Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.10.1984, Az.: IX ZR 92/83
Übernahme einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft; Eröffnung des Konkurses über einen Nachlass; Verletzung von Sorgfaltpflichten aus einem Bürgschaftsverhältnis; Erfüllung einer Bürgschaftsschuld
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 30.10.1984
- Aktenzeichen
- IX ZR 92/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 13166
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Stuttgart - 11.08.1983
- LG Rottweil
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 92, 374 - 386
- MDR 1985, 317 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1985, 614-616 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1985, 18-22
Amtlicher Leitsatz
- a)
Die in dem Bürgschaftsformular einer Sparkasse verwendete Klausel,
daß bei Zahlungen des Bürgen die Rechte der Sparkasse erst dann auf ihn übergehen, wenn die Sparkasse wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Hauptschuldner volle Befriedigung erlangt hat, und die Zahlungen bis dahin nur als Sicherheit gelten,
hält der richterlichen Inhaltskontrolle jedenfalls dann stand, wenn die Bürgschaft sämtliche Forderungen der Sparkasse aus der Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner sichert.
- b)
Aufgrund der Klausel wirkt eine Zahlung des Bürgen, die zur vollen Befriedigung der Sparkasse nicht ausreicht, vorläufig nicht als Erfüllung der Bürgschaftsschuld, sondern nur als Sicherheitsleistung mit der Folge, daß der Übergang der Hauptforderung nebst Sicherungsrechten auf den Bürgen (§§ 774 Abs. 1 Satz 1, 412, 401 BGB) aufgeschoben ist und der Bürge nicht neben der Sparkasse am Konkurs des Hauptschuldners teilnehmen kann.
- c)
Wird die Sparkasse nachträglich durch den Hauptschuldner voll befriedigt, hat sie die nicht benötigten, bis dahin als Sicherheit geltenden Leistungen des Bürgen zurückzugewähren.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Merz und die Richter Zorn, Fuchs, Winter und Dr. Graßhof
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11. August 1983 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist der Erbe der 1979 verstorbenen Anna H.. Deren Bruder Karl B. stand mit der Beklagten in laufender Geschäftsverbindung.
Durch schriftliche Erklärung vom 23. März 1977 übernahm Anna H. (im folgenden: Bürgin) auf einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formular des D. Sparkassenverlags die unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrage von 100.000 DM zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Beklagten gegen Karl B. (im folgenden: Hauptschuldner) aus der Geschäftsverbindung. Nr. 7 der vorgedruckten Bürgschaftsbedingungen lautet:
"Falls der Bürge Zahlungen leistet, gehen die Rechte der Sparkasse dann auf ihn über, wenn die Sparkasse wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Hauptschuldner volle Befriedigung erlangt hat. Bis dahin gelten die Zahlungen nur als Sicherheit. Die Sparkasse ist auch befugt, den Erlös von Sicherheiten und Zahlungen des Hauptschuldners oder anderer Verpflichteter zunächst auf den den Bürgschaftsbetrag übersteigenden Teil ihrer Forderungen zu verrechnen."
Der Hauptschuldner starb im August 1978. Über seinen Nachlaß wurde am 7. September 1978 der Konkurs eröffnet. Seine Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten betrugen zu diesem Zeitpunkt 667.508,80 DM.
Die Beklagte nahm die Bürgin in Anspruch. Diese zahlte auf die Bürgschaft 35.000 DM und überließ der Beklagten Wertpapiere zum Verkauf, die einen Erlös von 63.750 DM erbrachten. Die Beklagte schrieb die Leistungen der Bürgin dem laufenden Konto Nr. ... des Hauptschuldners gut, das nach Konkurseröffnung vom Verwalter fortgeführt wurde. Bei dem periodischen Rechnungsabschluß am 31. Dezember 1978 wies das Konto nach Verrechnung der Bürgenleistungen einen Schuldsaldo von 179.966,39 DM aus. Den Rechnungsabschluß übersandte die Beklagte dem Konkursverwalter.
