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Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.01.1988, Az.: IVb ZR 7/87

Trennungsunterhalt; Verwirkung; Wiederkehrende Unterhaltsleistungen; Mahnung; Verzug

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
13.01.1988
Aktenzeichen
IVb ZR 7/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 13308
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 103, 62 - 71
  • FamRZ 1988, 370
  • MDR 1988, 481 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1988, 1137-1139 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1988, 583 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

1. Zur Verwirkung rückständigen Trennungsunterhalts (Fortführung von BGHZ 84, 280 = NJW 1982, 1999 [BGH 16.06.1982 - IVb ZR 709/80]).

2. Solange die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines Unterhaltsrechts fortbestehen, braucht eine Mahnung nicht periodisch wiederholt zu werden, um den Schuldner wegen der wiederkehrenden Unterhaltsleistungen in Verzug zu setzen. Die Mahnung wegen Trennungsunterhalt setzt den Schuldner nicht auch wegen eines künftigen Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt in Verzug.

Tatbestand:

1

Die Parteien schlossen am 15. Dezember 1961 die Ehe, aus der der am 6. August 1963 geborene Sohn Rüdiger hervorging. Im Juni 1982 trennten sie sich, wobei der Beklagte aus dem im Miteigentum der Parteien stehenden Familienheim auszog und die Klägerin dort verblieb. Beide Parteien waren berufstätig. Der Anwalt der Klägerin richtete unter dem 20. Juli 1982 ein Schreiben an die anwaltschaftlichen Vertreter des Beklagten, in dem es heißt:

2

»Nachdem Ihr Mandant für den Monat Juni lediglich 170 DM Unterhalt für meine Mandantin und für den Monat Juli überhaupt noch keinen Unterhalt überwiesen hat und darüberhinaus der vollständige Einkommensnachweis nicht geführt wurde, werde ich nunmehr im Wege der Klage vorgehen.

3

Da meine Mandantin nicht in der Lage ist, Prozeßkosten vorzuschießen, ist Ihr Mandant im Hinblick auf sein Einkommen hierzu verpflichtet. Diese Kosten sind unten näher spezifiziert und bis spätestens zum 28. d. M. auf eines meiner o. d. Konten zu überweisen. Andernfalls werde ich auch insoweit gerichtlich vorgehen.

4

Der momentane Unterhaltsanspruch meiner Mandantin beträgt vorläufig geschätzt mindestens 730 DM, wobei Nachforderungen ausdrücklich vorbehalten bleiben.«

5

Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Unterhalt zahlte er zwar für den Sohn, nicht aber - nach einer letzten Zahlung von 170 DM im Juli 1982 - für die Klägerin, ohne daß diese weiteres unternahm. Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 4. April 1984, rechtskräftig seit dem 10. Juli 1984, geschieden.

6

Mit der am 9. August 1985 erhobenen Klage macht die Klägerin zunächst nachehelichen Unterhalt in Höhe eines Teilbetrages von monatlich 300 DM geltend. Im Termin vom 9. September 1985 erweiterte sie die Klage auf Zahlung laufenden Unterhalts von monatlich 882,30 DM ab 1. August 1985 sowie eines Unterhaltsrückstands von 26 280 DM nebst Zinsen für die Zeit vom 1. August 1982 bis 31. Juli 1985 (36 Monate zu 730 DM).

7

Das Amtsgericht hat der Klägerin durch Teilurteil einen Betrag von 13 507 DM als rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1. August 1982 bis 31. Dezember 1984 zugesprochen. Dabei hat es monatlichen Unterhalt von 705 DM für das Jahr 1982, 450 DM für das Jahr 1983, 346 DM für Januar bis August 1984 sowie 496 DM für September bis Dezember 1984 für gerechtfertigt erachtet. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert und die Klägerin mit ihren Ansprüchen für die fragliche Zeit abgewiesen. Ihre - zugelassene - Revision hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

8

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Beklagte durch das als Mahnung zu wertende Schreiben vom 20. Juli 1982 wegen des Anspruchs der Klägerin auf Trennungsunterhalt ab August 1982 in Verzug gesetzt worden. Er schulde deswegen gemäß §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1613 Abs. 1 BGB grundsätzlich auch Unterhalt für die Vergangenheit, ohne daß die Mahnung in der Folgezeit habe fortlaufend wiederholt werden müssen. Ein Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt sei jedoch verwirkt, weil sie bis zur gerichtlichen Geltendmachung drei Jahre habe verstreichen lassen und der Beklagte nach den gegebenen Umständen davon habe ausgehen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung der Parteien (vom Amtsgericht berücksichtigt für August bis September 1984) könne die Klägerin schon deswegen nicht fordern, weil die Mahnung zur Zahlung von Trennungsunterhalt nicht auch den Verzug des Beklagten wegen des seinerzeit noch nicht bestehenden Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt habe begründen können.

