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Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.04.1983, Az.: IX ZR 24/82

Einwilligung in eine künstliche Übertragung des Samens eines anderen Mannes; Zustimmung zum Ehebruch; Anerkennung der Ehelichkeit eines Kindes

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
07.04.1983
Aktenzeichen
IX ZR 24/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 12219
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 07.10.1981
AG Schöneberg

Fundstellen

  • BGHZ 87, 169 - 180
  • MDR 1983, 664 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1983, 2059-2060 (Urteilsbesprechung von Professor Dr. Dagmar Coester-Waltjen)
  • NJW 1983, 2073-2075

Prozessführer

Matthias Andreas Michael S./P., im O. 67, P./O.,
gesetzlich vertreten durch den Ergänzungspfleger Rechtsanwalt Hans-Eberhard B., K.straße 165, B.

Prozessgegner

Dr. Carl-Eugen S.-P., D.straße 53, B.

Amtlicher Leitsatz

Zum Anfechtungsrecht des Ehemannes, wenn seine Ehefrau das Kind mit seiner Einwilligung durch künstliche Übertragung des Samens eines anderen Mannes empfangen hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Mai und
die Richter Zorn, Dr. Lang, Gärtner und Winter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 7. Oktober 1981 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Beklagte wurde am 1. März 1980 geboren. Seine Mutter und der Kläger waren zu diesem Zeitpunkt miteinander verheiratet. Sie lebten seit 1977 getrennt und hatten während der gesetzlichen Empfängniszeit (4. Mai bis 2. September 1979) keinen ehelichen Verkehr.

2

Mit der am 10. Juli 1980 bei Gericht eingegangenen Klage beantragte der Kläger festzustellen, daß der Beklagte nicht sein eheliches Kind ist.

3

Der Beklagte behauptet, er sei mit Einwilligung des Klägers durch die künstliche Übertragung des Samens eines anderen Mannes am 7. Juli 1979 gezeugt worden. Er verweist dazu auf eine schriftliche Erklärung vom 24. Juni 1978, die der Kläger der Mutter des Beklagten aushändigte. Sie lautet:

"Hierdurch erkläre ich mich damit einverstanden, daß bei meiner Frau ... eine künstliche Fremd-Insemination durchgeführt wird und ich hiermit die Vaterschaft anerkenne."

4

Der Beklagte meint, dadurch habe der Kläger das Recht verloren, die Ehelichkeit anzufechten.

5

Der Kläger behauptet, er sei bei Abgabe der Erklärung infolge Alkohol- und Tablettenmißbrauchs geschäftsunfähig gewesen, und bestreitet, daß der Beklagte durch künstliche Samenübertragung gezeugt worden sei.

6

Die Klage hatte in beiden Tatsacheninstanzen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Von der Revision unbeanstandet stellt der Berufungsrichter fest, daß der Beklagte nicht vom Kläger abstammt. Er läßt offen, ob der Beklagte durch Ehebruch oder mit Einwilligung des Klägers durch künstliche Übertragung des Samens eines anderen Mannes (heterologe künstliche Samenübertragung) gezeugt worden ist und ob der Kläger bei Abgabe der Einwilligungserklärung geschäftsfähig war. Das Kammergericht führt dazu aus, die gesetzlichen Vorschriften über die eheliche Abstammung und die Anfechtung der Ehelichkeit seien auch anzuwenden, wenn der Beklagte aus einer heterologen künstlichen Samenübertragung hervorgegangen sei. Der Kläger sei durch die Erklärung vom 24. Juni 1978 nicht an der - fristgerechten - Anfechtung der Ehelichkeit gehindert. Einem Ehebruch habe der Kläger nicht zugestimmt. Das Einverständnis mit einer künstlichen Fremd-Insemination sei unwirksam, selbst wenn der Kläger bei Abgabe der Zustimmungserklärung geschäftsfähig gewesen sei. Seit Aufhebung des § 1598 BGB aF durch Gesetz vom 12. April 1938 könne nämlich weder eine Anerkennung der Ehelichkeit des Kindes noch ein Verzicht das Anfechtungsrecht des Ehemannes ausschließen. Deshalb sei die Erhebung der Anfechtungsklage im Falle einer künstlichen Fremdinsemination selbst dann nicht rechtsmißbräuchlich, wenn man die Zustimmungserklärung des Klägers als stillschweigenden Verzicht auf das Anfechtungsrecht ansehe. Nach § 1594 BGB führe allein der Ablauf der Anfechtungsfrist zum Verlust des Anfechtungsrechtes.

