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Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.04.1986, Az.: 2 StR 81/86

Strafbarkeit wegen Mordes ; Anforderungen an die Rüge der Verletzung materiellen Rechts; Anforderungen an den bedingten Tötungsvorsatz

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
02.04.1986
Aktenzeichen
2 StR 81/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 16548
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Köln - 11.10.1985

Verfahrensgegenstand

Mord

Prozessführer

Heinz Werner A. aus K. dort geboren am ... 1953, zur Zeit in Untersuchungshaft

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 2. April 1986,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Meyer als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof B. Maier, Theune, Niemöller, Gollwitzer als beisitzende Richter,
Staatsanwalt ... in der Verhandlung, Staatsanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... aus ... als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. Oktober 1985 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden hat.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm wird vor geworfen, seine Ehefrau grausam getötet zu haben.

2

Die Revision des Angeklagten hat mit Sachbeschwerde Erfolg.

3

1.

Den Feststellungen zufolge kam es am 25. März 1985 als der Angeklagte gegen 18.00 Uhr nach Hause zurückgekehrt war, in der Küche der ehelichen Wohnung zu Tätlichkeiten Der damals 101 kg schwere Angeklagte schlug mit der Faust und den Händer kraftvoll auf seine nur 44 kg wiegend Ehefrau ein.

4

Anlaß dafür war nach seiner Einlassung der Umstand, daß seine Ehefrau auf ihrer Arbeitsstelle über ihn gesprochen hatte. Dies war bereits am 10. März Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten gewesen. In der Folgezeit hatte der Angeklagte seine Ehefrau mehrfach - zuletzt am Vortage der Tat - geschlagen und ihr deutlich sichtbare Verletzungen beigebracht.

5

Am Tattage versetzte der Angeklagte seiner Ehefrau eine "Serie von Schlägen"; danach begab er sich mit ihr ins Wohnzimmer, aß etwas und wurde dann erneut gewalttätig. Während seine Ehefrau trotz der erlittenen, beidseitigen Rippenserienbrüche versuchte, Geschirr abzuspülen, machte er ihr wiederum Vorwürfe. Er glaubte, sie belüge ihn - sie versicherte ihm, daß sie ihn trotz allem liebe. Da er auch dies für eine Lüge hielt, mißhandelte er sie weiter. Gegen 19.20 Uhr rief eine Bekannte des Angeklagten an, mit der er sich bis etwa 19.50 Uhr unterhielt. Danach nahm er die Tätlichkeiten gegen seine Ehefrau wieder auf. Unter anderem hieb er ihr mit der Faust kräftig in den Magen. Daraufhin näßte sie ein, zog Hose und Slip aus und ging ins Badezimmer. Der Angeklagte folgte ihr kurze Zeit später, schlug weiter auf sie ein und trat sie auch, wo immer er sie nur treffen konnte, und so heftig, wie er es vermochte. Durch die mit Wucht ausgeteilten Schläge und Tritte schwollen seine Hände und sein rechter Fuß an. Seine Ehefrau, die spätestens jetzt blutende Verletzungen erlitten hatte, stürzte mindestens einmal zu Boden. Der Angeklagte ließ, nachdem sie sich noch einmal erhoben hatte, nicht von ihr ab; infolge seiner Gewalttätigkeiten sank seine Ehefrau zu Boden und verharrte dort regungslos mit geöffneten Augen und offenem Mund. Der Angeklagte forderte sie auf, einen nach hinten gebogenen Schneidezahn wieder geradezustellen, und meinte, sie solle sich nicht so anstellen. Sie reagierte nicht mehr. Er richtete den Wasserstrahl der Handbrause auf sie, legte sie sodann in die Badewanne, ließ die Wanne vollaufen, bis der Mund seiner Frau bedeckt war, hob sie sodann wieder heraus, legte sie auf den Boden, verließ das Bad und rief seiner Frau vom Wohnzimmer aus zu, sie solle sich nicht so anstellen, sondern gefälligst das Bad wieder in Ordnung bringen. Um 20.50 Uhr verständigte er die Nachbarn, die ihrerseits die Polizei informierten.

6

Das Opfer war bereits zuvor infolge der ihm beigebrachten Verletzungen gestorben. An seinem Körper, insbesondere im Brust- und Bauchbereich, fanden sich zahlreiche Zeichen massiver, stumpfer Gewalteinwirkung. Todesursächlich waren sowohl eine durch die Verletzungen ausgelöste Fett- und Knochenmarksembolie als auch ein Ersticken sowie ein akuter Schockvorgang.

