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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.03.1985, Az.: I ZR 177/82

Handelsvertreterverhältnis; Kündigung aus wichtigem Grund; Handelsvertreter; Ausgleichsansprucht; Versagung; Berücksichtigung; Ablaufzeitpunkt; Zumutbarkeit; Duldung; Zweitvertretung; Übernahme einer Zweitvertretung durch Handelsvertreter; Umsatzrückgänge nach Übernahme der Zweitvertretung; Herausgabe der Musterkollektion nach Kündigung des Handelsvertretervertrages aus wichtigem Grund

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.03.1985
Aktenzeichen
I ZR 177/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 13366
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 22.10.1982
LG Traunstein - 25.06.1982

Fundstelle

  • VersR 1985, 691-692 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Bei Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses aus wichtigem Grund kann der Unternehmer dem Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch nach § 89a oder § 89b HGB nur versagen, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu einem durch ordentliche Kündigung herbeigeführten oder in sonstiger Weise vorbestimmten Ablaufzeitpunkt nicht zumutbar gewesen wäre (hier: länger dauernde Duldung einer vom Agenten übernommenen Zweitvertretung).

In dem Rechtsstreit hat
der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 1985
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Merkel, Dr. Erdmann, Er. Scholz-Hoppe und Er. Mees
fürRecht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Oktober 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 25. Juni 1982 zurückgewiesen hat.

Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Beklagte war als Handelsvertreter mit dem Recht des Alleinvertriebs im Raum Bayern für den Kläger ab Juli 1970 für den Vertrieb von Modeschmuck und Silberwaren tätig. Er teilte dem Kläger im Jahr 1974 mit, daß er die Vertretung für ein ebenfalls im Schmuckgeschäft tätiges Unternehmen zusätzlichübernommen habe. Der Kläger, der sich zunächst zu derÜbernahme der Zweitvertretung nicht geäußert hatte, beanstandete erstmals mit Schreiben vom 19. Februar 1976 derenÜbernahme, da er Umsatzrückgänge im Geschäft des Beklagten feststellte. Der Beklagte widersprach dem und lehnte trotz wiederholter schriftlicher Beanstandungen ab, die Zweitvertretung aufzugeben. Auch ein Schreiben vom 16. November 1978, mit dem der Kläger dem Beklagten eine weitere Tätigkeit für das konkurrierende Unternehmen verbot, blieb ohne Erfolg. Der Kläger kündigte alsdann mit Schreiben vom 4. Mai 1979 den Handelsvertretervertrag fristlos aus wichtigem Grund.

2

Der Kläger hat mit der Klage Herausgabe einer Musterkollektion verlangt. Der Beklagte hat im Wege der Widerklage unter anderem einen Ausgleich nach § 89 b HGB in Höhe von 49.213,91 DM verlangt. Er hat ferner einen Anspruch in Höhe von 559,66 DM als entgangene Provision geltend gemacht, weil der Kläger Aufträge, die er in der Zeit zwischen dem Zugang der Kündigungserklärung und dem Vertragsende bei ordentlicher Kündigung, das wäre der 30. September 1979 gewesen, nicht angenommen habe.

3

Zur Begründung des im Revisionsrechtszug allein noch streitigen Ausgleichsanspruchs hat der Beklagte vorgetragen, der Kläger ziehe aus den von ihm geschaffenen Geschäftsverbindungen noch erhebliche Vorteile, während er selbst Provisionsverluste erlitten habe. Der Kläger habe das Vetragsverhältnis nicht aus wichtigem Grund mit der Folge des Verlusts des Ausgleichsanspruchs kündigen dürfen, da er derÜbernahme der Zweitvertretung während einer langen Zeit nicht widersprochen habe und der Umsatzrückgang in der allgemeinen Geschäftsentwicklung begründet gewesen sei.

4

Der Kläger ist dem Erbringen des Beklagten entgegengetreten und hat sich insbesondere darauf berufen, er sei nach der Fortführung der Zweitvertretung durch den Beklagten trotz mehrfacher Abmahnung und wegen des nur im Geschäftsbetrieb des Beklagten eingetretenen Umsatzrückgangs berechtigt gewesen, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grunde fristlos zu kündigen.

5

Das Landgericht hat nach einem Teilurteil über weitere Streitpunkte zwischen den Parteien die Widerklage hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs und des Schadensersatzanspruchs abgewiesen. Das Berufungsgericht hat in teilweiser Abänderung des Schlußurteils auf die Berufung des Beklagten diesem den Schadensersatzanspruch zugebilligt, im übrigen aber die Berufung zurückgewiesen.

6

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Ausgleichsanspruch weiter.

7

Der Kläger beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

I.