Der Hauptschuldner hatte der Beklagten für seine Verbindlichkeiten weitere Sicherheiten, insbesondere Grundpfandrechte, bestellt. Deren Verwertung durch den Konkursverwalter erbrachte einen so hohen Erlös, daß die gesamten Forderungen der Beklagten gegen den Hauptschuldner einschließlich des durch die Bürgin bereits bezahlten Betrages von 98.750 DM befriedigt werden konnten. Die Beklagte nahm deshalb im Juni 1979 eine Rückbelastung des Kontos Nr. ... in Höhe von 98.750 DM vor und forderte bei der Gesamtabrechnung von dem Konkursverwalter auch diesen Betrag mit der Begründung, sie habe die Zahlung der Bürgin nur als Sicherheitsleistung behandelt. Der Konkursverwalter entsprach zunächst ihrer Forderung, verlangte aber später 98.750 DM zur Konkursmasse zurück. Da auch der Kläger als Erbe der Bürgin Auszahlung dieses Betrages begehrte, hinterlegte die Beklagte das Geld unter Verzicht auf Rücknahme. Durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Mai 1982 wurde der Kläger verurteilt, den hinterlegten Betrag für den Konkursverwalter freizugeben. Zur Begründung führte das Gericht aus, der hinterlegte Betrag stehe dem Konkursverwalter zu. Die Beklagte habe die von der Bürgin gezahlten 98.750 DM dem von ihm fortgeführten Girokonto Nr. ... gutgeschrieben. Das darin liegende abstrakte Schuldversprechen habe die Beklagte nicht einseitig widerrufen können. Das in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Recht, Buchungen zu stornieren, finde eine Grenze an der mit dem Rechnungsabschluß verbundenen Saldoanerkennung. Die nach dem Rechnungsabschluß zum 31. Dezember 1978 vorgenommene Rückbelastung des Kontos Nr. ... mit 98.750 DM sei deshalb zu Unrecht erfolgt. Das sich ohne diese Lastschrift ergebende Guthaben gebühre dem Konkursverwalter als Kontoinhaber.
Der Kläger, der in jenem Rechtsstreit der Beklagten den Streit verkündet hatte, forderte nunmehr von ihr Zahlung von 98.750 DM nebst Zinsen sowie Ersatz der Kosten des Vorprozesses.
Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Oberlandesgericht die Beklagte, dem Kläger 98.750 DM nebst 13 % Zinsen seit 25. Juni 1979 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche, die dem Kläger als Erben der Anna H. dadurch zustehen, daß diese in dem Nachlaßkonkursverfahren des Karl B. eine Konkursforderung von 98.750 DM zur Konkurstabelle angemeldet hat. Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Der Berufungsrichter führt aus, die Beklagte habe eine ihr gegenüber der Bürgin obliegende Sorgfaltspflicht aus dem Bürgschaftsverhältnis verletzt, indem sie die Leistungen der Bürgin zugunsten des von dem Konkursverwalter fortgeführten Kontos des Hauptschuldners verbucht habe. Sie sei deshalb dem Kläger als Erben der Bürgin zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Bürgin habe nicht auf die Hauptschuld, sondern auf die Bürgschaftsverpflichtung geleistet. Da ihre Leistungen nicht die gesamten Verbindlichkeiten des Hauptschuldners gegenüber der Beklagten gedeckt hätten, hätten sie nach Nr. 7 der Bürgschaftsbedingungen bis zur vollständigen Befriedigung der Beklagten nur als Sicherheit gegolten. Diese Vertragsbestimmung, mit der die Beklagte zu ihrem Vorteil von § 774 BGB abgewichen sei, müsse sie auch gegen sich gelten lassen. Kraft der Vereinbarung sei sie verpflichtet gewesen, die Bürgenleistungen nicht dem Konto des Hauptschuldners, das der Disposition des Konkursverwalters unterlegen habe, sondern einem seiner Verfügung entzogenen Sicherheitenerlöskonto gutzuschreiben, wie es bankmäßiger Übung entspreche. Bis zur Verwertung der anderen vom Hauptschuldner gestellten Sicherheiten sei nicht zu übersehen gewesen, ob und inwieweit sich die Beklagte aus dem Vermögen des Hauptschuldners befriedigen könne oder auf die zunächst ebenfalls nur als Sicherheit dienende Bürgenleistung zurückgreifen müsse. Die Verbuchung dieser Leistungen auf dem Konto Nr. ... habe dazu geführt, daß der von der Bürgin gezahlte Betrag jedenfalls nach dem Verlust des Stornorechts der Beklagten unwiderruflich der Verfügungsbefugnis des Konkursverwalters unterstanden habe und letzten Endes in die Konkursmasse geflossen sei, so daß er der Bürgin nicht habe zurückgegeben werden können, als der Sicherungszweck infolge anderweitiger Befriedigung der Beklagten entfallen sei. Darin bestehe der von der Beklagten pflichtwidrig verursachte Schaden.
