Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.02.1986, Az.: V ZR 201/84
Voraussetzungen des Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO (Zivilprozessordnung); Verpflichtung zur Auflassung eines Grundstückes; Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse; Reife des Rechtsstreits zur Endentscheidung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 07.02.1986
- Aktenzeichen
- V ZR 201/84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 13176
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Koblenz - 11.07.1984
- LG Koblenz
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1986, 743-744 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1986, 2507-2508 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Cyriak W., Auf der S., R.,
Prozessgegner
1. Firma W. & N. OHG, K. straße ..., N.,
vertreten durch Dr. Peter H. W. und durch die Beklagten zu 2-5 als persönlich haftenden Gesellschaftern,
2. Otto W., ebenda,
3. Heribert W., ebenda,
4. Firma Wilhelm W., ebenda,
5. Firma B.-A.-Gesellschaft L./...,
vertreten durch die Vorstandsmitglieder Dr. Jürgen B. und Martin R., L. straße ..., L./...,
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen des Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 1986
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Thumm und
die Richter Dr. Eckstein, Prof. Dr. Hagen, Dr. Räfle und Dr. Lambert-Lang
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. Juli 1984 wird hinsichtlich der Beklagten zu 2-5 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß insoweit auch die Berufungsanträge zu 2 und 4 als unbegründet abgewiesen werden.
- 2.
Auf die weitergehende Revision wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die gegen die Erstbeklagte gerichteten Berufungsanträge zu 2-4 abgewiesen worden sind.
- 3.
Der Kläger hat die den Beklagten zu 2-5 entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 4.
In dem übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag vom 11. Juni 1969 verkaufte der Kläger an die Firma C. W. GmbH, die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1, 58 zur Bimsausbeute geeignete Grundstücke. Die Beklagten zu 2 bis 5 sind die Gesellschafter der zu 1 verklagten Offenen Handelsgesellschaft.
Der Kläger nimmt wegen dieser Grundstücke ein in der notariellen Urkunde nicht enthaltenes Rückkaufsrecht für sich in Anspruch. Er stützt sich dabei auf ein Schreiben der früheren B.-A.-Gesellschaft - damals Gesellschafterin der Käuferin - vom 8. März 1969, in dem ihm diese "verbindlich" bestätigte, sie werde ihm die Grundstücke auf sein Verlangen zum Preise von 0,80 DM je qm zurückverkaufen, wenn sie nicht mehr zur Ausbeute oder zum Überfahren benötigt würden. Nach der Behauptung des Klägers sind diese Voraussetzungen bei einigen Grundstücken erfüllt.
Das Landgericht hat die zunächst auf Abgabe von Umschreibungsbewilligungen für vier Grundstücke gerichtete Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger zuletzt beantragt,
- 1.
die Beklagten zu verurteilen, acht näher bezeichnete Grundstücke an ihn aufzulassen, Zug um Zug gegen Zahlung von 7.652 DM;
- 2.
hilfsweise festzustellen,
daß die Beklagten zur Auflassung dieser Grundstücke verpflichtet seien, sobald die Beklagte zu 1 die Grundstücke weder zur Ausbeute noch zu Überfahrten benötige;
- 3.
äußerst hilfsweise,
die Beklagten zum Verkauf und zur Auflassung dieser Grundstücke gegen Zahlung eines Kaufpreises von 7.662 DM zu verurteilen;
- 4.
dazu wiederum hilfsweise festzustellen, daß die Beklagten zum Verkauf und zur Auflassung gegen Zahlung von 7.662 DM verpflichtet seien, sobald die Beklagte zu 1 die Grundstücke ausgebeutet habe und sie nicht mehr für Überfahrten benötige.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hat der Senat nur im Umfang der abgewiesenen Hilfsanträge angenommen.
Der Kläger verfolgt diese Anträge in der vorbezeichneten Reihenfolge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Den auf Feststellung einer Auflassungspflicht der Beklagten gerichteten Klageantrag zu 2 hat das Berufungsgericht als unzulässig angesehen. Es hat ausgeführt, insoweit sei schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt ein rechtliches Interesse an der verlangten Feststellung habe, da er bei einem künftigen Eintritt der behaupteten Wiederkaufsbedingungen unmittelbar auf Leistung klagen könne. Jedenfalls aber habe er kein gegenwärtiges rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung, weil sich noch nicht absehen lasse, wann die Parzellen nicht mehr zur Bimsausbeute oder für Überfahrzwecke benötigt würden.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß feststellbare Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 ZPO auch bedingte Ansprüche sind (BGHZ 4, 133, 135; Senatsurt. v. 8. Juli 1983, V ZR 48/82, NJW 1984, 2950). Es verneint aber zu Unrecht ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung einer Auflassungspflicht der Erstbeklagten.
Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGHZ 69, 144, 147; Senatsurt. v. 28. Juni 1968, V ZR 22/65, LM ZPO § 256 Nr. 87; BGH Urt. v. 9. Juni 1983, III ZR 74/82, NJW 1984, 1118 m.w.N.). Bei einer behauptenden Feststellungsklage liegt eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, daß der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (vgl. Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO 19. Aufl. § 256 Anm. III 1 a; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 44. Aufl. § 256 Anm. 3 C; jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil die Beklagte die vom Kläger behauptete Wiederkaufsabrede und gegebenenfalls auch deren Wirksamkeit - nicht bloß den Bedingungseintritt - leugnet. Mit der vom Kläger begehrten Feststellung wäre dieser Streitpunkt abschließend geklärt.
Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht für seine Auffassung, dem Kläger fehle das notwendige gegenwärtige und nicht möglicherweise erst in der Zukunft eintretende Rechtsschutzinteresse, auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30. Januar 1969, X ZR 19/66, LM ZPO § 256 Nr. 92. Dort war der praktische Nutzen eines Feststellungsurteils in Frage gestellt worden, wenn dieses Urteil bei der im Ausland zu erhebenden Leistungsklage von den ausländischen Gerichten nicht anerkannt wird. Darum geht es hier aber nicht. Im vorliegenden Fall liegt der praktische Wert eines Feststellungsurteils schon darin, daß mit Eintritt der Rechtskraft die jetzt strittige Frage einer Anspruchsgrundlage dem späteren Streit der Parteien endgültig entzogen ist.
Ebenso verfehlt ist hier überdies der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Möglichkeit eines Beweissicherungsverfahrens nach §§ 485 ff ZPO zur Vermeidung des vom Kläger befürchteten Beweismittelverlusts durch Wegfall von Zeugen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 18, 22, 41) kann, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, bei der Prüfung des Feststellungsinteresses der Gesichtspunkt eines drohenden Verlusts von Beweismitteln oder einer wesentlichen Erschwerung der Beweisführung unterstützend herangezogen werden. Vorliegend hat das Berufungsgericht bereits eine umfangreiche Beweisaufnahme zu der Behauptung einer Wiederkaufsvereinbarung im Rahmen des dann abgewiesenen Hauptantrages durchgeführt; damit wäre der Rechtsstreit auch hinsichtlich des Feststellungsantrages in der Sache entscheidungsreif gewesen. Bei einer solchen Verfahrenslage ist es prozeßökonomisch unvertretbar, den Kläger auf eine spätere Leistungsklage nach Eintritt der Wiederkaufsbedingungen zu verweisen und ihn damit dem Risiko auszusetzen, daß die bisherigen Beweisergebnisse bei einem zwischenzeitlichen Wegfall der Zeugen nur noch als Urkundenbeweis verwertet werden könnten (vgl. auch BGHZ 18, 22, 42 f).
Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Anspruchs entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger später eine Leistungsklage erheben könnte, wie das Berufungsgericht meint. Zwar besteht grundsätzlich kein Feststellungsinteresse, wenn dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichbar ist (BGH Urt. v. 9. Juni 1983, III ZR 74/82, NJW 1984, 1118, 1119 m.w.N.; allg. Auff.). Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist jedoch gegen die Beklagte eine Klage auf sofortige Leistung nicht zulässig, weil der etwaige Anspruch des Klägers nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Berufungsgerichts noch nicht fällig ist. Die Möglichkeit einer Klage auf zukünftige Leistung gemäß § 259 ZPO (vgl. BGHZ 5, 342, 344) aber stünde der Feststellungsklage nicht entgegen (RGZ 113, 410, 411; RG HRR 1928 Nr. 2226; Stein/Jonas/Schumann/Leipold a.a.O. § 256 Anm. III 5 b ß a.E., § 259 Anm. II a.E.; Zöller/Stephan, ZPO 14. Aufl. § 256 Rdn. 8; offengelassen in BGHZ 2, 250, 252).
