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Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.07.1987, Az.: IX ZR 94/86

Schuldhafte Verletzung eines Anwaltsvertrages durch Versäumung der Berufungseinlegung gegen eine nachteiliges Teilurteil; Haftung der Soziien als Gesamtschuldner zum Schadensersatz ; Schaden des Mandanten durch fehlerhaftes rechtskräftiges Urteil; Insdzidente Prüfung des Vorprozesses im Rahmen des Anwaltsregresses; Pflichtverletzung durch Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs mit bedingtem Klageantrag am Tag des Fristablaufs

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
02.07.1987
Aktenzeichen
IX ZR 94/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 13038
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 06.03.1986
LG Berlin

Fundstellen

  • MDR 1988, 47-48 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1987, 3255-3256 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1988, 24 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 1988, 35-38 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1987, 1393-1396

Prozessführer

1. Rechtsanwalt Gottfried F.,
2. Rechtsanwalt Peter K.,

beide M.straße ..., B.

Prozessgegner

Klaus W., Fa. Chaussee ..., B.

Amtlicher Leitsatz

Bei wertender Betrachtung kann der durch Anwaltsverschulden verursachte Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozeß herausstellt, daß die unterlegene Partei den Vorprozeß materiellrechtlich zu Recht verloren hat. Das gilt auch, wenn die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozeß aus prozeßrechtlichen Gründen gewonnen hätte, etwa weil der Gegner einen ihm obliegenden Beweis mit den im Vorprozeß zulässigen Beweismitteln nicht hätte führen können.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Merz und
die Richter Fuchs, Gärtner, Winter und Dr. Schmitz
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. März 1986 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von den beklagten Rechtsanwälten Schadensersatz, weil sie die Frist für eine Berufung versäumten, die sie für ihn in einem früheren Rechtsstreit einlegen sollten.

2

Der Kläger war als Telefonverkäufer für die B. Niederlassung der Firma Fi. Gi. S.A. tätig, die ihren Sitz in der Schweiz hatte. Die Gesellschaft bot Kapitalbeteiligungen zur Finanzierung von Waren und Schiffsladungen an und garantierte den Anlegern nach einer Laufzeit von 6 Monaten die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals nebst einer Gewinnbeteiligung von 10 %; außerdem räumte sie den Anlegern das Anrecht auf eine Bonuszahlung aus dem beim Verkauf der Ware gemachten Gewinn in Höhe von 0 bis 20 % ein. Das Beteiligungsgeschäft war ein Schwindelunternehmen. Viele Anleger verloren das eingesetzte Kapital.

3

Zu den geschädigten Anlegern gehörte der Ingenieur Peter L., der von dem Kläger geworben worden war und am 8. April sowie am 9. Juni 1981 zwei Beteiligungen über 10.000 DM und 30.000 DM gezeichnet hatte. L. verklagte u.a. den Kläger (dort: Beklagter) auf Schadensersatz und erwirkte ein Teilurteil des Landgerichts Berlin, durch das der Kläger zur Zahlung von 40.000 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.000 DM seit dem 14. April 1981 und aus weiteren 30.000 DM seit dem 18. Juni 1981 verurteilt wurde. Der Kläger beauftragte die in einer Sozietät verbundenen Beklagten, die ihn schon im ersten Rechtszug vertreten hatten, Berufung einzulegen und um Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittel nachzusuchen. Die Beklagten beantragten am letzten Tag der Berufungsfrist Prozeßkostenhilfe für die gleichzeitig "angekündigte Berufung". Das Kammergericht bewilligte diese durch einen den Beklagten am 21. Februar 1983 zugestellten Beschluß und ordnete dem Kläger den Beklagten zu 2) bei. Da die Beklagten irrtümlich annahmen, schon mit dem Antrag auf Prozeßkostenhilfe eine begründete Berufung eingelegt zu haben, beantragten sie mit Schriftsatz vom 13. Juli 1983 lediglich Terminsbestimmung. Dieser Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, eine Berufung liege nicht vor. Dabei blieb es; das gegen den Kläger ergangene Teilurteil wurde rechtskräftig.

4

Mit der vorliegenden Klage beantragte der Kläger, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von allen Ansprüchen des Ingenieurs Peter L. aus dem Teilurteil freizustellen. Das Landgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht gab ihr statt.

5

Mit der Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist begründet.

7

1.