9

Diese Beurteilung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

10

1. Keine Bedenken bestehen gegen die auch von der Revisionserwiderung nicht angezweifelte Annahme des Oberlandesgerichts, daß der Beklagte durch das Schreiben der Klägerin vom 20. Juli 1982 wegen ihres Anspruchs auf Trennungsunterhalt in Verzug gesetzt worden ist. Das Schreiben enthielt die unmißverständliche Aufforderung, einen monatlichen Ehegattenunterhalt von mindestens 730 DM zu zahlen, wenn die in Aussicht gestellte Unterhaltsklage vermieden werden sollte. Wird die vom Amtsgericht für gerechtfertigt erachtete Unterhaltsforderung von monatlich 705 DM im Jahre 1982 zugrundegelegt, wovon in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin auszugehen ist, sind die Anforderungen erfüllt, die an eine rechtswirksame Mahnung zu stellen sind (vgl. dazu etwa Senatsurteile vom 26. Mai 1982 - IVb ZR 715/80 - FamRZ 1982, 887, 890 und vom 30. November 1983 - IVb ZR 31/82 - FamRZ 1984, 163).

11

2. Diese Mahnung hat ausgereicht, um die Fortdauer des Verzuges des Beklagten mit seiner Unterhaltspflicht bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils im Juli 1984 zu bewirken. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 26. Januar 1983 (IVb ZR 351/81 - FamRZ 1983, 352, 354) ausgesprochen, daß die Mahnung wegen laufenden Unterhalts grundsätzlich nicht monatlich wiederholt zu werden braucht, um die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB für die wiederkehrenden Unterhaltsansprüche zu begründen. Dies entspricht auch der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. MünchKomm/Köhler 2. Aufl. § 1613 Rdn. 3 a; Rolland, 1. EheRG 2. Aufl. § 1585 b Rdn. 2; BGB-RGRK/Wüstenberg/Koeniger 10./11. Aufl. § 64 EheG Anm. 6; Göppinger, Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 1303; Gernhuber, Familienrecht 3. Aufl. § 41 IX 2 S. 620; Heiß/Heiß, Unterhaltsrecht I 7.2; differenzierend: Furler, Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten - 1941 - S. 36). Soweit neuerdings Derleder (Anm. zum Senatsurteil vom 17. September 1986 - IVb ZR 59/85 - EzFamR § 284 Nr. 3) für die Notwendigkeit erneuter Mahnungen in bestimmten Zeitabständen eintritt, wobei er diese in Anlehnung an §§ 701 ZPO, 212 Abs. 2, 213 BGB mit längstens sechs Monaten bemißt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Diese Auffassung hätte die Konsequenz, daß die Voraussetzungen für die Forderung rückständigen Unterhalts nach § 1613 Abs. 1 BGB für die erste Zeit nach der Mahnung, also einen unter Umständen weit zurückliegenden Zeitraum, vorlägen, während Unterhaltsforderungen für den jüngeren Zeitraum bis hin zur Klageerhebung bereits endgültig an dieser Vorschrift scheiterten. Das leuchtet nicht ein. Unterhaltsansprüche werden vom Verfahrensrecht (§ 258 ZPO), sobald sie einmal entstanden sind, als einheitliche Rechte auf wiederkehrende Leistungen behandelt und vom Augenblick ihres Entstehens an als durch den Wegfall ihrer Voraussetzungen auflösend bedingt angesehen (vgl. Senatsurteil BGH 82, 246, 250 m. w. Nachw.). Da § 1613 Abs. 1 BGB Verzug und Rechtshängigkeit in ihrer Wirkung gleichstellt, erscheint die Folgerung gerechtfertigt, daß der einmal begründete Verzug sich auf die künftig fällig werdenden, wiederkehrenden Unterhaltsforderungen erstreckt, solange die anspruchsbegründenden Voraussetzungen fortbestehen. Erneute Mahnungen mögen erforderlich sein, wenn sich nachfolgend die maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 323 ZPO wesentlich ändern (vgl. Brüggemann in Festschrift für Bosch S. 94) oder wenn der Unterhaltsschuldner Rückstände zunächst bezahlt, aber erneut säumig wird (so BGB-RGRK Wüstenberg/Königer aaO). Dies kann aber im vorliegenden Fall dahinstehen. § 1613 Abs. 1 BGB hat den Sinn, daß der Unterhaltsverpflichtete sich aufgrund der Mahnung darauf einstellen muß, von seiner Verpflichtung nicht mehr durch bloße Nichtleistung des Unterhalts frei zu werden (RGZ 164, 65, 68 f.). Wenn der Unterhaltsberechtigte andererseits nach einer Mahnung längere Zeit nichts zur Durchsetzung seiner Forderung unternimmt, mag der Vertrauensschutz des Unterhaltsverpflichteten wieder in den Vordergrund rücken. Inwieweit das der Fall ist, kann aber nach den hierauf zugeschnittenen Grundsätzen der Verwirkung (dazu unten 4) beurteilt werden, ohne daß für eine befriedigende Lösung des Problems periodisch zu wiederholende Mahnungen, die im Regelfalle zwecklos und bloße Förmelei wären, postuliert werden müßten.

