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Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.11.1983, Az.: I ZR 192/81
„Copy-Charge“

Wettbewerbswidrigkeit von Boykottaufrufen; Beurteilung einer Wiederholungsgefahr bei zeitlich eingegrenzter strafbewehrter Unterlassungserklärung; Begriff der unwahren und irreführenden Aussagen; Bedeutung des Grundsatzes der freien Meinungsäußerung bei einem Boykottaufruf in einer Presseerklärung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
24.11.1983
Aktenzeichen
I ZR 192/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 12662
Entscheidungsname
Copy-Charge
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt am Main - 24.09.1981
LG Frankfurt am Main - 04.06.1980

Fundstellen

  • AfP 1984, 31-33
  • MDR 1984, 467-468 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1985, 62-64 (Volltext mit amtl. LS) "Copy-Charge"

Verfahrensgegenstand

Copy-Charge

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines Boykottaufrufs, wenn der Herausgeber eines Branchen-Informationsblatts Fachhändler zur Beendigung oder Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu einem angeblich zu teuer liefernden Händler auffordert und sich zugleich zur Benennung preisgünstigerer Lieferanten bereit erklärt.

  2. b)

    Zur Frage der Beseitigung der Wiederholungsgefahr bei einer auf ein aktuelles Geschehen bezogenen Presseberichterstattung durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die zeitlich auf Ereignisse in der Gegenwart und in den letzten 11 Monaten vor Abgabe der Unterlassungserklärung beschränkt ist.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Piper, Dr. Erdmann, Dr. Teplitzky und Dr. Scholz-Hoppe
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 6. Zivilsenat - vom 24. September 1981 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 6. Zivilkammer - vom 4. Juni 1980 abgeändert worden ist. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufung trägt die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4. Von den Kosten der Revision trägt die Klägerin 2/3, die Beklagte 1/3.

Tatbestand

1

Die Klägerin vertreibt über Fachhändler, mit denen sie entsprechende Verträge abgeschlossen hat (sog. Copy-Charge-Verträge), C.-Kopiergeräte.

2

Die Beklagte verlegt und vertreibt Branchen-Informationsblätter. In der Ausgabe vom 21. August 1979 befaßte sie sich mit der Klägerin in folgender Weise:

Die Abwanderung der Fachhändler aus dem C.-C.-Vertrieb ist in vollem Gange. Immer mehr Händler werfen von sich aus das Handtuch und sehen sich nach neuen Fabrikaten um ... Der Willicher Kopiergeräte-Hersteller langt bei Aufkündigung der Copy-Charge-Verträge nämlich ganz schön zu, so daß sich bereits Kollegen nach anderen Quellen mit preisgünstigerer Ware, die im Schnitt um 10-15 % unter der C.-C.-EK's liegt, eindecken. Falls auch Sie Interesse haben, können Sie Adressennachweise über "markt intern" erfragen.

3

Auf Abmahnungen der Klägerin gab die Beklagte mehrere Unterwerfungserklärungen ab, zuletzt am 10. März 1980. In dieser verpflichtete sie sich, bei Vermeidung einer Vertragsstrafe von 5.000,00 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung es zu unterlassen,

  1. a)

    in Bezug auf die gegenwärtige Situation und diejenige der zurückliegenden 11 Monate zu behaupten, die Abwanderung der Fachhändler aus dem C.-C.-Vertrieb sei in vollem Gange.

    ...

  2. b)

    ebenfalls in Bezug auf die gegenwärtige Situation und die letzten 11 Monate zu behaupten, immer mehr Händler würden von sich aus das Handtuch werfen.

    ...

    Ferner erklärte sie:

    Für den Fall, daß in Zukunft tatsächlich ein überdurchschnittliches Ausscheiden von Händlern aus dem C.-C.-Vertrieb festzustellen ist, verpflichtet sich (die Beklagte) bei Vermeidung einer Vertragsstrafe von ebenfalls 5.000,00 DM dazu, (der Klägerin) 4 Arbeitstage vor einer geplanten Veröffentlichung über den genauen Wortlaut zu unterrichten, sofern die in a) und b) genannten Behauptungen im geplanten Text enthalten sind.

