Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 18.04.1984, Az.: IVb ZR 49/82

Abänderung eines Prozessvergleichs bezüglich der Höhe des zu zahlenden Unterhalts; Veränderung der maßgebenden Verhältnisse; Beachtung der Bemessungsmaßstäbe eines Vergleichs; Angemessener Selbstbedarf des Unterhaltspflichtigen gegenüber einem volljährigen Kind; Vorrang eines Familien-Unterhaltsanspruchs; Unterhaltsrechtliche Gleichstellung eines Behinderten mit einem minderjährigen Kind; Möglichkeit des Unterhaltsschuldners zur Leistung von Aushilfsarbeiten oder Gelegenheitsarbeiten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
18.04.1984
Aktenzeichen
IVb ZR 49/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 12861
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 27.04.1982
AG Bielefeld - 14.09.1981

Fundstellen

  • MDR 1984, 1012-1013 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 1813-1816 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Roswitha K.,
gesetzlich vertreten durch Lilli Ka., B. straße ..., Bi.

Prozessgegner

Ernst K., Am F., Bi.

Amtlicher Leitsatz

Volljährige Kinder, die infolge einer körperlichen oder geistigen Behinderung nicht erwerbsfähig sind, können gleichwohl unterhaltsrechtlich nicht den minderjährigen (unverheirateten) Kindern gleichgestellt werden.

Auf die Geschäftsfähigkeit kommt es insoweit nicht an.

Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
im schriftlichen Verfahren nach dem Stand vom 10. April 1984
durch
die Richter Dr. Seidl, Dr. Blumenröhr, Dr. Krohn, Dr. Zysk und Nonnenkamp
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. April 1982 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußrevision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bielefeld vom 14. September 1981 stattgegeben worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die am ... 1950 geborene Beklagte ist die Tochter des Klägers aus seiner im Jahre 1966 geschiedenen Ehe. Sie ist behindert und nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie lebt tagsüber in einem von der Lebenshilfe e.V. in B. betriebenen Stift, in dem sie ein Taschengeld und an fünf Tagen der Woche ein Mittagessen erhält. Im übrigen wird sie von ihrer Mutter versorgt.

2

Durch Prozeßvergleich vom 28. Januar 1975 verpflichtete sich der Kläger im Rahmen eines früheren Unterhaltsrechtsstreits, mit Wirkung vom 1. Januar 1975 an monatlich 300 DM Unterhalt an die Beklagte zu zahlen. Der Kläger bezog zu jener Zeit eine Pension als Frühpensionär von der Deutschen Bundesbahn und eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus einer früheren Angestelltentätigkeit in Höhe von zusammen rund 1.400 DM netto. Hiervon hatte er neben dem Unterhalt für die Beklagte monatlich 200 DM Unterhalt für einen nichtehelichen Sohn zu zahlen. Außerdem hatte er Schulden in Höhe von rund 10.000 DM, für deren Tilgung er monatlich - mindestens - 200 DM aufbringen mußte.

3

Im Juli 1978 schloß der Kläger eine neue Ehe. Seine Ehefrau, die zu 40 % in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert ist, war zunächst als Fleischfachverkäuferin tätig. Sie ist inzwischen arbeitslos. Bis Mai 1981 erhielt sie Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich rund 500 DM. Nach Erschöpfung dieses Anspruchs wurde ihr die Gewährung von Arbeitslosenhilfe mit Rücksicht auf das Pensionseinkommen des Klägers versagt.

4

Mit Wirkung vom Juni 1979 entfiel die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers, da er nach ärztlicher Begutachtung nicht mehr erwerbsunfähig und auch nicht mehr berufsunfähig, sondern wieder imstande war, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

5

Unterhaltszahlungen für den inzwischen volljährigen nichtehelichen Sohn leistet der Kläger seit Mai 1981 nicht mehr.

6

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Abänderung des Prozeßvergleichs vom 28. Januar 1975 und den Fortfall seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten, da in seinen Verhältnissen als Folge der neuen Eheschließung eine wesentliche Änderung eingetreten sei; er sei nunmehr seiner Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig und deshalb zu Unterhaltszahlungen an die Beklagte nicht mehr in der Lage.

