Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.03.1987, Az.: II ZR 244/86
GmbH; Gesellschafter; Treuepflicht; Kapitalerhöhungsbeschluss; Zustimmung eines Gesellschafters zu einem Kapitalerhöhungsbeschluss aufgrund der Treuepflicht
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 23.03.1987
- Aktenzeichen
- II ZR 244/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 13525
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 09.07.1986
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BB 1987, 1200-1201
- GmbHR 1987, 349-350 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1987, 1003-1004 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1987, 3192-3193 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1988, 41 (amtl. Leitsatz)
- ZIP 1987, 914-915
Amtlicher Leitsatz
Ist ein Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht gehalten, einem notwendigen Kapitalerhöhungsbeschluß zuzustimmen, darf er seine Mitwirkung regelmäßig auch dann nicht von der Erfüllung damit innerlich nicht zusammenhängenden Forderungen abhängig machen, wenn diese möglicherweise berechtigt sind.
Amtlicher Leitsatz
Ist ein GmbH-Gesellschafter aufgrund seiner gesellschaftlichen Treuepflicht gehalten, einem durch die GmbH-Novelle 1980 notwendig gewordenen Kapitalerhöhungsbeschluß zuzustimmen, so darf er seine Mitwirkung an der Kapitalerhöhung regelmäßig auch dann nicht von der Erfüllung damit innerlich nicht zusammenhängender Forderungen gegen die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter abhängig machen, wenn diese Forderungen möglicherweise berechtigt sind. Sie sind vielmehr auf dem dafür vorgesehenen rechtlichen Wege geltend zu machen.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Kellermann und die Richter Bundschuh,
Dr. Hesselberger, Röhricht und Dr. Henze
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Juli 1986 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien sind Brüder. Der Kläger verlangt von dem Beklagten als seinem Mitgesellschafter in der Se. Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH im Hinblick auf § 5 Abs. 1 GmbHG i.V.m. Art. 12 § 1 des Gesetzes zur Änderung des GmbH-Gesetzes und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli 1980 (BGBl. I S. 836) - GmbH-Novelle 1980 -, an einer Erhöhung des derzeiten Stammkapitals der GmbH von DM 20.000 auf DM 50.000 mitzuwirken.
Daneben sind die Parteien zu gleichen Teilen die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Po. Zement Se. & Söhne, in der sie jeder alleine zur Vertretung und Geschäftsführung berechtigt sind. Die GmbH wurde 1975 ebenso wie die Kommanditgesellschaft Se. Be- und Vertriebs-GmbH & Co., deren persönlich haftende Gesellschafterin sie ist, von dem Kläger mit Hilfe einer Generalvollmacht des Beklagten, der sich damals überwiegend in Brasilien aufhielt, gegründet. Zugleich bestellte sich der Kläger zum einzigen Geschäftsführer der GmbH. An beiden Gesellschaften sind die Parteien in gleichem Umfang beteiligt. Im Zusammenhang mit diesen Gesellschaftsgründungen übertrug der Kläger der Kommanditgesellschaft den Betrieb des Zementwerkes der offenen Handelsgesellschaft, die Besitzgesellschaft blieb. Der Beklagte, der mit diesen Änderungen zunächst einverstanden war, erstrebte in der Folgezeit seine Bestellung zum Geschäftsführer der GmbH. Seine darauf gerichtete Klage blieb erfolglos.
