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Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.12.1987, Az.: IX ZR 263/86

Zahlungspflicht aus einer selbstschuldnerischen "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung"; Freie Auslegung einer Bürgschaftserklärung; In Fußnoten einer Bürgschaftserklärung enthaltener Hinweis auf Vordrucke für andere Bürgschaftsarten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
17.12.1987
Aktenzeichen
IX ZR 263/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 13430
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Nürnberg - 16.07.1986
LG Ansbach - 13.11.1985

Fundstellen

  • DB 1988, 700 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1988, 262
  • MDR 1988, 404 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1988, 907 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1988, 496 (amtl. Leitsatz)
  • ZIP 1988, 222-224

Prozessführer

Firma F. K. GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführerin Marianne F., Am Ku., A.,

Prozessgegner

G. An. eG. R. und V.,
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Eduard P., Pr. ..., An.,

Amtlicher Leitsatz

Die Vertragserfüllungsbürgschaft umfaßt den Schadensersatz wegen Nichterfüllung und damit auch den Verlust geleisteter Vorauszahlungen.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Merz und
die Richter Henkel, Gärtner, Winter und Dr. Schmitz
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. Juli 1986 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 13. November 1985 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 41.000 DM nebst 8,5 % Zinsen seit 17. Dezember 1984 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" in Anspruch.

2

Die Klägerin beauftragte am 22. März 1984 die Firma O.-H. (nachfolgend Auftragnehmerin) mit der Kücheneinrichtung für eine Kaserne. Dem Nachunternehmervertrag lagen unter anderem die "Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, VOB Teil B" zugrunde. Unter "Sonstiges" ist vereinbart, daß die Auftragnehmerin bei Vorauszahlung einen Nachlaß von 2 % gewährt.

3

Die Auftragnehmerin plante die Einrichtung, bestellte auch Einrichtungsgegenstände und anderes Material. Sie erbat im Juni 1984 von der Klägerin unter Bezugnahme auf eine frühere Zusage eine "Zahlungsvorauszahlung" von 200.000 DM plus Mehrwertsteuer abzüglich 2 % Skonto ("Zahlungen an Vorlieferanten, Planungs- und Materialieneinkauf"). Diese verlangte Sicherheit durch Bankbürgschaft, welche die Bayerische Vereinsbank am 16. Juli 1984 unter Angabe des Erlöschens spätestens am 30. August 1984 leistete.

4

Die Klägerin übersandte der Auftragnehmerin am 16. August 1984 einen Verrechnungsscheck über 223.440 DM, wobei sie den Betrag im Scheckanhang als "Abschlagszahlung" bezeichnete.

5

Da bis 30. August 1984 mit der Einrichtung der Großküche noch nicht begonnen worden war, forderte die Klägerin die Auftragnehmerin Ende August 1984 auf, entweder die Bürgschaft der Ba. V. zu verlängern oder eine andere Bankbürgschaft zur Sicherung der Vorauszahlung von 223.440 DM für den Auftrag vom 22. März 1984 zu beschaffen. Die Auftragnehmerin wandte sich an die Beklagte mit einer Aufstellung von ihr gewünschter Bürgschaften, die auszugsweise lautet:

"F.-K.

Ausführungsbürgschaft über DM 200.000,- befristet bis zum 31.12.1984

oder über DM 300.000,- befristet bis zum 31.12.1984

Bei einer Bürgschaft über DM 300.000,- wird eine Vorauskasse in Höhe von DM 100.000,- geleistet.

Diese Vorauskasse kann auf dem Kontokorrentkonto stehen bleiben und vermindert unseren Saldo auf DM 400.000,- auf dem laufenden Kontokorrentkonto."

6

Die Beklagte stellte am 26. September 1984 unter Verwendung der Vordrucke "230162 und 230170 ... dgverlag ..." zwei Bürgschaftsurkunden aus und sandte sie der Klägerin gleichzeitig zu.

7

Die eine Urkunde ist als "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" bezeichnet und beschreibt unter Hinweis auf den Auftrag vom 22. März 1984 die Bürgenhaftung so:

"Für die vertragsgemäße Ausführung der dem Auftragnehmer übertragenen Lieferungen/Leistungen einschließlich der Abrechnung übernimmt die Bank hiermit gegenüber dem Auftraggeber ... die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von DM 200.000,- ...".