7

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Abänderungsklage mit Wirkung vom 1. Mai 1981 an stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Unterhaltsverpflichtung des Klägers für die Zeit ab Mai 1981 in Höhe von monatlich 150 DM wiederhergestellt; im übrigen hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

8

Hiergegen wenden sich die Beklagte mit der - zugelassenen Revision und der Kläger im Wege der (unselbständigen) Anschlußrevision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist nicht begründet. Die Anschlußrevision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

10

A

Revision der Beklagten:

11

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für eine Abänderung des am 28. Januar 1975 geschlossenen Prozeßvergleichs bejaht, weil der Kläger nach dem Vergleichsabschluß eine zweite Ehe eingegangen und damit gegenüber seiner jetzigen Ehefrau - nach Fortfall ihrer eigenen Einkünfte - unterhaltspflichtig geworden sei; diese Veränderung gegenüber den im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses maßgebenden Verhältnissen werde nicht durch den zwischenzeitlichen Wegfall der Unterhaltspflicht für den nichtehelichen Sohn und auch nicht durch die sonstigen Einkommensveränderungen auf seiten des Klägers aufgewogen.

12

Diese Auffassung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

13

1.

Zu den Grundlagen und dem Umfang der Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner zweiten Ehefrau hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Ehefrau habe bei Eingehung der Ehe gearbeitet; es entspräche daher den ehelichen Lebensverhältnissen, wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachginge. Wie der Kläger substantiiert dargetan habe, habe sie sich aber nach dem Verlust ihrer früheren Arbeitsstelle wiederholt ohne Erfolg um eine neue Tätigkeit bemüht. Sie sei daher, da ihr mit Rücksicht auf das Pensionseinkommen des Klägers die Gewährung von Arbeitslosenhilfe verweigert worden sei, seit dem Wegfall des Arbeitslosengeldes im Mai 1981 auf Unterhaltsleistungen des Klägers angewiesen.

14

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.

15

2.

Die Einkommensverhältnisse und Verpflichtungen des Klägers bei Abschluß des Prozeßvergleichs im Jahre 1975 einerseits und für die Zeit ab Anfang 1981, für die er den Fortfall der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten begehrt, auf der anderen Seite hat das Berufungsgericht in folgender Weise gegenübergestellt:

16

Von dem Nettoeinkommen von insgesamt rund 1.400 DM, über das der Kläger zur Zeit des Vergleichsabschlusses verfügt habe, seien ihm nach Abzug der Unterhaltsbeträge für die Beklagte und den nichtehelichen Sohn monatlich 900 DM verblieben, wobei die damaligen Schulden des Klägers nicht voll angerechnet werden könnten, weil er bei der Mutter der Beklagten mietfrei gewohnt habe. Der unterhaltsrechtliche Eigenbedarf eines arbeitenden Unterhaltspflichtigen gegenüber einem minderjährigen Kind sei nach den seinerzeit geltenden Sätzen der Düsseldorfer Tabelle mit 450 DM angesetzt worden, so daß dem Kläger damals von seinem Einkommen ein beträchtlich höherer Betrag verblieben sei.

17

Für 1981 sei von einem Pensionseinkommen des Klägers in Höhe eines Mittelwertes von rund 1.578 DM netto und für 1982 von einem Durchschnittsbetrag von etwa 1.588 DM monatlich auszugehen. Nach den Hammer Leitlinien/Düsseldorfer Tabelle habe der Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen gegenüber einem volljährigen Kind im Jahre 1981 1.100 DM betragen und im Jahre 1982 1.200 DM. Für die bei dem Unterhaltspflichtigen lebende Ehefrau sei 1981 ohne ausdrückliche Fixierung in den Leitlinien ein Betrag von rund 505 DM zu veranschlagen, weil die gemeinsame Haushaltsführung Ersparnisse mit sich bringe. Für 1982 sei in den Leitlinien insoweit ein Ansatz von 605 DM als Mindestbetrag für den Ehegatten vorgesehen. Danach habe der Eigenbedarf des Klägers und seiner Ehefrau im Jahre 1981 monatlich mindestens 1.605 DM betragen und im Jahre 1982 mindestens 1.805 DM und habe damit bereits über dem Pensionseinkommen des Klägers gelegen. Bei dieser Sachlage sei eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses auf Seiten des Klägers dargetan. Sein derzeitiges Pensionseinkommen reiche nicht aus, um den angemessenen Unterhalt für ihn selbst und seine Ehefrau zu decken und seine nach § 1603 Abs. 1 BGB grundsätzlich weiterbestehende Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten zu erfüllen.

