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Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.02.1987, Az.: IX ZR 33/86

Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten; Aufklärung über die Möglichkeit und Notwendigkeit eines Streitbeitrittes auf Seiten des beklagten Kindes während der Anhängigkeit eines Ehelichkeitsanfechtungsprozesses des Scheinvaters; Auslegung des Rechtsbegriffs der "Kenntnis von Umständen, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen" im Sinne des § 1594 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch); Abgrenzung von einer möglichenÜberzeugung des Mannes von der Unehelichkeit des Kindes; Feststellungen über die Reifemerkmale des Kindes; Verbot der "Ausforschung" verborgener Tatsachen durch das Gericht im Ehelichkeitsprozess; Vorliegen einer im Verhältnis zu dem sicher festzustellenden Verkehr ungewöhnlich kurzen Tragzeit bei Merkmalen voller Reife

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
19.02.1987
Aktenzeichen
IX ZR 33/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 13451
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 10.12.1985

Fundstelle

  • NJW-RR 1987, 898-899 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

Lutz R., B. Straße ... Bo.

Prozessgegner

Rechtsanwalt Dr. Albert L., W. straße ... Bo.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Merz und
die Richter Zorn, Henkel, Fuchs und Gärtner
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Dezember 1985 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten.

2

Der Beklagte hatte ihn beraten, als er im November 1980 von dem Zeugen W. als leiblicher Vater des Kindes Marc W., das die Ehefrau W. am 22. April 1970 geboren hatte, auf Ersatz für bisher erbrachten Unterhalt und auf eine Unterhaltsregelung für die Zukunft in Anspruch genommen wurde. Die Mutter hatte bis Anfang August 1969 zum Kläger und ab Anfang Oktober 1969 zu W. intime Beziehungen unterhalten und diesen am 21. Januar 1970 geheiratet.

3

Der Kläger lehnte jeden Anspruch ab. Der Ehemann W. erhob Ehelichkeitsanfechtungsklage. In diesem Verfahren erhielt der Kläger eine Ladung als Zeuge. Nach Beratung mit dem Beklagten berief er sich in einem von diesem aufgesetzten Schreiben vom 27. November 1981 auf sein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 384 Nr. 1 ZPO) und brachte unter anderem vor:

"Unter dem 18.11.1980 hat Rechtsanwalt ... ein Schreiben geschickt, von welchem ich anliegend eine Ablichtung beifüge. Danach verlangt Herr Wolfgang W. von mir eine Entschädigung dafür, daß er dem Kind, welches von mir stammen soll, Unterhalt gewährt. Dabei ergibt sich aus diesem Schreiben selbst schon, daß er, wenn das Kind nicht von ihm gezeugt sein sollte, bei der Eheschließung gewußt haben muß, daß es nicht von ihm gezeugt worden ist. Denn wenn er erst im Oktober 1969 zurückgekehrt ist, dann muß seine spätere Ehefrau schon im 6. Monat gewesen sein. Das kann ihm nicht verborgen geblieben sein. Spätestens bei der Geburt im April hätte es ihm klar werden müssen. ..."

4

Dem Ehelichkeitsanfechtungsverfahren trat der Kläger nicht bei. Das Amtsgericht Groß-Gerau stellte durch Urteil vom 5. Mai 1982 fest, daß Marc W. nicht von dem Zeugen W. abstammt. Es ging davon aus, daß die Klage innerhalb der Anfechtungsfrist des § 1594 BGB erhoben worden sei. Weiter stellte das genannte Gericht durch Urteil vom 19. Oktober 1983 die Vaterschaft des Klägers fest und verurteilte ihn zur Zahlung des Regelunterhalts. Schließlich verurteilte das Amtsgericht Bonn den Kläger zur Zahlung von 28.235,53 DM (Rückzahlung des geleisteten Unterhalts und Erstattung der Kosten des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses).

5

Der Kläger sieht eine Pflichtverletzung des Beklagten darin, daß dieser es unterlassen habe, die Versäumung der Anfechtungsfrist des § 1594 BGB in geeigneter Form in den Ehelichkeitsanfechtungsstreit einzuführen, insbesondere ihm nicht geraten zu haben, in dem Verfahren dem beklagten Kind als Streithelfer beizutreten.

6

Das Landgericht wies - nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Parteien und der Zeugin W. - die Klage auf Zahlung von 58.454,85 DM nebst Zinsen, Freistellung von der Unterhaltspflicht sowie Feststellung (des Nichtbestehens von Honoraransprüchen und der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden) ab, das Berufungsgericht die Berufung zurück. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

8

I.

1.

