Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.09.1986, Az.: V ZR 72/85
Grundschuldbestellung ; Sicherungsklausel ; Anspruch aus persönlicher Haftungsübernahme
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 19.09.1986
- Aktenzeichen
- V ZR 72/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 13554
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 9 AGBG
Fundstellen
- BGHZ 98, 256 - 263
- DNotZ 1987, 210-212
- MDR 1987, 130 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1987, 319-321 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1987, 307 (amtl. Leitsatz)
- ZIP 1986, 1543
- ZIP 1986, 1540-1543
Amtlicher Leitsatz
Die Klausel, daß sich die der Sicherung von Forderungen des Sicherungsnehmers aus der Geschäftsverbindung mit dem Sicherungsgeber dienende Grundschuld auch auf Forderungen aus "Sicherungsverträgen" bezieht, erfaßt nicht einen Anspruch gegen den Sicherungsgeber aus dessen persönlicher Haftungsübernahme für die Zahlung des Betrages einer zur Sicherung fremder Verbindlichkeiten gestellten Grundschuld.
Tatbestand:
Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstücks in R. Es war zugunsten der Beklagten mit zwei Grundschulden von 155 000 DM und (vorrangig) von 5 000 DM belastet. Der Grundschuld von 155 000 DM lag folgende notariell beurkundete »Zweckerklärung« vom 10. April 1979 zugrunde:
»Die Grundschuld und die (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) dienen zur Sicherung aller bestehenden und künftigen - auch bedingten oder befristeten - Ansprüche aus der Geschäftsverbindung (insbesondere aus Krediten irgendwelcher Art, Bürgschaften, Gewährleistungen, Wechseln, Schecks, Sicherungsverträgen, Lieferungen oder Leistungen) und der Ansprüche aus von Dritten erworbenen Forderungen, Wechseln und Schecks, welche der Gläubigerin (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) gegen Frau Anni B. »(Klägerin) (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)« zustehen.«
Der Sicherungszweck der Grundschuld von 5 000 DM bezog sich nach der formularmäßig in einer Urkunde vom 12. November 1979 enthaltenen »Zweckerklärung« - bei ansonsten gleichlautendem Wortlaut wie die Erklärung vom 10. April 1979 - auf Ansprüche der Beklagten »gegen Anni B., B. Baugesellschaft mbH und Adolf B.« (Ehemann der Klägerin).
Aus der Grundschuld von 155 000 DM betrieb die Beklagte die Zwangsversteigerung. Die persönliche Forderung gegen die Klägerin belief sich auf 201 967,41 DM. Gegen den Ehemann der Klägerin bestand zu dieser Zeit eine Forderung von 122 709,54 DM und gegen die B. Bau-GmbH, deren Geschäftsführerin die Klägerin ist, ein Anspruch von 531,14 DM.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Einwilligung in die Löschung der beiden Grundschulden zu verurteilen, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung von 201 967,41 DM nebst 7 % Zinsen von 155 000 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 4. Februar 1983.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 2. März 1984 abgewiesen.
Am 31. Januar 1984 ist das belastete Grundstück in dem von der Beklagten betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren dem Kaufmann H. K. zugeschlagen worden.