18

Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts ist, wenn auch nicht in allen Punkten der Begründung, so doch im Ergebnis zuzustimmen.

19

3.

a)

Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß das Oberlandesgericht die Bemessungsmaßstäbe des Vergleichs vom 28. Januar 1975 nicht beachtet hätte. Das Oberlandesgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, daß dem Vergleich die in dem angefochtenen Urteil wiedergegebenen Einkommensverhältnisse und Verpflichtungen des Klägers sowie seine Bedürfnisse und diejenigen der Beklagten, wie sie im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden, zugrunde gelegt worden waren.

20

In diesem Zusammenhang weist die Revision allerdings zu Recht darauf hin, daß die am 8. März 1950 geborene Beklagte bei Abschluß des Vergleichs im Januar 1975 bereits volljährig war. Der Eigenbedarf des Klägers war daher schon für den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses nicht nach den im Verhältnis zu einem minderjährigen Kind geltenden Sätzen der - als Richtlinie anwendbaren - Düsseldorfer Tabelle mit monatlich 450 DM anzusetzen, sondern nach dem Maßstab des § 1603 Abs. 1 BGB mit dem Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen gegenüber einem volljährigen Kind mindestens zu belassen war. Die Sätze der Düsseldorfer Tabelle, nach denen die Beklagte ihren Unterhaltsanspruch in dem Rechtsstreit bemessen hatte, der zu dem Abschluß des Vergleichs am 28. Januar 1975 führte, enthalten hierzu keine Zahlenangaben (vgl. Düsseldorfer Tabelle Stand: 1. Januar 1973, DAVorm 1973, 35; Stand: 1. Januar 1975, DAVorm 1975, 183). Der angemessene Selbstbedarf des Unterhaltspflichtigen gegenüber einem volljährigen Kind war jedenfalls höher anzusetzen als der nach § 1603 Abs. 2 BGB maßgebende, mit monatlich 450 DM angenommene Selbstbehaltssatz gegenüber einem minderjährigen Kind und - nicht unerheblich - niedriger als der von dem Berufungsgericht für die Zeit ab 1981, also nach Ablauf von sechs Jahren, zugrunde gelegte Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern mit monatlich 1.100 DM. Da in den Selbstbehaltssätzen grundsätzlich auch ein Anteil für die Mietkosten des Unterhaltspflichtigen enthalten ist und der Kläger bei Vergleichsabschluß mietfrei bei seiner geschiedenen Ehefrau wohnte, verringerte sich sein angemessener Unterhaltsbedarf im Verhältnis zu der Beklagten um den entsprechenden Anteil der Mietkosten. Der angemessene Selbstbehalt des Klägers gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Beklagten kann sich danach im Januar 1975 nur in einem Bereich bis etwa 600 DM bewegt haben (vgl.: Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen nach Billigkeit im Fall des § 59 EheG nach der Düsseldorfer Tabelle Stand 1. Januar 1977, DAVorm 1977, 34: mindestens 650 DM).

