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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.11.1986, Az.: III ZR 115/85

Vorliegen eines Einwendungsdurchgriff bei wirtschaftlicher Einheit von Kaufvertrag und Darlehensvertrag ; Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Einheit von Kaufvertrag und Darlehensvertrag

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.11.1986
Aktenzeichen
III ZR 115/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 13584
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 25.02.1985
LG Münster - 30.04.1984

Fundstellen

  • MDR 1987, 560 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1987, 1813-1814 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1987, 1001 (amtl. Leitsatz)
  • ZIP 1987, 286-287

Amtlicher Leitsatz

Auch beim finanzierten Kauf eines Privatschulbetriebs ist der Einwendungsdurchgriff zuzulassen, wenn Kauf- und Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden (BGHZ 83, 301) und die Umstände des Einzelfalls es gebieten, das Risiko der Erfüllung des finanzierten Vertrags der finanzierenden Bank aufzubürden.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Boujong, Dr. Engelhardt, Dr. Halstenberg und Dr. Rinne
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 1985 aufgehoben.

  2. 2.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 30. April 1984 wird zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die erweiterte Klage wird abgewiesen.

  4. 4.

    Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird festgestellt, daß der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Schuldschein vom 27. Juni 1980 auch eine weitere Teilforderung von 51.716,59 DM nicht zusteht.

  5. 5.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Klägerin gewährte ihrem Kunden W., der Privatschulen gründete und betrieb, bis Ende 1979 Kredite in Höhe von rund 1,4 Millionen DM. Um diese Schulden abzubauen, vereinbarte der Leiter der Kreditabteilung der Klägerin, S., mit W., daß Schulen an Dritte verkauft, die Kaufpreise durch Kredite an die Käufer finanziert werden sollten.

2

Die Beklagte, eine damals 21 Jahre alte Fremdsprachenkorrespondentin, schloß mit W. zunächst über zwei bereits eingerichtete und betriebene Privatschulen in Minden und Bad Oeynhausen mündliche Kaufverträge, die mit Krediten der C.Bank finanziert wurden. W. versprach ihr, er werde die Schulen mit einem Gewinn von jeweils 5.000,00 DM für sie weiterveräußern.

3

Ehe es dazu kam, einigte sich W. im Juni 1980 - wiederum mündlich - mit der Beklagten über den Erwerb einer weiteren Schule, die er in Velbert erst noch einrichten wollte. In der Zwischenzeit sollte W. den - bei der Klägerin aufzunehmenden -Kredit zur Finanzierung des Kaufpreises von 125.000,00 DM selbst bedienen und dann auch diese Schule für die Beklagte weiterverkaufen.

4

Nachdem W. und S. die Kreditvereinbarung besprochen und die Vertragsurkunden vorbereitet hatten, kam die Beklagte am 27. Juni 1980 zusammen mit W. in die Geschäftsräume der Klägerin. Bei diesem nur wenige Minuten dauernden Besuch unterschrieb sie einen Schuldschein über ein Darlehen von 125.000,00 DM nebst 12,5 % Zinsen, das zunächst in Monatsraten von 3.000,00 DM getilgt und zum 31. Juli 1981 ganz zurückgezahlt werden sollte, ferner eine Anweisung, aufgrund deren die Darlehensvaluta dem Konto W.'s bei der Klägerin gutgeschrieben wurde. Wie zwischen W. und S. vereinbart, diente dort die eine Hälfte des Betrags zur Verminderung des Debetsaldos; die andere wurde auf einen Bausparvertrag eingezahlt, dessen Guthaben die Ansprüche der Klägerin gegen W. sichern sollte. Für die Darlehensschuld der Beklagten verbürgte W. sich selbstschuldnerisch.

5

In der Folgezeit gelang es W. noch, die Schulen in Minden und Bad Oeynhausen für die Beklagte - allerdings ohne Gewinn - weiterzuveräußern. Dagegen kam es nie zur Eröffnung der in Velbert geplanten Schule. Bis Anfang 1982 stellte W. der Beklagten noch Geldmittel zur Darlehenstilgung bei der Klägerin zur Verfügung. Dann brach er wirtschaftlich zusammen, wurde verhaftet und schließlich wegen Betrugs zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. S. schied 1982 bei der Klägerin aus; gegen ihn wurde Anklage wegen Untreue erhoben. Als die Klägerin von der Beklagten persönlich Zahlung des Darlehenskontosaldos von 96.716,59 DM verlangte, focht diese den Kreditvertrag wegen arglistiger Täuschung an.

6

Die Klägerin hat die Klageforderung in erster Instanz auf einen Teilbetrag von 20.000,00 DM beschränkt, in zweiter Instanz auf 45.000,00 DM erhöht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im wesentlichen stattgegeben und den - mit der Anschlußberufung geltend gemachten - negativen Feststellungsantrag wegen des Forderungsrestes zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten ist begründet: Sie führt zur Abweisung der Klage und zur Feststellung, daß der Klägerin auch über den Klagebetrag hinaus kein Anspruch gegen die Beklagte zusteht.

