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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.02.1986, Az.: 3 StR 25/86

Bedeutung der Vorstellungen des Täters bei Tatbeginn für das Vorliegen eines beendeten oder unbeendeten Versuchs; Voraussetzungen des Ausbleibens einer Bestrafung bei einem fehlgeschlagenen Versuch; Rechtliche Wirkungen des Bestehens einer Möglichkeit des Aufhörens mit der Tatausführung nach Affektentladung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
07.02.1986
Aktenzeichen
3 StR 25/86
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1986, 11838
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Krefeld - 29.10.1985

Fundstelle

  • NStZ 1986, 264

Verfahrensgegenstand

Versuchter Totschlag

Amtlicher Leitsatz

Für die Frage des strafbefreienden Rücktritts von der Tatausführung sind die Vorstellungen des Täters nach der letzten Ausführungshandlung entscheidend ("Rücktrittshorizont'' nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung). Das gilt auch in Fällen, in denen der Angriff des Täters zunächst fehlgeschlagen war.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und
des Beschwerdeführers
am 7. Februar 1986 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Angeklagten wird hinsichtlich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

  2. 2.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 29. Oktober 1985 mit den Feststellungen aufgehoben.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch Über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer (Schwurgericht) des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte wollte seine Ehefrau aus Verzweiflung wegen der von ihr geäußerten Scheidungsabsicht töten. Er übergoß sie plötzlich mit einem Eimer voll Benzin und versuchte, sie anzuzünden. Bei der sich anschließenden Rangelei zwischen beiden, bei der er immer noch versuchte, Streichhölzer zu entzünden, gelang es ihr zu flüchten. Er folgte ihr in den Garten, riß sie zu Boden, umklammerte mit beiden Händen ihren Hals und würgte sie, so daß sie vorübergehend das Bewußtsein verlor. Später ließ er von seiner Ehefrau ab, ohne daß geklärt ist, warum er von seiner Tötungsabsicht Abstand nahm. Nach Auffassung des Landgerichts ist der Angeklagte nicht im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB von der Ausführung der Tat zurückgetreten "hinsichtlich des vorangegangenen fehlgeschlagenen Versuchs, seine Frau mittels Benzin umzubringen".

3

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 31, 170; BGH MDR 1985, 1039 [BGH 22.08.1985 - 4 StR 326/85] zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) sind die Fallgruppen des unbeendeten und des beendeten Versuchs nicht allein nach den Vorstellungen des Täters bei Tatbeginn abzugrenzen. Vielmehr sind für die Frage des strafbefreienden Rücktritts von der Tatausführung die Vorstellungen des Täters nach der letzten Ausführungshandlung entscheidend ("Rücktrittshorizont" nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung). Das gilt auch in Fällen, in denen der Angriff des Täters zunächst fehlgeschlagen war. Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit dem bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln noch vollenden kann (BGH MDR a.a.O.; BGH, Urteil vom 12. September 198 - 4 StR 415/85 - a.E.; Puppe NStZ 1986, 14, 18).

4

Zwar glaubte der Angeklagte, den Tod seiner Ehefrau unwiderruflich bewirken zu können (vgl. hierzu Eser in Schönke-Schröder StGB 22. Aufl. § 24 Rdn. 19), als er mit einigen aufflammenden und glühenden Zündhölzern - aus ungeklärter Ursache erfolglos - versuchte, seine mit Benzin übergossene Ehefrau und die um sie entstandene Benzinlache anzuzünden. Dennoch hat er die weitere Ausführung der Tat - insgesamt gesehen - aufgegeben. Sein Vorhaben war nämlich nach dem "unverdienten Glück" des mißlungenen Brandanschlags noch nicht endgültig gescheitert. Vielmehr hat der Angeklagte in unmittelbar weiterer Verfolgung seines Zieles ohne tatbestandlich relevante Zäsur ein nächstes Tatmittel eingesetzt, indem er seine Ehefrau würgte. Er wußte auch, daß er mit diesem einsatzbereiten Mittel seine Tat noch vollenden konnte. Obwohl sein Tötungsvorhaben noch nicht endgültig fehlgeschlagen war, nahm er dann aber von der Vollendung der Tat Abstand.

5

Der Senat verkennt nicht, daß ein Täter, dem nach dem mißlungenen Brandanschlag ein weiteres Tatmittel nicht zur Verfügung gestanden hätte, wegen beendeten Totschlagsversuchs zu bestrafen ist. Das rechtfertigt aber nicht, ein einheitliches Geschehen, bei dem zur Verwirklichung eines Tatbestandes mehrere Mittel eingesetzt werden, in Einzelakte zu zergliedern, so als lägen rechtlich mehrere Taten vor. Im Interesse des geschützten Rechtsgutes ist es eine "honorierfähige Umkehrleistung" (Puppe a.a.O.), wenn der Täter nach - für ihn unverdient - glücklicher Erfolglosigkeit des ersten Tatmittels von der Vollendung der Tat mit einem weiteren geeigneten Tatmittel Abstand nimmt.

6

Allerdings kann der Senat den Schuldspruch nicht von sich aus ändern und den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilen. Es ist trotz der Möglichkeit des Aufhörens nach Affektentladung (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 541) nicht von vorneherein von der Hand zu weisen, daß in der neuen Verhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die den Rücktritt nicht als freiwillig erscheinen lassen, zum Beispiel weil der Angeklagte sich von der Zeugin G. entdeckt glaubte.

Schmidt
Ruß
Zschockelt
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