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Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.09.1984, Az.: IX ZR 53/83

Klage eines Ehemanns auf Rückauflassung einer unentgeltlich übertragenen Grundstückshälfte; Zurückbehaltungsrecht aufgrund Zugewinnausgleich

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
27.09.1984
Aktenzeichen
IX ZR 53/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 13080
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Koblenz - 26.04.1983
LG Mainz

Fundstellen

  • BGHZ 92, 194 - 200
  • JZ 1985, 91-94
  • MDR 1985, 137-138 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1985, 189-191 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Frau Margareta Elisabeth P. gesch. G., geb. B., K. weg ..., I.

Prozessgegner

Herrn Friedrich Josef G., H. weg ..., M.-L.

Amtlicher Leitsatz

Ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs auf Zugewinnausgleich ist bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung geschiedener Eheleute nicht nach der Natur des Anspruchs ausgeschlossen.

Dem Ausgleichsberechtigten kann es nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen, wenn dies die Durchführung der Auseinandersetzung ernsthaft gefährdet und der Ausgleichspflichtige das Sicherungsbedürfnis auf andere Weise angemessen befriedigt.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Merz und
die Richter Zorn, Gärtner, Winter und Dr. Graßhof
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. April 1983 aufgehoben, soweit es ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen einer 25.228,31 DM übersteigenden Gegenforderung ablehnt.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die 1962 geschlossene Ehe der Parteien wurde 1981 rechtskräftig geschieden. 1966 hatte die Mutter des Klägers diesem ein Grundstück in M.-L. geschenkt. Darauf errichteten die Parteien ein Wohnhaus. 1973 übertrug der Kläger einen Hälfteanteil an dem Grundstück unentgeltlich auf die Beklagte. Dabei vereinbarten die Parteien, daß die Schenkung unter der auflösenden Bedingung einer Scheidung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erfolge. Der Kläger begehrt nunmehr die Rückauflassung der übertragenen Grundstückshälfte. Die Beklagte verteidigt sich nur mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen des anderweitig noch nicht geregelten Zugewinnausgleichs. Ihr stehe eine Ausgleichsforderung von mindestens 86.420,88 DM zu, wovon sie einen vorrangigen Teilbetrag von 25.228,31 DM an ihren Vater abgetreten habe. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Beklagte vorbehaltlos zur Bewilligung der Auflassung verurteilt. Mit der Revision erstrebt sie weiterhin die Berücksichtigung eines Zurückbehaltungsrechts.

2

Der Kläger meint, die Revision sei unzulässig. Er verweist dazu auf das Protokoll über eine in dem Zugewinnausgleichsverfahren 30 F 604/83 am 26. September 1983 vor dem Amtsgericht Mainz stattgefundene Erörterung mit den Parteien. Danach haben diese sich über einen der Beklagten zustehenden Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 76.000 DM geeinigt. Der Kläger hat erklärt, er werde nach Rücknahme der Revision den Zugewinnausgleichsanspruch an die Beklagte und deren Vater innerhalb von einem Monat nach Eintragung seines Alleineigentums zahlen oder Sicherheiten stellen. Sodann hat die Beklagte erklärt, sie werde die Revision beim Bundesgerichtshof zurücknehmen.

Entscheidungsgründe

3

I.

Die Revision gegen das Berufungsurteil ist zulässig.

4

1.

Der Kläger wirft der Beklagten ohne Erfolg vor, sie setze sich bei Fortführung des Rechtsmittels mit einer übernommenen Verpflichtung zur Revisionsrücknahme in Widerspruch.

5

Nach gefestigter Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind zwar materiell-rechtlich bindende Vereinbarungen der Parteien über die Zurücknahme von Rechtsmitteln zulässig und auch bei formlos zustande gekommenem Vertrag wirksam (RGZ 102, 217, 221; 123, 84, 86; 159, 186, 189; BGHZ 2, 112, 114;  28, 45, 48;  BGH, Beschluß vom 11. November 1960 - V ZR 47/55 = NJW 1961, 460; Urteil vom 14. November 1983 - IVb ZR 1/82 = NJW 1984, 805). Dem nach Eingehen einer solchen Verpflichtung weiter betriebenen Rechtsmittelverfahren kann die Einrede der Arglist entgegengehalten werden; mit ihrer Geltendmachung wird das Verfahren unzulässig (RGZ 102, 217, 222; BGHZ 28, 45, 52; BGH, Urteil vom 14. November 1983 - IVb ZR 1/82 aaO).