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3. Den Angriffen der Revision hält weiter stand, daß das Oberlandesgericht die Fortdauer des Verzuges des Beklagten über den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils hinaus (10. Juli 1984) verneint hat. Zwar sind, wie ausgeführt, periodisch wiederholte Mahnungen entbehrlich, solange die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des in Frage stehenden Unterhaltsrechts fortbestehen. Mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils erlosch aber der Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt, weil § 1361 BGB u. a. voraussetzt, daß Berechtigter und Verpflichteter verheiratet sind. Soweit die Voraussetzungen für einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt (§§ 1570 ff. BGB) gegeben waren, entstand für die Klägerin ein neues Recht auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen (zu den Unterschieden zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt vgl. auch Senatsurteil vom 14. Januar 1981 - IVb ZR 575/80 - FamRZ 1981, 242). Hierwegen wäre der Beklagte nur in Verzug geraten, wenn die Klägerin diesen Anspruch neu angemahnt hätte, was aber nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht der Fall war. Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine bereits vor der Entstehung eines Anspruchs ausgesprochene Mahnung wirkungslos und bleibt es auch nach dem Eintritt dieser Voraussetzung (vgl. BGHZ 77, 60, 64; BGB-RGRK/Alff 12. Aufl. § 284 Rdn. 16). Die Willensrichtung des Mahnenden ist ohne Bedeutung. Somit kann die Mahnung wegen Trennungsunterhalts nicht auch den Verzug wegen eines künftigen Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt bewirken.

13

Hiernach ist der Beklagte durch die Mahnung der Klägerin mit seiner Unterhaltspflicht für die Zeit bis einschließlich 9. Juli 1984 in Verzug gesetzt worden. Der Auffassung, Trennungsunterhalt werde nicht nur bis zum Tag der Scheidung, sondern darüber hinaus für den vollen Monat geschuldet, in den die Scheidung fällt (so Luthin FamRZ 1985, 262, 263), vermag der Senat nicht zu folgen (vgl. schon Senatsurteil vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 26/82 - FamRZ 1984, 256, 257). Sie ist weder mit § 1361 BGB zu vereinbaren, wonach (nur) ein »Ehegatte« Trennungsunterhalt beanspruchen kann, noch mit den §§ 1570 ff. BGB, wonach der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt einsetzt, wenn ein Anspruchstatbestand vorliegt, gegebenenfalls also mit der Scheidung. Den §§ 1585 Abs. 1 Satz 3, 1612 Abs. 3 Satz 2, 760 Abs. 3 BGB, wonach Unterhalt bzw. Leibrente noch für den (vollen) Monat geschuldet werden, in den der Erlöschenstatbestand (Tod, Wiederheirat) fällt, läßt sich ein allgemeiner Rechtsgedanke jedenfalls nicht für die hier in Rede stehende zeitliche Abgrenzung zwischen Trennungs- und nachehelichem Unterhalt entnehmen.