Das Berufungsgericht hat dem Beklagten einen Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses versagt, weil der Kläger berechtigt gewesen sei, dieses durch eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Beklagten nach § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB zu beenden. Der Beklagte habe nämlich die Zweitvertretung trotz mehrfacher Abmahnungen und des gleichfalls beanstandeten Umsatzrückgangs fortgeführt. Aus dem abwartenden Verhalten nachübernähme der Zweitvertretung habe der Beklagte nicht schließen dürfen, der Kläger habe auf sein Recht zum Widerruf der stillschweigend erteilten Genehmigung zum Führen einer Zweitvertretung verzichtet. Durch das Beanstanden des Umsatzrückganges habe vielmehr der Kläger deutlich gemacht, daß er auf einer von der Zweitvertretung nicht beeinflußten Erfüllung des Vertretervertrages bestehe. Da der Beklagte keine Bereitschaft gezeigt habe, die Zweitvertretung aufzugeben, sei die schließlich ausgesprochene fristlose Kündigung angesichts des Umsatzrückgangs beim Beklagten, die nicht marktbedingt gewesen sei, berechtigt gewesen.

9

Zur Begründung des dem Beklagten zugesprochenen Schadensersatzanspruchs hat das Berufungsgericht alsdann ausgeführt, die mit Schreiben vom 4. Mai 1979 ausgesprochene Kündigung sei nicht als fristlose Kündigung wirksam. Anders als nach § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB, der voraussetze, daß ein wichtiger Grund zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vorliege, verlange§ 89 a HGB, daß dem Unternehmer das Abwarten des Vertragsablaufs oder der Frist zur ordentlichen Kündigung nicht mehr zugemutet werden könne. Das aber sei dem Kläger zumutbar gewesen, da er zuvor über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren bei vergleichbarer Rechtslage den Vertrag nicht beendet habe.

10

II.

Die gegen die Versagung des Ausgleichsanspruchs gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg; sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

11

1.

Das Berufungsgericht hat den Begriff des wichtigen Grundes im Sinne des § 89 b Abs. 3 HGB verkannt, indem es angenommen hat, der Kläger habe zwar das Vertragsverhältnis nach § 89 a HGB aus wichtigem Grund nicht kündigen können, er sei aber zu einer den Ausgleichsanspruch ausschließenden Kündigung aus wichtigem Grund nach § 89 b Abs. 3 S. 2 HGB berechtigt gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 21.11.1960 - VII ZR 235/59, VersR 1961, 52, 53; Urt. v. 11.7.1975 - I ZR 142/74) ist der Begriff des wichtigen Grundes in beiden Vorschriften nach der Interessenlage und dem engen räumlichen und sachlichen Zusammenhang der Vorschriften gleich auszulegen. Gesichtspunkte, die ein Abweichen von dieser Rechtsprechung nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich.

12

2.

Im Streitfall hätte demnach das Berufungsgericht dem Beklagten den Ausgleichsanspruch nur versagen dürfen, wenn dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem eine ordentliche Kündigung wirksam geworden wäre oder es in sonstiger Weise geendet hätte, nicht zumutbar gewesen wäre (BGH, Urt. v. 14.4.1983 - I ZR 37/81, BB 1983, 1629 = MDR 1983, 995 m.w.N.). Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs ergeben, daß es dem Kläger zumutbar war, die Zusammenarbeit mit dem Beklagten so lange fortzusetzen, bis der Vertrag infolge einer ordentlichen Kündigung geendet hätte; das wären nach der vorangegangenen Vertragsdauer von fast 10 Jahren nur weniger als fünf Monate gewesen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wußte der Kläger seit Januar 1974, daß der Beklagte eine Zweitvertretung übernommen hatte, mit der er Konkurrenzprodukte vertrieb, und er wußte seit November 1976 von einem Umsatzrückgang in seinen Geschäftsbeziehungen mit dem Beklagten. Gleichwohl nahm der Kläger diese Vorfälle erst ab dem Jahr 1978 zum Anlaß, den Beklagten aufzufordern, die Zweitvertretung aufzugeben und kündigte schließlich im Mai 1979. Durch dieses Zuwarten hat der Kläger selbst zu erkennen gegeben, daß er das Verhalten des Beklagten nicht als einen so schwerwiegenden Verstoß gegen dessen Vertragspflichten wertete, daß ihm nicht noch eine Zusammenarbeit für weitere fünf Monate zumutbar gewesen wäre. Das Verhalten des Kündigenden nach Eintritt des Kündigungsgrundes gibt nämlich in besonderer Weise Aufschluß darüber, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorlag oder nicht (BGH a.a.O.). Aus diesem Grund hatte das Berufungsgericht auch zutreffend dem Beklagten einen Schadensersatzanspruch nach § 89 a Abs. 2 HGB zugebilligt.

13

III.

Danach war das Berufungsurteil, soweit es dem Beklagten einen Ausgleichsanspruch versagt hat, aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses nunmehr feststellen kann, ob die Voraussetzungen für die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs an den Beklagten nach § 89 b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HGB vorliegen.

v. Gamm
Merkel
Erdmann
Scholz-Hoppe
Mees