8

Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

9

1.

Der Beklagte hat mit der Geburt die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Klägers erlangt, obwohl er nicht vom Kläger abstammt. Das ergibt sich aus § 1593 BGB. Danach kann die Nichtehelichkeit eines Kindes, das - wie der Beklagte - während der Ehe geboren ist, nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist.

10

Die Vorschrift ist auch anzuwenden, falls der Beklagte durch heterologe künstliche Samenübertragung gezeugt worden ist. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Schaffung und späteren Änderung der Bestimmungen über die eheliche Abstammung davon ausgegangen, daß die Mutter des Kindes den Samen des Mannes auf natürlichem Wege empfangen hat. Er hat die Möglichkeit einer künstlichen Samenübertragung nicht bedacht und insbesondere die Probleme der künstlichen Fremdinsemination nicht berücksichtigt. Das zeigt § 1591 BGB und ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Dennoch gelten die Vorschriften über die eheliche Abstammung auch für diese Fälle, soweit Wortlaut und Sinn der gesetzlichen Bestimmungen nicht entgegenstehen. Das geltende Recht enthält keine besondere Regelung für Kinder, die aus einer heterologen künstlichen Samenübertragung hervorgegangen sind. Auch ihre rechtliche Stellung richtet sich deshalb nach den zwingenden Vorschriften, die allgemein für die eheliche oder nichteheliche Abstammung gelten. Danach sind alle Kinder ehelich, die in einer Ehe geboren werden, bis ihre Ehelichkeit mit Erfolg angefochten worden ist; § 1593 BGB stellt nicht darauf ab, auf welche Weise das Kind gezeugt worden ist.

11

2.

Daraus folgt, daß für Kinder, die durch heterologe künstliche Samenübertragung gezeugt worden sind, auch die Vorschriften über die Anfechtung der Ehelichkeit gelten. Diese Bestimmungen gewähren allgemein die Möglichkeit einer Berichtigung, wenn die dem Kinde durch § 1593 BGB eingeräumte Rechtsstellung nicht der tatsächlichen Abstammung entspricht, auf der nach § 1589 BGB das Verwandtschaftsverhältnis beruht. Eine Sonderregelung für die Fälle der künstlichen Fremdinsemination besteht nicht.

12

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die gesetzlichen Voraussetzungen, von denen das Anfechtungsrecht des Ehemannes (§ 1594 BGB) abhängt, im vorliegenden Falle erfüllt.

13

3.

Der Kläger hat sein Anfechtungsrecht auch nicht durch die Erklärung vom 24. Juni 1978 verloren.

14

a)

Hierzu legt das Berufungsgericht zutreffend dar, daß die Erklärung ihrem Inhalt nach nicht gilt, wenn der Beklagte im Ehebruch gezeugt wurde, und daß sie keine Rechtswirkungen äußern kann, wenn der Kläger bei ihrer Abgabe geschäftsunfähig war. Davon geht auch die Revision aus. Sie stützt sich auf das Vorbringen des Beklagten, er sei durch künstliche Übertragung des Samens eines anderen Mannes gezeugt worden; der Kläger sei geschäftsfähig gewesen, als er darein eingewilligt habe. Das Rechtsmittel wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß auch in diesem Falle die Erklärung des Klägers vom 24. Juni 1978 das Anfechtungsrecht nicht ausschließe. Da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, ob der von der Revision zugrunde gelegte Tatsachenvortrag des Beklagten zutrifft, ist er für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen.