21

Wenn dem Kläger mithin bei einem Nettoeinkommen von 1.400 DM nach Abzug der Unterhaltsleistungen für den nichtehelichen Sohn in Höhe von 200 DM und für die Beklagte in Höhe von 300 DM sowie, wie die Revision zu Recht für geboten hält, bei Berücksichtigung seiner Schulden mit monatlich 200 DM - d.h. unter Beachtung seiner sämtlichen Verpflichtungen - ein Betrag von rund 700 DM monatlich verblieb, so überstieg dieser Betrag noch den Satz des unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden angemessenen Eigenbedarfs des unterhaltspflichtigen Klägers. In diesem Sinn ist daher der Bewertung des am 28. Januar 1975 geschlossenen Prozeßvergleichs durch das Berufungsgericht zu folgen.

22

b)

Für die Zeit ab 1981 hat das Berufungsgericht das Nettoeinkommen des Klägers in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit monatlich 1.578 DM (1981) bzw. 1.588 DM (1982) angenommen. An unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen hat das Gericht - nach dem Wegfall der Unterhaltsbedürftigkeit des nichtehelichen Sohnes im Mai 1981 - nur die Unterhaltslast des Klägers gegenüber seiner nicht mehr erwerbstätigen jetzigen Ehefrau berücksichtigt, die es für 1981 mit monatlich rund 505 DM und für 1982 mit monatlich 605 DM bewertet hat. Den angemessenen Eigenbedarf für den Kläger, der einem Unterhaltsschuldner nach § 1603 Abs. 1 BGB stets zu belassen ist, hat das Berufungsgericht unter Heranziehung der Sätze der Hammer Leitlinien in Verbindung mit der Düsseldorfer Tabelle ermittelt und danach mit monatlich 1.100 DM für 1981 und monatlich 1.200 DM für 1982 angesetzt. Hiergegen bestehen revisionsrechtlich keine Bedenken. Insbesondere ist es, entgegen der Auffassung der Revision, nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei der Bemessung des angemessenen Eigenbedarfs tabellenmäßige Richtlinien als Erfahrungswerte herangezogen hat (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 651/80 = FamRZ 1982, 365, 366 m.w.N.).

23

c)

Auf der so gewonnenen Grundlage ist das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß in den Einkommensverhältnissen des Klägers seit Abschluß des Vergleichs im Januar 1975 eine wesentliche Veränderung im Sinne von § 323 ZPO insofern eingetreten ist, als das Einkommen des Klägers seit Mai 1981 nicht mehr ausreicht, um ihm die Erfüllung aller seiner Unterhaltsverpflichtungen - gegenüber der jetzigen Ehefrau und der Beklagten - bei Wahrung seines angemessenen Eigenbedarfs zu ermöglichen. Schon die für den angemessenen Unterhalt des Klägers selbst und seiner Ehefrau erforderlichen Beträge von 1.605 DM im Jahre 1981 und 1.805 DM im Jahre 1982 übersteigen sein gesamtes Einkommen.

24

4.

Eine anteilsmäßige Aufteilung des über die Selbstbedarfssätze hinausgehenden Renteneinkommens des Klägers auf die Unterhaltsansprüche der jetzigen Ehefrau einerseits und der Beklagten andererseits kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Denn die Ehefrau geht - nach der insoweit zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts - mit ihrem Familien-Unterhaltsanspruch nach § 1360 BGB der volljährigen Beklagten im Rang vor, § 1609 Abs. 2 BGB.

25

Die Revision hält es für geboten, die körperlich und geistig behinderte Beklagte wegen ihrer Behinderung unterhaltsrechtlich einem minderjährigen unverheirateten Kind gleichzustellen und führt dazu aus: Ein wegen einer geistigen Behinderung Geschäftsunfähiger sowie ein wegen Geistesschwäche Entmündigter stünden in Ansehung der Geschäftsfähigkeit einem Minderjährigen gleich. Die Angleichung der Rechtsstellung eines Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen an diejenige eines Minderjährigen könne sich aber nicht auf den Privatrechtsverkehr beschränken. Sie müsse vielmehr auch im Familienrecht Beachtung finden. Dabei müßten bei der Auslegung der §§ 1603 und 1609 BGB volljährige Kinder, die wegen einer geistigen Behinderung geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig seien, den minderjährigen Kindern gleichgestellt werden. Das gelte auch im vorliegenden Fall für die Beklagte, da diese wegen dauernder krankhafter Störung der Geistestätigkeit geschäftsunfähig sei.