4

Die Klägerin, die den Artikel der Beklagten im Informationsblatt vom 21. August 1979 für wettbewerbswidrig hält und die Unterwerfungserklärung vom 10. März 1980 zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht als ausreichend ansieht und deshalb nicht angenommen hat, hat vorgetragen: Die in dem angegriffenen Artikel enthaltenen Ausführungen gingen von unzutreffenden Voraussetzungen aus und seien unwahr. Die Beklagte habe damit zu Lasten der Klägerin in unlauterer und irreführender Weise in den Wettbewerb zwischen der Klägerin und ihren Mitbewerbern eingegriffen. Mit dem Angebot zum Nachweis preisgünstigerer Anbieter habe sie zudem rechtswidrig zum Boykott der Klägerin aufgerufen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, über die Klägerin und ihre Vertriebsorganisation folgende Behauptungen aufzustellen und zu verbreiten:

    1. a)

      Die Abwanderung der Fachhändler aus dem C.-C.-Vertrieb ist in vollem Gange,

    2. b)

      immer mehr Händler werfen von sich aus das Handtuch und sehen sich nach neuen Fabrikaten um,

    3. c)

      der Willicher Kopiergeräte-Hersteller langt bei Aufkündigung der Copy-Charge-Verträge nämlich ganz schön zu, so daß bereits Kollegen nach anderen Quellen mit preisgünstigerer Ware, die im Schnitt um 10-15 % unter der C.-C.- EK's liegt, eindecken. Falls auch Sie Interesse haben, können Sie Adressennachweise über "markt intern" erfragen, und bei Nachfragen Interessennachweise entsprechend Buchst. c) zu liefern.

  2. 2.

    in Zukunft über die Materialpreise der Klägerin folgende Behauptung aufzustellen und zu verbreiten,

    Canon langt ganz schön zu.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu vorgetragen: Hinsichtlich der Klageanträge zu 1 a und 1 b sei die Klage schon deshalb abzuweisen, weil die Wiederholungsgefahr durch die Unterlassungserklärung vom 10. März 1980 entfallen sei. Im übrigen entspreche der Artikel vom 21. August 1979 - auch hinsichtlich der Ausführungen, die mit dem Klageantrag zu 1 c angegriffen seien - in vollem Umfang den Tatsachen. Von einem Boykottaufruf zu Lasten der Klägerin könne keine Rede sein. Abgesehen davon, daß die geschilderten Vorgänge zuträfen, habe sie die Geschäftsentschließungen der Leser ihres Informationsblatts weder beeinflußt noch beeinflussen können. Im übrigen sei sie in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit als Presseorgan durch Art. 5 Abs. 1 GG auch hinsichtlich des hier angegriffenen Artikels geschützt.

7

Das Landgericht hat die Beklagte gem. dem Klageantrag zu 1 c zur Unterlassung verurteilt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht auch den Klageanträgen zu 1 a und 1 b entsprochen. Im übrigen hat es die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es im letzten Absatz des Verbotsausspruchs des Landgerichts statt "Interessennachweise" "Adressennachweise" heißen müsse.

8

Gegen dieses Urteil richtet sich - soweit das Berufungsgericht die Klage für begründet erachtet hat (Klageanträge zu 1 a, 1 b und 1 c) - die Revision der Beklagten, die weiterhin beantragt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 1 c angegriffenen Äußerungen der Beklagten seien wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG, weil es die Beklagte mit diesen Äußerungen unzulässigerweise unternommen habe, die Leser ihres Blattes zum Boykott der Klägerin zu veranlassen. Die Beklagte habe damit zugunsten der Mitbewerber der Klägerin in den Wettbewerb eingegriffen. Sie habe nicht nur über die Preise der Klägerin berichtet und nicht nur auf günstigere Einkaufsmöglichkeiten bei deren Mitbewerbern und andere damit im Zusammenhang stehende Umstände hingewiesen, sondern habe darüber hinaus auch die Überlassung der Anschriften preisgünstigerer Mitbewerber angeboten. Damit habe sie ihre Leserschaft gezielt dahin beeinflußt, nicht mehr mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Eine solche boykottierende Behinderung der Klägerin sei mit den guten Sitten des Wettbewerbs nicht zu vereinbaren und auch durch das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) nicht gedeckt.

