nicht gegen die vom Tatrichter getroffene Feststellung, daß das Blockhaus mit den Fundamenten, dem Sockel und den Zuleitungen »das Gebäude« im Sinne des § 94 Abs. 1 BGB darstelle und dieses Gebäude fest mit dem Grund und Boden verbunden sei. Diese tatrichterlichen Feststellungen sind auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiter ausgeschlossen, daß das Blockhaus nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden und deshalb nicht Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1 BGB, sondern wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne des § 94 Abs. 1 BGB geworden ist. Wird die Verbindung zwischen dem Gebäude und dem Grund und Boden, wie hier, aufgrund eines befristeten Vertrages hergestellt, so ist zwar zu vermuten, daß dies nur für die Dauer des Pachtverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck im Sinne des § 95 Abs. 1 BGB geschehen sollte (BGHZ 8, 1, 5 [BGH 31.10.1952 - V ZR 36/51]; 92, 70, 74 [BGH 04.07.1984 - VIII ZR 270/83]; Senatsurt. vom 31. Oktober 1986, V ZR 168/85, NJW 1987, 774). Dagegen entfällt die Grundlage für eine derartige Vermutung, wenn im Vertrag bestimmt ist, daß die auf dem Grund und Boden errichtete Anlage nach Beendigung des Vertragsverhältnisses (gegen oder ohne Zahlung einer Entschädigung) in das Eigentum des Verpächters übergehen soll (BGHZ 8, 1, 6 [BGH 31.10.1952 - V ZR 36/51]; Senatsurteile vom 5. März 1958, V ZR 264/58, LM Nr. 5 zu § 95 BGB und vom 2. März 1973, V ZR 57/71, WM 1973, 560, 562). Entscheidend ist dabei jedoch nicht die vertragliche Regelung als solche, sondern der Wille des Pächters, das Gebäude auch bei Aufhebung des Nutzungsanspruchs auf dem Grundstück zu belassen. Der Zweck bestimmt sich dabei nach der inneren Willensrichtung des Einfügenden, die aber mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein muß (RGZ 153, 231, 236; 158, 362, 376; Senatsurt. vom 5. März 1958, V ZR 264/56, LM Nr. 5 zu § 95 BGB). Der Bundesgerichtshof hat deshalb eine Bestandteilseigenschaft auch bei solchen Bauten bejaht, bei denen der Errichtende kein oder nur ein kurzfristiges Gebrauchs- oder Nutzungsrecht am Grundstück hatte, jedoch von der Erwartung ausging, das Eigentum oder ein Erbbaurecht am Grundstück zu erwerben oder einen langfristigen Miet- oder Pachtvertrag mit einer Übernahme des Gebäudes durch den Vermieter oder Verpächter bei Vereinbarung einer Entschädigungsregelung abzuschließen (BGHZ 10, 171, 176; BGH Urt. vom 12. April 1961, VIII ZR 152/60, LM Nr. 14 zu § 951 BGB; Urt. vom 8. Dezember 1970, VIII ZR 150/70, WM 1971, 389, 390; Senatsurt. vom 8. Mai 1971, V ZR 121/68, WM 1971, 940, 941).
Gegen die Feststellung des Tatrichters, die Pächterin habe hier den Willen gehabt, im Einklang mit der Absprache in § 4 Abs. 4 des Pachtvertrages den Kiosk nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden zu verbinden, erhebt die Revision keine Rügen. Die Klägerin ist danach mit dem Einbau des Blockhauses auf dem Fundamentsockel Eigentümerin des Blockhauses geworden.
2. Die Klägerin hat ihr Eigentum an dem Blockhaus nicht durch die von der Beklagten betriebene Mobiliarzwangsvollstreckung verloren. Denn die Beklagte ist nicht infolge des Beschlusses des Vollstreckungsgerichts nach § 825 ZPO und die Übereignungs- und Übergabehandlung durch den Gerichtsvollzieher Eigentümerin des Blockhauses geworden.
