Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.10.1987, Az.: I ZR 224/85
Auskunftsanspruch gegen ehemaligen Handelsvertreter; Erfüllungsort beim Handelsvertreterverhältnis; Gerichtsstandvereinbarung bei Handelsvertreterverhältnis mit spanischer Firma
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.10.1987
- Aktenzeichen
- I ZR 224/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 14654
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Karlsruhe - 22.10.1985
- LG Karlsruhe
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1988, 549 (Volltext mit amtl. LS)
- IPRspr 1987, 121
- MDR 1988, 376-377 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1988, 966-967 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1988, 436-438
Prozessführer
Friedrich H., N. straße 12, P.
Prozessgegner
1. ...
2. ...
Amtlicher Leitsatz
Bei einem Handelsvertreterverhältnis kann, sofern im Einzelfall nicht etwas anderes bestimmt ist, grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß ein einheitlicher Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen besteht.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Piper, Dr. Erdmann, Dr. Teplitzky und Dr. Scholz-Hoppe
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Oktober 1985 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung des Klägers bezüglich der Beklagten zu 1) zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten, zwei in Portugal ansässige Textilfirmen, aufgrund eines von ihm behaupteten Handelsvertreterverhältnisses Auskunfts-, Provisions- und Ausgleichsansprüche geltend.
In dem Rechtsstreit geht es, soweit er in die Revisionsinstanz gelangt ist, um die Frage, ob für die Klage ein deutsches Gericht international zuständig ist.
Der Kläger hat dazu vorgetragen, er habe sich mit den Beklagten bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses darauf geeinigt, daß für die Schlußabrechnung deutsches Handelsvertreterrecht anwendbar sein solle. Die örtliche und internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich zum einen aus dem für die Tätigkeit des Klägers maßgebenden Erfüllungsort. Sodann komme aber auch der besondere Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO in Betracht. Die Beklagten hätten zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine Forderung in Höhe von 217.886,11 DM nebst Zinsen gegen die Firma ... + ... Moden GmbH & Co. KG gehabt, die seinerzeit noch im Bezirk des angerufenen Gerichts ansässig gewesen sei. Diese Forderung ist der Beklagten zu 1) inzwischen durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30.8.1984 - O 90/83 - rechtskräftig zugesprochen worden. Der Kläger hat dazu vorgebracht, die Forderung habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung entgegen der Annahme der Beklagten einen Vermögenswert gehabt; denn die Firma ... + ... Moden sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht überschuldet gewesen. In seiner Berufungsbegründung hat sich der Kläger ergänzend darauf berufen, die Beklagten hätten bei Klageerhebung außerdem zu den Finnen A. in H. -A. und S. in W. dauernder Geschäftsbeziehung gestanden; daraus hätten sich laufende offene Forderungen aus Warenlieferungen ergeben.
Die Beklagten haben die Einrede der örtlichen und internationalen Unzuständigkeit erhoben. Sie haben vorgebracht, die streitigen Forderungen seien an ihrem - der Beklagten - Sitz in Portugal zu erfüllen. Im übrigen hätten sie kein inländisches Vermögen im Sinne des § 23 ZPO. Die Forderung gegen die Firma ... + ... Moden sei wertlos, weil die Schuldnerin schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung überschuldet und mittellos gewesen sei. Die Forderung würde ohnehin nur der Beklagten zu 1) zustehen. Darüber hinaus haben die Beklagten bestritten, daß im Jahre 1983 zwischen ihnen und den Firmen A. und S. Geschäftsverbindungen bestanden hätten.
Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Die Beklagten haben beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint und dazu ausgeführt: Da keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden sei, würden als Anknüpfungspunkte für die internationale Zuständigkeit nur die Vorschriften der ZPO über die örtliche Zuständigkeit in Betracht kommen. Vorliegend lasse sich die Zuständigkeit weder auf § 29 ZPO noch auf § 23 ZPO stützen.