6

Das Vorbringen des Klägers und die in dem Termin am 26. September 1983 in den Verfahren 30 F 604/83 vor dem Amtsgericht Mainz zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien reichen aber nicht aus, um feststellen zu können, daß die Beklagte sich vertraglich dazu verpflichtet hat, die in dem vorliegenden Rechtsstreit am 3. Juni 1983 eingelegte Revision zurückzunehmen. Nach dem Wortlaut der Erklärung und der Interessenlage ist es nämlich denkbar, daß mit der Äußerung der Beklagten, sie werde die Revision beim BGH zurücknehmen, nur einseitig und unverbindlich die Zurücknahme der Revision in Aussicht gestellt wird. Die Beklagte hat nicht ausdrücklich die Übernahme einer Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme erklärt. Auch nach dem Inhalt der vorangegangenen Erklärungen des Klägers und ihren Auswirkungen auf die Interessen der Beklagten liegt es nicht nahe, daß diese mit der Ankündigung der Rechtsmittelrücknahme schon eine Verpflichtung dazu übernehmen wollte. Der Kläger hatte nämlich ihrem Sicherungsinteresse, das allein der Anlaß für die Beklagte zur Verteidigung in dem vorliegenden Rechtsstreit ist, noch in keiner Weise entsprochen. Der Kläger hat in jenem Termin zwar einen in Höhe von 76.000 DM bestehenden Zugewinnausgleichsanspruch anerkannt, während er im vorliegenden Verfahren der Beklagten noch während der Berufungsinstanz nur einen Zugewinnausgleichsanspruch von allenfalls 10.000 DM zugestanden hat. Damit war aber für die Beklagte das Interesse an der Durchführung des Revisionsverfahrens nicht entfallen. Sie kann und will in diesem Rechtsstreit gar nicht die verbindliche Regelung der Höhe ihres Zugewinnausgleichsanspruchs erreichen, sondern ihr geht es ausschließlich um die Sicherung der Erfüllung eines solchen Anspruchs. Diesem Interesse genügte die Erklärung des Klägers nicht, er werde innerhalb eines Monats nach Eintragung seines Alleineigentums an dem Grundstück den Zugewinnausgleichsanspruch erfüllen "oder Sicherheiten stellen". Abgesehen davon, daß der Kläger eine Verpflichtung zur Zahlung nicht einmal in Form eines der Beklagten Jedenfalls einen Zahlungstitel verschaffenden gerichtlichen Vergleichs übernommen hat, bleibt die Beklagte nach wie vor ungeschützt davor, daß das Hausgrundstück, das im wesentlichen das gesamte Vermögen des Klägers darstellt, durch Belastung, Veräußerung oder Vollstreckungszugriff als Haftungsobjekt ihrer Zugewinnausgleichsforderung verloren geht. Die Ankündigung, alternativ Sicherheiten stellen zu wollen, konnte der Beklagten noch nicht einmal Anlaß zur Hoffnung geben, der Kläger habe bereits konkrete Finanzierungsmöglichkeiten. Bei dieser Situation hätte es allenfalls dann nahegelegen, daß die Beklagte ihrerseits durch Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme in verbindlicher Weise ihr Sicherheitsverlangen aufgegeben hat, wenn der Kläger die durch ihn zu stellenden Sicherheiten nicht nur für die Zeit nach Erlangung des Alleineigentums angekündigt, sondern sich dazu verpflichtet hätte, noch vor Erklärung der Revisionsrücknahme Sicherheiten zu stellen.

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2.

Die Beschränkung der Revision ist zulässig. Die Beklagte wendet sich nicht gegen ihre Verurteilung zur Rückauflassung des Grundstücks. Sie erstrebt mit dem Rechtsmittel nur die Berücksichtigung des von ihr geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts. Auch mit der Berufung hat sie nur dieses Anliegen verfolgt. Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozeßstoff beurteilt werden. Unter dieser Voraussetzung kann das Rechtsmittel auf die Frage beschränkt werden, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit richtig ist, als sie es abgelehnt hat, die Verurteilung der Beklagten von einer Gegenleistung abhängig zu machen (BGHZ 45, 287, 289) [BGH 02.06.1966 - VII ZR 162/64].

8

II.

