Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.04.1983, Az.: IVb ZR 374/81
Eingrenzung des Zeitraums, für den ein selbständig Erwerbstätiger Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen hat; Erfassung der Vorlegung des Einkommensteuerbescheids durch einen Auskunftsanspruch; Berechtigung zur Unkenntlichmachung von nur den Partner betreffenden Angeben
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 13.04.1983
- Aktenzeichen
- IVb ZR 374/81
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 13725
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin - 24.07.1981
- AG Charlottenburg - 26.02.1981
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- MDR 1983, 920 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1983, 1554-1555 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- a)
Zur Eingrenzung des Zeitraums, für den ein selbständig Erwerbstätiger Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen hat.
- b)
Umfaßt der Auskunftsanspruch die Vorlegung des Einkommensteuerbescheids (vgl. BGH FamRZ 1982, 151), so muß der Auskunftspflichtige den Bescheid auch dann vorlegen, wenn er zusammen mit seinem Ehegatten veranlagt worden ist. Er darf dabei jedoch solche Betragsangaben abdecken oder sonst unkenntlich machen, die ausschließlich seinen Ehegatten betreffen oder in denen Werte für ihn und seinen Ehegatten zusammengefaßt sind, ohne daß sein eigener Anteil daraus entnommen werden kann.
Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Portmann, Dr. Seidl, Dr. Krohn und Dr. Zysk
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts vom 24. Juli 1981 teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 26. Februar 1981 abgeändert wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Bescheide über seine Veranlagung zur Einkommensteuer für die Jahre 1978, 1979 und 1980 vorzulegen; er darf dabei jedoch solche Betragsangaben abdecken oder sonst unkenntlich machen, die ausschließlich seine Ehefrau betreffen oder in denen Werte für ihn und seine Ehefrau zusammengefaßt sind, ohne daß sein eigener Anteil daraus entnommen werden kann.
Der Kläger verlangt für die Zeit ab 1. Mai 1980 einen höheren Unterhalt. Auf die im Jahre 1981 erhobene Stufenklage hat das Amtsgericht den Beklagten durch Teilurteil verurteilt,
"dem Kläger Auskunft über sein Vermögen und über seine Einkünfte in den Jahren 1977 bis einschließlich 1980 zu erteilen, und zwar insbesondere über Bestand und Entwicklung seines Vermögens, durch Vorlage von Belegen über Einkünfte und Ausgaben durch Vorlage seiner Einkommensbescheinigungen (nach den Entscheidungsgründen: Einkommensteuerbescheide) für die genannten Jahre".
Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht mit dem in FamRZ 1981, 1099 und NJW 1981, 2471 veröffentlichten Urteil das Auskunftsbegehren abgewiesen. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger, der im zweiten Rechtszug die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe beantragt hatte, daß nur noch die Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1977 bis 1980 sowie der Überschußrechnung für 1977 im Streit stehe, sein Begehren auf Vorlegung dieser Belege weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zum Teil begründet
I.
Ohne Erfolg bleibt das Rechtsmittel, soweit der Kläger die Vorlegung von Belegen - nämlich der Überschußrechnung und des Einkommensteuerbescheids - für das Jahr 1977 verlangt.
1.
Die unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Erteilung von Auskunft über Einkünfte und Vermögen besteht nach § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB, soweit die Auskunft zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Das bedeutet nicht, daß die Einkünfte stets nur für den Zeitraum offenbart werden müßten, für den Unterhalt verlangt wird. Vielmehr kann auch Auskunft für die Vergangenheit gefordert werden, wenn die Angaben der Einkünfte aus zurückliegender Zeit zur zuverlässigen Feststellung des (gegenwärtigen) Unterhaltsanspruchs benötigt werden. Bei einem selbständig Erwerbstätigen ist dies der Fall. Da er Einkünfte in wechselnder Höhe erzielt, bedarf es der Angaben der Einkünfte aus einem längeren Zeitraum, um die durchschnittlichen Verhältnisse zuverlässig beurteilen zu können.
