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Bundesgerichtshof
Urt. v. 09.05.1983, Az.: II ZR 241/82

Bestehen eines unmittelbaren Bereicherungsanspruchs der Bank gegen den Empfänger einesÜberweisungsauftrages nach Widerruf des Auftraggebers; Auswirkungen eines tatsächlich bestehenden Anspruchs des Empfängers gegen den Auftraggeber und der Unkenntnis des Empfänger vom Widerruf desÜberweisungauftrages; Maßgeblichkeit des Vorliegen eines Stornorechts der Bank für die Rückzahlung des überwiesenen Betrages nach den Regeln des Bereicherungsrechts; Einordnung einer Überweisung als "Anweisung" im weiteren Sinne; Erfordernis eines Anspruch nach materiellem Recht auf Rückzahlung für die Stornierung des gutgeschriebenen Betrages

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
09.05.1983
Aktenzeichen
II ZR 241/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 12267
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 15.06.1982

Fundstellen

  • BGHZ 87, 246 - 252
  • JZ 1983, 956-958
  • MDR 1983, 911 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1983, 2501-2502 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1983, 1056-1058

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Eine Bank, die einen überwiesenen Betrag dem Konto des Überweisungsempfängers versehentlich gutschreibt, nachdem der Überweisungsauftrag widerrufen worden ist, hat keinen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger, wenn der Überweisung ein Anspruch des Zahlungsempfängers gegen den Überweisungsauftraggeber zugrunde lag und der Empfänger, dem die Überweisung vom Auftraggeber angekündigt war, deren Widerruf nicht kannte.

  2. b)

    Das Stornorecht der Banken gemäß Nr. 4 Abs. 3 AGB setzt voraus, daß die Bank nach materiellem Recht gegen den Kontoinhaber einen Anspruch auf Rückgewähr des Betrages hat, dessen Gutschrift rückgängig gemacht werden soll.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 1983
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. h.c. Stimpel und
die Richter Fleck, Dr. Kellermann, Bundschuh und Brandes
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 15. Juni 1982 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Beton- und M. bau AG. Das verklagte Kreditinstitut stand mit der Gemeinschuldnerin in Geschäftsverbindung. Die Parteien streiten, nachdem ein Teil des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz durch Vergleich erledigt worden ist, noch darüber, ob die Beklagte aufgrund der Konkursanfechtung des Klägers 268.500 DM an die Konkursmasse zurückgewähren muß. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Gemeinschuldnerin stellte am 30. März 1979 ihre Zahlungen ein, wovon die Beklagte spätestens am 4. April 1979 Kenntnis erlangte. Am 3. April 1979 beantragte die Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren zu eröffnen, was am 1. Juni 1979 geschehen ist.

3

Mit Schreiben vom 23. März 1979 kündigte die B. K. Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Baubetreuungs-KG der Gemeinschuldnerin die Zahlung eines Betrages von 268.500 DM an. Am 27. März ging bei der Beklagten ein Überweisungsauftrag der K. KG vom 23. März 1979 über den genannten Betrag zugunsten eines Girokontos der Gemeinschuldnerin bei der B. Commerzbank ein. Die Beklagte führte den Auftrag am 29. März 1979 aus. Noch am selben Tage widerrief die K. KG den Überweisungsauftrag gegenüber der Beklagten telefonisch. Die Beklagte gab den Widerruf am 30. März 1979 an die Commerzbank weiter, wo er noch vor der Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Konto der Gemeinschuldnerin eintraf. Die Commerzbank ließ daraufhin den überwiesenen Betrag unter Rückgabe des Überweisungsträgers an die Beklagte zurückgehen, bei der er am 2. April 1979 einging. Die Beklagte schrieb ihn nicht dem Girokonto der K. KG gut, sondern verbuchte ihn auf dem Konto pro Diverse (CpD). Von diesem Konto wurden die 268.500 DM auf Veranlassung der Kreditabteilung der Beklagten am 6. April 1979 mit einem von der Beklagten erstellten und unterzeichneten Überweisungsformular, in dem die Fakultativklausel gestrichen war, namens der K. KG auf das debitorische Girokonto Nr. ... der Gemeinschuldnerin bei der Beklagten übertragen. Nach dem der Gemeinschuldnerin erteilten Tagesauszug vom 6. April 1979 betrug der Schuldsaldo auf diesem Konto nach der Gutschrift des strittigen Betrages 2.240.805,92 DM. Am 1. November 1979 hat die Beklagte die Gutschrift vom 6. April 1979 auf dem Girokonto Nr. ... der Gemeinschuldnerin storniert und den entsprechenden Betrag dem Konto der K. KG gutgebracht.

4

Der Kläger verlangt mit der rechtzeitig erhobenen Anfechtungsklage, daß die Beklagte den der Gemeinschuldnerin am 6. April 1979 gutgeschriebenen Betrag zur Konkursmasse zurückgewährt. Er hält die Stornierung für unwirksam.

5

Die Beklagte behauptet unter anderem, die Gutschrift sei irrtümlich erfolgt, weil übersehen worden sei, daß der Überweisungsauftrag widerrufen gewesen sei.

