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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.12.1985, Az.: I ZR 88/83

Anforderungen an die Darlegungslast der Parteien eines CMR-Frachtvertrages; Bestreiten des Frachtanspruches bei Nichtauslieferung des Frachtgutes an den Empfänger; Verpflichtung zur Darlegung der die Nichtlieferungen betreffenden Frachtentgelte und damit zur Aufgliederung der für die Belieferung mehrerer Kunden im Rahmen eines einheitlichen Transportablaufs pauschal in Rechnung gestellten Frachten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.12.1985
Aktenzeichen
I ZR 88/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 14642
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt am Main - 17.03.1983
LG Gießen

Fundstellen

  • MDR 1986, 465 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1986, 515-516 (Volltext mit amtl. LS) "Molkereiprodukte"
  • VersR 1986, 381-384 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Molkereiprodukte

Prozessführer

D. S.A., Aktiengesellschaft französischen Rechts, Zweigniederlassung T.,
vertreten durch ihren Generaldirektor Georges B. rue des Alo., T. (Frankreich),

Prozessgegner

A. W. Handelsgesellschaft mbH,
vertreten durch ihren Geschäftsführer, Kaufmann Hartmann W., H. straße ..., Al.,

Amtlicher Leitsatz

Zur den Anforderungen an die Darlegungslast der Parteien eines CMR-Frachtvertrages, wenn der Auftraggeber wegen der Nichtauslieferung von Transportgut an die Empfänger die Frachtansprüche als solche bestreitet.

In dem Rechtsstreit
hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 1985
durch
die Richter Dr. Merkel, Dr. Piper, Dr. Erdmann, Dr. Teplitzky und Dr. Mees
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 1983 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beklagte, eine Handelsgesellschaft mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, importiert Molkereiprodukte aus Frankreich. Mit der Durchführung der dafür notwendigen Transporte beauftragte sie die in Frankreich ansässige Firma S., später - ab 1. August 1977 - die Klägerin, eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die die Geschäfte der Firma S. Ende Juli 1977 übernommen hatte.

2

Die Importe in die Bundesrepublik wurden in der Weise ausgeführt, daß die Klägerin durch von ihr beauftragte Transportunternehmer von jeder der etwa 10 Molkereien, mit denen die Beklagte in Frankreich in Geschäftsverbindung stand, zweimal wöchentlich Ware abholen und zu ihrem Zentrallager nach Paris verbringen ließ, wo das Gut verzollt und zu Einzelsendungen zusammengestellt wurde. Die anschließenden Transporte zu den etwa 20 bis 30 Kunden der Beklagten in der Bundesrepublik besorgten - wiederum von der Klägerin beauftragte - Transportunternehmer im Wege des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs.

3

Die Vertragsbeziehungen der Parteien endeten am 15. Juni 1978. An diesem Tage stellte die Klägerin, wie sie es der Beklagten mit Schreiben vom 1. Juni 1978 angekündigt hatte, ihre Transporte in die Bundesrepublik wegen Unrentabilität ein.

4

Die Klägerin hat die Beklagte auf Erstattung von Zollausgleichsabgaben in Höhe von ... FF, die sie während der Zusammenarbeit der Parteien für die Beklagte verauslagt hatte, und auf Bezahlung noch offener Frachtrechnungen in Höhe von ... FF in Anspruch genommen.

5

Diesen Forderungen der Klägerin ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, in einer Anzahl von Fällen sei Ware, die die Klägerin von Lieferanten in Frankreich zum Transport an Kunden der Beklagten übernommen habe, nicht ausgeliefert worden. In anderen Fällen hätten sich Fehlmengen, Verluste, Verderb, Fristüberschreitungen und Falschlieferungen ergeben. In allen diesen Fällen habe sie einerseits die Lieferantenrechnungen bezahlen, andererseits entsprechend den Reklamationen ihrer Kunden die diesen erteilten Rechnungen stornieren oder ermäßigen müssen. Die Reklamationen, die bei der Ablieferung von Ware hinsichtlich Fehlmengen, Verluste, Verderbs und Fristüberschreitungen von den Empfängern gegenüber den Fahrern der Transporte ausgesprochen und von diesen in den an die Klägerin zurückgelangten Frachtpapieren schriftlich bestätigt worden seien, habe sie auch von ihrer Seite aus der Klägerin nochmals zur Kenntnis gebracht, sobald die entsprechenden Mitteilungen ihrer Kunden an sie gelangt seien. Ihre Schadensersatzansprüche aus Nichtlieferungen, Fehlmengen usw. stelle sie mit ... FF zur Aufrechnung, soweit nicht die Frachtansprüche der Klägerin im Hinblick auf Nichtlieferungen, Fehlmengen, Verluste, Verderb oder Fristüberschreitungen ohnehin ganz oder teilweise entfielen.