26

Dem kann nach der bestehenden Rechts- und Gesetzeslage nicht gefolgt werden.

27

a)

Nach § 1609 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB steht der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen den minderjährigen unverheirateten Kindern gleich; den anderen, also u.a. den volljährigen Kindern, geht er nach § 1609 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB im Rang vor. Die Rangordnung im Verhältnis zwischen Ehegatten und Kindern des Unterhaltsschuldners bestimmt sich also nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschließlich nach dem Alter der Kinder (vgl. § 2 BGB).

28

b)

Es kann dahingestellt bleiben, ob die - volljährige - Beklagte, wie die Revision geltend macht, als Folge ihrer Behinderung geschäftsunfähig ist.

29

Die Geschäftsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, im Rechtsverkehr Rechtsgeschäfte selbständig wirksam vorzunehmen, ist weder von Bedeutung für die Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit und Schutzwürdigkeit, noch beeinflußt sie die Nähe der Familienbeziehung, auf welcher die Rangfolge des § 1609 Abs. 2 BGB letztlich beruht (vgl. Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band TV S. 682, 686, 687; Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht, 4. Aufl. Rdn. 1251, 1252). Die Regeln über die Geschäftsunfähigkeit und die beschränkte Geschäftsfähigkeit in §§ 104 und 114 BGB geben daher keinen Aufschluß über die Einordnung eines Unterhaltsbedürftigen im Verhältnis zu anderen Unterhaltsgläubigern und die zwischen ihnen bestehende Rangfolge gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten. Da im Unterhaltsrecht andere Kriterien den Ausschlag geben als sie für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit gelten, kann die gesteigerte Eigenverantwortlichkeit im unterhaltsrechtlichen Sinn, die das Gesetz an den Eintritt der Volljährigkeit knüpft, nicht mit der Eigenverantwortlichkeit im rechtsgeschäftlichen Verkehr gleichgesetzt werden. Im übrigen bedingt Geschäftsunfähigkeit nicht notwendig auch Unterhaltsbedürftigkeit. So ist ein Geschäftsunfähiger, der über ausreichendes Vermögen verfügt, nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten, und deshalb nicht unterhaltsbedürftig im Sinne von § 1602 Abs. 1 BGB; ebenso zieht Geschäftsunfähigkeit nicht ohne weiteres Erwerbsunfähigkeit und damit - bei Vermögenslosigkeit - Unterhaltsbedürftigkeit nach sich.

30

c)

Die Frage der Rangfolge im Unterhaltsrecht ist auch bei Berücksichtigung der berechtigten Belange volljähriger körperlich und geistig behinderter Kinder nach dem Regelungsinhalt und Zweck der unterhaltsrechtlichen Vorschriften zu beantworten.

31

Danach ist der gleiche Rang nur für das Verhältnis zwischen Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern vorgesehen, wobei die unterhaltsrechtliche Situation des - gegenwärtigen und früheren - Ehegatten als ebenso schutzwürdig behandelt wird wie die gesteigerte Unterhaltsberechtigung der minderjährigen unverheirateten Kinder gegenüber ihren Eltern nach § 1603 Abs. 2 BGB. Für den Fall der Konkurrenz mit anderen, also nicht (mehr) minderjährigen unverheirateten Kindern, ist dementsprechend den unterhaltsrechtlichen Belangen des Ehegatten der Vorrang eingeräumt.

32

Soweit das Gesetz hierbei (abgesehen von der Frage, ob das Kind verheiratet ist) allein auf das Alter des unterhaltsberechtigten Kindes abstellt und seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten zum - dauernden - Erwerb unterhaltsrechtlicher Selbständigkeit nicht berücksichtigt, kann nicht von einer - ursprünglichen oder nachträglichen - Regelungslücke in den gesetzlichen Vorschriften ausgegangen werden.