Der Erfüllungsort für die hier streitigen Forderungen würde bei Zugrundelegung deutschen Rechts in Portugal liegen. Für die Frage des Erfüllungsortes sei auf die konkret begehrten Leistungen abzustellen. Diese seien nach § 269 Abs. 1 BGB am Wohnsitz der Beklagten zu erbringen.
Der besondere Gerichtsstand des Vermögens komme deshalb nicht zur Anwendung, weil die der Beklagten zu 1) gegen die Firma ... + ... Moden zugesprochene Forderung über 217.886,11 DM nebst Zinsen zum Zeitpunkt der Klageerhebung (12. Mai 1983) ohne jeden Vermögenswert gewesen sei. Die Firma ... + ... Moden sei damals bereits zahlungsunfähig und überschuldet gewesen. Der Kläger habe darüber hinaus nicht hinreichend dargetan und bewiesen, daß den Beklagten bei Klageerhebung Forderungen gegen die Firmen A. und S. zugestanden hätten.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nur bezüglich der Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2) stand. Im übrigen führt die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht angenommen, daß vorliegend mangels einer besonderen Gerichtsstandsvereinbarung als Anknüpfungspunkte für die internationale Zuständigkeit die zivilprozessualen Vorschriften des inländischen Rechts über die örtliche Zuständigkeit in Betracht kommen (vgl. BGHZ 44, 46, 47) [BGH 14.06.1965 - GSZ - 1/65].
1.
Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach § 29 ZPO verneint. Es ist von den Parteien unbeanstandet davon ausgegangen, daß sich der Erfüllungsort aufgrund des vom Kläger behaupteten Alleinvertriebsrechts für die Bundesrepublik Deutschland im Streitfall nach deutschem materiellen Recht bestimmt (st. Rspr., vgl. BGHZ 53, 332, 337; 57, 72, 75 f). Maßgebend ist daher § 269 BGB. Danach ist Erfüllungsort am Sitz des Schuldners, sofern ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die hier streitigen Ansprüche auf Auskunft unter Vorlage eines Buchauszuges sowie auf Provisions- und Ausgleichszahlung am Wohnsitz der Beklagten in Portugal zu erfüllen ist (vgl. Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl. 1973, § 86 Rdn. 51; OLG Düsseldorf NJW 1974, 2185, 2186 f [OLG Düsseldorf 18.06.1974 - 23 U 170/73]; Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl. 1987, § 269 Anm. 3 b; Baumbach/Hartmann, ZPO, 45. Aufl. 1987, § 29 Anm. 3 C; Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl. 1987, § 29 Rdn. 25).
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Natur des Handelsvertreterverhältnisses nichts anderes. Der von der Revision angeführte Umstand, daß der Schwerpunkt der vertraglichen Beziehungen im allgemeinen am Ort der Tätigkeit des Handelsvertreters liegt, reicht allein nicht dazu aus, diesen Ort auch als einheitlichen Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen anzusehen. Auf den Schwerpunkt des Handelsvertreterverhältnisses hat die Rechtsprechung bislang lediglich bei der Frage abgestellt, welches materielle Recht nach dem hypothetischen Parteiwillen anzuwenden ist (vgl. BGHZ 53, 332, 337). Diese Rechtsprechung läßt nicht zwingend auch auf einen einheitlichen Erfüllungsort schließen.