II.
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
Es kann offen bleiben, ob die Beklagte durch die Gutschrift der Bürgenleistungen auf dem laufenden Konto des Hauptschuldners Sorgfaltspflichten gegenüber der Bürgin verletzt hat und deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist. Denn die Beklagte ist schon aufgrund Nr. 7 Satz 2 der Bürgschaftserklärung verpflichtet, dem Kläger als Erben der Bürgin deren Leistungen zurückzugewähren.
1.
Nach Nr. 7 Satz 2 der von der Beklagten angenommenen und damit zum Vertragsinhalt gewordenen Bürgschaftserklärung gelten die Zahlungen des Bürgen nur als Sicherheit, bis die Beklagte wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Hauptschuldner volle Befriedigung erlangt hat. Erst dann gehen nach Nr. 7 Satz 1 der Bürgschaftserklärung die Rechte der Beklagten auf den zahlenden Bürgen über.
Es handelt sich um eine typische, über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus verwendete Formularklausel, die das Revisionsgericht frei auslegen kann. Mit ihr wird die sich aus § 774 Abs. 1 BGB ergebende gesetzliche Regelung zugunsten der Beklagten abgeändert. Nach Satz 1 dieser Vorschrift geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über, soweit dieser durch Erfüllung seiner Bürgschaftsschuld den Gläubiger befriedigt. Mit der Forderung gehen von ihr abhängige Nebenrechte, insbesondere akzessorische Sicherheiten, auf den Bürgen über (§§ 412, 401 BGB), zumindest soweit sie vom Hauptschuldner bestellt worden sind. Selbständige Sicherungsrechte, wie Sicherungsgrundschulden, Sicherungseigentum oder Eigentumsvorbehalte, gehen zwar nicht kraft Gesetzes auf den Bürgen über; der Gläubiger kann jedoch in entsprechender Anwendung der §§ 774, 412, 401 BGB verpflichtet sein, sie ihm zu übertragen (vgl. BGHZ 42, 53, 56/57; BGH, Urt. v. 17. Dezember 1959 - VII ZR 194/58 = WM 1960, 371, 373; v. 16. Januar 1961 - VII ZR 199/59 = WM 1961, 350, 351; BGHZ 80, 228, 233 für den vergleichbaren Fall des § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB; Staudinger/Horn BGB 12. Aufl. § 774 Rdn. 14; MünchKomm/Pecher § 774 BGB Rdn. 2; BGB-RGRK/Mormann 12. Aufl. § 774 Rdn. 3).
Die gesetzliche Regelung kann sich für den Gläubiger nachteilig auswirken, wenn der Bürge den Gläubiger nur teilweise befriedigt, sei es, daß er die Bürgschaftsschuld nur teilweise erfüllt, sei es, daß er sich von vornherein nur für einen Teil der Hauptschuld oder der Verbindlichkeiten des Hauptschuldners verbürgt hat. Der Bürge tritt dann nämlich mit den auf ihn übergegangenen Rechten in Konkurrenz zu den Rechten, die dem Gläubiger verblieben sind. § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt zwar, daß der Übergang der Rechte auf den Bürgen nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden kann. Dadurch wird der Gläubiger aber nicht in allen Fällen vor der Konkurrenz des Bürgen geschützt.