Daraufhin hat die Klägerin im Berufungsrechtszug den Löschungsanspruch in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dieser Erklärung hat die Beklagte widersprochen. Die Klägerin hat die Feststellung der Erledigung beantragt. Darüber hinaus hat sie wegen des ihrer Meinung nach zu Unrecht betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens Ansprüche auf Schadensersatz und aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte geltend gemacht, gerichtet auf Zahlung von 238 812,39 DM nebst Prozeßzinsen sowie auf Freistellung in Höhe von 4 645,25 DM gegenüber Forderungen des Erstehers H. K.; außerdem hat die Klägerin Feststellung beantragt, daß ihr die Beklagte zum Ersatz jedes weiteren »in dem« Zwangsversteigerungsverfahren erlittenen Schadens verpflichtet sei.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit den dort gestellten Klageanträgen zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge nur insoweit, als der die Grundschuld von 155 000 DM betreffende Antrag auf Feststellung der Erledigung sowie der Zahlungsanspruch in einer Höhe von 70 433,72 DM nebst Zinsen abgewiesen worden sind. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
I. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, daß sich der Klageanspruch auf Bewilligung in die Löschung der Grundschuld von 155 000 DM, Zug um Zug gegen Zahlung von 201 967,41 DM nebst 7 % Zinsen aus 155 000 DM vom 1. Januar bis 4. Februar 1983, durch die Zwangsversteigerung in der Hauptsache erledigt habe, hat das Berufungsgericht nicht getroffen, weil nach seiner Ansicht der Löschungsanspruch von vornherein unbegründet war. Zur Löschungsbewilligung gegen die erbetene Zahlung sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, da die Grundschuld von 155 000 DM nach der Zweckerklärung vom 10. April 1979 der Sicherung auch von Ansprüchen aus »Sicherungsverträgen« gedient habe. Sicherungszweck sei daher nicht nur die eigene Kontokorrentschuld der Klägerin von 201 967,41 DM nebst Zinsen gewesen, sondern auch die Erfüllung der Verpflichtungen ihres Ehemanns und der B. Bau-GmbH, die sich aus der für die Grundschuld von 5 000 DM geschlossenen Vereinbarung vom 12. November 1979 ergäben. Somit aber sei die Beklagte nur gegen Zahlung von mindestens weiteren 71 819,90 DM zur Löschungsbewilligung verpflichtet gewesen.
Diese Auslegung der Sicherungsabrede vom 10. April 1979 beanstandet die Revision zu Recht.
Die fragliche Regelung ist Bestandteil einer Formularklausel (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG), die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung findet. Daher unterliegt die Auslegung der Klausel uneingeschränkter revisionsgerichtlicher Prüfung (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 22, 109, 113; BGH Urt. v. 29. Oktober 1980, VIII ZR 272/79, NJW 1981, 1361 [BGH 29.10.1980 - VIII ZR 272/79]).
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, Ansprüche aus »Sicherungsverträgen« im Sinne des für die Grundschuld von 155 000 DM am 10. April 1979 vereinbarten Sicherungszwecks seien auch die damals schon bestehenden Forderungen der Beklagten gegen den Ehemann der Klägerin und gegen die B. Bau-GmbH gewesen, weil sich darauf der die Grundschuld von 5 000 DM betreffende Sicherungsvertrag der Parteien vom 12. November 1979 bezogen habe, geht über die Tragweite der Regelung hinaus.
Die Zweckerklärung vom 10. April 1979 zur Grundschuld von 155 000 DM beschränkt sich ausdrücklich auf Ansprüche, die der Beklagten gegen die Klägerin zustehen. Soweit in diesem Rahmen auch Forderungen »aus Sicherungsverträgen« als Schuldgrund bezeichnet sind, können daher nur durch solche Verträge gegen die Klägerin persönlich begründete Ansprüche erfaßt sein. Einbezogen sind mithin die Verbindlichkeiten des Ehemanns der Klägerin und der GmbH nicht schon deshalb, weil sich hierauf nach der Vereinbarung vom 12. November 1979 der Sicherungszweck der Grundschuld von 5 000 DM erstreckt. Denn aus einer Grundschuld haftet nur das belastete Grundstück (§ 1191 BGB), nicht der Eigentümer persönlich.
2. Eine andere, vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage ist, ob durch die von der Klägerin in der Urkunde vom 12. November 1979 formularmäßig erklärte Übernahme der persönlichen Haftung »für den Betrag der Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistungen« ein Anspruch begründet worden ist, auf den sich die Zweckerklärung vom 10. April 1979 erstreckte.
In einer derartigen Übernahme der persönlichen Haftung liegt ein selbständiges Schuldversprechen gemäß § 780 BGB(BGH Urteile vom 19. Mai 1958, VII ZR 114/57, DNotZl 958, 579, 580 = WM 1958, 1194; vom 21. Januar 1976, VIII ZR 148/74, NJW 1976, 567 und vom 21. Februar 1985, III ZR 207/83, NJW 1985, 1831, 1832). Es hat indessen ebenso wie die Grundschuld nur eine Sicherungsfunktion (vgl. BGH Urt. v. 23. Oktober 1980, III ZR 62/79, ZIP 1981, 158 = WM 1981, 189; Reithmann DNotZ 1982, 67, 76). Wird durch das Versprechen, wie vorliegend unter Ziffer I. 1. der Urkunde vom 12. November 1979 vereinbart, ein fremde Schuld mitgesichert, so ist es eine Auslegungsfrage, ob der sich aus dem Schuldversprechen ergebende persönliche Anspruch gegen die Klägerin in den Sicherungsbereich der Grundschuld von 155 000 DM fiel. Das ist zu verneinen.