Das Berufungsgericht verneint ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Das folge aus der Besonderheit des Schuldverhältnisses und damit zusammenhängenden weiteren Umständen. Gemeinsame Voraussetzung beider Ansprüche sei zwar die Auflösung der Ehe. Im übrigen seien sie jedoch völlig unterschiedlich ausgestaltet. Der Anspruch auf Rückauflassung sei bürgerlich-rechtlicher Natur und beruhe auf einem Vertrag, der Zugewinnausgleichsanspruch entstamme dagegen dem Familienrecht und ergebe sich aus dem Gesetz. Die vertragliche Regelung sei unverkennbar auf eine möglichst einfache und rasche Lösung bedacht gewesen. Das ergebe sich aus dem Verzicht auf weitere Anspruchsvoraussetzungen und aus dem erklärten Außerachtlassen des Scheidungsgrundes. Der Zugewinnausgleich erfordere hingegen stets umfassende und vielfach zeitraubende Ermittlungen. Danach sei eine getrennte Geltendmachung geboten. Das sei ersichtlich auch der Sinn des Schenkungsvertrages gewesen. Wenngleich dort Einwendungen gegen die Rückauflassung nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden seien, deute die bewußt einfache und zielstrebige Regelung der Grundstücksfrage dahin, daß die Rückauflassung vorab erfolgen und nicht mit Einwendungen belastet sein sollte.

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Im übrigen sei ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Natur des Schuldverhältnisses zu verneinen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger zur Erfüllung des Zugewinnausgleichs eine Belastung oder sogar Verwertung des Grundbesitzes in Betracht ziehen müsse. Beides sei vor einer Rückauflassung nicht oder nur sehr erschwert möglich. Der Rechtsstreit sei deshalb den Fällen verwandt, in denen Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte oder auch Miterben sich zur Verteidigung gegen Nachlaßforderungen auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihrer Gegenansprüche berufen hätten. Das Reichsgericht habe in diesen Fällen ein Zurückbehaltungsrecht verneint, weil erst die Herausgabe des Nachlasses den Erben zur Regulierung instandsetze.

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Schließlich habe die Beklagte ihren Anspruch auf Zugewinn auch im Berufungsrechtszug noch nicht hinreichend substantiiert. Es fehlten Angaben darüber, ob die Parteien neben dem Grundbesitz weiteres Anfangs- und Endvermögen besäßen. Insbesondere müsse die Beklagte auch nähere Angaben über ihre wirtschaftliche Situation seit der Trennung im Jahre 1978 machen.

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III.

Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Ablehnung eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten ist im Ergebnis nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nur insoweit gerechtfertigt, als die Beklagte auch einen an ihren Vater abgetretenen Teilbetrag von 25.228,31 DM mit ihrer Gegenforderung einredeweise geltend macht. Ein Zurückbehaltungsrecht setzt nach dem Gesetz (§ 273 Abs. 1 BGB) die Gegenseitigkeit von Anspruch und Gegenanspruch voraus. In Höhe der Abtretung ihres Zugewinnausgleichsanspruchs steht der Beklagten insoweit kein Gegenanspruch mehr gegen den Kläger zu.

12

1.

Im übrigen kann ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten Jedenfalls mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

13

§ 273 BGB setzt voraus, daß die dem Gläubiger obliegende Verpflichtung und ein fälliger Gegenanspruch auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Damit wird aber nicht mehr erfordert, als ein innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis, das es als wider Treu und Glauben verstoßend erscheinen läßt, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte. Dabei spielt keine Rolle, aus welchem Rechtsgebiet die Ansprüche entstammen und ob sie sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben. Es ist anerkannten Rechts, daß der erforderliche Zusammenhang der beiderseitigen Ansprüche gegeben ist, wenn es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, die beide aus der von den Parteien als Ehegatten eingegangenen Lebensgemeinschaft und der von ihnen betriebenen Lösung dieser Gemeinschaft entsprungen sind (Staudinger/Selb BGB 12. Aufl. § 273 Rdn. 19; MünchKomm/Keller BGB § 273 Rdn. 18; RG JW 1919, 242; 1923, 749; 1936, 1827).