§ 774 Abs. 1 Satz 2 BGB greift nur ein, wenn der Bürge lediglich einen Teilbetrag der durch die Bürgschaft gesicherten Schuld bezahlt hat, gleichgültig, ob er sich für die ganze Schuld verbürgt hatte und nur einen Teil bezahlt hat, oder ob er sich nur für einen Teilbetrag verbürgt hatte und diesen ganz oder nur teilweise bezahlt hat (vgl. RGZ 76, 195, 198; BGB-RGRK/Mormann § 774 Rdn. 4; MünchKomm/Pecher § 774 BGB Rdn. 8, 9; Staudinger/Horn § 774 BGB Rdn. 17). In diesen Fällen darf sich der Gläubiger wegen des nicht gedeckten Teils seiner Forderung aus den Sicherheiten und dem Vermögen des Hauptschuldners vor dem Bürgen befriedigen. Der Vorrang des Gläubigers gilt jedoch nicht für andere Forderungen, für die sich der Bürge nicht verbürgt hatte und die ebenfalls durch die nach § 401 BGB auf den Bürgen übergehenden Nebenrechte gesichert sind (vgl. RGZ 136, 40, 43 ff; BGB-RGRK/Mormann aaO; MünchKomm/Pecher § 774 BGB Rdn. 9; Staudinger/Horn § 774 BGB Rdn. 19). Dieser Nachteil wirkt sich bei Bürgschaften gegenüber Kreditinstituten allerdings regelmäßig nicht aus, weil die Kreditinstitute sich - wie im vorliegenden Fall (vgl. Nr. 1 der Bürgschaftserklärung) - umfassend wegen aller bestehenden und künftigen Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zu sichern pflegen.
Im Konkurs des Hauptschuldners tritt § 68 KO an die Stelle des § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB. § 68 KO schützt den Gläubiger, wenn der Bürge nach Konkurseröffnung seine Bürgschaftsschuld nur teilweise erfüllt. In diesem Fall kann der Gläubiger im Konkursverfahren weiterhin den vollen Betrag der durch die Bürgschaft gesicherten Forderung geltend machen, bis er voll befriedigt ist. Bis dahin kann andererseits der Bürge seinen Regressanspruch gegen den Hauptschuldner nicht zur Konkurstabelle anmelden (BGHZ 27, 51, 54). § 68 KO ist jedoch nicht anwendbar, wenn ein Bürge sich nur für einen Teil der Forderung(en) des Gläubigers verbürgt hatte und seine Bürgschaftsschuld in vollem Umfang erfüllt (BGH, Urt. v. 9. Mai 1960 - II ZR 95/58 = NJW 1960, 1295, 1296; v. 22. Januar 1969 - VIII ZR 24/67 = NJW 1969, 796). Dann muß der Gläubiger seine Forderungsanmeldung um den Betrag ermäßigen, den er vom Bürgen empfangen hat; andererseits darf der Bürge seinen Regressanspruch anmelden, weil die gebotene Kürzung der Anmeldung des Gläubigers es gestattet, den Rückgriffsanspruch neben der restlichen Forderung des Gläubigers zu berücksichtigen. Hier kann also die Konkursquote für den Gläubiger durch die Berücksichtigung der Regressforderung des Bürgen verkürzt werden. § 68 KO schützt den Gläubiger auch nicht, wenn der Bürge seine Bürgschaftsschuld vor Konkurseröffnung teilweise erfüllt hat. Auch in diesem Falle kann der Gläubiger nur den Teil der gesicherten Forderung zur Konkurstabelle anmelden, der ihm nach Abzug der Bürgenleistung verblieben ist. Den nach § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB auf ihn übergegangenen Teil der verbürgten Forderung kann nur der Bürge zur Konkurstabelle geltend machen (vgl. RGZ 83, 401, 406; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck KO 9. Aufl. § 3 Rdn. 37; Jaeger/Henckel KO 9. Aufl. § 3 Rdn. 60; Staudinger/Horn § 774 BGB Rdn. 18; BGB-RGRK/Mormann § 774 Rdn. 4), unbeschadet der offenen Frage, ob der Gläubiger gegen den Bürgen weitere Ansprüche erheben kann (vgl. dazu RGZ 83, 401, 406; BGB-RGRK/Mormann aaO; Palandt/Thomas BGB 43. Aufl. § 774 Anm. 2 f; GroßKomm zum HGB/Ratz § 349 Rdn. 67; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 15. Bearbeitung § 194 I 1 b; Schäfer, Bankkontokorrent und Bürgschaft S. 166; Klett, Der Schutz des Bürgen unter besonderer Berücksichtigung der Formularpraxis der Kreditinstitute S. 163).