10

Darüber hinaus sei die Klage auch hinsichtlich der Klageanträge zu 1 a und 1 b begründet. Die insoweit angegriffenen Teile des Artikels vom 21. August 1979 seien unwahr und irreführend i.S. des § 3 UWG, weil nicht ersichtlich sei, daß sich Fachhändler in nennenswertem Umfang von der Klägerin abgewandt hätten. Insoweit fehle es auch nicht an der Wiederholungsgefahr. Soweit sich die Beklagte - zuletzt am 10. März 1980 - zur Unterlassung bereit erklärt habe, sei das nicht uneingeschränkt, sondern nur mit dem Vorbehalt geschehen, über Veränderungen im Vertriebsnetz der Klägerin für die Zeit vor Mai 1979 erneut in der beanstandeten Weise zu berichten. Diese Einschränkung begründe die Besorgnis, daß die Beklagte die angegriffenen Äußerungen wiederholen werde. Auch wenn sich Presseberichte der vorliegenden Art für gewöhnlich mit aktuellen Vorgängen beschäftigten, könnten Ereignisse aus der näheren Vergangenheit doch noch in die Gegenwart hineinwirken und bei Auftreten neuerer Vorkommnisse in einen Zusammenhang mit diesen gestellt werden. Eine solche Gefahr bestehe vorliegend auch im Hinblick auf den Schlußsatz der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 10. März 1980.

11

Im übrigen werde mit der Untersagung der Berichterstattung im Umfang der Klageanträge zu 1 a und 1 b die Beklagte in ihrer Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit nicht beeinträchtigt. Bei Eintreten neuer Ereignisse stünden einer lauteren und wahren Berichterstattung der Beklagten keine Bedenken entgegen.

12

II.

Die Revision ist erfolglos, soweit die Beklagte nach dem Klageantrag zu 1 c zur Unterlassung verurteilt worden ist. Insoweit hat das Berufungsgericht mit Recht in der beanstandeten Äußerung einen gegen die Klägerin gerichteten rechtswidrigen Boykottaufruf der Beklagten erblickt.

13

1.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß eine rechtswidrige Boykottmaßnahme, die dazu dient, die eigene oder fremde Geschäftstätigkeit auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit des Boykottierten zu fördern, eine Wettbewerbshandlung ist, die den Tatbestand wettbewerbswidrigen Verhaltens nach § 1 UWG erfüllt. Dieser Ausgangspunkt ist rechtlich nicht zu beanstanden (BGH GRUR 1980, 242, 243 = WRP 1980, 200, 201 - Denkzettelaktion). Auch die Revision erhebt insoweit keine Bedenken.

14

2.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Leser ihres Blattes rechtswidrig zum Boykott der Klägerin aufgerufen, weil sie es durch Form und Inhalt der beanstandeten Darstellung unzulässigerweise unternommen habe, die Leser - Fachhändler - zu veranlassen, die für den Betrieb von C.-Kopiergeräten erforderlichen Ersatzteile und Chemikalien nicht oder nicht mehr von der Klägerin zu beziehen. Diese Beurteilung begegnet nach den getroffenen Feststellungen keinen rechtlichen Bedenken. Denn danach hat die Beklagte die Leser ihres Blattes nicht nur über das Preisgebaren der Klägerin und das Preisniveau ihrer Mitbewerber unterrichtet. Vielmehr hat sie - darüber hinaus und ohne daß die Preisgestaltung oder das sonstige Geschäftsgebaren der Klägerin das gerechtfertigt hätte - denjenigen Fachhändlern, die Kunden der Klägerin waren oder werden konnten, die Namhaftmachung preisgünstigerer Lieferanten angeboten mit dem Hinweis, daß deren Preise 10-15 % unter denen der Klägerin lägen und daß sich deshalb andere Händler schon jetzt nicht mehr bei der Klägerin eindeckten. Wenn das Berufungsgericht aus diesem Vorgehen in Verbindung mit den Hinweisen auf die wirtschaftlichen Nachteile und Schäden einer Geschäftsverbindung mit der Klägerin hergeleitet hat, daß die Beklagte die in Betracht kommenden Verkehrskreise dazu aufgerufen habe, die Geschäftsverbindung zur Klägerin abzubrechen oder eine solche gar nicht erst anzubahnen, so läßt diese Beurteilung mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte durch die angekündigte Bereitschaft zur Benennung preisgünstigerer Lieferanten auch die organisatorischen Voraussetzungen zur Ausschaltung der Klägerin geschaffen hat, keinen Rechtsfehler erkennen.