Das Berufungsgericht läßt dahinstehen, ob der Beklagte Anwaltspflichten dadurch verletzt hat, daß er den Kläger bei der Beratung während der Anhängigkeit des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses des Scheinvaters W. gegen das beklagte Kind Marc W. nicht über die Möglichkeit und Notwendigkeit eines Streitbeitrittes auf seiten des beklagten Kindes (§ 66 ZPO) aufgeklärt hat. Es verneint die Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung, weil das Amtsgericht zu Recht festgestellt habe, daß die Anfechtungsklage innerhalb der zweijährigen Anfechtungsfrist des § 1594 BGB erhoben worden sei. Dazu erwägt es:

9

Aus der Rückkehr des Zeugen W. im September 1969, der Beiwohnung Anfang Oktober 1969 und der Geburt am 22. April 1970 allein habe sich für ihn noch nicht die Kenntnis von Umständen ergeben, die für die Nichtehelichkeit gesprochen hätten. Erforderlich sei das Bekanntwerden von Umständen, die bei sachlicher Beurteilung durch einen verständig denkenden Mann geeignet seien, Zweifel an der ehelichen Geburt zu erwecken, wobei von dem bei einem verständigen Laien in der Regel vorauszusetzenden Kenntnisstand auszugehen sei. Daß W. schon bei der Geburt des Kindes die maßgebliche Kenntnis erlangt habe, lasse sich nicht feststellen. Nach seiner Erklärung im Termin vom 27. Oktober 1981 vor dem Amtsgericht Groß-Gerau habe er wegen der Geburt bereits im April 1970 keinen Argwohn geschöpft und sei davon ausgegangen, daß es ein Siebenmonatskind sei. Diese Darstellung hätte sich nicht widerlegen lassen. Zwar sei davon auszugehen, daß W., möge er auch bei der Geburt nicht zugegen gewesen sein, das Kind alsbald danach zu Gesicht bekommen habe. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, daß er bei der dabei gewonnenen Anschauung Anlaß zu der Annahme gehabt habe, daß es sich nicht um das erwartete Siebenmonatskind, sondern um ein voll ausgetragenes Kind gehandelt habe. Bei einem 22jährigen medizinischen Laien wie dem Zeugen W. könne nicht davon ausgegangen werden, daß er den Reifegrad eines Kindes oder dessen Tragzeit auch nur annähernd hätte abschätzen können. Die spätere Beschreibung des Kindes als voll ausgetragen besage nichts für den Stand der Erkenntnis des W. im Jahre 1970, ebensowenig das Fehlen einer intensiven medizinischen Betreuung.

10

Auch die Benennung der Zeugin W. durch den Kläger als Streithelfer zum Beweise dafür, daß das Kind voll ausgetragen zur Welt gekommen sei und ihr Ehemann nach der Geburt gesehen habe, daß es wie ein voll ausgetragenes Kind entwickelt gewesen sei, hätte zu einem anderen Ausgang des Anfechtungsstreites nicht geführt. Für eine erneute Vernehmung der Zeugin habe seinerzeit kein Anlaß bestanden, weil der entsprechende Antrag des Klägers auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre. Daß der Kläger meine, er hätte die Zeugin zum Zwecke der Ermittlung noch unbekannter Fakten vernehmen lassen können, zeigten auch seine Hinweise darauf, daß die Zeugin bei einer Vernehmung auch zu Angaben über Gespräche im Bekanntenkreis hätte veranlaßt werden können; für entsprechende Vorhalte habe es seinerzeit noch an konkreten Informationen gefehlt. Diese habe der Kläger erst durch einen Telefonanruf der Zeugin vom 8. Juli 1982 erhalten.

11

2.

Diese Erwägungen können das Berufungsurteil nicht tragen.

12

Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht rügt, den Rechtsbegriff der Kenntnis von Umständen, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen (§ 1594 BGB), abweichend von den Grundsätzen ausgelegt, die der Bundesgerichtshof seit der Entscheidung BGHZ 9, 336 in ständiger Rechtsprechung mit weitgehender Zustimmung des Schrifttums anwendet (BGHZ 61, 195, 197; BGH, Urteile v. 19. Mai 1978 - IV ZR 54/77, NJW 1978, 1629, 1630 und v. 19. September 1979 - IV ZR 47/78, NJW 1980, 1335, 1336; MünchKomm/Mutschler, BGB § 1594 Rdnr. 5; Staudinger/Göppinger, BGB 12. Aufl. § 1596 Rdnrn. 10, 12; Palandt/Diederichsen, BGB 46. Aufl. § 1594 Anm. 2; im Grundsatz auch Soergel/Gaul, BGB 11. Aufl. § 1594 Rdnr. 8 und Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. § 45 III 3). Es ist zu unterscheiden zwischen Kenntnis der Umstände und einer möglichen Überzeugung des Mannes von der Unehelichkeit des Kindes. Nur auf die erstere kommt es an. Für den Fristbeginn ist nicht erforderlich, daß dem Manne die Umstände, die sachlich geeignet sind, einen Zweifel an der ehelichen Abstammung zu erwecken, auch persönlich die Überzeugung von einer unehelichen Abstammung vermitteln oder daß sie objektiv jeden verständigen Beurteiler zu dem Schluß zwingen, das Kind sei nicht von dem Ehemann gezeugt worden. Es kommt allein darauf an, ob der Mann Kenntnis von solchen Umständen hat, die bei objektiver und verständiger Beurteilung es als möglich erscheinen lassen, daß das Kind von ihm nicht gezeugt worden ist (vgl. BGHZ 61, 195, 198).