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Dem steht nicht entgegen, daß die einredeweise geltend gemachte Gegenforderung der Beklagten dem ehelichen Güterrecht entspringt und daß für Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht als Familiensachen die ausschließliche Zuständigkeit des Familiengerichts begründet ist (§ 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO). Denn es geht nicht um eine Verurteilung wegen eines Anspruchs aus dem ehelichen Güterrecht. Die erfolgreiche Ausübung des Zurückbehaltungsrechts im Prozeß führt zur Zug um Zug Verurteilung. Dabei erwächst die Entscheidung über das Bestehen des Gegenanspruchs nicht in Rechtskraft (MünchKomm/Keller a.a.O. § 274 Rdn. 7; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 13. Aufl. § 154 III 3 a = S. 935; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 42. Aufl. § 322 Anm. 4 Stichwort: Zug um Zug; RGZ 100, 197, 198; RG Recht 1914 Nr. 322). Andererseits kommt es für die Rechtsnatur des Verfahrens als Familiensache nur auf die Begründung des geltend gemachten Klageanspruchs an. Die Art der Verteidigung des Beklagten hat darauf keinen Einfluß (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 1980 - IVb ARZ 527/80 = FamRZ 1980, 988; vom 10. November 1982 - IVb ARZ 44/82 = FamRZ 1983, 155). Es ist der Beklagten nicht verwehrt, sich gegen die schuldrechtliche Klageforderung mit einer dem Güterrecht entstammenden Gegenforderung zu verteidigen.

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Das Zurückbehaltungsrecht ist nach dem Gesetz nur gegeben, wenn nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt. Das kann auf einer vertraglichen Regelung oder auf der besonderen Natur des Schuldverhältnisses beruhen oder sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben. Den vertraglichen Ausschluß eines Zurückbehaltungsrecht stellt der Berufungsrichter nicht fest. Zwar kann auch der Ausschluß eines Zurückbehaltungsrechts durch konkludente Handlung erfolgen. Der Zusammenhang der Urteilsgründe legt nahe, daß dem Berufungsrichter derartiges vorgeschwebt haben mag. Seine allgemeine Wendung, die bewußt einfache und zielstrebige Regelung der Grundstücksfrage deute dahin, daß die Rückauflassung vorab erfolgen und nicht mit Einwendungen belastet sein sollte, kann Jedoch nicht als Feststellung einer konkludent getroffenen Vereinbarung aufgefaßt werden. Eine solche Feststellung wäre auch schwerlich rechtlich einwandfrei zu treffen. Denn es fehlt an genügend aussagkräftigen Anhaltspunkten im Verhalten der Parteien.

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Bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung geschiedener Eheleute ist ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs eines Ehegatten auf Zugewinnausgleich nicht generell aus der Natur der Sache ausgeschlossen. Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gegenüber Ansprüchen, die zu einem Nachlaß gehören. Das Reichsgericht hat zwar angenommen, der Erbschaftsbesitzer habe gegenüber dem Erbschaftsanspruch aus § 2018 BGB kein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Ansprüche als Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigter, weil dies der rechtlichen Natur des Anspruchs widerspräche; denn durch die Herausgabe des Nachlasses würden die Erben erst in die Lage gebracht, die Erbschaftsregelung vorzunehmen (RGWarnRspr 1913 Nr. 233). Aus der gleichen Erwägung hat es dem Erbschaftsbesitzer, auch einem Miterben, gegenüber einem nach § 2039 BGB verfolgten Miterbenanspruch die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Tilgung von Nachlaßverbindlichkeiten verwehrt (RGZ 132, 81, 83; WarnRspr. 1910 Nr. 141; Gruchot Beiträge Bd. 68, Seite 66; ebenso: KG OLGZ 1974, 17 selbst für den Fall, daß es sich nur um einen Erben handelt; kritisch zu dieser Rechtsprechung: Dütz NJW 1967, 1105). Diese Grundsätze können jedoch nicht ohne weiteres auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen geschiedenen Eheleuten übertragen werden. Das hat auch das Reichsgericht nicht getan. Es hat vielmehr in derartigen Fällen wiederholt ein Zurückbehaltungsrecht anerkannt (RG JW 1919, 242; 1923, 749; 1936, 1827). Auch die einredeweise Berufung auf einen Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber einem sonstigen vermögensrechtlichen Klagebegehren ist nicht generell aus der Natur des Rechtsverhältnisses ausgeschlossen (vgl. Staudinger/Selb a.a.O. § 273 Rdn. 19). Bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung geschiedener Eheleute geht es nicht wie beim Nachlaß darum, daß eine besondere Vermögensmasse erst in der Hand des oder der Erben vereinigt werden muß, damit zunächst die Verbindlichkeiten bereinigt und sodann der verbleibende Nachlaß geteilt werden kann. Jedenfalls beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gibt es keine gemeinsame Vermögensmasse kraft des Güterstandes. Der Anspruch eines geschiedenen Ehegatten gegen den anderen auf Rückgewähr eines Vermögensgegenstandes und der Anspruch des anderen auf Ausgleich des Zugewinns stehen nicht derart in einem rechtlichen Zusammenhang, daß der eine Anspruch notwendig vor dem anderen erfüllt werden müßte. Im vorliegenden Fall kann beispielsweise die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs festgestellt werden, bevor die Grundstückshälfte an den Kläger zurückgegeben ist. In die Ausgleichsrechnung ist eben der - unstreitig bestehende - Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der Grundstückshälfte mit dem Wert der Grundstückshälfte einzusetzen und das Vermögen der Beklagten entsprechend zu vermindern. Deshalb ist es regelmäßig in derartigen Fällen ein Gebot von Treu und Glauben, daß die eine Forderung nicht ohne Berücksichtigung der anderen geltend gemacht wird.