15

Daß die angegriffene Darstellung über die Wirkung einer bloß informatorischen, anregenden Presseberichterstattung hinausging und auch geeignet war, die geschäftlichen Entschließungen der Adressaten, der Fachhändler, i.S. der Verhängung einer Bezugssperre gegen die Klägerin zu beeinflussen, hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt. Ohne Erfolg macht die Revision demgegenüber geltend, daß sich die Beklagte mit dem beanstandeten Bericht ausschließlich an fachkundige Leser gewandt habe, die gewohnt seien, derartige Äußerungen anhand ihres Informationsgehalts zu prüfen und die in ihrer Entschließungsfreiheit auch nicht dadurch beeinträchtigt würden, daß sich die Beklagte zur Mitteilung von Name und Anschrift anderer Lieferanten bereit erklärt habe. Die Revision berücksichtigt dabei nicht hinreichend, daß die Beklagte den derzeitigen und den potentiellen Vertragspartnern der Klägerin den Nachweis von Einkaufsmöglichkeiten angeboten hat, die angesichts des Gewichts der von ihr dabei betonten wirtschaftlichen Nachteile einer Geschäftsbeziehung zur Klägerin einen so starken Anreiz zu einem Abbruch oder einer Nichtaufnahme solcher Geschäftsbeziehungen ausüben, daß es keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, darin einen die geschäftlichen Entschließungen der angesprochenen Händler beeinflussenden Aufruf zum Boykott der Klägerin zu erblicken.

16

3.

Das Berufungsgericht hat ein Handeln der Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs bejaht, weil der angegriffene Bericht dazu gedient habe, den für die Beklagte fremden Wettbewerb der Mitbewerber der Klägerin zu fördern. Auch das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Wie dargelegt hat sich die Beklagte nicht auf Hinweise und Mitteilungen über die Preisgestaltung der Klägerin und ihrer Mitbewerber beschränkt, sondern hat darüber hinaus dazu aufgefordert, dem Vorgehen anderer Händler zu folgen und Geschäftsbeziehungen statt mit der Klägerin mit anderen Lieferanten zu pflegen. Es ist nicht erfahrungswidrig und auch sonst nicht von Rechtsirrtum beeinflußt, wenn das Berufungsgericht daraus auf eine Wettbewerbsförderungsabsicht zugunsten der Konkurrenten der Klägerin geschlossen hat.

17

4.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß sich die Beklagte zur Rechtfertigung der angegriffenen Veröffentlichung nicht auf das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG) berufen könne. Auch dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Eine Presseberichterstattung kann zwar auch im Falle eines Boykottaufrufs durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sein, wenn die ihr zugrunde liegende Meinungskundgabe das Mittel zu geistigem Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage ist, wenn es also dem Handelnden um eine argumentative Auseinandersetzung z.B. über politische, soziale, kulturelle oder - was hier in Betracht kommt - wirtschaftliche Belange der interessierten Öffentlichkeit geht (BVerfGE 25, 256, 264 [BVerfG 26.02.1969 - 1 BvR 619/63] = NJW 1969, 1161 [BVerfG 26.02.1969 - 1 BvR 619/63] - Blinkfüer). Anders ist es aber, wenn solche Äußerungen über eine bestimmte Meinungskundgabe hinaus dazu dienen, in den individuellen Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs bestimmter Marktkonkurrenten einzugreifen, und das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Informationsinteresse der Allgemeinheit lediglich als Mittel zum Zweck der Förderung privater Wettbewerbsinteressen eingesetzt werden. Derartige Äußerungen werden durch die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, die ihre Schranken in den Vorschriften der - verfassungsgerecht zu interpretierenden - allgemeinen Gesetze findet (Art. 5 Abs. 2 GG), nicht gedeckt. So liegt es hier, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben. Die Beklagte hat es nicht dabei bewenden lassen, die Preise der Klägerin in bestimmter Weise als zu hoch zu beanstanden und darauf hinzuweisen, daß die Preise der Mitbewerber die der Klägerin um 10-15 % unterschritten. Sie hat weitergehend - obwohl dies für die Meinungsbildung der angesprochenen Fachhändler nicht erforderlich war - in die wettbewerbliche Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und ihren Mitbewerbern insofern aktiv eingegriffen, als sie sich erbot, jedem Interessenten eine um 10-15 % günstigere Einkaufsquelle nachzuweisen, was zur Behinderung der Klägerin im Wettbewerb mit ihren Mitbewerbern geeignet war. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen in Abwägung zwischen dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung und den Geboten lauteren Wettbewerbs angenommen, daß die Beklagte mit den angegriffenen, auf einen Boykott der Klägerin abzielenden Äußerungen zu Zwecken des Wettbewerbs den Bereich der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit verlassen hat.

18

III.

