Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.03.1985, Az.: VIII ZR 342/83
Eigentumsvorbehalt; AGB; Kundenforderungen; Lieferant; Kaufmann; Geschäftsverkehr; Auslegung; Freigabeklausel; Übersicherung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.03.1985
- Aktenzeichen
- VIII ZR 342/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 13344
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 9 AGBG
- § 24 AGBG
- § 398 BGB
Fundstellen
- BGHZ 94, 105 - 116
- BB 1985, 1085
- GmbH-Report 1985, R 36-R 38 (Kurzinformation)
- GmbHR 1985, R 36-R 38 (Kurzinformation)
- MDR 1985, 757-758 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1985, 1836-1838 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1985, 605
- ZIP 1985, 749-753
Redaktioneller Leitsatz
Redaktioneller Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen der grundsätzlichen Wirksamkeit von formularmäßig eingeschränkten Kundenforderungen des aus verlängertem Eingentumsvorbehalt berechtigten Lieferanten im kaufmännischen Geschäftsverkehr (§§ 9, 24 ABG-Ges).
Zu den Anforderungen eines durch Auslegung ermittelten Inhalts einer vereinbarten Freigabeklausel zur Verhinderung einer unwirksamen Übersicherung.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Papiergroßhandlung, stand mit der Beklagten, einer Druckerei, seit längerer Zeit in Geschäftsverbindung. Der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten wurde am 28. Dezember 1981 mangels Masse abgelehnt. Die Klägerin hat aus zahlreichen Papierlieferungen an die Beklagte von Februar bis Dezember 1981 noch Ansprüche in Höhe von mindestens 359 000 DM. Die Bestellungen durch die Beklagte bei der Klägerin erfolgten telefonisch, sie wurden teilweise schriftlich mit einem Formular unter Bezugnahme auf die Geschäftsbedingungen der Klägerin in der Fassung aus dem Jahr 1974 bestätigt, die jeweils auf der Rückseite abgedruckt waren. Für sämtliche Lieferungen erhielt die Beklagte Rechnungen unter Bezugnahme auf die auf der Rückseite abgedruckten Geschäftsbedingungen der Klägerin aus dem Jahr 1979. Beide Fassungen der Geschäftsbedingungen enthalten unter A 6 Bestimmungen über den Eigentumsvorbehalt und die Vorausabtretung von Kundenforderungen durch die Beklagte an die Klägerin. Die hier interessierenden Teile der Ziff. A 6 (Fassung 1979) lauten wie folgt:
»6. Eigentumsvorbehalt
Wir behalten uns das Eigentum an sämtlichen von uns gelieferten Waren bis zur Bezahlung unserer Gesamtforderungen aus der Geschäftsverbindung vor. Das gilt auch dann, wenn der Kaufpreis für bestimmte, vom Kunden bezeichnete Warenlieferungen bezahlt ist, da das vorbehaltene Eigentum als Sicherung für unsere Saldoforderung dient. Die Be- und Verarbeitung von uns gelieferter noch in unserem Eigentum stehender Ware, erfolgt stets in unserem Auftrag, ohne daß für uns Verbindlichkeiten hieraus erwachsen. Wird die in unserem Eigentum stehende Ware mit anderen Geräten vermischt, vermengt oder verbunden, so tritt der Kunde schon jetzt seine Eigentums- oder Miteigentumsrechte an dem neuen Gegenstand an uns ab und verwahrt den Gegenstand mit kaufmännischer Sorgfalt für uns. Der Kunde darf die in unserem Eigentum stehende Ware nur in regelmäßigem Geschäftsverkehr veräußern, sofern er sich nicht in Zahlungsverzug befindet.
