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Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.11.1984, Az.: 2 StR 521/84

Vorausetzungen für das Vorliegen eines strafbefreienden Rücktritts; Voraussetzungen für die Verhinderung der Vollendung der Tat durch den Täter; Maßgeblichkeit des Beitragens von vom Willen des Täters unabhängigen Umständen zur Verhinderung der Tatvollendung für einen strafbefreienden Rücktritt

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
07.11.1984
Aktenzeichen
2 StR 521/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 11265
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Trier - 06.06.1984

Fundstelle

  • NJW 1985, 813-814 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Versuchte schwere Brandstiftung

Redaktioneller Leitsatz

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB verhindert der Täter die Vollendung der Tat (schon) dann, wenn er willentlich eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für die Nichtvollendung wenigstens mitursächlich wird. Unerheblich ist es, wenn auf dem Weg zur Verhinderung noch andere Personen tätig werden. Auch eine "optimale" Bemühung ist nicht erforderlich.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 1984, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mösl,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Müller Theune Niemöller Gollwitzer als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof ... in der Verhandlung,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... aus B. als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 6. Juni 1984 aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Das Landgericht hat verkannt, daß der Angeklagte vom Versuch der schweren Brandstiftung mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, weil er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert hat (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB).

2

Nach den Feststellungen legte der Angeklagte in einem Zimmer des Hauses der zu dieser Zeit abwesenden Eheleute M. in Gransdorf in der Weise Feuer, daß er entweder einen Brandsatz in den Raum warf oder die Gardinen anzündete. Da er sich Gewissensbisse wegen der in diesem Hause schlafenden Kinder machte, rief er in der Gastwirtschaft "Zum Holzwurm" in Gransdorf an, in der sich, wie er wußte, Frau M. aufhielt, und sagte: "Ist die Frau M. da, die möchte bitte nach Hause kommen". Er nannte dabei seinen Namen nicht, wurde aber von Frau M. die das Gespräch zufällig entgegengenommen hatte, an der Stimme erkannt, was sie ihm auch sagte (UA S. 4 und 5).

3

Frau M. wurde durch diesen Anruf beunruhigt und ließ sich vom Schwiegersohn der Gastwirtin nach Hause bringen. Dort entdeckte sie den Brand, der dann von herbeigerufenen Feuerwehrleuten gelöscht wurde, bevor das Feuer von den brennenden Gardinen und Möbeln auf das Haus selbstübergreifen konnte (UA S. 5 und 6).

4

Der Angeklagte "konnte nicht sicher sein, daß die Zeugin M. tatsächlich auf Grund des Anrufes nach Hause gehen würde, da er ihr einen Grund für die Aufforderung nicht genannt hatte". Er "fuhr deshalb zur Brandstelle, um sicherzugehen, daß der Brand alsbald entdeckt würde" (UA S. 12). Dort erschien er vor dem Eintreffen der Feuerwehrleute. Nachdem Frau M. zu erkennen gegeben hatte, daß sie ihn der Brandlegung verdächtigte, und geäußert hatte, "er solle besser verschwinden, bevor die Polizei erscheine", entfernte sich der Angeklagte wieder (UA S. 6).

5

Das Landgericht verkennt nicht, daß der Angeklagte freiwillig handelte, als er in der Gastwirtschaft "Zum Holzwurm" anrief, um die Zeugin M. zu einer Rückkehr in ihr Haus zu bewegen. Diese Handlung reichte nach der Auffassung des Landgerichts aber nicht aus, um die Tatvollendung zu vereiteln. Denn "da er bei dem Telefongespräch ihr nicht den Grund nannte, warum sie in ihr Haus zurückkehren sollte, mußte er damit rechnen, daß sie nicht oder jedenfalls nicht sofort nach Hause gehen werde" (UA S. 15).

6

Dem kann nicht gefolgt werden.

7

Ein strafbefreiender Rücktritt liegt vor, wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Täter verhindert die Vollendung der Tat, wenn er willentlich eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens mitursächlich wird (BGH, Urteile vom 19. März 1981 - 4 StR 80/81 - und vom 25. Juni 1981 - 4 StR 302/81 -). Daß daneben andere, vom Willen des Täters unabhängige Umstände zur Verhinderung der Tatvollendung beitragen, steht einem strafbefreienden Rücktritt ebensowenig entgegen wie die Möglichkeit, etwas anderes oder mehr zu tun, um die Vollendung der Tat mit größerer Sicherheit zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1978 - 5 StR 315/78 -).

8

Durch seinen Telefonanruf aber hat der Angeklagte erreicht, daß die Zeugin M. nach Hause fuhr, dort das Feuer entdeckte und die Brandlöschung veranlaßte. Daß er dies auch ernsthaft wünschte und durch das Telefongespräch bewirken wollte, kann angesichts der Feststellungen über sein weiteres Verhalten nicht zweifelhaft sein. Durch die Fahrt zur Brandstelle hat er auch dafür Sorge getragen, daß es nicht dem Zufall überlassen blieb (BGHSt 31, 46, 49), ob das Feuer alsbald entdeckt und bekämpft würde.

9

Der Angeklagte ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freizusprechen, § 354 Abs. 1 StPO.

Vorsitzender Richter am BGH Dr. Mösl kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben Müller
Müller
Theune
Niemöller
Gollwitzer