Soweit dagegen die Beklagte auch nach den Klageanträgen zu 1 a und 1 b zur Unterlassung verurteilt worden ist, hat die Revision Erfolg. Im Hinblick auf die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten vom 10. März 1980 kann insoweit entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts eine Wiederholungsgefahr nicht bejaht werden. Verpflichtet sich der Verletzer unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung uneingeschränkt zur Unterlassung weiterer Verletzungen, so ist nach ständiger Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr als - materiell-rechtliche - Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs im allgemeinen damit ausgeräumt. So liegt es mit Rücksicht auf die Erklärung der Beklagten vom 10. März 1980 auch hier. Daß diese Erklärung erst während des Rechtsstreits abgegeben und von der Klägerin auch - als vermeintlich unzureichend - nicht angenommen worden ist, beeinträchtigt ihre rechtliche Bedeutung i.S. einer Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht. Daß der Höchstbetrag der für den Verwirkungsfall angebotenen Strafe unangemessen niedrig sei, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt, wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

19

Die Vorbehalte, die die Beklagte in der Erklärung vom 10. März 1980 in zeitlicher Hinsicht gemacht hat, nimmt dieser nicht die Uneingeschränktheit in dem vorerörterten Sinne. Die Unterwerfungserklärung, die die Beklagte nur für "die gegenwärtige Situation und diejenige der zurückliegenden 11 Monate" abgegeben hat, entsprach dem angegriffenen Verhalten der Beklagten und trug dem Begehren der Klägerin Rechnung, der Beklagten die in ihrer aktuellen Berichterstattung vom 21. August 1979 aufgestellten Behauptungen zu untersagen. Daß sich diese Berichterstattung entgegen ihrem aktuellen Charakter nicht nur auf Vorgänge im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen des Informationsblatts der Beklagten vom 21. August 1979 bezog, sondern auch Vorgänge betraf, die länger als 11 Monate vor Abgabe der Unterlassungserklärung vom 10. März 1980 zurücklagen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist von der Klägerin auch nicht behauptet worden. Bei einem auf solche Vorgänge bezogenen Unterlassungsbegehren hätte es deshalb auch an der für die Begründetheit einer Unterlassungsklage erforderlichen Begehungsgefahr gefehlt. Es ist daher nicht frei von Rechtsirrtum, wenn das Berufungsgericht die abgegebene Unterwerfungserklärung zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr insoweit nicht für ausreichend gehalten hat.

20

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dabei auch nicht darauf abgestellt werden, daß Vorgänge, die ein Jahr zurückliegen, noch in die Gegenwart hineinreichen können und daß bei einer neuerlich veranlaßten Kritik am Geschäftsgebaren der Klägerin dieses in einen Zusammenhang mit den früheren Vorkommnissen gestellt werden kann, die Gegenstand der Klageanträge zu 1 a und 1 b waren. Eine solche Fallgestaltung wäre neu. Mit der vorliegend zu beurteilenden Sachlage wäre sie nicht identisch.

21

Auch soweit sich die Beklagte in der Unterwerfungserklärung vom 10. März 1980 die Berichterstattung über ein zukünftiges überdurchschnittliches Ausscheiden von Fachhändlern aus dem Vertrieb der Klägerin vorbehalten hat, kann daraus entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eine rechtserhebliche Einschränkung der Unterwerfungserklärung und damit eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der in Rede stehenden Äußerungen nicht hergeleitet werden. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin betrifft, wie ausgeführt, lediglich die Verhältnisse zur Zeit der Veröffentlichung der beanstandeten Äußerungen. Diesem Unterlassungsbegehren entsprach die Unterwerfungserklärung der Beklagten uneingeschränkt, auch für die Zukunft. Hinsichtlich zukünftiger Äußerungen betraf der Vorbehalt allein die Berichterstattung über neue Ereignisse. Das Verbot einer solchen Berichterstattung hatte die Klägerin nicht begehrt und konnte - wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat - auch nicht begehrt werden. Eine wahre, den Grundsätzen lauteren Wettbewerbs entsprechende Berichterstattung stand und steht der Beklagten frei.

22

IV.

Auf die Revision der Beklagten war danach unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das angefochtene Urteil aufzuheben und in dem erkannten Umfang das Urteil des Landgerichts wieder herzustellen. Soweit das Landgericht mit diesem Urteil der Beklagten u.a. untersagt hat, auf Nachfrage "Interessennachweise" zu liefern, ist damit die von der Beklagten in der angegriffenen Äußerung angebotene Zurverfügungstellung von "Adressennachweisen" verboten worden, wie das Berufungsgericht im Tenor seines Urteils zutreffend klargestellt hatte.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

v. Gamm
Piper
Erdmann
Teplitzky
Scholz-Hoppe