Er tritt schon mit Abschluß des Kaufvertrages zwischen ihm und uns die ihm aus der Veräußerung oder aus einem sonstigen Rechtsgrunde zustehenden Forderungen gegen seinen Abnehmer mit allen Nebenrechten sicherungshalber in voller Höhe, also nicht nur den anteiligen Papierwert, an uns ab (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)
(von der weiteren Darstellung wird abgesehen) Der Kunde bleibt zur Einziehung der Forderung solange berechtigt, als er sich uns gegenüber nicht in Zahlungsverzug befindet. Übersteigt der Wert des uns zur Sicherung dienenden, unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenstandes unsere Gesamtforderung um mehr als 20 %, so sind wir auf Verlangen des Kunden insoweit zur Rückübertragung verpflichtet. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)«
In der Fassung von 1974 lautete Abs. 2 Satz 1:
»Er tritt hiermit schon jetzt die ihm aus der Veräußerung oder aus einem sonstigen Rechtsgrunde zustehenden Forderungen gegen seinen Abnehmer mit allen Nebenrechten sicherungshalber in voller Höhe an den Verkäufer ab.«
Auch die Freigabeklausel (Abs. 3 Satz 3 der Fassung von 1979) weist in der Fassung von 1974 nur unwesentliche sprachliche Abweichungen auf.
Das von der Klägerin gelieferte Papier wurde von der Beklagten bis auf einen kleineren Teil, den die Klägerin zurückgeholt hat, verarbeitet, die daraus hergestellten Druckerzeugnisse hat die Beklagte veräußert. Die Kundenforderungen sind, soweit es für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse ist, durch Zahlung auf Bankkonten der Beklagten getilgt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft über den Verbleib des von der Klägerin seit Februar 1981 gelieferten Papiers und über die Rechte und Ansprüche, die die Beklagte aus der Verarbeitung des Papiers und der Veräußerung der daraus hergestellten Waren erworben hat, geltend gemacht, sowie die Einsicht in die betreffenden Unterlagen bei der Beklagten verlangt. Das Landgericht hat mit Teilurteil die Beklagte zur Auskunft verurteilt über eine Reihe von Papierlieferungen und die daraus hergestellten Druckerzeugnisse (Ziff. I 1 der Urteilsformel):
a) Wo diese sich befinden,
b) soweit diese veräußert wurden - welche Forderungen der Beklagten hieraus erwachsen sind, welche Beträge von der Beklagten oder Dritten, insbesondere (von der weiteren Darstellung wird abgesehen), hierauf eingezogen wurden und wann die Vorausabtretung den Abnehmern gegenüber offengelegt wurde -,
c) inwieweit diese zusammen mit Farbe oder anderen Stoffen verarbeitet wurden, die nicht im Eigentum der Beklagten standen, unter Bezeichnung der Eigentümer und der mit ihnen geschlossenen Vereinbarungen,
d) soweit diese mit anderem Papier untrennbar verbunden oder vermengt worden sind - wem die anderen der Verbindung oder Vermengung zugeführten Sachen gehörten, welcher Menge und Art diese waren und welche Vereinbarungen mit den Zulieferern zugrunde lagen,
e) ob darüberhinaus von Dritten Sicherungsrechte behauptet werden und ob Pfändungen erfolgt sind.
Außerdem hat das Landgericht die Beklagte unter Ziff. I 2 verurteilt, der Klägerin hinsichtlich ihrer Lieferungen bestimmte Unterlagen zugänglich zu machen, die a) die Veräußerung oder das ihr zugrundeliegende Geschäft betreffen und die b) die an der Verarbeitung, Verbindung oder Vermengung Beteiligten und deren Vereinbarungen mit der Beklagten nachweisen. Die Entscheidung über den weiteren Antrag, die Beklagte zur Versicherung der Richtigkeit der Auskunft an Eides statt zu verurteilen, hat das Landgericht dem Schlußurteil vorbehalten.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage einschließlich des beim Landgericht verbliebenen Teils abgewiesen (sein Urteil ist veröffentlicht in WM 1984, 876). Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Der erkennende Senat hatte von Amts wegen zu prüfen, ob die verklagte, in Liquidation befindliche GmbH partei- und damit prozeßfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Hieran konnten Zweifel bestehen, weil - bereits vor Klageerhebung - die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden ist. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin dazu vorgetragen, daß die Beklagte sich zwar in Liquidation befinde, aber im Handelsregister nicht gelöscht sei und noch über verteilungsfähiges Vermögen verfüge. Sie hat sich auf ein Schreiben vom 16. Juni 1982 an das Registergericht berufen, mit dem die Gesellschafter der Beklagten in einem Verfahren zur Einsichtnahme der Bücher und Schriften der Gesellschaft (§ 74 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) haben vortragen lassen, daß die Liquidation der Gesellschaft »noch lange nicht abgeschlossen« sei. Angesichts dieses Vorbringens ist der Senat von der Vermögenslosigkeit der Beklagten nicht überzeugt, zumal beide Parteien ausreichend Gelegenheit hatten, sich zur Parteifähigkeit der Beklagten zu äußern.
II. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die von der Klägerin auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltend gemachten Vorausabtretungen von Kundenforderungen der Beklagten nach § 9 AGBG unwirksam seien; anderweitige Vereinbarungen hierüber seien nicht ersichtlich. Auch Auskunft über den Verbleib des Papiers oder der veräußerten Druckerzeugnisse könne nicht verlangt werden. Einmal habe die Klägerin das nicht verarbeitete Papier unstreitig zurückgeholt. Soweit die Beklagte das Papier verarbeitet habe, seien die Druckerzeugnisse veräußert und damit das Vorbehaltseigentum der Klägerin weggefallen. Ein Auskunftsanspruch folge ferner nicht daraus, daß die Beklagte sich mit der Veräußerung der Druckerzeugnisse möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht habe, soweit sie nach den Geschäftsbedingungen der Klägerin zur Veräußerung nicht mehr berechtigt gewesen sei. Denn ein Schadensersatzanspruch wäre jedenfalls nicht höher als der Kaufpreisanspruch für das gelieferte Papier, der unbestritten feststehe und jederzeit ohne die verlangte Auskunft geltend gemacht werden könnte. Dies sei nach der erklärten Absicht der Klägerin auch nicht der Grund für die verlangte Auskunft, vielmehr solle sie die Durchsetzung von Bereicherungsansprüchen gegen die Hausbank der Beklagten und andere Dritte wegen der Einziehung von Kundenforderungen ermöglichen. Da der Klägerin diese Kundenforderungen aber weder ganz noch teilweise zustünden, habe sie keine Ansprüche wegen der Einziehung der Forderungen durch Dritte. Deshalb entfalle auch der Auskunftsanspruch, der zur Geltendmachung solcher Ansprüche dienen soll.
Im einzelnen führt das Berufungsgericht zur Frage der Unwirksamkeit der Vorausabtretungen aus, wobei es offenläßt, ob und in welcher Fassung (1974 oder 1979) die Geschäftsbedingungen überhaupt vereinbart sind:
Die Vorausabtretung der Kundenforderungen »in voller Höhe« habe zu einer Übersicherung der Klägerin geführt. Die Beklagte habe aus dem von der Klägerin gelieferten Papier vorwiegend Bücher und Broschüren hergestellt. Der Rechnungswert des Papiers habe je nach Produkt 35 bis 50 % des Werklohnanspruchs der Beklagten gegen ihre Kunden betragen, jedenfalls aber im Durchschnitt nicht mehr als die Hälfte. Bei der Abtretung der Kundenforderungen wäre damit die Klägerin unverhältnismäßig übersichert gewesen, nämlich - bezogen auf ihre jeweilige Forderung für die einzelne Papierlieferung - um mehr als das Doppelte. Gleichzeitig wäre der Beklagten der verbleibende erhebliche wirtschaftliche Restwert der Kundenforderung, den sie zur Absicherung von Geldgebern und Lieferanten hätte verwenden können, entzogen und damit ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit übermäßig und unzumutbar beschränkt worden. Hiergegen sei die Beklagte nicht hinreichend durch die weitere Klausel (künftig: Freigabeklausel) in den Geschäftsbedingungen der Klägerin geschützt gewesen, wonach diese auf Verlangen des Käufers zur Rückübertragung verpflichtet sei, wenn der Wert der zu ihrer Sicherung dienenden, unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenstände ihre Gesamtforderung um mehr als 20 % übersteige. Denn diese Klausel - deren Anwendung auf die abgetretenen Kundenforderungen ohnehin zweifelhaft sei - beziehe sich jedenfalls nicht auf das einzelne Geschäft, auf das es im vorliegenden Zusammenhang ankomme, sondern nur auf die Gesamtheit von Sicherungsgut einerseits und gesicherten Forderungen andererseits.