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4. Hat sich danach die Klägerin durch ihre Mahnung vom Juli 1982 lediglich die Möglichkeit erhalten, Trennungsunterhalt für die Zeit von 1. August 1982 bis 9. Juli 1984 nachzufordern, bleibt zu prüfen, ob ihr Anspruch an einem vertraglichen Erlaß oder wegen Verwirkung scheitert (vgl. Senatsurteil vom 17. September 1986 aaO und FamRZ 1987, 40, 41; BGHZ 84, 280, 282). Soweit im angefochtenen Urteil ausgeführt wird, das Vorbringen der Parteien liefere für einen Erlaß keinerlei Anhaltspunkte, bestehen keine rechtlichen Bedenken und werden von den Parteien auch keine Angriffe erhoben. Das Oberlandesgericht hat aber angenommen, die Klägerin habe ihre Ansprüche wegen verspäteter Geltendmachung verwirkt. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

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a) Das Oberlandesgericht vertritt die Ansicht, die drei Jahre, die die Klägerin zwischen dem Mahnschreiben vom 20. Juli 1982 und der gerichtlichen Geltendmachung im September 1985 hat verstreichen lassen, seien grundsätzlich geeignet, den Einwand der Verwirkung gegenüber dem Anspruch auf rückständigen Unterhalt zu begründen (sogenanntes Zeitmoment). Die Revision verweist demgegenüber auf die maßgebende Verjährungsfrist von vier Jahren (§§ 197, 218 Abs. 2 BGB); vor Ablauf einer derart kurzen Verjährungsfrist könne eine Verwirkung nach allgemeiner Ansicht nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden (vgl. etwa BGH Urteil vom 17. Februar 1969 - II ZR 30/65 - DB 1969, 569). Indessen beachtet sie hierbei nicht, daß nach § 204 Satz 1 BGB die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt ist, solange die Ehe besteht. Da danach vor der Rechtskraft des Scheidungsurteils eine kurze Verjährungsfrist für Ansprüche auf Trennungsunterhalt nicht effektiv werden kann, gibt der von der Revision ins Feld geführte Gesichtspunkt im vorliegenden Fall nichts her (ebenso für den Anwendungsbereich des § 204 Satz 2 BGB: OLG München FamRZ 1986, 504, 505). Auf der anderen Seite spricht vieles dafür, bei der Frage der Verwirkung von Trennungsunterhalt an das »Zeitmoment« keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden (»in praeteritum non vivitur«). Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, ist eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten, daß er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Tut er das nicht, erweckt sein Verhalten in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig, zumal seine wirtschaftlichen Verhältnisse dem Unterhaltsschuldner meist nicht genau bekannt sind (vgl. dazu Göppinger/Stöckle aaO Rdn. 1349; Knorn FamRZ 1964, 283, 285). Wie auch der vorliegende Fall zeigt, können Unterhaltsrückstände zudem zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen, die auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten für den laufenden Unterhalt beeinträchtigen kann. Schließlich sind im Unterhaltsprozeß die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Dem Oberlandesgericht ist daher darin beizupflichten, wenn es meint, der Ablauf von drei Jahren sei regelmäßig geeignet, das »Zeitmoment« für die Verwirkung rückständigen Trennungsunterhalts zu erfüllen. Im vorliegenden Fall lagen allerdings im Zeitpunkt der Klageerweiterung im September 1985 lediglich die Unterhaltsansprüche der Klägerin für August und September 1982 drei Jahre und mehr zurück; der letzte nach Auffassung des Oberlandesgerichts noch von der Verwirkung erfaßte Anspruch war hingegen erst im Juli 1984 fällig geworden, war also im Zeitpunkt der Geltendmachung erst etwa seit 14 Monaten einforderbar. Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden (vgl. Knorn aaO S. 285). Nach Auffassung des Senats sind aber die bereits angeführten Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen, so gewichtig, daß das »Zeitmoment« für die Verwirkung von Trennungsunterhalt auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die - wie hier - etwas mehr als ein Jahr zurückliegen. Nachehelicher Unterhalt kann gemäß § 1585 b Abs. 3 BGB für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit nur verlangt werden, wenn sich der Verpflichtete der Leistung absichtlich entzogen hat. Hier erschwert das Gesetz also die Nachforderung über das Erfordernis des Verzuges hinaus (vgl. dazu Senatsurteil vom 1. Juli 1987 - IVb ZR 74/86 - BGHR BGB § 1585 b Abs. 3 Sozialhilfe 1 = FamRZ 1987, 1014). Sonderbedarf für die Vergangenheit kann gemäß § 1613 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich uneingeschränkt gefordert werden, nicht aber nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung; dann ist gemäß § 1613 Abs. 2 Satz 2 BGB Verzug oder Rechtshängigkeit erforderlich. Nach § 1615 i Abs. 2 Satz 1 BGB können rückständige Unterhaltsbeträge für ein nichteheliches Kind, die länger als ein Jahr vor Anerkennung der Vaterschaft oder Erhebung der Klage auf Feststellung der Vaterschaft fällig geworden sind, zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag erlassen werden. Danach schenkt das Gesetz bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit dem Schuldnerschutz besondere Beachtung. Diesem Rechtsgedanken kann im Rahmen der Bemessung des »Zeitmoments« für die Verwirkung von Trennungsunterhalt in der Weise Rechnung getragen werden, daß das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen kann. Mit dieser Frist dürfte allerdings die äußerste Grenze erreicht sein. War der Unterhaltsberechtigte durch besondere Umstände, insbesondere durch solche, die im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen, an einer zeitnahen Geltendmachung seines Rechts gehindert, gebieten die der Verwirkung zugrundeliegenden Grundsätze von Treu und Glauben, daß das »Zeitmoment« diesen Umständen anzupassen ist und unter Umständen weit längere Fristen ins Auge zu fassen sind. Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Sachlage bestehen aber gegen die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß das »Zeitmoment« für die gesamten Ansprüche der Klägerin auf rückständigen Trennungsunterhalt erfüllt ist, keine durchgreifenden Bedenken.