Die in Nr. 7 der Bürgschaftserklärung getroffene Vereinbarung bezweckt, die erwähnten Nachteile für den Gläubiger zu vermeiden. Sie soll den Schutz, den § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Gläubiger gewährt, dahin erweitern, daß ihm der Forderungsübergang auf den Bürgen auch bei der Beitreibung seiner nicht verbürgten Forderungen nicht hinderlich werden kann (RG SeuffArch 91 Nr. 100). Ist der Forderungsübergang bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers ausgeschlossen, gehen bestehende Sicherungsrechte nicht auf den Bürgen über, so daß sich der Gläubiger wegen seiner nicht verbürgten Forderungen vorab daraus befriedigen kann. Vor allem aber soll die Klausel den Schutz des Gläubigers im Konkurs des Hauptschuldners verbessern (vgl. Schröter in: Bankrecht und Bankpraxis Band I Rdn. 4/1090; Schütz, Bankgeschäftliches Formularbuch 18. Ausgabe S. 429; Scholz/Lwowski, Das Recht der Kreditsicherung 5. Aufl. Rdn. B/19 a in Anm. 8 zum Vertragsbeispiel; Schaarschmidt, Die Sparkassenkredite 6. Aufl. S. 731 ff; Klett a.a.O. S. 168 ff; Schäfer a.a.O. S. 160 ff, von Falkenhausen, Bank-Archiv 1929/30, 193, 194). Ist der Anspruchsübergang (§ 774 Abs. 1 Satz 1 BGB) vertraglich ausgeschlossen, kann der Bürge nicht mit einer Regressforderung aus übergegangenem Recht am Konkurs des Hauptschuldners teilnehmen und dadurch die Konkursdividende des Gläubigers für dessen noch unbefriedigte Ansprüche schmälern, gleichgültig, ob er vor oder nach Konkurseröffnung gezahlt hat. Freilich schützt der Ausschluß des Forderungsübergangs allein den Gläubiger nur unzureichend. Regelmäßig liegt nämlich der Bürgschaftsübernahme ein Rechtsverhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen zugrunde, aufgrund dessen der Bürge aus eigenem Recht vom Hauptschuldner Ersatz verlangen kann, wenn er den Gläubiger befriedigt. Ob der Bürge durch den Ausschluß des Forderungsübergangs auch mit dieser Regressforderung von der Teilnahme am Konkursverfahren ausgeschlossen wäre, ist zumindest zweifelhaft (vgl. Schäfer a.a.O. S. 162 ff; verneinend: OLG Hamburg LZ 1912 Sp. 410 mit Anm. von Nöldeke; Jaeger/Henckel § 3 KO Rdn. 60; Klett a.a.O. S. 168). Insoweit soll die Vereinbarung eingreifen, daß die Zahlungen des Bürgen bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers nur als Sicherheitsleistung gelten. Wird nämlich der Leistung des Bürgen - vorläufig - die Erfüllungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) genommen und hat sie zunächst nur die Wirkung einer Sicherheitsleistung, dann wird mangels einer endgültigen (Teil-)Befriedigung des Gläubigers nicht nur der Forderungsübergang (§ 774 Abs. 1 Satz 1 BGB) aufgeschoben (vgl. RGZ 106, 311; BGH, Urt. v. 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81 = BB 1983, 401 = WM 1983, 210, 211; Staudinger/Horn § 774 BGB Rdn. 10; MünchKomm/Pecher § 774 BGB Rdn. 3; BGB-RGRK/Mormann § 774 Rdn. 1); sondern der Bürge kann vor vollständiger Befriedigung des Gläubigers auch nicht mit einer Regressforderung aus eigenem Recht am Konkurs des Hauptschuldners teilnehmen. Zwar kann dem Bürgen gegen den Hauptschuldner auch ein Anspruch auf Befreiung von der Belastung durch die Sicherheitsleistung zustehen. Nach den Grundsätzen des Konkursrechts kann jedoch der Sicherungsgeber mit einem solchen Anspruch nicht neben dem Gläubiger am Konkurs des Hauptschuldners teilnehmen, weil dies zu einer unzulässigen Doppelbelastung der Konkursmasse führen würde (vgl. BGH, Urt. v. 11. Oktober 1984 - IX ZR 80/83 -, z.V.b.; Klett a.a.O. S. 179, 181; Jaeger/Henckel § 3 KO Rdn. 60; ebenso mit anderer Begründung Schäfer a.a.O. S. 164 ff).