Die Beklagten haben den Anwaltsvertrag mit dem Kläger schuldhaft verletzt, indem sie es versäumten, entsprechend dem ihnen gemeinsam erteilten Auftrag gegen das dem Kläger nachteilige Teilurteil im Rechtsstreit mit L. Berufung einzulegen. Sie sind deshalb als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dem Kläger durch die Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Eine für die Versäumung der Berufungsfrist ursächliche Pflichtverletzung liegt bereits darin, daß der am letzten Tag der Frist eingereichte Schriftsatz, mit dem die Beklagten weisungsgemäß Berufung einzulegen glaubten, so formuliert war, daß er nur als Prozeßkostenhilfegesuch und Ankündigung des Rechtsmittels gewertet werden konnte. Dafür haftet auch der Beklagte zu 1), obwohl später allein der Beklagte zu 2) dem Kläger im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordnet wurde. Denn dadurch wurde das beiden Beklagten gemeinsam erteilte Berufungsmandat verletzt. Der in BGHZ 56, 355, 361 erörterte Fall, daß das Mandatsverhältnis nur zu dem im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Sozius besteht und dieser die Pflichtverletzung begeht, liegt hier nicht vor. Das nimmt das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend an.

8

2.

Der Kläger macht als Schaden geltend, daß er im Vorprozeß gegen L. rechtskräftig verurteilt worden ist, 40.000 DM nebst Zinsen zu zahlen. Im Regelfall erleidet eine Prozeßpartei einen Vermögensschaden, wenn sie einen Prozeß verliert, den sie bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Betrachtung ist maßgebend, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Gerichts, das mit dem gegen den Prozeßbevollmächtigten gerichteten Schadensersatzanspruch befaßt ist, richtig hätte entschieden werden müssen. Grundsätzlich ist dabei von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Vorprozesses bei pflichtgemäßem Verhalten des Prozeßbevollmächtigten unterbreitet und von diesem Gericht aufgeklärt worden wäre. Die dazu notwendigen Feststellungen sind nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu treffen. Die für den Vorprozeß geltenden Regeln über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind - mit gewissen Erleichterungen für den Geschädigten - auch für den Anwaltshaftungsprozeß zu beachten (Senatsurteile vom 30. Oktober 1984 - IX ZR 6/84, VersR 1985, 83, 85, und vom 20. November 1984 - IX ZR 9/84, VersR 1985, 146, 147, jeweils m.w.N.).

9

Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht aus. Seine Auffassung, der Kläger hätte bei sachgemäßer Vertretung den Vorprozeß gewinnen müssen, hält jedoch nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

10

a)

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht nachzuweisen, daß dem Kläger der betrügerische Charakter des von der Firma Fi. Gi. S.A. betriebenen Anlagengeschäfts bekannt war, als er Ludwig als Kunden warb. Ein Schadensersatzanspruch L. gegen den Kläger aus § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB oder § 826 BGB wegen Beteiligung an dem von der Gesellschaft an den Anlegern verübten Betrug scheidet deshalb aus. Die Revision macht einen solchen Schadensersatzanspruch auch nicht geltend.

11

b)

Zutreffend und von der Revision unbeanstandet verneint das Berufungsgericht ferner einen Schadensersatzanspruch L. gegen den Kläger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 89 Börsengesetz (Verleitung zu einem verbotenen Börsenspekulationsgeschäft).

12

c)

Richtig ist ferner die Ansicht des Berufungsgerichts, daß nach dem unstreitigen Sachverhalt ein Schadensersatzanspruch L. gegen den Kläger wegen Verschuldens beim Vertragsschluß nicht gerechtfertigt ist.

13

Sowohl im Vorprozeß wie im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger lediglich zugestanden, bei seinen telefonischen Werbegesprächen mit L. diejenigen Informationen über das Anlageprogramm weitergegeben und erläutert zu haben, die aus dem Verkaufsprospekt und sonstigen Verkaufsunterlagen der Firma Fi. Gi. S.A. ersichtlich waren. Dies rechtfertigt ebensowenig wie der Umstand, daß der Kläger die Auftragsbestätigungen für L. vom 8. April und 9. Juni 1981 als "persönlicher Berater" mitunterschrieben hat, eine persönliche Sachwalterhaftung des Klägers wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen, die er lediglich als Vertreter der Firma Fi. Gi. S.A. geführt hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 88, 67 ff [BGH 04.07.1983 - II ZR 220/82]; BGH, Urteil vom 14. November 1983 - II ZR 184/82, WM 1984, 127 f, jeweils m.w.N.).

14

d)

Zu Unrecht hat jedoch das Berufungsgericht weiteres streitiges Vorbringen der Beklagten als unerheblich angesehen und keinen Beweis darüber erhoben.