Die Grundschuld von 155 000 DM sicherte - bestehende und künftige - Ansprüche der Beklagten »aus der Geschäftsverbindung« mit der Klägerin. Wenn dann in diesem Zusammenhang Ansprüche auch aus »Sicherungsverträgen« einbezogen sind, so ist bei der gebotenen objektiven, auf das Verständnis eines durchschnittlichen Kunden des Kreditinstituts abzustellenden Wertung (vgl. BGHZ 60, 174, 177 [BGH 26.01.1973 - V ZR 47/71]; 77, 116, 118 f.; 79, 117, 118 f.) die Auslegung naheliegend, daß nur ein im Rahmen der beiderseitigen Geschäftsverbindung geschlossener Sicherungsvertrag gemeint ist, also nicht ein Vertrag zur Sicherung von Ansprüchen der Beklagten aus ihrer Geschäftsverbindung zu Dritten. Die Übernahme der persönlichen Haftung für die fremden Verbindlichkeiten in Höhe des Grundschuldbetrages von 5 000 DM aber hatte keine schuldumschaffende Wirkung, sondern lediglich den Zweck einer die Grundschuld verstärkenden Sicherheit. Eine Einbeziehung des sich aus dieser Sicherheit ergebenden Anspruchs in den Sicherungsbereich der Grundschuld von 155 000 DM würde folglich deren Zweck im Ergebnis auf die - zusätzliche - Sicherung einer fremden Schuld erweitern. Das widerspräche dem typischen Sinngehalt der Zweckerklärung vom 10. April 1979, die nur Forderungen aus der Geschäftsverbindung der Parteien erfaßte. Etwaige Zweifel in dieser Hinsicht gehen nach der Unklarheitenregel des § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten, die das Formular verwendet hat.
Da hier mithin der Anspruch aus dem abstrakten Schuldversprechen nicht in den Sicherungszweck der Grundschuld von 155 000 DM einbezogen war, kann dahingestellt bleiben, ob ein solches Versprechen, wenn es formularmäßig im Rahmen einer die Sicherung fremder Verbindlichkeiten regelnden Grundschuldabrede gegeben wird, etwa mit Vorschriften des AGB-Gesetzes (§§ 3, 9, 11 Nr. 15) unvereinbar wäre (vgl. dazu OLG Oldenburg NJW 1985, 152 [OLG Oldenburg 18.06.1984 - 9 U 1/84]; Clemente, Die Sicherungsgrundschuld in der Bankpraxis, 1985, S. 44 Rdn. 113).
4. Auszugehen ist demnach von der unstreitigen Tatsache, daß die persönliche Schuld der Klägerin am 31. Dezember 1982 - einschließlich der bis dahin angelaufenen Zinsen - 201 967,41 DM betrug. Hinzu kamen Zinsen von 7 % aus 155 000 DM ab 1. Januar 1983. Die Klägerin war berechtigt, Zug um Zug gegen eine diesem Forderungsstand entsprechende Befriedigung der Beklagten von dieser die Bewilligung zur Löschung der Grundschuld von 155 000 DM zu verlangen (§§ 1192 Abs. 1, 1144 BGB). Auf die entgegenstehende Sicherungsabrede, wonach Zahlungen nicht auf die Grundschuld anzurechnen sind, konnte sich die Beklagte nicht berufen, weil sie bereits seit dem 30. April 1982 aus dem Grundpfandrecht die Zwangsversteigerung betrieb (BGH Urt. v. 25. März 1986, IX ZR 104/85, NJW 1986, 2108, 2112).