Die Revision beruft sich weiter ohne Erfolg darauf, auch bei anderen Geschäftsbesorgungsverträgen werde von der Rechtsprechung teilweise ein einheitlicher Erfüllungsort angenommen (vgl. Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl. 1987, § 269 Anm. 3 a und b). Es kann auf sich beruhen, ob bei anderen Verträgen ausnahmsweise ein gemeinsamer Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen in Betracht kommt. Im Streitfall hat das Berufungsgericht keine Umstände festgestellt, die auch bei einem Handelsvertreterverhältnis für eine derartige Annahme sprechen könnten. Vielmehr lassen sich der Natur des Handelsvertreterverhältnisses entgegenstehende Umstände entnehmen. Denn insbesondere bezüglich des dem Handelsvertreter grundsätzlich gem. § 87 c Abs. 2 HGB zustehenden Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs, um den es auch im Streitfall geht, kann nicht davon ausgegangen werden, daß dem Unternehmer generell eine Erfüllung am Sitz des Handelsvertreters zumutbar ist; denn der Unternehmer ist hierzu in aller Regel auf die an seiner Niederlassung befindlichen Geschäftsunterlagen angewiesen und wird im allgemeinen bestrebt sein, diesen Anspruch, der das Recht zur Einsicht in die Geschäftsunterlagen einschließt (vgl. § 87 c Abs. 4 HGB), auch an seinem Sitz zu erfüllen (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1974, 2185, 2186) [OLG Düsseldorf 18.06.1974 - 23 U 170/73].
2.
Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht auch den besonderen Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO verneint hat. Diese Rüge greift allerdings nur gegenüber der Beklagten zu 1) durch. Denn nur diese Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Bezirk des angerufenen Gerichts Vermögen.
a)
Die Annahme des Berufungsgerichts, die - inzwischen rechtskräftig eingeklagte - Forderung der Beklagten zu 1) gegen die Firma ... + ... Moden in Höhe von 217.886,11 DM habe zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Mai 1983 kein Vermögen dargestellt, weil sie bereits zum damaligen Zeitpunkt wertlos gewesen sei, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Vermögen im Sinne des § 23 ZPO ist jeder Gegenstand, der einen - wenn auch geringen - Geldwert hat, sei es eine Sache oder eine Forderung oder ein sonstiges Vermögensrecht; dabei steht grundsätzlich nicht entgegen, daß der Vermögensgegenstand nicht zur Befriedigung des Gläubigers geeignet oder ausreichend ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1976 - V ZR 145/74, WM 1977, 453, 458; auch BGH, Urt. v. 30.1.1980 - VIII ZR 197/78, WM 1980, 410, 412).
Im Streitfall ist davon auszugehen, daß die Forderung der Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt der Klageerhebung einen Vermögenswert im Sinne dieser Rechtsprechung besaß. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß die Firma ... + ... Moden ihren Geschäftsbetrieb zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eingestellt hatte. Die Firma ... +... hatte neben anderen Forderungen ein Warenlager, das vom Konkursverwalter später mit 136.000,- DM, von der Geschäftsführerin der Firma ... + ... dagegen mit 785.000,- DM bewertet worden ist (vgl. BU 10 und den dort angeführten Status per 1.4.1983, GA II 115, 123). Das Berufungsgericht hat insoweit zu Unrecht darauf verwiesen, daß demgegenüber erhebliche Verbindlichkeiten bestanden haben. Denn für die Prüfung im Rahmen des § 23 ZPO kommt es allein darauf an, ob überhaupt Vermögensgegenstände vorhanden sind, eine etwaige Überschuldung ändert daran nichts.
b)
Der Gerichtsstand des § 23 ZPO läßt sich entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung bezüglich der Beklagten zu 2) auch nicht damit begründen, beiden Beklagten hätten Forderungen gegenüber den Firmen A. und S. zugestanden. Der Kläger hat dies zwar in seiner Berufungsbegründung vorgetragen und für den Fall des Bestreitens die Benennung von Zeugen angekündigt. Er ist darauf jedoch nicht mehr zurückgekommen, nachdem die Beklagten das entsprechende Vorbringen in ihrer Berufungserwiderung bestritten hatten. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht, das das Vorbringen des Klägers für nicht bewiesen erachtet hat, auch davon ausgehen können, daß der Kläger sein ohnehin nicht substantiiertes Vorbringen wieder fallen gelassen hat.
III.
Nach alledem hat die Revision nur bezüglich der Beklagten zu 1) Erfolg. Insoweit ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu bejahen. Das Berufungsurteil ist daher teilweise aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision gegenüber beiden Beklagten - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Piper
Erdmann
Teplitzky
Scholz-Hoppe