6

Eine weitere Forderung, mit der sie ebenfalls aufrechne, stünde ihr in Höhe von ... FF aus einer Vereinbarung über eine Rückvergütung von Frachten zu. Die Firma S. habe ihr zugesagt, 0,05 FF für jedes Kilogramm transportierter Ware in bestimmten Zeitabständen zurückzuerstatten. In diese Verpflichtung sei die Klägerin im Zusammenhang mit der Fortführung der Geschäfte der Firma S. eingetreten.

7

Darüber hinaus habe die Klägerin die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien abredewidrig und zur Unzeit beendet. Dadurch seien der Beklagten Frachtmehrkosten in Höhe von ... FF entstanden, zu deren Ersatz die Klägerin verpflichtet sei. Auch mit diesem Anspruch rechne sie auf.

8

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung von Zollausgleichsabgaben in vollem Umfang (... FF), hinsichtlich der Frachtansprüche teilweise (... FF) entsprochen. Im übrigen - hinsichtlich restlicher Frachtansprüche in Höhe von ... FF - hat es die Klage abgewiesen.

9

Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil auf die von beiden Parteien im Umfang der jeweiligen Beschwer eingelegten Berufungen geändert. Frachtansprüche der Klägerin hat, es in Höhe von weiteren ... FF und Ansprüche der Beklagten auf Ersatz von Frachtmehrkosten, die diese weiterhin zur Aufrechnung gestellt hat, in Höhe von ..., FF für gerechtfertigt erachtet. Demgemäß hat es unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen die Beklagte verurteilt, über den der Klägerin vom Landgericht bereits zugesprochenen Betrag von ... FF hinaus weitere ... FF an die Klägerin zu zahlen.

10

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, die ihren bisherigen Antrag, die Klage vollen Umfangs abzuweisen, weiterverfolgt.

11

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Von den noch streitigen Frachten in Höhe von ... FF seien zugunsten der Beklagten - entsprechend einer Vereinbarung der Parteien in II. Instanz - ... FF abzusetzen. Weitere Abzüge kämen nicht in Betracht. Schadensersatzansprüche, mit denen die Beklagte wegen Nichtlieferungen, Fehlmengen usw. aufgerechnet habe, seien nicht gerechtfertigt. Insoweit habe die Beklagte der sie treffenden Darlegungslast nicht genügt. Soweit sie Nichtlieferungen behaupte und damit geltend mache, daß Frachtansprüche insoweit nicht entstanden seien, sei zwar an sich die Klägerin als Anspruchstellerin darlegungs- und beweispflichtig. Indessen hätten sich die Parteien mit Schreiben vom 22. und 28. Dezember 1977 darauf verständigt, daß die Beklagte die Frachtrechnungen der Klägerin binnen 15 Tagen habe bezahlen sollen, während Reklamationen vierteljährlich hätten mitgeteilt und die diesbezüglichen Schadensbeträge von anderen Frachtrechnungen der Klägerin hätten abgesetzt werden sollen. Das bedeute, daß sich die Beklagte verpflichtet habe, Frachtkosten ohne Rücksicht auf Reklamationen vorweg zu bezahlen und Beanstandungen ihrerseits im einzelnen darzutun. Gleichwohl habe sie im Rechtsstreit trotz entsprechender Auflagen des Gerichts nicht aufgezeigt, daß sie in den von ihr geltend gemachten Fällen von Nichtlieferungen den Nachweis vollständiger Ausführung verlangt und daß ihre Kunden innerhalb der vereinbarten Vierteljahresfrist ab Ablieferung (Art. 30 CMR) ihr gegenüber rechtzeitig gerügt (§§ 377 Abs. 2, 378 HGB) und Zahlung verweigert hätten. Darauf komme es an, da nach Art. 30 Abs. 1 CMR vermutet werde, daß der Empfänger das Gut in dem im Frachtbrief beschriebenen Zustand erhalten habe, wenn er es vorbehaltlos entgegengenommen habe.