15

b)

Die Frage, ob der Ehemann die Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes seiner Frau anfechten kann, das mit seiner Einwilligung durch künstliche Übertragung des Samens eines anderen Mannes gezeugt worden ist, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden. Im Schrifttum besteht darüber Streit. Die herrschende Lehre sieht einen rechtsgeschäftlichen Ausschluß des Anfechtungsrechtes mit unterschiedlichen Begründungen als unwirksam an (vgl. Soergel/Gaul, BGB 11. Aufl. § 1591 BGB Rdnr. 33 und § 1594 BGB Rdnr. 18, Staudinger/Lauterbach, BGB 10./11. Aufl. § 1591 BGB Rdnr. 61, 64 und § 1594 BGB Rdnr. 23; MünchKomm/Mutschler, §§ 1591, 1592 BGB Rdnr. 49 und § 1594 BGB Rdnr. 14; BGB-RGRK/Böckermann, 12. Aufl. § 1594 BGB Rdnr. 22; AK-BGB/Teubner, § 1594 BGB Rdnr. 14; Erman/Küchenhoff, BGB 7. Aufl. § 1593 BGB Rdnr. 5; Palandt/Diederichsen, BGB 41. Aufl. § 1594 BGB Anm. 3; Dölle, Familienrecht §§ 87 I 3 und 88 IV 1 b sowie Festschrift für Ernst Rabel, Seite 187, 200 ff.; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts 3. Aufl. § 45 III 2; Beitzke, Familienrecht 22. Aufl. § 22 II 1 a und JR 1962, 85; Grünkorn, Die Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit, 1978, Seite 164 ff.; Richter in: Die künstliche Befruchtung beim Menschen, Seite 87; Geiger, ebenda Seite 51; Erdsiek, NJW 1960, 23, 24; Kleineke, Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, 1976, Seite 299 für den Fall, daß der Samenspender anonym bleibt). Nur Heiss (Die künstliche Insemination der Frau, 1972, Seite 360) nimmt einen wirksamen Vertrag zwischen den Ehegatten zugunsten des noch nicht gezeugten Kindes an, von einer Anfechtung der Ehelichkeit abzusehen.

16

Ein beachtlicher Teil des Schrifttums vertritt jedoch die Ansicht, daß der Ehemann durch Zustimmung zu der heterologen künstlichen Samenübertragung sein Anfechtungsrecht verwirke (vgl. AK-BGB/Teubner, § 1591 BGB Rdnr. 6; Narr, Ärztliches Berufsrecht, 1973, Seite 169; Hanack in: Die juristische Problematik in der Medizin, 1971, Seite 168, 186; Becker, ZBlJugR 1979, 238, 241) oder sich wegen eines treuwidrigen Widerspruchs zu seinem früheren Verhalten den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten lassen müsse (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Anm. 4 Dh und Palandt/Diederichsen, § 1594 BGB Anm. 3; Gernhuber a.a.O. § 45 X 4; Giesen, Die künstliche Insemination als ethisches und rechtliches Problem, 1962, Seite 188 ff. sowie Frankfurter Hefte 1963, 321, 327 und Arzt-recht 1967, 36, 39; Grünkorn a.a.O. Seite 28 ff.; Dünnebier in: Ranke/Dambois, Probleme der künstlichen Insemination, Seite 40, 42; Hess, Deutsches Ärzteblatt 1970, 2641, 2642; Zimmermann, FamRZ 1981, 929, 931; für das frühere schweizerische Recht: Bernhard, Die künstliche Besamung beim Menschen im Hinblick auf das schweizerische Recht, 1958, Seite 171 ff.; ohne nähere Begründung bejahen einen Ausschluß der Anfechtung: Erman/Küchenhoff, § 1591 BGB Rdnr. 9; Spann, Umschau in Wissenschaft und Technik 1980, 617; einschränkend Beitzke, Familienrecht § 22 II 1 a; einen Ausschluß des Anfechtungsrechtes verneinen für den Regelfall: BGB-RGRK/Böckermann, §§ 1591, 1592 BGB Rdnr. 37 und § 1594 BGB Rdnr. 22; MünchKomm/Mutschier, §§ 1591, 1592 BGB Rdnr. 48 und § 1594 BGB Rdnr. 15; Soergel/Gaul, § 1591 BGB Rdnr. 33 und § 1594 BGB Rdnr. 18; Staudinger/Lauterbach, § 1591 BGB Rdnr. 61; Roth-Stielow, Der Abstammungsprozeß, 2. Aufl. Rdnr. 156; Dölle aaO; Richter aaO; Erdsiek aaO; Lundt, Bundesgesundheitsblatt 1959, 271, 272).