33

aa)

Eine derartige - ursprüngliche - Regelungslücke, die durch analoge Anwendung der für die minderjährigen unverheiratete Kinder geltenden Vorschriften der §§ 1603 Abs. 2 und 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB zu schließen wäre, läge etwa dann vor, wenn die unterhaltsrechtliche Situation volljähriger, aber körperlich und geistig behinderter Kinder nach den Wertungsmaßstäben des Gesetzes der Situation der minderjährigen unverheirateten Kinder in einem solchen Maße gliche, daß für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der beiden Fallgruppen kein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich wäre; in einem solchen Fall wäre es allerdings nach dem jeder Rechtsordnung immanenten Gerechtigkeitsgrundsatz, Gleichartiges gleich zu behandeln (vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. S. 359, 366 f), gemessen an der eigenen Absicht des Gesetzes geboten, körperlich und geistig behinderte volljährige Kinder im Hinblick auf ihre Unterhaltsbedürftigkeit ebenso zu behandeln wie die minderjährigen unverheirateten Kinder.

34

Das ist indessen nicht der Fall. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches hat vielmehr den Umfang der Unterhaltsverpflichtung von Eltern gegenüber ihren - minderjährigen und volljährigen - Kindern und die daraus folgende Rangordnung zwischen Kindern und den ebenfalls unterhaltsbedürftigen Ehegatten erschöpfend und abschließend regeln wollen und sich dabei von Gesichtspunkten leiten lassen, die die unterschiedliche Behandlung der minderjährigen unverheirateten Kinder einerseits und der volljährigen, einschließlich geistig behinderter volljähriger Kinder andererseits, zu rechtfertigen vermögen. Im Gesetzgebungsverfahren ist ausdrücklich erörtert worden, daß die Gründe, auf denen die Anerkennung einer intensiveren Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber Kindern beruhten, dahin zu führen schienen, jene intensivere Unterhaltspflicht auch zugunsten volljähriger, aber noch nicht zur Selbständigkeit gelangter Kinder anzuerkennen (vgl. Motive a.a.O. S. 686 f). Eine solche Ausdehnung wurde jedoch vom Standpunkt einer Gesetzgebung aus, die mit der Volljährigkeit des Kindes die elterliche Gewalt ohne Rücksicht darauf aufhören lasse, ob dieses im konkreten Fall noch nicht in der Lage sei, einen selbständigen Haushalt zu begründen, nicht als gerechtfertigt erachtet. Dabei wurde maßgeblich darauf abgestellt, daß mit der Volljährigkeit des Kindes die Stellung der Eltern ihm gegenüber eine tiefgreifende Änderung erfahre. So sei das volljährige Kind nicht mehr abhängig von seinen Eltern und könne insbesondere über sein Vermögen beliebig verfügen. Dieser Änderung in dem Verhältnis zwischen Eltern und Kind entspreche es, mit der Volljährigkeit die intensivere Unterhaltspflicht der Eltern aufhören zu lassen (a.a.O. S. 682).

35

Diese Erwägungen treffen grundsätzlich auch für geistig und körperlich behinderte Kinder zu, bei denen die elterliche Sorge ebenfalls mit Eintritt der Volljährigkeit endet. Dem Kriterium der fortdauernden Unterhaltsbedürftigkeit wurde hingegen im Gesetzgebungsverfahren bewußt keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Da auch in der Zeit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches geistig und körperlich behinderte Kinder existierten, die trotz Volljährigkeit außerstande waren, sich selbst zu unterhalten, besteht nach den dargelegen gesetzgeberischen Motiven kein begründeter Anlaß zu der Annahme, der Gesetzgeber habe die Fälle von Unterhaltsbedürftigkeit wegen körperlicher oder geistiger Behinderung und daraus folgender Erwerbsunfähigkeit nicht gesehen und hätte sie, falls er sie berücksichtigt hätte, nach den Grundgedanken und dem Regelungsinhalt des Unterhaltsrechts durch Gleichstellung der volljährigen behinderten Unterhaltsberechtigten mit den minderjährigen unverheirateten Kindern regeln müssen.