Wie in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt ist, reicht jedoch auch in einem solchen Fall regelmäßig die Angabe der Einkünfte über einen Zeitraum von drei Jahren als Beurteilungsgrundlage aus (Senatsurteile vom 4. November 1981 - IVb ZR 624/80 - FamRZ 1982, 151 und vom 7. April 1982 - IVb ZR 678/80 - FamRZ 1982, 680, 681 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß hier keine Umstände ersichtlich sind, die eine Abweichung von dieser Regel rechtfertigen würden. Auch wenn das Einkommen des Beklagten, wie dies der Kläger behauptet und mit der Revision geltend gemacht hat, starken Schwankungen unterworfen ist, ermöglicht die Einkommenslage über drei Jahre hin eine ausreichend sichere Beurteilung der durchschnittlichen Lage. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich die Bemessung des Unterhalts an den im Unterhaltszeitraum gegebenen Verhältnissen ausrichten muß. Eine über den Zeitraum von drei Jahren hinausgehende, weiter in die Vergangenheit zurückreichende Auskunft könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn gerade diesem Zeitraum entscheidende Relevanz auch für die Verhältnisse im Unterhaltszeitraum zukäme. Daß ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, ist weder von der Revision geltend gemacht worden, noch sonst ersichtlich.
Die nach § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehende Verpflichtung zur Vorlegung von Belegen über die Höhe der Einkünfte besteht nur als Zusatzverpflichtung im Rahmen der Auskunftspflicht. Sie ist danach ebenfalls auf den Zeitraum beschränkt, auf den sich die Auskunftspflicht erstreckt.
2.
Nach den dargelegten Grundsätzen hätte der Kläger (auch) für das Jahr 1977 die Erteilung von Auskunft und die Vorlegung von Belegen verlangen können, wenn er die Stufenklage bereits zu Beginn des Zeitraums erhoben hätte, für den er den Unterhaltsanspruch geltend macht. Eine Auskunftserteilung unter Vorlage von Belegen wäre zu diesem Zeitpunkt für das laufende Jahr 1980 noch nicht möglich gewesen, so daß der Kläger in diesem Fall auf die Auskunft für die zurückliegenden drei Jahre (1977 bis 1979) zur Einschätzung seines Unterhaltsanspruchs angewiesen gewesen wäre. Der Kläger hat sein Auskunftsbegehren jedoch erst im Jahre 1981 geltend gemacht und den Auskunftszeitraum auf das Jahr 1980 erstreckt. Letzteres war insofern sachgerecht, als die Einbeziehung der zu Beginn des Unterhaltszeitraums bereits eingetretenen Verhältnisse eine genauere Feststellung des Anspruchs ermöglichte als eine Prognose allein aufgrund der Verhältnisse aus zurückliegender Zeit. Die teilweise Verlagerung des Auskunftszeitraums in die Zeit, für die bereits der Unterhaltsanspruch geltend gemacht wird, kann aber nicht dazu führen, daß der Auskunftszeitraum insgesamt erweitert wird. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Verhältnisse reicht auch in einem solchen Fall die Kenntnis der Entwicklung innerhalb der letzten drei Jahre aus. Es würde die Grenze des für den Auskunftspflichtigen Zumutbaren überschreiten und stünde auch mit dem Rechtsgedanken des § 1605 Abs. 2 BGB in Widerspruch, wenn mit dem Einsetzen und Fortschreiben des Zeitraums, für den der Unterhalt geltend gemacht wird, laufend der Auskunftszeitraum ausgedehnt würde. Nachdem der Kläger den Auskunftszeitraum auf das Jahr 1980 erstrecken konnte und auch tatsächlich erstreckt hat, entfällt danach ein Anspruch auf Auskunftserteilung einschließlich der Vorlage von Belegen für das Jahr 1977. Etwas anderes gilt auch nicht für den Antrag des Klägers im zweiten Rechtszug. Daß er dort den Antrag auf Vorlage der Überschußrechnungen für die Jahre 1978 bis 1980 nicht mehr weiterverfolgt hat, beruhte darauf, daß er, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, vom Beklagten inzwischen Einblick in diese Unterlagen erhalten hatte.
II.
Das Berufungsurteil kann dagegen keinen Bestand haben, soweit das Verlangen des Klägers auf Vorlegung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1980 uneingeschränkt abgewiesen worden ist.
1.