Die Klausel über die Vorausabtretung lasse sich angesichts ihres Wortlauts »in voller Höhe« auch nicht dahin auslegen, daß sie nur einen Teil der Kundenforderung erfassen solle. Überdies bliebe bei einer solchen Auslegung offen, in welchem Umfang die Abtretung erfolgen sollte, so daß die abgetretene Forderung nicht mehr hinreichend bestimmt wäre; aus dem Zusammenhang der anderen Klauseln der Geschäftsbedingungen der Klägerin ließen sich keine geeigneten Anhaltspunkte für die Begrenzung der abgetretenen Forderung herleiten.
III. Die Revision hat Erfolg, soweit die Klägerin Auskunft über die unter Ziff. I 1 der Formel des landgerichtlichen Urteils aufgeführten Papierlieferungen und die daraus hergestellten Druckerzeugnisse verlangt, und zwar soweit das Papier und die Druckerzeugnisse von den Beklagten veräußert worden sind. Die Klägerin kann auch verlangen, ihr hinsichtlich der genannten Papierlieferungen die Schriftstücke zugänglich zu machen, die die (Weiter-) Veräußerung oder das ihr zugrunde liegende Geschäft betreffen (Ziff. I. 1 b und e sowie 2 a der Formel des landgerichtlichen Urteils).
1. a) Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft über die Kundenforderungen und auf Einsichtnahme in die einschlägigen Unterlagen (§§ 402, 810 BGB in Verbindung mit Ziff. A 6 AGB) der Klägerin nur zustehen können, wenn die Regelung über die Vorausabtretung der Kundenforderungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist; Abtretungen durch Individualvereinbarung hat die Klägerin nicht behauptet.
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob und in welcher Fassung die Geschäftsbedingungen der Klägerin in die Kaufverträge einbezogen worden sind. Das kann jedoch der erkennende Senat mit dem Ergebnis abschließend beurteilen, daß für die Lieferungen der Klägerin an die Beklagte ein der Ziff. A 6 AGB (Fassung 1979) entsprechender Eigentumsvorbehalt vereinbart worden ist. Aus dem Prozeßstoff ergibt sich nämlich, daß die Einbeziehung nur insoweit streitig ist, als es darum geht, ob die beiden Fassungen der Geschäftsbedingungen nebeneinander und sich widersprechend verwendet worden sind. Der Vergleich der Fassungen zeigt indessen, soweit hier von Interesse, daß sie inhaltlich übereinstimmen. Daher stellt sich die Frage nicht, ob die Einbeziehung zu verneinen wäre, wenn die Klägerin während der Geschäftsverbindung ohne klare zeitliche Abgrenzung inhaltlich voneinander abweichende Geschäftsbedingungen verwendet hätte.
b) Das angefochtene Urteil geht ohne nähere Begründung davon aus, daß durch die Vorausabtretung nicht nur der einzelne Kaufpreisanspruch der Klägerin aus der Lieferung gesichert werden sollte, die Gegenstand der Weiterveräußerung durch die Beklagte war, sondern die »Gesamtforderungen aus der Geschäftsverbindung«. Das ist im Ergebnis richtig. Das Revisionsgericht kann die Klausel selbst auslegen, weil sie allgemein im Geschäftsverkehr üblich ist, wobei es insoweit auf die konkrete sprachliche Fassung nicht ankommt.