13

Soweit die Beklagte des weiteren mit einem Anspruch auf Frachtkostenrückerstattung in Höhe von ... FF aufrechne, könne sie damit ebenfalls keinen Erfolg haben. Eine Vereinbarung, aus der sich ein solcher Anspruch ergebe, habe sie nicht bewiesen. Den Aussagen der dazu vernommenen Zeugen sei zwar zu entnehmen, daß die Parteien über eine Frachtkostenrückvergütung, wie sie zwischen S. und der Beklagten vereinbart gewesen sei, verhandelt hätten. Das beweise aber noch nicht, daß eine solche Vereinbarung zwischen den Parteien auch tatsächlich zustandegekommen sei.

14

Der Ersatzanspruch der Beklagten für Mehraufwendungen (... FF) sei nur in Höhe von ...,00 FF gerechtfertigt. Dem Grunde nach stehe dieser Anspruch der Beklagten zu, weil die Klägerin der Beklagten für die Verpflichtung eines neuen Vertragspartners nicht genügend Zeit gelassen habe. Jedoch beschränke sich der Anspruch - bei Zugrundelegung wöchentlicher Mehraufwendungen von ..., FF - aus einen Betrag in gleicher Höhe, da eine vierwöchige Kündigungsfrist ab 1. Juni 1978 ausgereicht hätte und die Beklagte an der Einstellung der Tätigkeit der Klägerin ab 15. Juni 1978 ein Mitverschulden treffe, das ihren Anspruch um die Hälfte mindere. Zwar habe die Klägerin, wie ihr Vortrag ergebe, den Entschluß zur Einstellung ihrer Transporte in die Bundesrepublik aus Rentabilitätsgründen gefaßt. Jedoch sei für diesen Entschluß der Zahlungsverzug der Beklagten mitursächlich gewesen.

15

II.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

16

1.

Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung des Vorbringens der Beklagten rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Beklagte, soweit sie sich auf Nichtlieferungen beruft, nicht nur mit Schadensersatzansprüchen wegen Verlusts des Gutes aufrechnet, sondern die Frachtansprüche bereits als solche bestreitet. Nicht gefolgt werden kann jedoch der weiteren Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte ihrer Darlegungslast hinsichtlich der behaupteten Nichtlieferungen nicht genügt habe und daß deshalb von der Entstehung sämtlicher geltend gemachter Frachtansprüche der Klägerin auszugehen sei. Die Beklagte hat vorgetragen, daß die Klägerin in 22 Fällen, in denen sie Fracht berechnet habe, Lieferungen nicht ausgeführt, insoweit also auch keine Transportleistungen erbracht habe (Schriftsatz vom 30. Juli 1981, S. 7-13 = GA II 83-89). Sie hat diese Fälle in der von ihr dazu überreichten Anlage 3 nach den Namen der Empfänger, an die die Klägerin die Lieferungen bewirken sollte, sowie nach Zeitpunkt, Art, Umfang und/oder Gewicht der Sendung im einzelnen aufgeführt und die Fernschreiben überreicht, mit denen sie - wie sie behauptet: erfolglos - von der Klägerin den Nachweis ordnungsgemäßer Ausführung der Transporte verlangt habe. Damit hat die Beklagte ihr Vorbringen über die Nichtausführung von Lieferungen durch die Klägerin hinreichend substantiiert. Die Zuordnung dieser Transporte zu den Rechnungen der Klägerin und die anhand dieser Rechnungen vorzunehmende Ermittlung der auf Nichtlieferungen entfallenden Frachtanteile, die notwendig ist, weil im Rahmen eines einheitlichen Transportablaufs jeweils mehrere Empfänger beliefert wurden, war nicht Sache der Beklagten, sondern der Klägerin als Anspruchstellerin. Diese wußte, welche Transporte sie ausgeführt hatte, welche Kosten dafür entstanden und wie diese zu berechnen waren. Es war daher Aufgabe der Klägerin, zu dem Vorbringen der Beklagten Stellung zu nehmen und die Fracht für die ausgeführten Transporte - jedenfalls in dem Umfang, in dem die Beklagte Transportleistungen bestritten hatte - im einzelnen zu berechnen.