Wie der Senat bereits entschieden hat, kann im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach §§ 1580, 1605 BGB von einem selbständigen Gewerbetreibenden die Vorlage des Einkommensteuerbescheids als Beleg verlangt werden (Senatsurteil vom 4. November 1981 a.a.O. S. 152). Für den Auskunftsanspruch, der sich unmittelbar auf § 1605 BGB stützt, kann nichts anderes gelten. Ebenso macht es insoweit keinen Unterschied, daß es sich bei dem Kläger nicht um einen Gewerbetreibenden, sondern um einen selbständig erwerbstätigen Kunstschaffenden handelt. Davon ist im Grundsatz auch das Berufungsgericht ausgegangen.
2.
Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall eine Pflicht des Beklagten zur Vorlage der Steuerbescheide mit der Begründung verneint, daß der Beklagte wegen der Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau andernfalls auch deren Einkommen offenbaren müßte, wozu er nicht gezwungen werden dürfe.
Dem kann nicht in vollem Umfang gefolgt werden. Richtig ist, daß der nach § 1605 BGB auskunftspflichtige Verwandte nur Auskunft über seine Einkünfte erteilen muß und nicht auch über diejenigen seines Ehegatten. Das kann aber nicht dazu führen, daß im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten eine Pflicht des Auskunftsschuldners zur Vorlage des Steuerbescheids uneingeschränkt verneint wird. Vielmehr muß der Auskunftspflichtige dem Berechtigten wenigstens diejenigen Angaben aus dem Steuerbescheid zugänglich machen, die seine Einkünfte betreffen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer nach § 26 EStG werden zwar die Einkommen der Ehegatten für die Besteuerung zusammengefaßt, jedoch werden zunächst wie bei der getrennten Veranlagung die Einkünfte jedes Ehegatten gesondert ermittelt (BFH BStBl 1976 II 378 m.w.N.; EStR 1981 Abschn. 174 b). Der Steuerbescheid, der nach Maßgabe der §§ 121, 157 AO (1977) begründet werden muß (vgl. dazu aus der Kommentarliteratur, jeweils zu § 157 AO: Hübschmann/Hepp/Spitaler 8. Aufl. Rdn. 14; Kühn/Kutter 13. Aufl. Anm. 1), kann danach je nach Lage des Falles neben Angaben, die die Verhältnisse allein des Ehemannes betreffen, auch solche Angaben enthalten, die nur die Einkünfte der Ehefrau betreffen oder in denen Beträge für Ehemann und Ehefrau zusammengefaßt sind. Die Angaben, die ausschließlich die Ehefrau betreffen, werden - wie dargelegt - vom Auskunftsanspruch nicht umfaßt. Auch zusammengefaßte Beträge, aus denen keine für den Auskunftspflichtigen maßgebenden Werte entnommen werden können, brauchen nicht offenbart zu werden, weil sie für die Beurteilung des Unterhaltsanspruchs keine Grundlage bilden können und danach insoweit auch nicht erforderlich sind im Sinne des § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im übrigen muß es jedoch bei der Vorlegungspflicht verbleiben. Praktisch läßt sich diese in der Weise erfüllen, daß bei der Vorlegung des Einkommensteuerbescheids Betragsangaben, die ausschließlich die Verhältnisse (insbesondere die Einkünfte) der Ehefrau betreffen, sowie solche Betragsangaben, in denen die Werte für beide Ehegatten zusammengefaßt sind, ohne daß der Anteil des Auskunfts-Pflichtigen daraus entnommen werden kann, abgedeckt oder in sonstiger Weise unkenntlich gemacht werden. Beträge, die beide Ehegatten gleichmäßig treffen, müssen dagegen angegeben werden, weil andernfalls der Anteil des Auskunftspflichtigen nicht ersichtlich gemacht werden kann. Wenn insoweit aus dem Steueranteil des Auskunftspflichtigen zugleich Schlüsse auf die Verhältnisse seines Ehegatten gezogen werden können, muß dies hingenommen werden (vgl. zur ähnlichen Interessenlage für den Fall einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung: Senatsurteil vom 4. November 1981 a.a.O. S. 152 a.E.).
Mit dieser Maßgabe ist nach alledem dem Antrag auf Vorlegung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1980 stattzugeben.
Portmann
Seidl
Krohn
Zysk