15

Ludwig hatte zur Begründung seiner Schadensersatzforderung im Vorprozeß u.a. behauptet, der Kläger habe ihm vor Abschluß der Beteiligungsverträge auf entsprechende Frage versichert, die von den Anlegern zur Verfügung gestellten Gelder würden vollständig zum Wareneinkauf verwendet und nicht etwa zur Bestreitung von Geschäftskosten, insbesondere nicht zur Zahlung der Gehälter und Provisionen an die Mitarbeiter der Firma Fi. Gi. S.A.; diese Geschäftskosten würden erst aus dem Erlös der verkauften Waren gedeckt. Außerdem habe ihm der Kläger vor Abschluß des zweiten Beteiligungsvertrags im Juni 1981 vorgespiegelt, neben der garantierten Verzinsung des Kapitals von 10 % werde noch ein Bonus von 8 % gezahlt werden. Diese Behauptungen haben die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit aufgegriffen, allerdings ohne zu beachten, daß die Behauptung, der Kläger habe Ludwig einen Bonus von 8 % zugesagt, nur die Zeichnung der Beteiligung von 30.000 DM im Juni 1981 betraf.

16

Das Berufungsgericht führt dazu aus, die Behauptung, der Kläger habe L. erklärt, das Kapital der Anleger diene allein der Warenbeschaffung, während die Kosten aus den Warenerlösen gedeckt würden, reiche nicht für eine persönliche Garantieerklärung des Klägers aus. Zwar sei diese Erklärung falsch gewesen; sie habe sich aber nur auf den Geschäftsablauf der Firma Fi. Gi. S.A. bezogen und schon deshalb keine Elemente enthalten, die bei L. die Annahme hätten rechtfertigen können, der Kläger wolle dafür persönlich einstehen. Dasselbe gelte für die behauptete Zusicherung eines Bonus von 8 % zusätzlich zu der Verzinsung von 10 %. Selbst wenn die Bonuszusage als eine die Willensbildung beeinflussende Zusatzerklärung zu gelten hätte, könnten die Beklagten sie nicht beweisen. L. selbst habe dazu keinen Beweis angetreten. Soweit sich die Beklagten nunmehr auf L. als Zeugen beriefen, sei der angebotene Beweis ungeeignet. Im Regreßprozeß gehe es nur darum, welche Tatsachenfeststellungen das Gericht im Vorprozeß nach Auffassung des erkennenden Gerichts richtigerweise getroffen haben würde. Als Partei des Vorprozesses habe L. nicht als Zeuge vernommen werden dürfen, so daß er auch im Regreßprozeß als Beweismittel ausgeschlossen sei. Ein Anspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen sei daher auch aufgrund dieser Behauptungen nicht gerechtfertigt. Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheide aus. Die Beklagten hätten selbst nicht behauptet, daß der Kläger Kenntnis über die Bewegungen auf dem Konto der B. Niederlassung der Firma Fi. Gi. S.A. gehabt habe, aus dem die Provisionen der Mitarbeiter und die anderen Geschäftskosten der Niederlassung bestritten worden seien.

17

Gegen diese Ausführungen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

18

aa)

Die Behauptungen der Beklagten sind rechtlich erheblich, weil sich aus ihnen ergeben kann, daß der Kläger im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von Schadensersatz an L. verurteilt worden ist.

19

Richtig ist allerdings, daß auch diese Behauptungen einen Anspruch L. gegen den Kläger wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nicht rechtfertigen. Der Kläger hat die Verhandlungen mit L. als Vertreter der Firma Fi. Gi. S.A. geführt. Die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen grundsätzlich den Vertretenen, nicht den Vertreter. Nur unter besonderen Umständen muß auch der Vertreter selbst für die Verletzung dieser Pflichten einstehen, nämlich dann, wenn ihm persönlich vom Vertragsgegner besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde oder wenn er am Abschluß des Geschäfts ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte (BGHZ 56, 81, 83; ständig). Diese Voraussetzungen sind hier auch dann nicht erfüllt, wenn man als richtig unterstellt, daß der Kläger die von den Beklagten behaupteten Erklärungen gegenüber L. abgegeben hat.

20

In Betracht kommt jedoch ein Schadensersatzanspruch Ludwigs gegen den Kläger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Hätte der Kläger die behaupteten Erklärungen gegenüber L. abgegeben, hätte er diesen arglistig getäuscht.