Die gebotene objektive Auslegung der Regelung über den Eigentumsvorbehalt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ergibt unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Wertung zu ermittelnden Sinnes und Zweckes, daß - wie für den einfachen Eigentumsvorbehalt in Abs. 1 von Ziff. A 6 ausdrücklich bestimmt - auch mit den Vorausabtretungen die »Gesamtforderungen aus der Geschäftsverbindung« gesichert werden sollten (vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung Band V § 60 II 3 a, S. 266 bei Fn. 12). Dem widerspricht nicht, daß die Vorausabtretungsklausel nicht ausdrücklich als Zweck die Sicherung der »Gesamtforderung« der Klägerin erwähnt. Denn jedenfalls aus der Freigabeklausel ergibt sich zwingend, daß der sogenannte verlängerte Eigentumsvorbehalt in der Form des erweiterten Eigentumsvorbehalts begründet werden sollte (z. Terminologie vgl. Graf Lambsdorff/Hübner, Eigentumsvorbehalt und AGB-Gesetz, 1982, Rdn. 56). Gegen ihn bestehen im kaufmännischen Geschäftsverkehr (§§ 24, 9 AGBG) weder unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Kommentar 4. Aufl. Anh. §§ 9 - 11 Rdn. 657; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG § 9 E 36; kritisch Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, AGBG § 9 Rdn. 89, s. auch die Nachweise bei Graf Lambsdorff/Hübner aaO Rz. 65) noch der Verlängerung (Brandner aaO Rdn. 656; Wolf aaO § 9 E 42; Graf v. Westphalen DB 1985, 425) grundsätzliche Bedenken. Zwar ist das AGB-Gesetz auch auf Vereinbarungen mit Verfügungscharakter anzuwenden. Die inhaltliche Ausdehnung des Eigentumsvorbehalts entspricht jedoch den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen, auf die gemäß § 24 AGBG angemessene Rücksicht zu nehmen ist.
c) Indessen kann einer über den einfachen Eigentumsvorbehalt hinausgehenden Sicherung der Lieferantenforderung die rechtliche Anerkennung deshalb zu versagen sein, weil sie eine Übersicherung bewirkt. Das hat der Bundesgerichtshof schon im Rahmen der Prüfung entschieden, ob der verlängerte Eigentumsvorbehalt eine zur Nichtigkeit nach § 138 BGB führende übermäßige Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Vorbehaltskäufers enthält (BGHZ 26, 185) oder zu einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der Interessen anderer Kreditgeber führt (Urteil vom 12. Juni 1969 - VII ZR 13/67, WM 1969, 1072, 1074 unter II 2). Die Voraussetzung, daß eine Übersicherung den Vorbehaltskäufer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG), wird sogar eher zu bejahen sein als die Sittenwidrigkeit der Übersicherung (zu den unterschiedlichen Maßstäben von § 9 AGBG und § 138 BGB s. Manfred Wolf in Festschrift Baur, 1981, S. 147 ff.; Brandner aaO Rdn. 651). Hier führt jedoch die Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die Freigabeklausel nicht zu einer mit § 9 AGBG unvereinbaren Sicherung der Klägerin (dazu unten III 1 e).
d) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Kundenforderungen »in voller Höhe« abgetreten wurden. Die Klausel duldet keine einschränkende Auslegung etwa dahin, daß nur ein dem Papierwert entsprechender Teil der Kundenforderung abgetreten wurde (in der Fassung 1979 wird diese Möglichkeit sogar eindeutig ausgeschlossen). Die Erwägungen, die der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 20. November 1980 (BGHZ 79, 16 [BGH 20.11.1980 - VII ZR 70/80] unter Ziff. 1, dazu Graf Lambsdorff ZIP 1981, 243) angestellt hat, lassen sich auf die vorliegende Klausel nicht anwenden. Der Bundesgerichtshof hatte dort im Anschluß an seine frühere Rechtsprechung angenommen, die Abtretung des gesamten Vergütungsanspruchs könne nicht gewollt sein, »wenn die Lieferungen des Vorbehaltsverkäufers nur einen geringen Bruchteil des Werts der Leistung ausmachen, die der Vorbehaltskäufer an seine Kunden erbracht hat«. So liegt der Fall hier nicht, denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts betrug der Rechnungswert des Papiers je nach Produkt immerhin 35 bis 50 % des Werklohnanspruchs der Beklagten gegen ihre Kunden. Im übrigen kommt die »vernünftige Auslegung« (BGH aaO) hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der gewählte Wortlaut eine restriktive Auslegung verbietet.
e) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verhindert jedoch die Freigabeklausel eine unangemessene Übersicherung.
aa) Hierbei kommt es nicht auf die Übersicherung des Kaufpreisanspruchs aus dem einzelnen Geschäft an, die bei einem Anteil des Rechnungswerts des Papiers an der Kundenforderung der Beklagten von 35 bis 50 % regelmäßig eintreten mußte, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung mit ihrem Hinweis auf einen »systematischen Übersicherungseffekt« abgehoben hat. Die Freigabeklausel bezieht sich vielmehr auf die Sicherung der »Gesamtforderung« der Klägerin. Das ist aber unbedenklich. Denn den Interessen des Käufers wird jedenfalls im kaufmännischen Geschäftsverkehr hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß - bezogen auf seine noch offenen Schulden aus der Geschäftsverbindung - die dem Lieferanten eingeräumten Sicherheiten einen angemessenen Umfang nicht überschreiten (vgl. auch Graf Lambsdorff/Hübner aaO Rz. 129). Hier kann grundsätzlich nichts anderes gelten als für die Beurteilung, ob die Freigabeklausel der Annahme der Sittenwidrigkeit von Vorausabtretungen entgegensteht (vgl. BGH Urteil vom 12. Juli 1969 - VII ZR 13/67, WM 1969, 1072, 1074 unter II 2 a; Senatsurteil vom 28. September 1977 - VIII ZR 82/76, LM Nr. 6 zu § 933 BGB = WM 1977, 1353, 1354 unter I 2 b).
bb) Die Zurückführung der Sicherheiten auf einen angemessenen Umfang wird durch die Freigabeklausel erreicht.
Sie ist bei objektiver Auslegung so zu verstehen, daß die Klägerin Sicherheiten freigeben muß, sobald und solange die Summe der ihr von der Beklagten gewährten Sicherheiten die Gesamtforderung aus der Geschäftsverbindung um 20 % übersteigt. Trotz der unzulänglichen Wortwahl (»Wert des uns zur Sicherung dienenden, unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenstandes«) bestehen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine ernsthaften, nach § 5 AGBG relevanten Zweifel daran, daß auch die Vorausabtretungen für die 20-%-Grenze zu berücksichtigen sind: Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelte Vorausabtretung ist eine Erscheinungsform des sogenannten verlängerten Eigentumsvorbehalts. Die Verwendung des Wortes »Gegenstand« spricht gegen die Beschränkung auf die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sachen, und eine »Rückübertragung« kommt - im Unterschied zum Vorbehaltseigentum - ohnehin nur für die abgetretenen Forderungen in Betracht.
cc) Die Freigabeklausel ist auch inhaltlich geeignet, eine unangemessene Benachteiligung der kaufmännischen Abnehmer der Klägerin zu verhindern. Das gilt sowohl für den Satz von 20 % als auch für die Art und die Voraussetzungen der Freigabe.
Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, daß eine Übersicherung unangemessen sei, wenn sie mehr als 10 % des realisierbaren Werts der Sicherheiten betrage (ausführlich Manfred Wolf in Festschrift Baur, S. 147, 165 ff.; vgl. jüngst noch Graf v. Westphalen DB 1985, 425, 430 bei Fn. 100; s. andererseits Brandner aaO Rdn. 658). Soweit ersichtlich, geht die Vorstellung einer Grenze bei 10 % auf die Praxis des Bundeskartellamts bei der Überprüfung von Konditionenempfehlungen zurück (s. auch Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen II H 4, S. 150 f.). Der erkennende Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, daß sich diese Praxis ohne weiteres auf die Angemessenheitsprüfung nach § 9 AGBG übertragen ließe. Nach seiner Beurteilung kann bei einem Spielraum von 10 % überhaupt noch nicht von einer Übersicherung gesprochen werden. Vielmehr werden insoweit - ganz abgesehen von einer gewissen Toleranz für Bewertungsdifferenzen lediglich mögliche Ansprüche gedeckt, die sich im Rechnungspreis des Lieferanten nicht niederschlagen, z. B. für Zinsen und Kosten der Rechtsverfolgung. Eine Übersicherung von weiteren 10 % (zusammen also eine Sicherung von 120 % der Gesamtforderung) findet jedenfalls in der hier interessierenden Branche ihre Rechtfertigung schon darin, daß das Vorbehaltseigentum durch Verdrucken größerer Partien oder ähnliche Vorgänge in nicht unerheblichem Maße wirtschaftlich wertlos werden kann. Es ist angemessen, für solche im einzelnen nicht vorhersehbaren Einbußen an Sicherheit mit einem Pauschalbetrag von 10 % Vorsorge zu treffen.
Im Unterschied zu den strengeren Maßstäben für die Regelung der Freigabe bei der Globalabtretung künftiger Kundenforderungen an eine Bank (vgl. BGHZ 72, 308) reicht die schuldrechtliche Freigabeklausel aus, um im Verhältnis zwischen Lieferanten und Abnehmer eine im Sinne von § 9 AGBG unangemessene Beeinträchtigung zu verhindern. Die hier zu beurteilende Klausel macht die Freigabe auch nicht von unangemessenen Voraussetzungen abhängig (dazu Brandner aaO Rdn. 658 bei Fn. 54). Dagegen, daß die Freigabe nur »auf Verlangen des Kunden« erfolgt, ist nichts einzuwenden. Er kann in der Regel sehr viel einfacher als der Lieferant den Wert des jeweiligen Bestands an Sicherheiten feststellen.
2. Soweit die Auskunftspflicht der Beklagten dem Grunde nach zu bejahen ist, läßt sich auch gegen den konkreten Inhalt der Verurteilung durch das Landgericht rechtlich nichts einwenden (vgl. MünchKomm/Roth § 402 RdNr. 5; MünchKomm/Keller § 260 RdNr. 18). Die weitere Verurteilung, der Klägerin die Schriftstücke zugänglich zu machen, die die Veräußerung oder das ihr zugrunde liegende Geschäft betreffen, hat das Landgericht mit Recht auf § 810 BGB gestützt. Diese Urkunden sind zumindest auch im Interesse der Klägerin errichtet worden, weil sie sich auf die Kundenforderungen beziehen, die an die Klägerin abgetreten waren.
IV. Soweit die Klägerin Auskunft und Einsichtnahme in Unterlagen bezüglich der Vorräte aus dem von ihr gelieferten Papier, seiner Verarbeitung, Verbindung und Vermengung sowie von Rechten daran durch Dritte verlangt, ist die Klage unbegründet. Nach der unangegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts befinden sich bei der Beklagten keine Bestände mehr an Papier, das die Klägerin geliefert hat, oder daraus hergestellten Erzeugnissen. Es erübrigt sich eine nähere Begründung dafür, daß die Klägerin keine Auskunft über den Verbleib von Papier verlangen kann, das sie zurückgeholt hat. Das Vorbehaltseigentum an den von der Beklagten veräußerten Druckerzeugnissen ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts untergegangen. In Betracht kommen Ansprüche also nur noch unter dem Gesichtspunkt der Vorausabtretung der Kundenforderungen, bezüglich derer die Klage auf Auskunft und Einsichtnahme in die Unterlagen Erfolg hat.
V. Nach alledem bleibt es bei der erstinstanzlichen Verurteilung der Beklagten in dem oben zu III. dargestellten Umfang. Damit entfällt auch die Grundlage dafür, den beim Landgericht verbliebenen Teil der Klage abzuweisen. Vielmehr ist der Rechtsstreit insoweit noch beim Landgericht anhängig, das im Schlußurteil über die Kosten der ersten Instanz zu entscheiden haben wird.