8

Die andere Urkunde ist mit "Bankbürgschaft für Vorauszahlung" überschrieben und bestimmt (Nr. 4), daß sie als Bürgschaft erst wirksam werde, wenn die vereinbarte Vorauszahlung auf dem Konto des Auftragnehmers bei der Bank eingegangen sei.

9

Die Klägerin leistete keinerlei weitere Zahlung auf das Konto der Auftragnehmerin. Wegen Vermögensverfalls begann diese nicht mit der Montage an der Baustelle, lieferte dorthin auch kein Material. Die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde Ende 1984/Anfang 1985 mangels Masse abgelehnt. Die neu gegründete Firma O. We. GmbH erhielt dann den Auftrag und führte ihn aus.

10

Die Klage auf Zahlung von zunächst 10.000 DM nebst Zinsen wies das Landgericht ab, das Berufungsgericht die Berufung zurück und die auf 41.000 DM nebst 8,5 % Zinsen seit 17. Dezember 1984 erweiterte Klage gleichfalls ab. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

11

Die Revision ist begründet.

12

I.

1.

Der Streit geht nur um die Zahlungspflicht der Beklagten aus der "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" vom 26. September 1984. Die am 26. September 1984 ausgestellte und der Klägerin gemeinsam mit der Vertragserfüllungsbürgschaft übergebene "Bürgschaft für Vorauszahlung" ist mangels Eingang der Vorauszahlung von 100.000 DM auf dem Konto Nr. 50350 bei der Beklagten nicht entstanden. Nach tatrichterlicher Feststellung hatte die Beklagte bei Ausstellung und Übergabe der Bürgschaft am 26. September 1984 keine Kenntnis von der früheren Vorauszahlung von 223.440 DM und deren Sicherung durch die bis 31. August 1984 befristete Bürgschaft der Ba. V.

13

2.

Das Berufungsgericht verneint eine Bürgenhaftung der Beklagten für eine von der Hauptschuldnerin geschuldete Rückgewähr der erlangten Vorauszahlung. Dazu führt es aus: Der Wortlaut der Bürgschaftserklärung ergebe eindeutig, daß die Beklagte sich für einen solchen Anspruch nicht verbürgt habe. Der vorgedruckte Text der Urkunde unterscheide zwischen Vertragserfüllungs-, Mängelgewährleistungs- und Vorauszahlungsbürgschaft; die Urkunde sei unübersehbar als "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" ausgewiesen. Die Angabe eines Höchstbetrages von 200.000 DM weise schon deshalb nicht auf eine Vorauszahlung hin, weil die Beklagte am 26. September 1984 gleich zwei Bürgschaftserklärungen abgegeben habe; nämlich sowohl "für Vertragserfüllung" als auch "für Vorauszahlung".

14

Selbst wenn der Text mehrdeutig wäre und der Auslegung bedürfte, würde die Beklagte nicht haften. Da dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin, auf dessen Verständnis es ankomme, beide Bürgschaftsurkunden gleichzeitig zugegangen seien, habe er erkennen müssen, daß die Beklagte mit der "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" gerade nicht Ansprüche auf Rückgewähr einer Vorauszahlung habe absichern wollen, weil sie für Vorauszahlungsbürgschaften andere Formulare benutzt habe. Deshalb habe sich ihm die Überlegung geradezu aufdrängen müssen, die Beklagte halte die Zahlung an die Auftragnehmerin für keine Vorauszahlung, da sie sonst das Formular "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" nicht ausgefüllt hätte. Der Inhalt der Urkunde ergebe auch nicht, daß die Bürgschaft eine bestimmte Zahlung habe sichern sollen, welche die Klägerin von einer entsprechenden Bankbürgschaft abhängig gemacht habe. Vielmehr habe die Beklagte die Bürgschaft auf aus vertragswidriger Ausführung des Werkvertrages resultierende Verbindlichkeiten bis zum Höchstbetrag von 200.000 DM beschränkt. Auch in der "Bankbürgschaft für Vorauszahlung" sei nicht von einer bestimmten Zahlung die Rede, sondern nur von einer Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM. Die Verbürgung "einschließlich der Abrechnung" neben der für vertragsmäßige Ausführung rechtfertige keine andere Beurteilung. Da die Vertragserfüllungsbürgschaft Ansprüche auf Rückgewähr von Vorauszahlungen nicht habe sichern sollen, setze der verwendete Begriff der "Abrechnung" unzweideutig eine Ausführung bzw. Abwicklung des Werkvertrages voraus.