2.
Die in Nr. 7 Sätze 1 und 2 der Bürgschaftserklärung getroffene Vereinbarung ist rechtswirksam. § 774 BGB enthält nachgiebiges Recht, kann also vertraglich abgeändert oder ausgeschlossen werden (vgl. RGZ 148, 65, 66; RG LZ 1918 Sp. 206 Nr. 4; Staudinger/Horn § 774 BGB Rdn. 16; MünchKomm/Pecher § 774 BGB Rdn. 11; BGB-RGRK/Mormann § 774 Rdn. 2). Eine abweichende Vereinbarung kann auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Formularverträgen getroffen werden, wenn sie sich in den Grenzen hält, die durch die richterliche Inhaltskontrolle einer einseitigen Gestaltung der Vertragsbedingungen gezogen sind.
Die Inhaltskontrolle richtet sich im vorliegenden Fall nicht nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes, weil vor dessen Inkrafttreten der Bürgschaftsvertrag abgeschlossen worden ist (§ 28 Abs. 1 AGBG). Maßgebend sind die an den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgerichteten Grundsätze, die die Rechtsprechung schon vorher für die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen entwickelt hatte. Danach ist einseitig aufgestellten Klauseln die Anerkennung zu versagen, wenn sie den im dispositiven Recht enthaltenen, ausgewogenen Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragspartner verdrängen, ohne der anderen Vertragspartei in anderer Weise angemessenen Schutz zu sichern. Ebenso können Klauseln keinen rechtlichen Bestand haben, deren Einfügung in die Vertragsbeziehungen für den anderen Vertragsteil eine Überraschung bedeuten muß, wie es insbesondere dann der Fall ist, wenn der Inhalt auf eine dem Leitbild des gewählten Vertragstyps grob widersprechende Regelung hinausläuft (BGHZ 60, 377, 380 m.w.N.). Die hier verwendete Klausel hält der richterlichen Inhaltskontrolle jedenfalls dann stand, wenn die Bürgschaft - wie im vorliegenden Fall - sämtliche Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner sichert (vgl. OLG Celle ZIP 1980, 1077; Schäfer a.a.O. S. 165 ff; Scholz/Lwowski aaO; Schröter aaO; anderer Ansicht für das AGBG Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 3. Aufl. Anh. zu §§ 9-11 Rdn. 261). Die Bestimmung ist weder nach der äußeren Gestaltung des Bürgschaftsformulars noch ihrem Inhalt nach überraschend. Es handelt sich um eine Klausel, die seit Jahrzehnten in der Vertragspraxis der Kreditinstitute verwendet wird und die sich von dem gesetzlichen Leitbild des § 774 BGB nicht unangemessen entfernt. Sie schließt den gesetzlich vorgesehenen Forderungsübergang auf den Bürgen, der diesem den Rückgriff gegen den Hauptschuldner erleichtern soll, nicht vollständig aus, sondern schiebt ihn nur bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers auf, damit diese durch konkurrierende Rückgriffsansprüche des Bürgen nicht beeinträchtigt werden kann. Die Erweiterung des Gläubigervorrechts über § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus ist durch das berechtigte Interesse des Kreditinstituts gerechtfertigt, eine sonst nach den §§ 412, 401 BGB eintretende Schmälerung der auch für andere Bankschulden haftenden Sicherungsrechte bis zur Tilgung aller Verbindlichkeiten des Hauptschuldners zu verhindern. Da der Bürge wegen des weit gefaßten Kreises der durch die Bürgschaft gesicherten Forderungen dem Gläubiger ohnehin nach § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB in aller Regel den Vortritt lassen müßte, belastet ihn die Verstärkung der Rechtsstellung des Gläubigers in dieser Hinsicht nicht übermäßig. Soweit die Vertragsklausel die Rechtsstellung des Gläubigers im Konkurs des Hauptschuldners verbessert, entspricht dies der Tendenz des § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB, der § 68 KO nur teilweise Rechnung trägt. Für den Bürgen ist sie insofern vorteilhaft, als seine Zahlungen zunächst nur als Sicherheitsleistung gelten und daher von dem Gläubiger zurückgewährt werden müssen, wenn er durch den Hauptschuldner voll befriedigt wird (vgl. dazu unten). Insgesamt verschlechtert die Vertragsbedingung die Rechtsstellung des Bürgen nicht so entscheidend, daß ihr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die rechtliche Anerkennung versagt werden müßte.