36

bb)

Die gesetzliche Regelung der §§ 1603 Abs. 2, 1609 Abs. 2 BGB ist auch nicht durch die spätere Entwicklung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches in bezug auf die Berücksichtigung der Unterhaltsbelange volljähriger geistig oder körperlich behinderter Kinder lückenhaft geworden. Es mag zwar davon auszugehen sein, daß sich die Situation behinderter Kinder seit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches vor allem insofern geändert hat, als die Kinder nicht mehr so häufig wie früher in der Obhut eines - vielfach großen - Familienverbandes unterhalten werden. Außerdem kann durch eine Zunahme der Ehescheidungen das Problem der unterhaltsrechtlichen Rangfolge zwischen unterhaltsbedürftigen behinderten Kindern einerseits und - früherem und gegenwärtigem - Ehegatten andererseits eine größere Bedeutung erlangt haben. Die Auswirkungen solcher in der allgemeinen gesellschaftlichen Situation eingetretener Veränderungen haben aber jedenfalls nicht einen Grad erreicht, der zur Annahme einer Lücke der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung führen und es daher gebieten könnte, daß der Richter im Wege einer Korrektur der gesetzlichen Vorschriften geistig oder körperlich behinderte volljährige Kinder unterhaltsrechtlich den minderjährigen unverheirateten Kindern gleichzustellen hätte.

37

Aus diesen Gründen teilt der Senat auch nicht die in der Revisionsverhandlung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die - fortdauernde - Wirksamkeit der unterhaltsrechtlichen Rangordnung nach Maßgabe des § 1609 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

38

Das Berufungsgericht ist nach alledem zu Recht gemäß § 1609 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB von dem Vorrang des Unterhaltsanspruchs der jetzigen Ehefrau des Klägers gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Beklagten ausgegangen, und es hat auf dieser Grundlage rechtsfehlerfrei entschieden, daß der Kläger von seiner Pension ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts (in Höhe von 1.100 DM monatlich im Jahre 1981 und 1.200 DM im Jahre 1982) und des Unterhalts seiner Ehefrau (in Höhe von monatlich 505 DM im Jahre 1981 und 605 DM im Jahre 1982) keine Unterhaltsbeiträge mehr an die Beklagte leisten kann.

39

B

Anschlußrevision des Klägers:

40

1.

Das Berufungsgericht hat den Kläger für imstande gehalten, der Beklagten weiterhin monatlich 150 DM Unterhalt zu zahlen, und zwar mit folgender Begründung: Der Kläger könne zwar von seiner Pension ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts und des Unterhalts seiner Ehefrau keine Beiträge mehr an die Beklagte leisten, da die Pension bereits im Jahre 1981 um 27 DM und im Jahre 1982 um 217 DM monatlich unter den hierfür anzusetzenden Beträgen (von 1.605 DM für 1981 und 1.805 DM für 1982) liege. Der Kläger sei jedoch, anders als im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, nicht mehr berufs- oder erwerbsunfähig sondern für leichte körperliche Arbeiten einsatzfähig. Daher könne die Übernahme leichter Aushilfs- oder sonstiger Teilzeitarbeiten von ihm verlangt werden. Er habe allerdings Unterlagen über Inseratkosten vorgelegt und dazu behauptet, daß er sich in zwei aufgegebenen Anzeigen vergeblich um Arbeit bemüht habe. Außerdem habe er in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe sich bei insgesamt 16 Firmen auf deren Anzeigen gemeldet, jedoch keinen Erfolg gehabt; hierfür seien Wünsche nach Fachkräften, aber auch die Umstände maßgebend gewesen, die zu seiner Frühpensionierung geführt hatten.