Begründet war der auf Erteilung der Löschungsbewilligung gerichtete Klageanspruch folglich dann, wenn die Klägerin ihrerseits der Beklagten nicht mehr als die Zug um Zug erbotene Leistung schuldete. Ungeklärt ist das insoweit, als sich die Klägerin zur Zahlung von Vertragszinsen nur für den Zeitraum bis 4. Februar 1983 für verpflichtet hielt. Ob für die Folgezeit Gläubigerverzug vorlag (vgl. §§ 293, 295, 298 BGB) und daher der Beklagten weitere Zinsen nicht zustanden (§ 301 BGB), ist nicht festgestellt. Dies ist nachzuholen. Bei nur teilweiser Befriedigung wäre der Anspruch auf Bewilligung der Löschung nur für einen entsprechenden Teil der Grundschuld berechtigt gewesen (vgl. BGH Urt. v. 28. September 1978, VII ZR 243/76, WM 1978, 1410, 1411 a. E.; BGB-RGRK/Mattern 12. Aufl. § 1144 Rdn. 5).
II. Auch die Abweisung des Zahlungsanspruchs kann in der von der Revision gerügten Höhe von 70 433,72 DM keinen Bestand haben.
1. Da die Grundschuld von 155 000 DM (mit den Grundschuldzinsen) nur Forderungen gegen die Klägerin sicherte, muß die Beklagte einen im Zwangsversteigerungsverfahren erzielten Übererlös an die Klägerin abführen; denn insoweit tritt an die Stelle ihres vertraglichen, vor der Verwertung der Grundschuld gegebenen Rückgewährungsanspruchs ein Anspruch auf Herausgabe des Versteigerungserlöses (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. Urteile v. 29. März 1961, V ZR 171/59, LM Nr. 1 zu § 91 ZVG = WM 1961, 691 und v. 11. Oktober 1984, IX ZR 111/82, LM Nr. 14 zu § 91 ZVG = WM 1984, 1577). Der Beklagten sind auf die Grundschuld 255 050,03 DM zugeteilt worden. Ihre persönliche Forderung gegen die Klägerin betrug jedoch, wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, nur 203 007,82 DM (einschließlich von Zinsen bis 4. Februar 1983). Hiernach hätte die Klägerin einen Erlösanteil von 52 042,21 DM zu beanspruchen.
2. In Höhe von weiteren 18 391,51 DM hat die Beklagte anläßlich des Zwangsversteigerungsverfahrens Zahlung von der Volksbank B. erhalten. Den diesbezüglichen Sachvortrag hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht gewürdigt. Danach stand der Volksbank eine dem Recht der Beklagten im Rang vorgehende Grundschuld (III 4) von 37 500 DM zu. Die diese Grundschuld betreffenden Rückgewähransprüche gegen die Volksbank und den Anspruch auf Auszahlung des entsprechenden Versteigerungserlöses hatte die Klägerin in der zur Grundschuld von 155 000 DM getroffenen Vereinbarung vom 10. April 1979 an die Beklagte abgetreten.
Hatte aber die Beklagte, wovon revisionsrechtlich auszugehen ist, für ihre Grundschuld von 155 000 DM in der Zwangsversteigerung einen Erlös in der vollen Höhe der gesicherten Forderung erzielt, so war sie der Klägerin nach der Sicherungsabrede zur Rückabtretung der gegen die Volksbank B. bestehenden Ansprüche verpflichtet. Die Beklagte müßte daher die aus der Abtretung erlangten 18 391,51 DM entweder schon nach der Sicherungsabrede oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812, 818 BGB) an die Klägerin herausgeben. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Klägerin der Beklagten auch noch einmal in dem die weitere Grundschuld von 5 000 DM betreffenden Sicherungsvertrag vom 12. November 1979 ihre Rückgewähransprüche gegen vorgehende Grundschuldgläubiger abgetreten hatte und diese Abtretung auch zur Sicherung der Verbindlichkeiten ihres Ehemanns und der GmbH diente. Denn die erneute Abtretung ging ins Leere, da die Beklagte bereits Inhaberin der ihr abgetretenen Ansprüche war. Daß sich die Sicherungsabrede vom 12. November 1979 etwa auch auf die der Beklagten schon am 10. April 1979 abgetretenen Ansprüche beziehen sollte, ist der Formularregelung nicht zu entnehmen. Es bedarf somit tatrichterlicher Prüfung, ob die Beklagte aus der Grundschuld von 155 000 DM im Zwangsversteigerungsverfahren einen Erlös in der valutierten Höhe erzielt hat und ob deswegen die von der Volksbank B. geleistete Zahlung der Klägerin gebührte.