Dabei kann dahinstehen, ob nicht schon, anders als die Revision meint, die Pfändung des Blockhauses als erster Vollstreckungsakt wegen sachlicher oder funktionaler Unzuständigkeit des Gerichtsvollziehers nichtig war und ob es infolgedessen bereits insoweit an einer wesentlichen Wirksamkeitsvoraussetzung für den Eigentumserwerb kraft Hoheitsaktes fehlte (vgl. dazu, wenn auch im wesentlichen zur Pfändung von Zubehör: RGZ 59, 88, 92; 60, 70, 73; 135, 197, 206; 153, 257, 259; RG JW 1905, Sp. 575 und JW 1937, 2265, 2266 - die letztgenannte Entscheidung betrifft die Pfändung eines wesentlichen Bestandteils eines Grundstücks; OLG Bamberg JR 1955, 25 und OLG München MDR 1957, 428 einerseits sowie Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht Rdn. 442; Brox/Walter, Zwangsvollstreckungsrecht Rdn. 207; Bruns/Peters, Zwangsvollstreckungsrecht 2. Aufl. § 27 IV 2, S. 179; Gaul Rpfleger 1981, 81, 88; Stein/Jonas/Pohle/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 865 Rdn. 36 - dort ausdrücklich auch für die Pfändung von Bestandteilen ausgesprochen -; wohl auch Thomas/Putzo, ZPO 15. Aufl. § 865 Anm. 2 a und d andererseits).
Jedenfalls haben die auf einen Eigentumserwerb der Beklagten gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen, nämlich der Beschluß des Vollstreckungsgerichts vom 6. Dezember 1984 und die Übereignungs- und Übergabehandlung durch den Gerichtsvollzieher am 22. Februar 1985, nicht zu einem Erwerb des Eigentums an dem Blockhaus als einem wesentlichen Bestandteil des im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücks führen können.
Ein solcher Erwerb ist kraft Gesetzes ausgeschlossen:
Nach § 93 BGB können wesentliche Bestandteile einer Sache nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, die durch die Verbindung geschaffenen wirtschaftlichen Werte möglichst zu erhalten, was durch eine die Trennung begünstigende Zulassung von Sonderrechten gefährdet sein würden (vgl. Motive Bd. 3 S. 41 = Mugdan, Materialien Bd. 3 S. 23). Für Gebäude dient diese Regelung auch der Sicherheit im Rechtsverkehr. Im Grundstücksverkehr ist die Schaffung klarer und sicherer Rechtsverhältnisse von besonderer Bedeutung (BGHZ 26, 225, 228). Deshalb ist ein Rechtsgeschäft, das die Begründung von Sondereigentum an einem ungetrennten wesentlichen Grundstücksbestandteil zum Inhalt hat, nichtig (vgl. Erman/Schmidt, BGB 7. Aufl. § 93 Rdn. 10; MünchKomm/Holch 2. Aufl. § 93 Rdn. 18; Soergel/Mühl, BGB 12. Aufl. § 93 Rdn. 20; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 93 Rdn. 23).
Etwas anderes kann auch, entgegen der Ansicht der Revision (ebenso Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 817 Rdn. 24 ohne weitere Begründung), nicht gelten, wenn ein derartiges Sondereigentum durch im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Hoheitsakte entstehen soll (vgl. auch Erman/Schmidt aaO).
Hier kollidiert der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß hoheitliche rechtsgestaltende Akte, zu denen auch die Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden gehören, im Interesse der Rechtssicherheit zu beachten sind (vgl. BGHZ 30, 173, 175 [BGH 10.06.1959 - V ZR 294/57]; 66, 79, 80 f. [BGH 16.02.1976 - II ZR 171/74]), mit der Entscheidung des Gesetzgebers, daß im Interesse der Erhaltung wirtschaftlicher Werte und der Schaffung klarer und sicherer Rechtsverhältnisse die mit einem Grundstück als wesentliche Bestandteile verbundenen Sachen nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können (§ 93 BGB). Der Senat mißt dem sachenrechtlichen Grundsatz des § 93 BGB größere Bedeutung zu mit der Folge, daß der Erwerb von Eigentum an ungetrennten wesentlichen Bestandteilen ebensowenig durch Hoheitsakte möglich ist wie durch Rechtsgeschäft. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß die Zivilprozeßordnung das Interesse am Erhalt volkswirtschaftlicher Werte noch weitergehend verfolgt als das Bürgerliche Gesetzbuch. So ist gemäß § 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO Zubehör unpfändbar, obwohl dessen Übertragung durch Rechtsgeschäft zulässig ist. Umgekehrt schützt die Zivilprozeßordnung auch nicht den guten Glauben an die Zubehöreigenschaft der auf einem versteigerten Grundstück befindlichen, in dem für das Versteigerungsverfahren eingeholten Wertgutachten genannten, Gegenstände. Der Zuschlagsbeschluß führt auch hier nicht zu einem Eigentumserwerb des Erstehers an denjenigen Gegenständen, die kein Zubehör im Rechtssinne waren, selbst wenn das Gebot im Glauben an die Zubehöreigenschaft abgegeben wurde (Senatsurt. vom 25. Mai 1984, V ZR 149/83, NJW 1984, 2277, 2279 mit Rezension Dilcher JuS 1986, 185, insbes. 189).