8

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin könne von der Beklagten gemäß § 607 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Restvaluta des ihr am 27. Juni 1980 gewährten Darlehens verlangen. Zwar spreche manches dafür, daß die Beklagte nur als Strohmann W.'s fungiert habe; trotzdem sei der Darlehensvertrag kein Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB und nicht nach § 138 BGB nichtig. Auch greife die Anfechtung nicht durch: Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß sie durch S. oder W. arglistig getäuscht worden sei; sie habe gewußt, daß der Erwerb der noch nicht bestehenden Schule in Velbert mit erheblichen Risiken behaftet gewesen sei. Die Klägerin sei nicht zu weiterer Aufklärung verpflichtet gewesen, auch nicht über das Risiko der Aufspaltung von Kauf und Kreditgeschäft; die Beklagte, die vorher bereits zwei Schulen gekauft habe, sei insoweit nicht schutzwürdig gewesen.

9

II.

Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.

10

Selbst wenn zwischen den Parteien ein wirksamer Darlehensvertrag zustandegekommen ist, kann doch die Beklagte sich gegenüber dem Anspruch aus § 607 Abs. 1 BGB im Wege des Einwendungsdurchgriffs gemäß § 242 BGB auf Rechte berufen, die ihr aufgrund ihrer Vereinbarungen mit W. zustehen.

11

1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegen zwar, wenn ein Darlehensvertrag der Finanzierung eines vom Darlehensnehmer mit einem Dritten geschlossenen Vertrags dient, zwei rechtlich selbständige Verträge vor. Unter besonderen Voraussetzungen, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden, kann jedoch ein Darlehensnehmer, der nicht als Kaufmann im Handelsregister eingetragen ist, dem Kreditgeber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bestimmte Einwendungen aus dem finanzierten Vertrag entgegensetzen, wenn andernfalls die Risiken der an einem solchen Geschäft Beteiligten nicht angemessen verteilt wären (Senatsurteil BGHZ 83, 301, 303 [BGH 25.03.1982 - III ZR 198/80] m.w. Nachw.).

12

Die Anwendung der Rechtsgrundsätze zum Einwendungsdurchgriff beschränkt sich auch nicht auf Abzahlungskäufe im Sinne des § 1 AbzG oder auf Konsumentenkredite, sondern ist - bei gleicher Interessenlage - auch bei fremdfinanzierten Geschäften anderer Art möglich und sogar bei Kauf- oder Werkverträgen, die dem Ziel langfristiger Vermögensbildung dienen, nicht ausgeschlossen (Senatsurteil vom 28. Mai 1984 - III ZR 63/83 = NJW 1984, 2816 zu II 5 b m.w.Nachw.).

13

Lediglich beim drittfinanzierten Beitritt zu einer Abschreibungsgesellschaft hat der Senat einen Einwendungsdurchgriff grundsätzlich abgelehnt, weil dort die Aufspaltung des wirtschaftlich einheitlichen Geschäfts in zwei rechtlich selbständige Verträge im eigenen steuerlichen Interesse des Darlehensnehmers erfolgt und es deshalb nicht unbillig ist, wenn er das Aufspaltungsrisiko selbst trägt (vgl. Senatsurteilevom 13. November 1980 - III ZR 96/79 = NJW 1981, 389, vom 28. Mai 1984 a.a.O. undvom 17. Januar 1985 - III ZR 135/83 = NJW 1985, 1020 [BGH 17.01.1985 - III ZR 135/83] zu 7, insoweit in BGHZ 93, 264 nicht abgedruckt).

14

2.

Die Voraussetzungen, unter denen Kauf- und Darlehensvertrag als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind, liegen hier vor.

15

a)

Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich hinreichende objektive Verbindungselemente (vgl. BGHZ 83, 301, 304) [BGH 25.03.1982 - III ZR 198/80]: Die Beklagte hat sich den Kredit bei der Klägerin nicht selbständig, "auf eigene Faust" beschafft, sondern nur von der ihr vom Verkäufer W. gewiesenen Kreditmöglichkeit Gebrauch gemacht; sie hat unstreitig keinerlei eigene Verhandlungen mit der Klägerin geführt, sondern nur die Urkunden unterschrieben, die von der Klägerin und W. gemeinsam vorbereitet worden waren. Die Klägerin wußte, daß der Kredit der Finanzierung des Schulkaufvertrags diente. Sie arbeitete ständig mit W. in gleicher Weise zusammen. Die finanzierten Schulverkäufe beruhten auf ihrer grundlegenden Absprache mit W., nach der dieser durch den Verkauf von Schulen an Dritte seine Schulden bei der Klägerin abbauen sollte.