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b) Neben dem »Zeitmoment« kommt es für die Verwirkung auf das sogenannte »Umstandsmoment« an, d. h. es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, daß der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werden (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 84, 280, 281; OLG München OLGZ 1976, 216, 219 f.). Hierzu hat das Oberlandesgericht ausgeführt, daß die Ansprüche der Klägerin von Anfang an umstritten gewesen seien, weil sie erwerbstätig gewesen sei und daraus Einkünfte erzielt habe, die nach Meinung des Beklagten für ihren Lebensunterhalt ausreichend gewesen seien; sie habe nämlich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1 466 DM im Jahre 1982, von 1 957 DM im Jahre 1983 und von 2 150 DM im Jahre 1984 gehabt. Sie habe zudem mietfrei das frühere Familienheim der Parteien bewohnt, während der Beklagte in nicht unerheblichem Umfang für den gemeinsamen Sohn Unterhalt bezahlt habe. Wenn sie die gesamte Trennungszeit und das Ehescheidungsverfahren habe verstreichen lassen, ohne den Anspruch auf den ursprünglich mit großem Nachdruck geforderten Unterhalt zu verfolgen, habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die hierin liegende tatrichterliche Würdigung, daß sich der Beklagte darauf einrichten durfte, die Klägerin werde Ansprüche auf Trennungsunterhalt nicht mehr geltend machen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach dem Inhalt des Schreibens vom 20. Juli 1982 hat die Klägerin einen Unterhaltsprozeß in so bestimmter Weise in Aussicht gestellt, daß ihr Untätigbleiben trotz Nichtzahlung von Unterhalt beim Beklagten den Eindruck erwecken konnte, sie habe ihren Rechtsstandpunkt letztlich aufgegeben. Auch hat das Oberlandesgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß ein bedürftiger Ehegatte im Scheidungsverbundverfahren regelmäßig Unterhalt begehrt, während die Klägerin dies nicht getan hat.

17

Soweit die Revision Feststellungen dazu vermißt, daß der Beklagte konkrete »Vertrauensinvestitionen« getätigt habe, vermag die Rüge den Bestand des angefochtenen Urteils nicht zu gefährden. Erfahrungsgemäß pflegt ein Unterhaltsverpflichteter, der in wirtschaftlichen Verhältnissen wie der Beklagte lebt, seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anzupassen, so daß er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät (vgl. RGZ 169, 129, 132; s. a. BVerwGE 15, 15, 17). Dafür, daß es im Falle des Beklagten anders lag, fehlt jeder Anhaltspunkt. Besonderer Feststellungen dazu, daß er sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen der Klägerin eingerichtet hat, bedurfte es daher nicht.