6

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage weiter, soweit sie nicht durch Vergleich erledigt worden ist.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist nicht begründet.

8

I.

Die Parteien gehen in der Revisionsinstanz übereinstimmend, und im Ergebnis zutreffend, davon aus, daß der Anspruch des Klägers auf Rückgewähr von 268.500 DM nach Konkursanfechtungsrecht (§ 30 Abs. 1 Fall 2, § 37 KO) begründet ist, wenn die Beklagte nicht berechtigt war, die Gutschrift über diesen Betrag auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin zu stornieren,

9

1.

Auszugehen ist von der unstreitigen Tatsache, daß die Gemeinschuldnerin einen Anspruch gegen die K. KG auf Zahlung von 268.500 DM hatte. Unterstellt man mit der Revision ferner, daß die Beklagte die Gutschrift in Verkennung des Widerrufs versehentlich erteilt hat, stand ihr kein Bereicherungsanspruch auf Rückgängigmachung der Gutschrift gegen die Gemeinschuldnerin zu. Aus deren Sicht stellte sich der überwiesene Betrag als Leistung der K. KG auf deren Schuld dar, die damit getilgt wurde. Der Bereicherungsausgleich wickelt sich deshalb im Verhältnis zwischen der Beklagten und der K. KG ab. Insoweit gelten im vorliegenden Fall dieselben Grundsätze wie im Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 18. Oktober 1973 (BGHZ 61, 289). Danach hat eine Bank, die einen auf sie gezogenen, vom Aussteller wirksam widerrufenen Scheck einlöst, keinen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Scheckinhaber, wenn dieser den Widerruf des Schecks nicht kannte. Zwar fehle es, so wird (aaO) ausgeführt, nach einem wirksamen Widerruf des Schecks beim Empfang der Zuwendung durch den Dritten an einer (noch) gültigen Anweisung. Eine vom richtigen Anweisenden innerhalb seines intakten Rechtsverhältnisses zum Angewiesenen erteilte Anweisung habe aber bis zum Widerruf der Anweisung vorgelegen. Beim Scheck, einem Sonderfall der Anweisung, treffe der Aussteller selbst schon durch die Übergabe, also nicht erst durch die angewiesene Bank bei der Zahlung, die sein Leistungsverhältnis mit dem Dritten betreffende Zweckbestimmung. Damit seien die für einen eventuellen Bereicherungsausgleich maßgeblichen Leistungsbeziehungen in dem durch die Anweisung begründeten Dreiecksverhältnis nach dem ursprünglich übereinstimmenden Willen aller Beteiligten festgelegt. Daran ändere sich nichts, wenn der Aussteller nur der Bank gegenüber den Scheck sperre. Zahle die Bank trotzdem, weil der Widerruf des Schecks übersehen wurde, so wolle sie damit gleichwohl lediglich eine Leistung an ihren Kunden erbringen. Der Empfänger, auf dessen Sicht es ankomme, fasse das aufgrund der vom Aussteller mit der Übergabe des Schecks getroffenen Zweckbestimmung auch so auf. Vorgänge innerhalb des Deckungsverhältnisses zwischen seinem Vertragspartner und dessen Bank bräuchten ihn nicht zu kümmern. Der der Bank unterlaufene Fehler "w." im Rechtsverhältnis zwischen ihr und ihrem Kunden, innerhalb dessen er auch zu bereinigen sei.

10

Der vorliegende Fall liegt ähnlich. Bei der Überweisung handelt es sich um eine "Anweisung" im weiteren Sinne, die bereicherungsrechtlich wie die Anweisung im engeren Sinne behandelt wird. Auch hier hat bis zum Widerruf des Überweisungsauftrages eine wirksame "Anweisung" der K. KG vorgelegen. Diese hat durch schriftliche Mitteilung vom 23. März 1979 an die Gemeinschuldnerin über die bevorstehende Überweisung die Zweckbestimmung für ihre Leistung getroffen. Da die K. KG den Überweisungsauftrag nur gegenüber der Beklagten und nicht auch gegenüber der Gemeinschuldnerin widerrufen hat, faßte diese die Gutschrift, entsprechend der Zweckbestimmung der K. KG, als deren Leistung auf. Die Gutschrift hatte somit im Verhältnis der Gemeinschuldnerin zur K. KG (Valutaverhältnis) Erfüllungswirkung; sie stellte den Gegenwert der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die K. KG dar.

11

2.

Dieser Gegenwert kam der Beklagten zugute, weil in Höhe der Überweisung das Debet der Gemeinschuldnerin auf dem Konto bei der Beklagten verringert wurde. Die Beklagte hat also für einen Teil ihrer Forderung gegen die Gemeinschuldnerin aus dem Giroverhältnis Befriedigung erlangt. Dies ist gemäß § 30 Nr. 1 Fall 2 KO anfechtbar. Eine Bank, die ihrem Kunden (Gemeinschuldnerin) zwischen Zahlungseinstellung und Konkurseröffnung überwiesene Beträge auf einem Girokonto gutschreibt, um den Schuldsaldo zu verringern, muß die Beträge auf Anfechtung dem Konkursverwalter herausgeben, sofern ihr - wie hier - bei der Gutschrift bekannt war, daß der Kunde die Zahlungen eingestellt hatte (vgl. BGHZ 58, 108). Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß die Bank zu ihrer Befriedigung Vermögenswerte, die sonst in die Konkursmasse gefallen wären, verwendet, und dadurch die Konkursgläubiger benachteiligt hat.