16

Das der Beklagten zu gewährende Darlehen wurde vereinbarungsgemäß sofort unmittelbar auf das Konto W.'s überwiesen. Die Beklagte wurde dadurch von jeder freien Verfügung über die Valuta ausgeschlossen; ihr wurde jede Möglichkeit genommen, gegenüber W. als Verkäufer ihr Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB auszuüben.

17

b)

Die angeführten Verbindungselemente reichten nicht nur objektiv aus, um die wirtschaftliche Einheit zwischen Kauf und Darlehensvertrag zu begründen; sie vermittelten der Beklagten auch subjektiv den Eindruck, daß W. und die Klägerin ihr gemeinsam als Vertragspartner gegenüberstanden. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des Berufungsgerichts, das auch bei der Prüfung der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung W. nicht als Dritten im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ansehen, sondern seine Äußerungen im Verhältnis zur Beklagten der Klägerin zurechnen wollte.

18

3.

Es liegen auch keine Gründe vor, den Einwendungsdurchgriff trotz der wirtschaftlichen Einheit zwischen Kauf und Kreditvertrag ausnahmsweise nicht zuzulassen.

19

a)

Anders als beim finanzierten Beitritt zu einer Abschreibungsgesellschaft (Senatsurteile vom 13. November 1980 und vom 17. Januar 1985 aaO) spielten hier bei der rechtlichen Trennung beider Verträge steuerliche Motive der Kreditnehmer in keine Rolle.

20

b)

Auch die Umstände des Einzelfalls sprechen nicht gegen die Zulassung des Einwendungsdurchgriffs, sondern gebieten es vielmehr, gemäß § 242 BGB nicht der Beklagten, sondern der Klägerin das Risiko aufzubürden, daß W. seine Verpflichtungen aus dem finanzierten Kaufvertrag nicht erfüllte.

21

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Beklagte sei nicht schutzwürdig, weil sie vor dem Vertrag über die Schule in Velbert bereits zwei andere Schulen gekauft habe. Der damals erst 21 Jahre alten Beklagten kam, solange sie aus den vorangegangenen Verträgen noch nicht persönlich in Anspruch genommen wurde, noch nicht voll zum Bewußtsein, in welche Gefahr sie sich durch die Unterzeichnung des von S. und W. vorbereiteten weiteren Kreditvertrags über 125.000,00 DM zur Finanzierung des Kaufs einer noch gar nicht existierenden Schule begab.

22

Zu Lasten der Klägerin ist dagegen zu berücksichtigen, daß sie - durch ihren Vertreter S. - planmäßig mit W. bei dem Vorhaben, Privatschulen wie eine Ware zu vermarkten, zusammenarbeitete und ihn bei diesen - für seine Vertragspartner sehr riskanten - Geschäften dadurch unterstützte, daß sie Käufern Kredite gewährte, ohne ihre Bonität zu überprüfen und sogar ohne sich Gewißheit zu verschaffen, ob die Schulen überhaupt schon existierten. Für die Klägerin bedeutete die Kreditgewährung praktisch kein Risiko, weil die Auszahlung der Valuta vereinbarungsgemäß auf das bei ihr geführte Konto W.'s erfolgte, dort zur Hälfte dazu diente, den bestehenden Debetsaldo zu vermindern, und im übrigen ihre Restforderungen gegen W. sicherte, der sich selbstschuldnerisch als Bürge weiterverpflichtete.

23

Unter diesen Umständen widerspricht es Treu und Glauben, das Risiko der Erfüllung des finanzierten Vertrags durch W. allein der Beklagten aufzubürden. Nach § 242 BGB ist ihr vielmehr das Recht zuzubilligen, gegenüber der Klägerin die Tilgung des Finanzierungsdarlehens zu verweigern, wenn W. seine Verpflichtungen aus dem finanzierten Geschäft nicht erfüllt.

24

4.

Dem Einwendungsdurchgriff steht hier auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität dieses Rechtsinstituts entgegen (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 1984 a.a.O. zu II 5 b ee m.w. Nachw.). Nachdem W. wirtschaftlich zusammengebrochen und wegen Betruges zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, kann die Beklagte nicht mehr darauf verwiesen werden, sie müsse zunächst W. in Anspruch nehmen. Da nicht mehr damit zu rechnen ist, daß W. seine Verpflichtung, für die Beklagte in Velbert eine Privatschule zu errichten und dann weiter zuveräußern, erfüllt, kann die Beklagte ihr Recht, deswegen ihre eigenen Zahlungen zu verweigern, im Wege des Einwendungsdurchgriffs gegenüber der Klägerin geltend machen.

25

5.

Da die Beklagte somit schon gemäß § 242 BGB nicht zur Zahlung verpflichtet ist, kommt ein Gegenanspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten nicht mehr in Betracht (vgl. LM § 242 (Cd) Nr. 250 a Anm. Halstenberg zu 3).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Krohn
Boujong
Engelhardt
Halstenberg
Rinne