17

2.

Im Einzelfall kann allerdings die vermögensrechtliche Auseinandersetzung geschiedener Ehegatten bei Annahme eines Zurückbehaltungsrechts wegen des Zugewinnausgleichsanspruchs erschwert oder sogar gefährdet sein. Das kann der Fall sein, wenn der den Zugewinnausgleich schuldende Ehegatte zur Begleichung des Anspruchs oder zur Leistung von Sicherheit nach § 273 Abs. 3 BGB zwecks Abwendung des Zurückbehaltungsrechts darauf angewiesen ist, den zurückverlangten Gegenstand zu veräußern oder zu belasten. Ist danach die Durchführung der Auseinandersetzung ernsthaft gefährdet, so kann es dem anderen Ehegatten nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf sein Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Denn das Zurückbehaltungsrecht darf nicht dazu benutzt werden, die Auseinandersetzung zu blockieren. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist dem beklagten Ehegatten in einem solchen Fall aber nur dann nach Treu und Glauben verwehrt, wenn der andere Teil sein Sicherungsbedürfnis angemessen befriedigt und ihm anstelle des Zurückbehaltungsrechts eine andere, ihn weniger belastende Sicherheit anbietet. Infrage kommen etwa die Belastung des Grundstücks mit einem Grundpfandrecht zugunsten des beklagten Ehegatten oder die Herausgabe an einen Treuhänder (vgl. Staudinger/Selb a.a.O. § 273 Rdn. 28; BGH, Urteil vom 21. Juni 1972 - IV ZR 110/71 = MDR 1972, 936, 937).

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Die Erwägung des Berufungsgerichts, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger zur Erfüllung des Zugewinnausgleichs eine Belastung oder sogar Verwertung des Grundbesitzes in Betracht ziehen müsse, reicht zum Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts nicht aus.

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Ob der Beklagten nach diesen Grundsätzen ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, bedarf tatsächlicher Aufklärung.

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3.

Auch seine Hilfserwägung, die Beklagte habe ihren Anspruch auf Zugewinn nicht hinreichend substantiiert, trägt die Entscheidung des Berufungsrichters nicht. Zwar gehört zur wirksamen Ausübung des Zurückbehaltungsrechts, daß der Beklagte die Gegenleistung genau bezeichnet (Staudinger/Selb a.a.O. § 274 Rdn. 3; MünchKomm/Keller a.a.O. § 274 Rdn. 2). Das hat die Beklagte aber in ihrer Berufungsbegründung getan. Sie hat in nachprüfbarer Weise das beiderseitige Anfangs- und Endvermögen dargelegt und daraus den ihr nach ihrer Ansicht zustehenden Zugewinnausgleichsanspruch betragsmäßig errechnet. Dabei hat sie das eigene Anfangs- und Endvermögen mit null angegeben, als Anfangsvermögen des Klägers den Wert des unbebauten Grundstücks, hochgerechnet auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags, genannt und als Endvermögen des Klägers den Wert des ganzen bebauten Grundstücks angenommen. Damit ist der Zugewinnausgleichsanspruch schlüssig dargetan. Ob die von ihr genannten Daten richtig sind, ist eine weitere Frage, die von der wirksamen Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zu unterscheiden ist.

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Das Berufungsurteil wird deshalb aufgehoben, soweit eine der Beklagten selbst zustehende Gegenforderung in Betracht kommt.

Merz
Zorn
Gärtner
Winter
Graßhof