12

II.

Die Begründetheit des Klageanspruchs hängt daher nur davon ab, ob die Beklagte die nach dem Widerruf des Überweisungsauftrags versehentlich erteilte Gutschrift stornieren durfte. Dies ist nicht der Fall.

13

Die Stornierungsbefugnis steht der Beklagten als vertragliches Recht im Rahmen des Girovertrages mit der Gemeinschuldnerin zu. Sie ist in Nr. 4 Abs. 3 Satz 1 der von der Beklagten im Verkehr mit ihren Kunden verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditgenossenschaften (Fassung März 1977) geregelt. Danach darf die Bank Gutschriften, die infolge eines Irrtums, eines Schreibfehlers oder aus anderen Gründen vorgenommen werden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorliegt, durch einfache Buchung rückgängig machen (stornieren).

14

Der vorliegende Sachverhalt zwingt nicht dazu, Inhalt und Grenzen des Stornorechts der Banken umfassend zu erörtern. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob der im Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 9. Oktober 1974 (BGHZ 63, 87, 93) vertretenen - damals allerdings nicht entscheidungserheblichen - Ansicht gefolgt werden könnte, das Stornorecht der Banken erlösche mit der Beendigung des Girovertrages, im vorliegenden Falle also mit Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin (§ 23 KO). Dies könnte deshalb fraglich sein, weil in Nr. 18 Abs. 2 HGB der Kreditgenossenschaften bestimmt ist, daß auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung bis zu ihrer völligen Abwicklung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter gelten. Darauf kommt es hier nicht an, weil die Beklagte von Anfang an kein Recht hatte, die Gutschrift zu stornieren. Dies ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut der Bestimmung über das Stornorecht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Nr. 4 Abs. 3 AGB), denn dieser deckt auch den vorliegenden Fall: Die umstrittene Gutschrift ist infolge eines Irrtums der Beklagten vorgenommen worden, ohne daß ein entsprechender Auftrag vorlag. Aus einer an Sinn und Zweck des Stornorechts ausgerichteten Auslegung des Wortlauts der Nr. 4 Abs. 3 AGB folgt jedoch, daß hier kein Stornofall vorlag. Das Stornorecht berechtigt die Bank, Gutschriften durch einfache Buchung wieder rückgängig zu machen. Die Gutschrift auf einem Girokonto ist ein abstraktes Schuldanerkenntnis der Bank, das dem Kunden einen Rechtsanspruch gewährt. Die Stornierung verändert also die materielle Rechtslage, weil sie den Anspruch des Kunden aus der Gutschrift beseitigt. Da das Stornorecht ein Versehen der Bank bei der Gutschrift voraussetzt (vgl. Kümpel, WM 1976, Sonderbeilage 1 S. 16), handelt es sich in diesen Fällen um Gutschriften, auf die der Bankkunde keinen Anspruch hat und die er, ohne das Stornorecht, in der Regel nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung an die Bank herausgeben müßte. Zweck des Stornorechts ist es, die mit der Geltendmachung solcher Ansprüche üblicherweise verbundenen Schwierigkeiten und Risiken zu vermeiden und die Rechtsstellung der Bank auf eine eigenständige, von den Unsicherheiten des Bereicherungsrechts unabhängige Grundlage zu stellen (vgl. Canaris, GroßKomm. HGB, 3. Aufl. Bd. III 3 [2. Bearbeitung] Rdn. 455). Daraus folgt aber zugleich, daß das Stornorecht nicht durchgreift, wenn die Bank - wie hier - keinen sachlich-rechtlichen Anspruch auf Rückgewähr des gutgeschriebenen Betrages gegen den Kunden hat. Das Stornorecht soll es der Bank ermöglichen, den Rückgewähranspruch im Wege der Selbsthilfe auf einfache Weise durchzusetzen; es soll aber nicht eine gar neue materielle Forderung begründen. Eine solche Regelung würde der Inhaltskontrolle gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 24 AGBG nicht standhalten. Das Stornorecht setzt also voraus, daß die Bank nach materiellem Recht einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrages hat, dessen Gutschrift storniert werden soll.

15

Nach alledem konnte die Beklagte die Gutschrift über 268.500 DM auf dem Girokonto der Gemeinschuldnerin nicht wirksam rückgängig machen. Damit ist sie verpflichtet, den Klagebetrag an die Konkursmasse zurückzugewähren.

Stimpel
Richter am Bundesgerichtshof Fleck kann urlaubshalber nicht unterschreiben.
Stimpel
Dr. Kellermann
Bundschuh
Brandes