Der Beklagte, der nach seinen Angaben 1979 seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland zurückverlegt hat, macht nunmehr seine Zustimmung zu der Kapitalerhöhung bei der GmbH davon abhängig, daß auch er zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt wird. Der Kläger, der dazu jedenfalls nicht ohne längere Erprobung des Beklagten in der Stellung eines Prokuristen bereit ist, begehrt mit Haupt- und Hilfsanträgen die Zustimmung des Beklagten zu einer Kapitalerhöhung in der Weise, daß jeder der beiden Gesellschafter eine neu zu schaffende Stammeinlage von je DM 15.000 übernimmt. Vorsorglich bietet er an, eine neue Stammeinlage von DM 30.000, die gewinn- und stimmlos gestellt wird, unter Stellung einer Sicherheit in gleicher Höhe allein zu übernehmen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
Wie der Senat in seinemUrteil vom 25. September 1986 (II ZR 262/85, WM 1986, 1348) ausgesprochen hat, ist jedenfalls der Gesellschafter einer personalistisch strukturierten GmbH aufgrund seiner Treuepflicht vorbehaltlich besonderer Umstände regelmäßig gehalten, der nach der GmbH-Novelle 1980 erforderlichen Kapitalerhöhung zuzustimmen, wenn sich dadurch für ihn keinerlei Nachteile gegenüber dem Rechtszustand ergeben, wie er vor dem Inkrafttreten der GmbH-Novelle bestanden hat. Dies wird im Grundsatz auch vom Berufungsgericht nicht verkannt. Es meint jedoch, der Beklagte habe seine Mitwirkung an einer Kapitalerhöhung, wie sie mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag von ihm verlangt wird, ablehnen dürfen, weil die darin vorgesehene Übernahme einer neuen Stammeinlage auch durch den Beklagten auf die Begründung einer Nachschußpflicht hinauslaufe und kein Gesellschafter gezwungen werden könne, einer Anpassung zuzustimmen, die mit zusätzlichen finanziellen Belastungen verbunden sei. Dieses Bedenken entfalle zwar in bezug auf die weiteren Hilfsanträge, weil mit ihnen die Zustimmung zu einer Kapitalerhöhung begehrt werde, bei der die neue Stammeinlage stimm- und gewinnlos gestellt und allein vom Kläger übernommen werde. Der Beklagte sei jedoch berechtigt gewesen, seine Zustimmung zu der Kapitalerhöhung davon abhängig zu machen, daß der Kläger seine Forderung nach Bestellung zum weiteren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH erfüllte. Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23. März 1981, das dieses Begehren rechtskräftig zurückgewiesen habe, hätten sich die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Verhältnisse jedenfalls insoweit maßgeblich geändert, als der Beklagte nunmehr seit mehreren Jahren wieder in Deutschland lebe und damit in der Lage sei, Geschäftsführungsrechte und -pflichten wahrzunehmen. Zwar fehle es an einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang zwischen der nach der GmbH-Novelle 1980 erforderlichen Kapitalerhöhung und der Bestellung des Beklagten zum Geschäftsführer. Es sei jedoch gesellschaftstypisch, daß bei der Beschlußfassung jeder Gesellschafter eigene Interessen verfolge. Aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse in der GmbH habe der Kläger außer einem neuen Klageverfahren nahezu keine andere Möglichkeit, seine insoweit berechtigten Belange faktisch wirksam zu verfolgen. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Wenn der Senat in seinem Urteil vom 25. September 1986 (aaO) ausgeführt hat, der Gesellschafter sei regelmäßig verpflichtet, der nach der GmbH-Novelle 1980 erforderlichen Kapitalerhöhung zuzustimmen, wenn ihm dadurch keine Nachteile gegenüber dem bisherigen Rechtszustand entstehen, so kann daraus nicht entnommen werden, daß umgekehrt jeder auch noch so geringfügige Nachteil den Gesellschafter zur Verweigerung seiner Zustimmung berechtigt. Vielmehr hat der Senat damit nur einen der Fälle bezeichnet, in denen der Gesellschafter aus dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht gehalten sein kann, der zur Erhaltung der Gesellschaft notwendigen Kapitalerhöhung zuzustimmen. Bei der danach anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmenden Abwägung, ob und in welcher Form dem Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht eine Mitwirkung bei der nach der GmbH-Novelle 1980 notwendigen Kapitalerhöhung zumutbar ist, könnte es im vorliegenden Fall von Bedeutung sein, daß sich nach den unbestrittenen Angaben des Klägers die Gewinne des Beklagten aus den mit der GmbH verbundenen Gesellschaften im Jahre 1984 auf DM 6.272.000 beliefen.
Das Guthaben des Beklagten auf den Kapitalkonten dieser Gesellschaft beträgt DM 4.275.000. Es drängt sich damit auf, daß die Übernahme eines zusätzlichen Stammanteils in Höhe von DM 15.000 für den Beklagten kein ihn in irgendeiner Weise spürbar belastendes wirtschaftliches Opfer bedeuten würde. Die Abweisung des Haupt- und des ersten Hilfsantrages läßt sich deshalb mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten.