21

Die behaupteten Erklärungen sind unstreitig objektiv falsch. Wie sich in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Mitarbeiter der Firma Fi. Gi. S.A. ergeben hat, sind nämlich aus dem Konto der B. Niederlassung, auf das die von den Anlegern gezeichneten Kapitalbeteiligungen flossen, die Geschäftskosten der B. Niederlassung, insbesondere die Gehälter und Provisionen der Mitarbeiter gezahlt worden; lediglich ein Teil der Anlagebeträge wurde auf ein Konto am Hauptsitz der Gesellschaft in der Schweiz transferiert. Für die bindende Zusage eines Bonus von 8 % zusätzlich zu der garantierten Verzinsung von 10 % hatte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag keine Grundlage; nach den Verkaufsunterlagen der Firma Fi. Gi. S.A. war den Anlegern lediglich ein gewinnabhängiger Bonus von 0 bis 20 % unverbindlich in Aussicht gestellt. Eine Garantie für die Zahlung eines Bonus konnte der Kläger nach den Informationen, die er von der Gesellschaft erhalten hatte, redlicherweise nicht übernehmen.

22

Die behaupteten, objektiv falschen Erklärungen hätte der Kläger auch arglistig abgegeben, um L. zum Geschäftsabschluß zu veranlassen. Das Berufungsgericht geht zwar davon aus, der Kläger habe nicht gewußt, daß aus den Geldern der Anleger die Geschäftskosten der B. Niederlassung bezahlt wurden. Damit ist aber der Vorwurf einer vorsätzlich falschen Erklärung noch nicht ausgeräumt. Nach seinem eigenen Vorbringen wußte der Kläger nicht, wie die Gelder der Anleger verwendet und aus welchen Mitteln die Geschäftskosten der B. Niederlassung bestritten wurden. Die behauptete Erklärung des Klägers wäre also insofern falsch, als der Kläger damit eine Kenntnis vorspiegelte, die er in Wahrheit nicht hatte. Das genügt, um eine arglistige Täuschung gegenüber L. anzunehmen, dem es nach seinem Vorbringen im Vorprozeß darauf ankam, von dem Telefonverkäufer sichere Informationen über die Verwendung seiner Geldanlage zu erhalten.

23

Diesem Vortrag L. kann auch entnommen werden, daß die behauptete Täuschung über die Verwendung der Kapitalanlagen ursächlich für den Entschluß L. war, Beteiligungen bei der Firma Fi. Gi. S.A. zu zeichnen. Die Beklagten behaupten dies im vorliegenden Rechtsstreit ausdrücklich. Die Täuschungshandlung des Klägers hätte dann zu einer Vermögensverfügung L. und dem darauf beruhenden Vermögensschaden, nämlich dem Verlust der von ihm angelegten Gelder, geführt. Die behauptete Täuschung kann ferner dafür sprechen, daß der Kläger eine mögliche Schädigung L. bewußt in Kauf genommen hat, um sich die Provision für die Werbung dieses Anlegers zu verschaffen.

24

Ähnlich verhält es sich mit der behaupteten Zusicherung eines Bonus von 8 % auf die Kapitalanlage. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß irgendeine Grundlage für eine solche Zusicherung vorhanden gewesen wäre. Hätte er also die behauptete Erklärung abgegeben, so hätte er L. bewußt eine falsche Gewinnaussicht vorgespiegelt. Dieser hat zwar im Vorprozeß nicht ausdrücklich vorgetragen, daß er die zweite Beteiligung über 30.000 DM gerade wegen dieser Zusicherung des Klägers gezeichnet habe. Sein Vortrag läßt sich aber dahin auslegen. Demgemäß tragen die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit zulässigerweise vor, die behauptete Zusicherung des Klägers sei für den Geschäftsabschluß L. mit der Firma Fi. Gi. S.A. ursächlich gewesen. Danach hätte also der Kläger durch eine weitere arglistige Täuschung den zweiten Vertragsabschluß herbeigeführt und den daraus folgenden Verlust der zweiten Kapitalanlage von 30.000 DM verursacht. Auch hier könnte die behauptete Täuschung dafür sprechen, daß der Kläger bewußt eine mögliche Schädigung L. in Kauf genommen hat, um sich die Provision zu verdienen.

25

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts kann es also darauf ankommen, ob der Kläger die behaupteten Erklärungen gegenüber L. abgegeben und diesen dadurch zum Geschäftsabschluß bewogen hat.