3.
Der Berufungsrichter stellt ohne Rechtsfehler fest, daß die Bürgin im vorliegenden Fall auf ihre Bürgschaftsschuld geleistet hat, nicht etwa als Dritte im Sinne des § 267 BGB auf die Hauptschuld. Ihre Leistungen reichten nicht aus, um die Gesamtverbindlichkeiten des Hauptschuldners gegenüber der Beklagten abzudecken. Sie galten deshalb gemäß Nr. 7 Satz 2 der Bürgschaftserklärung zunächst nur als Sicherheitsleistung. Aus Sicherungsrechten darf sich der Gläubiger nur befriedigen, solange die gesicherte Forderung nicht vollständig getilgt ist. Nicht benötigte Sicherheiten sind nach Erlöschen der gesicherten Forderung an den Sicherungsgeber zurückzugewähren. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Sicherungsabrede. Die Beklagte ist, nachdem die Bürgin gezahlt hatte, aus dem Erlös von Sicherheiten, die ihr der Hauptschuldner bestellt hatte, vollständig befriedigt worden. Dadurch sind die Hauptschuld und die von ihr abhängige Bürgschaftsschuld (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB) erloschen. Die Leistungen der Bürgin konnten danach keine Erfüllungswirkung mehr entfalten, weil die Bürgschaftsverpflichtung nicht mehr bestand. Sie behielten den Charakter einer Sicherheitsleistung, die nunmehr zurückzugewähren war, weil der Sicherungszweck entfallen war (vgl. Scholz/Lwowski aaO; Schröter aaO). Dies ist die Folge der von der Beklagten gewählten Vertragsgestaltung. Die Beklagte kann nicht nur deren Vorteile für sich in Anspruch nehmen, muß die vereinbarten Rechtswirkungen vielmehr auch gegen sich gelten lassen. Die mit Nr. 7 Sätze 1 und 2 der Bürgschaftserklärung verfolgten, der Klägerin günstigen Zwecke sind rechtlich nur zu erreichen, wenn die zur vollen Befriedigung der Beklagten nicht ausreichenden Bürgenleistungen mit allen rechtlichen Konsequenzen als Sicherheiten behandelt werden. Nur so ist auch dem Vorwurf einseitiger Interessenwahrung, die der richterlichen Inhaltskontrolle nicht standhalten könnte, zu begegnen.