Rechtsfehlerhaft ist ferner die der Klageabweisung zugrundeliegende Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte sei berechtigt, seine Zustimmung zu der nach der GmbH-Novelle 1980 erforderlichen Kapitalerhöhung davon abhängig zu machen, daß der Kläger seinem Wunsch nach Bestellung zum weiteren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH entspreche. Zwar hat der Senat bisher nur ausgesprochen, mit der Zwangsauflösung habe dem einzelnen Gesellschafter kein Recht zur Erreichung eigennütziger Interessen in die Hand gegeben werden sollen, "die sonst nicht durchsetzbar wären oder gar gegen die satzungsgemäßen Verpflichtungen verstoßen" (Urt. v. 25. September 1986, a.a.O. S. 1349). Die Drohung, die Gesellschaft durch Versagung der Zustimmung zu der nach der GmbH-Novelle 1980 erforderlichen Kapitalerhöhung in die Auflösung zu treiben, darf jedoch darüber hinaus regelmäßig überhaupt nicht als Druckmittel benutzt werden, mit der Kapitalerhöhung in keinem inneren Zusammenhang stehende Forderungen gegen die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter durchzusetzen. Die in Art. 12 § 1 der GmbH-Novelle 1980 angeordnete automatische Auflösung aller Gesellschaften, die die notwendige Kapitalerhöhung bis zum 31. Dezember 1985 nicht durchgeführt haben, verfolgt vor allem den Zweck, die Anpassung des Stammkapitals von sogenannten Altgesellschaften an die neue Rechtslage zu erzwingen. Der Änderungsbeschluß dient unter diesen Umständen der Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die neue Rechtslage und damit der Aufrechterhaltung der bisherigen Geschäftsgrundlage unter den Gesellschaftern, nicht aber der erleichterten Durchsetzung wirklicher oder vermeintlicher Ansprüche einzelner Gesellschafter. Diese Zielrichtung der Gesetzesnovelle und des durch sie zur Erhaltung der Gesellschaft erforderlich gemachten Änderungsbeschlusses verbietet es, daß einzelne Gesellschafter ihre zur Vermeidung der Zwangsauflösung benötigte Zustimmung zu der Kapitalerhöhung von sachfremden Bedingungen abhängig machen und auf diese Weise die von ihnen geforderte Zustimmung als Hebel zur Durchsetzung sachfremder Individualinteressen, insbesondere zur Erzwingung einer Änderung der Rechtsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft, benutzen. Wirkliche oder vermeintliche Ansprüche einzelner Gesellschafter auf Veränderung der bestehenden inneren oder äußeren Rechtsverhältnisse der Gesellschaft sind auf dem dafür vorgesehenen rechtlichen Wege geltend zu machen. Auch ein Zurückbehaltungsrecht ist dem zustimmungsunwilligen Gesellschafter nicht zuzubilligen. Die Anerkennung eines solchen Zurückbehaltungsrechts würde die Durchführung der Kapitalerhöhung von der Klärung der Streitfrage über das Bestehen des Gegenanspruchs abhängig machen und damit das weitere Schicksal der Gesellschaft unter Umständen über Jahre hinaus in der Schwebe belassen. Das ist nach Sinn und Zweck der GmbH-Novelle nicht hinzunehmen.
Besondere Umstände, die den Beklagten berechtigen könnten, seine Zustimmung zur Kapitalerhöhung ausnahmsweise zu versagen, liegen nicht vor. Wie das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, ist auch der Beklagte am Fortbestand der Gesellschaften in der jetzigen Rechtsform interessiert. Sein Wunsch, ebenfalls zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt zu werden, ist aus den oben bereits dargelegten Erwägungen kein Grund, die zur Erhaltung der Gesellschaft erforderliche Kapitalerhöhung scheitern zu lassen.
Die neue mündliche Verhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die rechtsfehlerfreie Abwägung nachzuholen, ob und in welcher Form dem Beklagten die Mitwirkung bei der nach der GmbH-Novelle 1980 erforderlichen Kapitalerhöhung zumutbar ist, wozu auch die Prüfung der von ihm bisher offengelassenen Frage gehört, ob im vorliegenden Fall eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln oder durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehen Vorrang hat. Ferner wird es mit den Parteien zu erörtern haben, ob es die Fassung eines ausdrücklichen Fortsetzungsbeschlusses nach Art. 12 § 1 Abs. 3 der GmbH-Novelle 1980 für geboten hält.
Bundschuh,
Dr. Hesselberger,
Röhricht,
Dr. Henze