26

bb)

Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Beklagten könnten den ihnen obliegenden Beweis für die oben bezeichneten Behauptungen nicht führen, trifft nicht zu. Die Beklagten haben als Beweismittel den Ingenieur L. als Zeugen benannt. Dessen Vernehmung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Rechtsstreit zulässig, obwohl er im Vorprozeß nicht als Zeuge hätte vernommen werden können. Das hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wiederholt entschieden (BGHZ 72, 328 ff; Urteil vom 22. November 1983 - VI ZR 36/82, VersR 1984, 160, 161). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Der Grundsatz, daß im Anwaltshaftungsprozeß der Sachverhalt maßgeblich sei, der dem Gericht des Vorprozesses bei sachgerechter Vertretung unterbreitet und von diesem Gericht aufgeklärt worden wäre, erleidet insoweit eine Einschränkung. Bei wertender Betrachtung kann nämlich der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Anwaltshaftungsprozeß herausstellt, daß die unterlegene Partei den Vorprozeß materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also nach Auffassung des mit dem Anwaltshaftungsprozeß befaßten Gerichts im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, daß die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozeß aus prozeßrechtlichen Gründen gewonnen hätte, etwa weil der Gegner einen ihm obliegenden Beweis mit den im Vorprozeß zulässigen Beweismitteln nicht hätte führen können, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regreßprozeß gegen ihren Prozeßbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht im Vorprozeß keinen Anspruch hatte. Auf diesen Fall trifft die Regel nicht zu, daß ein Schaden bereits dann bejaht werden kann, wenn die Partei einen Prozeß verloren hat, den sie bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte.

27

Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zu dem Senatsurteil vom 20. November 1984 (aaO). Dort hat der Senat ausgesprochen, daß niemand durch den Verlust eines Prozesses geschädigt werden kann, den er nach den ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln gar nicht hätte gewinnen können. Die Entscheidung betrifft den Zurechnungszusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem Verlust des Rechtsstreits, nämlich die Frage, ob der Verlust des Rechtsstreits dem Anwalt zugerechnet werden kann, wenn die von ihm vertretene Partei den Rechtsstreit auch bei pflichtgemäßem Handeln des Anwalts verloren hätte, weil sie einen ihr obliegenden Beweis mit den verfügbaren Beweismitteln nicht hätte führen können. Diese Frage hat der Senat verneint; daran hält er fest. Darum geht es jedoch im vorliegenden Falle nicht. Hier handelt es sich vielmehr um die Frage, ob der durch Anwaltsverschulden verursachte Verlust eines Rechtsstreits als Schaden im Rechtssinne anzusehen ist, wenn die unterlegene Partei bei sachgerechter anwaltlicher Vertretung den Rechtsstreit zwar aus Prozeßrechtlichen Gründen gewonnen hätte, weil der Gegner in seinen Beweismöglichkeiten beschränkt gewesen wäre, sich aber im Anwaltshaftungsprozeß zur Überzeugung des Gerichts ergibt, daß die Partei den Vorprozeß materiellrechtlich zu Recht verloren hat. Aus den bereits oben genannten Gründen erscheint es dem Senat nicht gerechtfertigt, dem auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Rechtsanwalt die Möglichkeit zu beschneiden, diesen Beweis mit allen im Regreßprozeß zulässigen Beweismitteln zu führen; zu diesen zulässigen Beweismitteln gehört auch das Zeugnis des Prozeßgegners aus dem Vorprozeß. Naheliegenden Bedenken gegen den Beweiswert der Zeugenaussage, die sich aus der Parteistellung des Zeugen im Vorprozeß ergeben können, muß der Tatrichter freilich durch eine besonders sorgfältige Beweiserhebung und -würdigung Rechnung tragen. Darauf hat bereits der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 22. November 1983 (a.a.O. S. 162) hingewiesen.

28

Soweit die Revision auch darauf verweist, daß der Ingenieur L. im Vorprozeß weitere Zeugen für die Behauptung benannt habe, der Kläger habe ihn über die Verwendung der Kapitalanlagen getäuscht, kann sie damit allerdings im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Die Beklagten haben zu dieser Behauptung lediglich den Zeugen L. benannt. Der Grundsatz, daß im Anwaltshaftungsprozeß der Sachverhalt maßgeblich ist, der dem Gericht des Vorprozesses bei sachgerechter Vertretung unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre, bedeutet nicht, daß das mit dem Regreßprozeß befaßte Gericht diesen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären hätte. Es ist vielmehr Aufgabe der Parteien des Regreßprozesses, diesen Sachverhalt vorzutragen und die notwendigen Beweise dazu anzutreten. Für das Revisionsverfahren ist daher nur die von den Beklagten beantragte Vernehmung des Zeugen Ludwig von Bedeutung.

29

3.

Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur tatrichterlichen Klärung der oben bezeichneten Punkte an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Merz
Fuchs
Gärtner
Winter
Schmitz