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Bundesgerichtshof
Urt. v. 11.06.1985, Az.: 1 StR 200/85

Annahme eines Eventualvorsatzes bei einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung; Unmittelbares Ziel des Täters, dem Opfer einen "Denkzettel" zu verpassen; Mangelndes Bewusstsein des Täters, dass sein gefährliches Handeln zum Tod des Opfers führen kann, trotz Kenntnis aller Tatumstände

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
11.06.1985
Aktenzeichen
1 StR 200/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 16311
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Augsburg -05.10.1984

Verfahrensgegenstand

Gefährliche Körperverletzung u.a.

Prozessgegner

Karl R. aus N., dort geboren am ... 1958

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 11. Juni 1985
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schauenburg,
die Richter am Bundesgerichtshof Kühn, Dr. Ulsamer, Dr. Foth, Dr. Granderath als beisitzende Richter,
Staatsanwalt ... in der Verhandlung,
Bundesanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... als Verteidiger,
Rechtsanwalt ... als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 5. Oktober 1984 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch das Rechtsmittel erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

1

Das Landgericht hat - unter Freisprechung im übrigen - den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Verneinung des bedingten Tötungsvorsatzes. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts versetzte der Angeklagte im Laufe eines von ihm provozierten Streits in einem Nachtlokal dem Nebenkläger mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca. 12 cm einen Stich in den Unterbauch, wobei er die Bauchdecke sowie an zwei Stellen den Dünndarm durchstach. Bei einer solchen äußerst gefährlichen Gewalthandlung liegt es allerdings nahe, daß der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und, weil er gleichwohl an der Verfolgung seines unmittelbaren Ziels (hier: dem Opfer einen "Denkzettel" zu verabreichen) festhält, einen tödlichen Ausgang billigend in Kauf nimmt.

3

Doch versteht sich das nicht von selbst; das zeigt schon die gesetzliche Unterscheidung zwischen (bedingt) vorsätzlicher Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung mittels einer "das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 223 a StGB). Es ist durchaus möglich, daß der Täter alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, ohne doch - infolge welcher Gegebenheiten der konkreten Situation auch immer - sich dessen bewußt zu werden, daß sein Tun zum Tode des Opfers führen kann. Der Tatrichter kann aber wegen bedingt vorsätzlicher Tötung nur verurteilen, wenn er die Überzeugung gewinnt, der Angeklagte habe mit dem tödlichen Erfolg seines Tuns gerechnet und - diesen Erfolg in Kauf nehmend - trotzdem gehandelt.

4

Diese Überzeugung hat sich das Landgericht im vorliegenden Fall nicht verschaffen können; daß es sie hätte "gewinnen müssen", wie die Revision meint, verkennt die Rechtslage. Zuzugeben ist zwar, daß das Landgericht bei seiner "Gesamtwürdigung des Tatbildes und der Täterpersönlichkeit" (die es im Rahmen der Prüfung, ob bedingter Tötungsvorsatz vorlag, vornahm) auch Dinge erörtert hat, die den Vorstellungen des Angeklagten schlechthin entzogen waren und deshalb für seine Willensbildung nicht ausschlaggebend gewesen sein können, insbesondere über den operativen und nachoperativen Verlauf der Wundbehandlung. Einzuräumen ist auch, daß das Landgericht Formulierungen benutzt hat, die zu Mißverständnissen Anlaß geben könnten ("ihn jedoch nicht zu töten gedachte"; "ob er den Zeugen verletzen oder dessen Tod billigend in Kauf nehmen wollte"). Insgesamt geben die Urteilsgründe - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - jedoch keinen durchgreifenden Grund für die Besorgnis, das Schwurgericht habe den Unterschied zwischen Absicht und bedingtem Vorsatz nicht gesehen, oder es habe die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt; wenn das Schwurgericht meint, die Schwere der Verletzung habe "noch nicht zwingend" auf bedingten Tötungsvorsatz schließen lassen, so will es damit nur seine eigenen nicht überwundenen Zweifel ausdrücken.

5

2.

Auch im übrigen deckt die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachbeschwerde keinen Rechtsfehler auf.

Schauenburg
Kühn Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ulsame ist erkrankt und kann deshalb nicht unterschreiben. Schauenburg
Foth
Granderath