17

Aus dem Schriftwechsel der Parteien vom 22./28. Dezember 1977 folgt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts anderes. Mit ihm hatten die Parteien u.a. die Frage erörtert, wie Zollausgleichsabgaben erstattet, Frachtrechnungen bezahlt, Reklamationen geltend gemacht und Fehlmengen abgerechnet werden sollten. Dazu hatte die Beklagte ausgeführt, daß Reklamationen und Fehlmengen vierteljährlich mitgeteilt und daraus folgende Ersatzansprüche mit solchen Frachtforderungen der Klägerin, die gerade zur Bezahlung anstünden, verrechnet werden sollten. Mit diesen Erklärungen steht die Geltendmachung der Nichtlieferungen, auf die sich die Beklagte im Rechtsstreit beruft, nicht in Widerspruch. Daß die Beklagte über die Substantiierung ihres Vorbringens zu Nichtlieferungen hinaus auch zur Darlegung der die Nichtlieferungen betreffenden Frachtentgelte und damit zur Aufgliederung der von der Klägerin für die Belieferung mehrerer Kunden im Rahmen eines einheitlichen Transportablaufs pauschal in Rechnung gestellten Frachten verpflichtet sei, ergibt sich daraus nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Parteien während der Zeit ihrer Zusammenarbeit den Schriftwechsel vom 22./28. Dezember 1977 anders verstanden und die Geltendmachung von Reklamationen und die Verrechnung damit zusammenhängender Ansprüche der Beklagten anders gehandhabt hätten. Vom Standpunkt der Beklagten aus bestand dazu auch kein Anlaß. Unstreitig sollten deren Beanstandungen in der Weise abgewickelt werden, daß die auf Grund dieser Beanstandungen zu berücksichtigenden Beträge von Rechnungen der Klägerin abgesetzt wurden. Da diese Beträge, wie das Vorbringen der Parteien ergibt, den - stornierten - Rechnungsbeträgen entsprachen, die die Beklagte ihren Kunden - unter Berücksichtigung der von ihr an die Klägerin zu zahlenden Frachten - berechnet hatte, belastete es sie nicht, daß bei der Ausgleichung von Nichtlieferungen Frachtanteile nicht gesondert abgesetzt wurden. Die Klägerin mag zwar diese Art der Schadensabwicklung nicht mehr gegen sich gelten lassen, weil sie ihr möglicherweise zu ungünstig ist. Jedoch ist es dann ihre Sache, die streitigen Frachtanteile zu berechnen, deren Bezahlung sie beansprucht.

18

Art. 30 CMR, auf den sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gestützt hat, steht dem nicht entgegen. Zwar hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß das Vertragsverhältnis der Parteien, das auf die Ausführung von Transportleistungen im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr gerichtet war, den Bestimmungen der CMR unterfällt. Art. 30 CMR findet aber hier schon deshalb keine Anwendung, weil er eine Ablieferung von Transportgut voraussetzt und damit keine Bedeutung in den vorliegend in Rede stehenden Fällen hat, in denen es nach dem Vortrag der Beklagten darum geht, daß Transportleistungen überhaupt nicht erbracht worden sind.

19

2.

Des weiteren hat das Berufungsgericht die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche wegen Nichtlieferungen, Verlusten, Verderbs, Beschädigungen und Falschlieferungen ebenfalls nicht für substantiiert und demgemäß die von der Beklagten insoweit geltend gemachten Ersatzansprüche für ungerechtfertigt erachtet. Auch dem kann nicht beigetreten werden.