Die Beklagte kann gegen die Verpflichtung, die Sicherheit zurückzugewähren, nicht einwenden, daß sie die Bürgenleistungen dem laufenden Konto des Hauptschuldners gutgeschrieben habe. Die Verbuchung konnte die vorbehaltlos getroffene Vereinbarung, daß Zahlungen der Bürgin bis zur vollständigen Befriedigung der Beklagten nur als Sicherheit gelten, nicht ändern. Sie war im Verhältnis zur Bürgin nur ein sparkasseninterner Vorgang, der ihr gegenüber keine Rechtswirkungen äußern konnte. Das gilt nicht nur für den Verkaufserlös der von der Bürgin übergebenen Wertpapiere, den die Beklagte von sich aus dem Konto des Hauptschuldners gutgeschrieben hat, sondern auch für die Barzahlung der Bürgin. Es ist rechtlich unerheblich, daß die Beklagte die Bürgin bei der Zahlung des Barbetrages einen Einzahlungsauftrag zugunsten des Kontos Nr. ... des Hauptschuldners unterzeichnen ließ. Denn zwischen der Bürgin und dem die Zahlung entgegennehmenden Vertreter der Beklagten bestand Einigkeit darüber, daß die Bürgin eine Zahlung auf ihre Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der Beklagten und nicht etwa eine Zahlung an den der Verfügung des Konkursverwalters unterliegenden Nachlaß des Hauptschuldners leistete. Der übereinstimmende Parteiwille hat den Vorrang vor einem möglicherweise abweichenden Erklärungswert des formularmäßigen Einzahlungsauftrags. Die Leistungen der Bürgin gingen nach dem Inhalt des Bürgschaftsvertrages ununterscheidbar in das Vermögen der Beklagten über. Deshalb kam eine Rückgewähr in Natur von vornherein nicht in Betracht; vielmehr hatte die Beklagte bei späterem Wegfall des Sicherungszwecks nur einen wertmäßig gleichen Geldbetrag an die Bürgin zurückzuzahlen. Deshalb konnte es der Bürgin gleichgültig sein, wie die Beklagte ihre Leistungen verbuchte und ob die Beklagte durch die Gutschriften auf dem laufenden Konto des Hauptschuldners für sich Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Konkursverwalter begründete. Das Recht der Bürgin, bei späterem Wegfall des Sicherungszwecks von der Beklagten Rückgewähr ihrer Leistungen zu fordern, wurde dadurch nicht berührt. Insbesondere kann sich die Beklagte gegenüber diesem Anspruch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Sie muß sich mit dem Konkursverwalter darüber auseinandersetzen, ob durch ihre Gutschriften die Konkursmasse rechtsgrundlos bereichert worden ist.
Die Beklagte kann auch nicht einwenden, sie habe einen etwaigen Bereicherungsanspruch gegen den Konkursverwalter an den Kläger abgetreten. Die Abtretung erfolgte im Berufungsverfahren zur Erledigung des dort zunächst gestellten Hilfsantrages des Klägers. Seine mit dem Hauptantrag verfolgten weitergehenden Rechte gegenüber der Beklagten hat sich der Kläger erkennbar vorbehalten. Selbstverständlich ist er verpflichtet, den Bereicherungsanspruch an die Beklagte zurückabzutreten, wenn sie den mit dem Hauptantrag verfolgten Rückgewähranspruch erfüllt.
Der auf den Kläger übergegangene Rückgewähranspruch der Bürgin ist schließlich nicht dadurch erloschen, daß die Beklagte den Streitbetrag unter Verzicht auf Rücknahme zugunsten des Klägers und des Konkursverwalters hinterlegt hat. Die schuldbefreiende Wirkung der Hinterlegung (§ 378 BGB) konnte nicht eintreten, weil die Voraussetzungen des § 372 BGB für den Rückgewähranspruch des Klägers nicht vorlagen. Insbesondere bestand keine Ungewißheit der Beklagten über die Person des Gläubigers (§ 372 Satz 2 Fall 2 BGB). Gläubiger des aus dem Bürgschaftsvertrage folgenden Anspruchs auf Rückgewähr der Bürgenleistungen konnte nur der Kläger als Erbe der Bürgin, nicht aber der Konkursverwalter sein. Eine Ungewißheit der Beklagten über die Rechtslage konnte sich allenfalls daraus ergeben, daß der Kläger und der Konkursverwalter aus verschiedenen Rechtsgründen Anspruch auf den Streitbetrag erhoben: der Konkursverwalter wegen der Gutschriften auf dem von ihm fortgeführten Girokonto des Hauptschuldners, der Kläger aufgrund der in Nr. 7 der Bürgschaftserklärung getroffenen Vereinbarungen. Auf einen solchen Fall ist § 372 BGB nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 15. Dezember 1954 - VI ZR 192/53 = LM BGB § 372 Nr. 6). Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Kläger die unrechtmäßige Hinterlegung als Erfüllungssurrogat angenommen hätte (vgl. dazu Palandt/Heinrichs § 378 BGB Anm. 1).
Die Revision wird deshalb zurückgewiesen.
Zorn
Fuchs
Winter
Graßhof