13

Zu den Umständen, die Zweifel erregen, hat der Bundesgerichtshof von jeher eine im Verhältnis zu dem sicher festzustellenden Verkehr ungewöhnlich kurze Tragzeit bei Merkmalen voller Reife gezählt (BGHZ 9, 336, 338). Durchschnittsgröße und Gewicht eines voll ausgereiften neugeborenen Kindes sowie die Unmöglichkeit solcher Merkmale bei einer Frühgeburt nach nur 6 3/4 Monaten Tragzeit stellen jedermann zugängliche und ohne besondere Fachkenntnisse erfaßbare Erfahrungswerte dar, die für Eltern im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes besonderes Interesse erlangen. Hierüber wissen in aller Regel auch medizinische Laien Bescheid. Darauf, ob der Ehemann diesen Kenntnisstand hatte und welche Schlußfolgerungen er aus den Reifemerkmalen tatsächlich zog, kommt es nach dem objektiven Beurteilungsmaßstab des Gesetzes nicht an (BGH, Urt. v. 19. September 1979 aaO; insoweit a.A. Gernhuber aaO: nur Umstände, die dem Ehemann nach seinem Bildungsstand zu Zweifeln Anlaß geben; unklar Soergel/Gaul a.a.O. Rdnr. 10, der ohne weitere Begründung für bedenklich hält, daß der Bundesgerichtshof ausreichen lasse, wenn der Mann nur von den Reifemerkmalen selbst Kenntnis erlangt habe).

14

In Verkennung dieser Rechtslage hat das Berufungsgericht keine Feststellungen über die Reifemerkmale des Kindes Marc und die Kenntnis des Zeugen W. davon getroffen (vgl. dazu OLG München, FamRZ 1984, 1128, 1129). Dabei hat es nicht beachtet, daß auch im Regreßprozeß für die Prüfung des hypothetischen Prozeßverlaufes der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1, 640 d ZPO) gilt (vgl. Bauer, Festschrift für Larenz 1973 S. 1063, 1077, 1078; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. S. 257; vgl. BGH, Urt. v. 9. Dezember 1975 - VI ZR 175/73, VersR 1976, 468 für das Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz: Beweiserleichterung durch § 181 Abs. 1 BEG). Die Versäumung der Frist des § 1594 BGB, also die für den Fristablauf erhebliche Kenntnis von den für die Nichtehelichkeit sprechenden Umständen, ist eine Tatsache, die geeignet ist, der Anfechtung entgegengesetzt zu werden (§ 640 d ZPO). Da das Gericht von Amts wegen alle Beweismöglichkeiten erschöpfen muß, kann es, wie die Revision unter Berufung auf Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 20. Aufl. § 640 Rdnr. 33, 34 m.w.N. zutreffend darlegt, ein Verbot der "Ausforschung" verborgener Tatsachen durch das Gericht im Ehelichkeitsprozeß nicht geben.

15

Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben.

16

II.

Für das weitere Verfahren des Berufungsgerichts erscheinen folgende Hinweise geboten:

17

1.

Der Beklagte hatte als Rechtsanwalt die Beratung des Klägers übernommen bei der Abwehr der gegen diesen erhobenen Ansprüche und wegen dessen Verpflichtung, der Ladung als Zeuge im Ehelichtkeitsanfechtungsprozeß Folge zu leisten. Dabei hatte er, wenn mehrere Möglichkeiten bestanden, den vom Auftraggeber gewünschten Erfolg zu erreichen, ihm den dazu sichersten Weg anzuraten.