20

a)

Nach Art. 17 Abs. 1 CMR bedarf es für die Substantiierung der vom Anspruchsteller behaupteten Schadensersatzansprüche der Darlegung, daß das Gut während der Zeit der Obhut des Frachtführers verlorengegangen ist oder Schaden genommen hat oder daß die Lieferfrist überschritten worden ist. Genügt das Vorbringen des Anspruchsstellers diesen Anforderungen, ist es Sache des Frachtführers, den Entlastungsbeweis zu führen, d.h. zunächst darzutun, daß der Schaden auch bei der äußersten nach den Umständen möglichen Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können (Art. 17 Abs. 2 CMR) oder daß die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 CMR vorliegen (Art. 18 CMR).

21

Der ihr danach obliegenden Darlegungslast hat die Beklagte genügt. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 1981 und den dazu überreichten Anlagen hat sie nicht nur, wie erwähnt, die von ihr behaupteten Nichtlieferungen im einzelnen vorgetragen (Anlage 3), sondern auch die von ihr weiterhin geltend gemachten Fehlmengen, Verluste, Beschädigungen, Lieferfristüberschreitungen und Falschlieferungen, in denen sie die tatsächliche Grundlage der von ihr zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche erblickt (Schriftsatz vom 30. Juli 1981, S. 13-24 = GA II 83-100; Anlagen 3-6). Daß dieser Vortrag der Beklagten und die ihm in den Anlagen 3-6 beigefügten Aufstellungen und Anlagen (Rechnungskopien, Frachtbriefe usw.) die insoweit in Betracht zu ziehenden Transporte der Klägerin und die von der Beklagten behaupteten Fehlmengen und sonstigen Schadenstatbestände nicht erkennen ließen oder daß es mangels Übersichtlichkeit des Vortrags und seiner Anlagen oder aus sonstigen Gründen für die Klägerin und das Gericht nicht zumutbar sei, auf das Vorbringen der Beklagten einzugehen, hat das Berufungsgericht nicht dargelegt, ist auch dem Vorbringen der Beklagten - ungeachtet der Vielzahl der vorgetragenen Schadensfälle - nicht zu entnehmen.

22

b)

Art. 30 CMR, den das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang in seine Erörterungen einbezogen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit die Beklagte Schadensersatz wegen Nichtlieferungen verlangt, greift diese Vorschrift, die, wie ausgeführt, eine Ablieferung voraussetzt, nicht ein.

23

Aber auch soweit es um Schadensersatz wegen Fehlmengen, Beschädigung, Verderbs und Lieferfristüberschreitung geht, richten sich die Anforderungen, die an eine ausreichende Substantiierung des Anspruchsgrundes zu richten sind, allein nach Art. 17 Abs. 1 CMR, Art. 30 CMR regelt nicht die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs (die in Art. 17 Abs. 1 CMR normiert sind), sondern Beweislastfragen und - bei Vorliegen bestimmter Umstände - das Erlöschen eines (entstandenen) Ersatzanspruchs. Die Tatsachen dafür vorzutragen, ist Sache des Anspruchsgegners, hier der Klägerin. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte behauptet hat, ihre Kunden, die Empfänger des Gutes, hätten Fehlmengen usw. in jedem Einzelfall gegenüber dem die Ware abliefernden Fahrer beanstandet, der die gerügten Mängel auf den an die Klägerin zurückgelangten Frachtunterlagen schriftlich bestätigt habe. Daß dieser Vortrag der Beklagten unsubstantiiert sei, kann nicht gesagt werden. Er entspricht im übrigen der Abwicklung der Reklamationen, wie sie von den Parteien vorgesehen war. Denn danach sollte die Klägerin auf Anforderung der Beklagten dieser die ordnungsgemäße Ausführung der Lieferung nachweisen. Ein solcher Nachweis wäre aber nicht in Betracht gekommen, wenn die Parteien insoweit nicht auf Rügen der Empfänger und auf Vermerke der Fahrer in den Frachtpapieren abgestellt hätten.