15

III.

Dieser Auslegung des Bürgschaftsvertrages durch das Berufungsgericht folgt der Senat nicht. In der vorgedruckten Bürgschaftsurkunde "Bürgschaft für Vertragserfüllung" werden typische, im Kreditgewerbe allgemein gebräuchliche Formulierungen verwandt. Der Senat kann deshalb die in den Klauseln enthaltenen Bürgschaftserklärungen der Beklagten frei auslegen.

16

1.

Notwendiger Bestandteil der Bürgschaftserklärung ist die Bezeichnung der verbürgten Hauptschuld und des Bürgschaftsumfanges. Die Bezeichnung muß jedoch nicht eindeutig sein. Es genügt, wenn Hauptschuld und Umfang der Haftung durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden können. Hierfür können auch Umstände außerhalb der Bürgschaftsurkunde herangezogen werden, sofern nur der ermittelte Wille bereits irgendwie in der Erklärung seinen Ausdruck gefunden hat und einen Ansatzpunkt erkennen läßt (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 12. Juni 1980 - VII ZR 270/79, WM 1980, 951, 952; Senatsurt. v. 23. Januar 1986 - IX ZR 46/85, ZIP 1986, 702 = NJW 1986, 1681).

17

2.

Maßgebend für die Bezeichnung der Hauptschuld und des Bürgschaftsumfanges sind mangels Feststellung eines übereinstimmenden Parteiwillens Wortlaut und Inhalt der mit "Bankbürgschaft für Vertragserfüllung" bezeichneten Urkunde. Der gleichfalls ausgefüllte, unterschriebene und übergebene Vordruck "Bankbürgschaft für Vorauszahlung" bedeutet nicht schon wegen der unterschiedlichen Überschrift, daß die "Bürgschaft für Vertragserfüllung" die Haftung für die Rückgewähr der früheren Vorauszahlung ausschließt. Der jeweilige in Fußnoten enthaltene Hinweis auf Vordrucke für andere Bürgschaftsarten richtet sich an den Sachbearbeiter der bürgenden Bank, sagt aber im Einzelfall über die Hauptschuld und den Bürgschaftsumfang nichts aus.

18

3.

Nach der Urkunde hat sich die Beklagte für die Ausführung des Auftrags vom 22. März 1984 durch die Auftragnehmerin verbürgt. Abgestellt ist nur auf "vertragsgemäße Ausführung" (= Vertragserfüllung). Dem diente die Vorauszahlung der Klägerin als Aufraggeberin zur Beschaffung von Material. Die Auftragnehmerin hat die ihr obliegende Leistung nicht erbracht. Sie hatte, als sie zahlungsunfähig wurde, mit den Baumaßnahmen unstreitig nicht begonnen gehabt. Die Klägerin mußte den Auftrag deshalb anderweitig vergeben. Sie mußte - das ist unstreitig - für die Leistungen der neuen Auftragnehmerin voll zahlen. Durch die Nichterfüllung ist ihr deshalb ein Schadensersatzanspruch entstanden, der als Mindestschaden einen der verlorenen Vorauszahlung gleichkommenden Geldbetrag (vgl. BGHZ 62, 119, 120; BGH, Urt. v. 10. Februar 1982 - VIII ZR 27/81, NJW 1982, 1279, 1280) [BGH 10.02.1982 - VIII ZR 27/81] umfaßt. Dieser Anspruch auf Ersatz des Mindestschadens ist die Hauptschuld und bestimmt den Umfang der Bürgschaft.

19

Die Entscheidungen BGHZ 76, 187 und BGH, Urt. v. 12. Juni 1980 - VII ZR 270/79, WM 1980, 951 stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Ihnen liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es ging um die Bürgenhaftung für überhöhte Abschlagszahlungen bei einer Vertragserfüllungsbürgschaft, wobei das Werk mangelfrei hergestellt war. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war dieses erweiterte Risiko des Bürgen noch nicht einmal in Anhaltspunkten in die Bürgschaftsurkunden aufgenommen worden.

20

Die Klage auf Zahlung von 41.000 DM nebst Zinsen ist begründet. Gegen die Höhe des Zinsanspruchs hat die Beklagte nichts erinnert.

Merz
Henkel
Gärtner
Winter
Schmitz