18

Marc W. war während der Ehe seiner Mutter, deren Ehemann ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hatte, geboren und deshalb ehelich (§ 1591 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn es den Umständen nach nicht offenbar unmöglich war, daß sie das Kind von ihrem Ehemann empfangen hatte (Satz 2 aaO). Die Nichtehelichkeit des Kindes konnte nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt wurde (§ 1593 BGB, § 640 h Satz 1 ZPO). Bis dahin konnten Ansprüche des Marc W. oder des Ehemannes seiner Mutter wegen erbrachter Unterhaltsleistungen gegen den Kläger nicht geltend gemacht werden. Die Ehelichkeit konnte von dem Ehemann der Mutter des Kindes nur binnen zwei Jahren angefochten werden, seitdem er Kenntnis von den Umständen erlangt hatte, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprachen (§ 1594 Abs. 1, 2 BGB). Er hatte die Klage erst mehr als elf Jahre nach der Geburt des Kindes erhoben. Die Beweislast dafür, daß die Anfechtungsfrist verstrichen war, traf unbeschadet der amtlichen Ermittlungspflicht das beklagte Kind (BGH Urt. v. 20. Dezember 1951 - IV ZR 113/50, LM BGB § 1594 Nr. 1). Der als außerehelicher Erzeuger des beklagten Kindes in Betracht kommende Mann kann unter Umständen entscheidungserhebliche Tatsachen wissen, die von den Parteien des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses dem Gericht nicht vorgetragen und diesem auch sonst nicht bekannt werden. Deshalb kann er nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über die Nebenintervention dem beklagten Kind zu dessen Unterstützung beitreten und gegen ein der Anfechtungsklage stattgebendes Urteil, wenn das Kind nicht widerspricht, Rechtsmittel einlegen (BGHZ 76, 299, 304; vgl. Senatsurt. v. 29. April 1982 - IX ZR 55/81, NJW 1982, 1652).

19

Der sicherste Weg, den Status des beklagten Kindes als ehelich zu erhalten und damit Ansprüche gegen sich abzuwehren, war für den Kläger mithin, dem Kinde im Anfechtungsprozeß als Nebenintervenient beizutreten. Dazu hätte ihm der Beklagte raten müssen. Nach dem Vortrag des Klägers hat er das versäumt.

20

2.

Sein Versäumnis stellt eine schuldhafte Verletzung des Anwaltsvertrages dar und verpflichtet den Beklagten, dem Kläger einen etwa dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen, ihm mithin so zu stellen, wie er im Falle seines pflichtgemäßen Verhaltens, also der Erteilung des Rates, dem Kinde als Nebenintervenient beizutreten, gestanden hätte. Für diese hypothetische Betrachtung ist maßgebend, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Gerichts, das mit dem gegen den beauftragten Rechtsanwalt gerichteten Schadensersatzanspruch befaßt ist, hätte entschieden werden müssen. Auszugehen ist dabei von dem Sachverhalt, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem Gericht aufgeklärt worden wäre. Die Frage, was geschehen wäre, wenn der Rechtsanwalt pflichtgemäß gehandelt hätte, ist nach § 287 ZPO und unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Die Beweislastregeln des Vorprozesses wirken - mit gewissen Erleichterungen - auch für den Schadensersatzprozeß. Daraus folgt, daß dem Kläger durch eine pflichtwidrige Versäumnis des Beklagten, ihm den Rat zu erteilen, dem beklagten Kinde im Vorprozeß als Nebenintervenient beizutreten, nur dann ein Schaden entstanden ist, wenn andernfalls die Anfechtungsklage hätte abgewiesen werden müssen (vgl. Senatsurt. v. 12. Dezember 1985 - IX ZR 1/85, NJW 1986, 1047, 1048 = ZIP 1986, 170, 171, insoweit in BGHZ 96, 352, 354 nicht vollständig abgedruckt).

21

a)

Der mit der Entscheidung des Ehelichkeitsanfechtungsprozesses befaßte Richter hat trotz des Hinweises des Klägers in dem Schreiben vom 27. November 1981 die Einhaltung der Anfechtungsfrist bejaht und der Anfechtungsklage stattgegeben. Entspräche diese Entscheidung im Ergebnis der sich aus dem objektiven Sachverhalt ergebenden Rechtslage, hatte also der Ehemann der Mutter des beklagten Kindes bei Erhebung der Anfechtungsklage nicht seit mehr als zwei Jahren Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Nichtehelichkeit sprachen, war die Pflichtverletzung des Beklagten für die im Anfechtungsprozeß getroffene Entscheidung nicht ursächlich.

22

b)

Dem Kläger kann mithin ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nur dann zustehen, wenn er darlegt und nach Maßgabe der oben aufgezeigten Grundsätze beweist, daß

23

aa)

der Beklagte ihm nicht geraten hat, dem beklagten Kinde im Anfechtungsrechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten,

24

bb)

er einem solchen Rat gefolgt wäre und

25

cc)

dem Gericht seinerzeit - gegebenenfalls nach Einlegung eines Rechtsmittels - Tatsachen vorgetragen hätte, aufgrund derer das Gericht die Einhaltung der Anfechtungsfrist hätte verneinen müssen.

26

3.

Auch in diesem Falle würde ein Schaden des Klägers nicht vorliegen, wenn das Kind seinerseits seine Ehelichkeit angefochten hätte (vgl. Berufungsurteil S. 3).

Merz
Zorn
Henkel
Fuchs
Gärtner