24

c)

Zur Substantiierung eines Anspruchs gehört auch die Darlegung seiner Höhe. Dem hat allerdings die Beklagte mit der Bezifferung ihrer Ansprüche allein noch nicht genügt. Denn sie hat lediglich Schadensersatz in Höhe der Rechnungsbeträge verlangt, die sie ihren Kunden berechnet hat. Nach Art. 23 Abs. 1 CMR kann sie aber die Entschädigung nur nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung berechnen. Wie hoch sich danach die von ihr beanspruchte Entschädigung stellt, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht ohne weiteres zu entnehmen.

25

Indessen vermag das eine Zurückweisung des Ersatzbegehrens der Beklagten als unbegründet nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist der Beklagten gemäß § 139 ZPO zunächst aufzugeben, ihre Ansprüche auf der Grundlage der Rechnungen ihrer französischen Lieferanten der Höhe nach zu konkretisieren.

26

d)

Schließlich können die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Ersatzansprüche wegen Nichtlieferungen, Verlusten, Verderbs, Fristüberschreitungen und Falschlieferungen auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin insoweit erhobene Verjährungseinrede außer Betracht gelassen werden. Inwieweit die Voraussetzungen einer Anspruchsverjährung nach Art. 32 CMR vorliegend erfüllt sind, hat das Berufungsgericht nicht erörtert. Da die Beklagte Reklamationen der Empfänger gegenüber den die Transporte ausführenden Fahrern behauptet hat, woraus sich in diesen Fällen eine Hemmung der Verjährung schon vom Zeitpunkt der Ablieferung an ergeben kann, und da die Verjährung durch Geltendmachung der Ansprüche im Prozeß unterbrochen worden ist, kann ohne weitere tatrichterliche Feststellungen nicht von einer Verjährung der in Rede stehenden Ansprüche der Beklagten ausgegangen werden.

27

3.

Soweit das Berufungsgericht des weiteren der Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Frachtkostenrückvergütung in Höhe von 0,05 FF/kg den Erfolg versagt hat, tragen die Feststellungen und Erwägungen des Berufungsgerichts sein Urteil auch insoweit nicht. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Parteien dazu nicht vollständig ausgeschöpft (§ 286 ZPO).

28

Den Anspruch der Beklagten auf Frachtkostenrückerstattung hat das Berufungsgericht verneint, weil die vor ihm durchgeführte Beweisaufnahme eine Vereinbarung der Parteien insoweit nicht ergeben habe. Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Beklagte hat behauptet, zwischen der Firma S. und ihr habe eine entsprechende Vereinbarung über Frachtkostenrückvergütung bestanden. Die Richtigkeit dieser - von der Klägerin bestrittenen - Behauptung hat das Berufungsgericht offengelassen. Von ihr ist daher in der Revisionsinstanz auszugehen. Hat aber eine solche Vereinbarung zwischen S. und der Beklagten bestanden, dann ist in Betracht zu ziehen, daß daran auch die Klägerin gebunden ist, weil diese der Beklagten gemäß ihren Vereinbarungen mit Sotradi über die Fortführung der bislang von dieser durchgeführten Transportaufträge Ende Juli 1977 ohne Einschränkung mitgeteilt hatte, daß sie "unter den gleichen Bedingungen wie bisher durch S." den Verkehr zwischen Frankreich und der Bundesrepublik durchführen werde. Dieses von der Klägerin selber überreichte Schreiben (Schriftsatz vom 22. Januar 1979, S. 3 mit Anlage KL 101 = GA I 56, 59) und den darauf beruhenden Vortrag der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht erörtert. Daß zu den in diesem Schreiben der Klägerin erwähnten "gleichen Bedingungen" auch die Vereinbarung Sotradis mit der Beklagten über die Rückerstattung von Frachten gehören kann, ist auch im Hinblick auf die Aussage des Zeugen G. in Betracht zu ziehen, der bekundet hat, er habe um den 15. Juli 1977 - also vor dem vorgenannten Schreiben der Klägerin an die Beklagte von Ende Juli 1977 - die Klägerin über die Absicht der Beklagten unterrichtet, ein Vertragsverhältnis mit ihr nur dann einzugehen, wenn sie der Beklagten die gleichen Bedingungen einschließlich Frachtenrückvergütung gewähre, wie es bislang die Firma S. getan habe. Das läßt es möglich erscheinen, daß sich die Klägerin mit dem Schreiben von Ende Juli 1977 mit dem vom Zeugen G. um den 15. Juli 1977 an sie herangetragenen Wunsch der Beklagten auf Beibehaltung der Frachtkostenrückvergütungsabrede mit S. einverstanden erklärt hat. Von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen Gass ist das Berufungsgericht ausgegangen.