41

Diese Bemühungen des Klägers hat das Berufungsgericht, insbesondere im Hinblick auf die aus den Gründen für die vorzeitige Pensionierung des Klägers herleitbaren Bedenken auf selten von möglichen Arbeitgebern, für ausreichend gehalten für den Nachweis, daß der Kläger trotz Bemühungen keine Tätigkeit habe erlangen können, die ihm ein laufendes zusätzliches Einkommen von über 500 DM sichern würde, so daß er neben dem eigenen und dem Unterhaltsbedarf seiner Ehefrau auch weiterhin den Unterhaltsbedarf der Beklagten in Höhe von 300 DM decken könnte. Das Berufungsgericht hat sich aber andererseits auf den Standpunkt gestellt, die von dem Kläger vorgetragenen und belegten Arbeitsbemühungen reichten nicht aus, um zu beweisen, daß er auch außerstande sei, ab Mai 1981 weiterhin einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 150 DM an die Beklagte zu leisten. Es sei dem Kläger gerade im Hinblick auf die Vorgeschichte zuzumuten, sich mit wechselnden Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zu begnügen und solche ständig zu suchen, wenn eine feste Einstellung, auch als Teilzeitkraft, auf Bedenken stoße. Bemühungen in dieser Richtung habe der Kläger weder ausreichend behauptet noch belegt. Es sei daher nicht bewiesen, daß er ab Mai 1981 nicht durch Aushilfsarbeiten wenigstens durchschnittlich etwa 180 DM im Monat und nach Ablauf der Eingewöhnungszeit ab 1. Januar 1982 nicht mindestens monatlich 370 DM im Durchschnitt hätte verdienen können. Er müsse sich demzufolge so behandeln lassen, als habe er die entsprechenden Beträge zusätzlich verdient, so daß er weiterhin monatlich 150 DM an die Beklagte zahlen könne.

42

2.

Hiergegen erhebt die Anschlußrevision zu Recht Bedenken.

43

Die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Kläger - trotz seiner nachgewiesenen erfolglosen Bemühungen um eine ihm nach seinem Gesundheitszustand zumutbare (Neben-)Erwerbstätigkeit - dennoch in der Lage wäre, durch wechselnde Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten regelmäßig monatlich mindestens 180 DM bzw. 370 DM zu verdienen, läßt, wie die Anschlußrevision zu Recht geltend macht, keine ausreichende Grundlage erkennen.

44

Da es sich bei den von dem Berufungsgericht als mögliche Einnahmen angenommenen Beträgen um Nettobeträge handeln soll, müßte der Kläger entsprechend höhere Bruttoverdiente erzielen, um die - regelmäßig monatlich fällig werdenden - Unterhaltsbeiträge für die Beklagte aufbringen zu können. Der Kläger ist indessen, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, nach seinem Gesundheitszustand nur für leichte körperliche Arbeiten einsatzfähig. Aushilfs- oder Gelegenheitsarbeiten, die mit schwerem körperlichem Einsatz verbunden sind, kommen also nicht für ihn in Betracht. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Kreis der möglichen Aushilfs- und Gelegenheitstätigkeiten bei Berücksichtigung der - ungünstigen - Lage auf dem Arbeitsmarkt nach allgemeiner Erfahrung bereits erheblich eingeschränkt sein.

45

Wenn das Berufungsgericht gleichwohl zu der Auffassung gelangt ist, der Kläger könne Aushilfs- oder Gelegenheitsarbeiten ausüben, bei denen er trotz seiner eingeschränkten körperlichen Einsatzfähigkeit und trotz der Gründe, die zu seiner vorzeitigen Pensionierung geführt hatten, regelmäßig monatlich zunächst mindestens 180 DM netto im Durchschnitt und ab 1982 mindestens 370 DM netto im Durchschnitt verdienen könne, so mußte es die tatsächlichen Gründe für diese Annahme - etwa nach der Art der in Betracht kommenden Tätigkeiten, dem "Markt" für solche Gelegenheitsarbeiten in dem für den Kläger erreichbaren Einzugsgebiet und dem möglichen persönlichen Zugang des Klägers hierzu - in nachprüfbarer Weise darlegen.

46

Da das bisher nicht geschehen ist, kann das angefochtene Urteil insoweit nicht bestehenbleiben. Die Sache ist vielmehr im Umfang der Anfechtung durch die Anschlußrevision zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Seidl
Blumenröhr
Krohn
Zysk
Nonnenkamp