7

Der Angeklagte war sich - so das Landgericht - "während seiner Tätlichkeiten an diesem Abend" der "Grausamkeit seines Handelns" bewußt. Er wußte, daß seine Ehefrau infolge der zahlreich beigebrachten, intensiven Verletzungen sterben konnte. Dies "nahm er billigend in Kauf".

8

Der Angeklagte hatte die Verletzungshandlungen nicht bestritten, jedoch erklärt, er habe seine Frau nicht töten wollen. Das Landgericht hat darin eine Schutzbehauptung gesehen. Die "Art, die Vielzahl und die Heftigkeit und die erwiesene Dauer der Verletzungshandlungen" belegten, daß er bei seiner massiven Vorgehensweise gegen seine ihm körperlich kraß unterlegene Frau deren Tod billigend in Kauf genommen habe. Das Mordmerkmal der Grausamkeit liege darin, daß er ihr am Tattage durch zahlreiche körperliche Mißhandlungen massiver Art besondere Schmerzen und Qualen zugefügt habe. Das "körperliche Einwirken" auf seine Frau sei am Tage der Tat nicht nur kurzfristig gewesen - es habe vielmehr einen längeren Zeitraum beansprucht. Der Angeklagte habe in gefühlsroher, unbarmherziger Gesinnung gehandelt.

9

2.

Die Verurteilung wegen Mordes hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

10

Zweifelhaft ist bereits, ob der Bejahung des bedingten Tötungsvorsatzes eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrundeliegt. Das Landgericht hat sich insoweit nur auf Art, Vielzahl, Heftigkeit und Dauer der Verletzungshandlungen gestützt. Es fehlt eine Auseinandersetzung mit denjenigen Umständen, die der Annahme, der Angeklagte habe den Tod seiner Ehefrau gebilligt, entgegenstehen könnten. Unerörtert bleibt in diesem Zusammenhang die Beziehung des Angeklagten zu seiner Ehefrau, Anlaß und Zweck der Mißhandlungen sowie das Verhalten des Angeklagten nach Beendigung der Tätlichkeiten.

11

Selbst wenn aber die Bejahung des bedingten Tötungsvorsatzes im Ergebnis der rechtlichen Prüfung standhielte, läge ein durchgreifender Rechtsmangel des Urteils doch jedenfalls darin, daß die Feststellungen keinen Aufschluß darüber geben, in welcher Phase des langandauernden Tatgeschehens der Angeklagte den bedingten Tötungsvorsatz gefaßt hat. Daß er bereits bei den ersten Tätlichkeiten, als er mit der Faust und den Händen kraftvoll auf seine Ehefrau einschlug, deren Tod als mögliche Folge seines Handelns vorhersah und guthieß, ist nicht festgestellt. Hat er aber erst mit seinen letzten Mißhandlungen die Vorstellung verknüpft, seine Ehefrau könne sterben und dies sei ihm recht, so besteht die Möglichkeit, daß ursächlich für den Tod seiner Ehefrau die früheren, lediglich mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführten Mißhandlungen waren, nicht aber diejenigen Tätlichkeiten, denen bereits ein bedingter Tötungsvorsatz zugrundelag. Diese Möglichkeit hat der Tatrichter nicht ausgeschlossen; denn er hat zwar die Todesursachen (verletzungsbedingte Fett- und Knochenmarksembolie, Ersticken sowie akuter Schockvorgang) festgestellt, sie jedoch nicht bestimmten Verletzungshandlungen zugeordnet.

12

Das Urteil muß deshalb aufgehoben werden.

13

In der neuen Hauptverhandlung wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls in welcher Phase des Geschehens der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Entscheidend ist, ob vom Tötungsvorsatz getragene Verletzungshandlungen den Tod der Ehefrau verursacht haben oder die Todesursachen bereits durch vorangegangene, lediglich mit Körperverletzungsvorsatz verübte Mißhandlungen gesetzt worden sind. Im ersteren Fall läge ein vollendetes Tötungsverbrechen (§§ 211, 212 StGB) vor, im letzteren Falle könnte der Angeklagte lediglich wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB) und versuchten Tötungsverbrechens verurteilt werden (BGH bei Holtz MDR 1977, 282).

14

Was das Mordmerkmal der Grausamkeit angeht, so wird zu beachten sein, daß dieses Merkmal - was im angefochtenen Urteil gleichfalls verkannt worden ist - der objektiv und subjektiv tatbestandsmäßigen Tötungshandlung selbst anhaften muß; daß die Bewertung als grausam auf die vorher mit Körperverletzungsvorsatz begangenen Mißhandlungen zutrifft, genügt nicht (eingehend dazu: BGH Strafverteidiger 1986, 60; vgl. auch Hörn in SK StGB 3. Aufl. § 211 Rdn. 42).

Meyer
Maier
Theune
Niemöller
Gollwitzer