29

4.

Hinsichtlich des Anspruchs der Beklagten auf Ersatz von Mehraufwendungen (164.813,60 FF) hat das Berufungsgericht die Klägerin aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung für ersatzpflichtig gehalten, den Ersatzzeitraum auf zwei Wochen ab 16. Juni 1978 bemessen und Mehraufwendungen in Höhe von 15.000,00 FF pro Woche zugrundegelegt. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts hat die Revision nicht angegriffen. Von ihnen ist daher auszugehen (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO).

30

Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht den Ersatzanspruch der Beklagten gekürzt hat, weil die Beklagte an der Einstellung der Transporte durch die Klägerin ein mitwirkendes Verschulden treffe. Mit diesem Angriff hat die Revision Erfolg.

31

Das Berufungsgericht hat bei der Bejahung des mitwirkenden Verschuldens der Beklagten entscheidend darauf abgestellt, daß diese ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin in Höhe der in I. und II. Instanz zugunsten der Klägerin ausgeurteilten Beträge nicht erfüllt habe, obwohl diese mit mehreren Fernschreiben, zuletzt vom 3. und 5. Mai 1978, Zahlung verlangt habe. Inwieweit solche Zahlungsverpflichtungen der Beklagten tatsächlich bestanden haben, ist jedoch - wie sich aus den Ausführungen zu 1. bis 3. ergibt - auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich. Die Möglichkeit, daß für den Entschluß der Klägerin, die Geschäftsverbindung zur Beklagten zu lösen, nicht deren Schulden, sondern andere Gründe maßgebend waren, kann danach nicht ausgeschlossen werden. Für diese Möglichkeit spricht auch, daß die Klägerin nicht nur ihre Verbindung zur Beklagten gelöst, sondern sich entschlossen hatte, ihre Transporte in die Bundesrepublik überhaupt einzustellen, und ferner, daß sie sowohl im Schreiben vom 1. Juni 1978, mit dem sie der Beklagten die Einstellung der Transporte per 15. Juni 1978 angekündigt hatte (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 20. Januar 1983, S. 15 = GA III 270, 274), als auch in ihrem Fernschreiben vom 2. Juni 1978, mit dem sie Gegenvorstellungen der Beklagten beantwortet hatte (Anlage zum gleichen Schriftsatz, S. 16, 17 = GA III 271, 272, 279), zur Begründung ihrer Haltung auf Rentabilitätserwägungen allgemeiner Art verwiesen hatte, jedoch nicht auf Außenstände und Zahlungsverzug der Beklagten.

32

III.

Demgemäß war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da es weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf.

33

Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht dem Vorbringen der Beklagten über Nichtlieferungen, Fehlmengen, Verluste, Verderb, Beschädigungen und Falschlieferungen ungeachtet der Vielzahl der von der Beklagten insoweit geltend gemachten Fälle nachgehen müssen.

34

Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß sich die Frachtansprüche der Klägerin nicht nur in Fällen von Nichtlieferungen mindern, sondern auch bei Fehlmengen, Verlusten, Verderb und Beschädigungen (Art. 23 Abs. 4, 25 Abs. 1 CMR). Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht auch berücksichtigen müssen, daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, auf die es bei seiner Entscheidung verschiedentlich abgestellt hat, keine Geltung beanspruchen können, wenn sie zu zwingenden Vorschriften der CMR in Widerspruch stehen (Art. 41 CMR). Das gilt auch, soweit sich die Klägerin entgegen Art. 23 Abs. 3 CMR darauf beruft, daß ihre Haftung auf einen Betrag von 1,00 FF/kg beschränkt sei (vgl. Urteilsausführungen S. 16 oben).

Merkel
Piper
Erdmann
Teplitzky
Mees