2.
Da somit ein Feststellungsinteresse des Klägers vorliegt und der erste Hilfsantrag deshalb zulässig ist, kann das Berufungsurteil insoweit nicht bestehen bleiben. Es stellt sich, was die Beklagte zu 1 betrifft, auch nicht aus sachlichen Gründen in dem Sinne als richtig dar, daß der Antrag statt als unzulässig nun im Revisionsverfahren als unbegründet abgewiesen werden könnte (vgl. BGHZ 46, 281, 283).
Entgegen der Revisionserwiderung kann mangels entsprechender tatrichterlicher Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß sich das etwaige Wiederkaufsrecht des Klägers nur einheitlich auf alle verkauften Grundstücke beziehe und daß deswegen die lediglich für acht Einzelgrundstücke verlangte Feststellung der Auflassungspflicht von vornherein unbegründet sei.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit der Hilfsantrag zu 1 und die nur für den Fall seiner Erfolglosigkeit gestellten weiteren Hilfsanträge gegen die Erstbeklagte abgewiesen worden sind. Insoweit ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
3.
Die gegen die Beklagten zu 2 bis 5 gerichtete Klage ist unbegründet. Insoweit ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), und zwar nicht nur bezüglich des im Berufungsurteil als unbegründet abgewiesenen Hilfsantrages zu 3, sondern auch hinsichtlich der als unzulässig abgewiesenen Hilfsanträge zu 2 und 4, weil alle diese Anträge unschlüssig sind. Unter dieser Voraussetzung kann das Revisionsgericht einen im Berufungsurteil als unzulässig abgewiesenen Klageantrag als unbegründet abweisen (BGHZ 46, 281, 283).
Eine Rechtsgrundlage für die mit den Hilfsanträgen verfolgten Ansprüche gegen die Beklagten zu 2 bis 5 besteht nicht. Als Vertragspartner der Klägerin ist aufgrund der durch Umwandlung eingetretenen Rechtsnachfolge jetzt die Beklagte zu 1 anzusehen. Sie hat also die geltend gemachten Ansprüche gegebenenfalls zu erfüllen. Für Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1 haften allerdings als Gesellschafter der Offenen Handelsgesellschaft grundsätzlich auch die Beklagten zu 2 bis 5 (§ 128 HGB). Der Kläger verlangt hier aber - in der Form der Feststellung oder Leistung - die Abgabe einer Willenserklärung der Gesellschaft. Wie der Senat mit Urteil vom 22. Dezember 1982, V ZR 315/81, WM 1983, 220 f (ebenso Baumbach/Duden/Hopt, HGB 26. Aufl. § 128 Anm. 3 H; Hueck, Gesellschaftsrecht 18. Aufl. § 15 III 2 a S. 117) ausgesprochen hat, kommt unabhängig davon, wie die Gesellschafterhaftung bei nicht auf Geld gerichteten Schulden aufzufassen ist (vgl. dazu BGHZ 23, 302 ff; 73, 217, 221 f; Fischer in Großkommentar HGB 3. Aufl. § 128 Rdn. 3 ff), in solchen Fällen nach der Natur der Sache eine Verpflichtung auch der persönlich haftenden Gesellschafter zur Abgabe der Willenserklärung nicht in Betracht. Denn bereits die Verurteilung der Beklagten zu 1 ersetzt hier die verweigerte Erklärung; eine entsprechende Erklärung auch der Beklagten zu 2 bis 5, welche inhaltlich nur wieder die Verpflichtung der Erstbeklagten zum Gegenstand haben könnte, würde dem nichts hinzufügen. Bei einer auf Feststellung einer solchen Verpflichtung gerichteten Klage gilt nichts anderes.
Hinsichtlich der Beklagten zu 2 bis 5 ist die Revision daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß insoweit die Klage nach allen Hilfsanträgen unbegründet ist.
4.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 bis 5 beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Im übrigen hat das Berufungsgericht über die Kosten zu befinden.
Dr. Eckstein
RiBGH Prof. Dr. Hage kann wegen Urlaubs unterschreiben.
Dr. Thumm
Räfle
Lambert-Lang