17

c)

Nach Auffassung des Senats reichen die Einwilligung des Ehemannes in eine heterologe künstliche Samenübertragung und seine Erklärung, die Vaterschaft zu dem so gezeugten Kinde "anzuerkennen", allein nicht aus, das Anfechtungsrecht auszuschließen.

18

Die Vorschriften über die Ehelichkeitsanfechtung (§§ 1594 ff. BGB) bestimmen lediglich, daß der Ehemann sein Anfechtungsrecht verliert, wenn er die Anfechtungsfrist versäumt. Einen anderen Ausschlußgrund enthält das Gesetz nicht.

19

Ein rechtsgeschäftlicher Ausschluß des Anfechtungsrechts ist nicht möglich. Die Erklärung des Klägers vom 24. Juni 1978 ist unwirksam, soweit darin eine Anerkennung der Ehelichkeit des Beklagten, ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht oder eine vertragliche Verpflichtung liegt, die Ehelichkeit des Beklagten nicht anzufechten.

20

Die Anerkennung der Ehelichkeit eines bereits gezeugten Kindes schließt das Anfechtungsrecht des Ehemannes nicht aus. Das hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 2, 130 entschieden und näher begründet; darauf wird verwiesen (vgl. auch OGHZ 3, 168). Für eine entsprechende Erklärung des Ehemannes vor der Zeugung eines Kindes gilt dasselbe.

21

Die nach jener Entscheidung ergangenen Gesetze auf dem Gebiet des Familienrechts haben die Rechtslage nicht verändert, sondern bestätigt. § 1598 BGB aF, nach dem der Ehemann die Ehelichkeit des Kindes nicht anfechten konnte, wenn er das Kind nach der Geburt als das seinige anerkannt hatte, ist nicht wieder in Kraft gesetzt worden. Das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961 (BGBl I 1221) hat zwar das Gesetz vom 12. April 1938 (RGBl I 380) aufgehoben, durch das § 1598 BGB aF beseitigt worden war (vgl. Art. 9 I Abs. 2 Nr. 9 des Familienrechtsänderungsgesetzes). Der Gesetzgeber hat jedoch bewußt davon abgesehen, erneut eine dem § 1598 BGB aF entsprechende Vorschrift in das Gesetz aufzunehmen. Der Regierungsentwurf des Familienrechtsänderungsgesetzes enthielt die ausdrückliche Bestimmung, daß § 1598 BGB aF aufgehoben bleibt (Art. 1 Nr. 7 des Entwurfs, BT-Drucks. III/530). Die Begründung verweist auf die früher geringe Bedeutung der Vorschrift und mögliche Beweisschwierigkeiten. Sie hebt ferner hervor, daß § 1594 BGB dem Ehemanne eine Überlegungsfrist von zwei Jahren einräume; es erscheine unbillig, ihn an irgendwelche Willensäußerungen - meist gegenüber seiner Ehefrau, der Mutter des Kindes - zu binden, bevor die Überlegungsfrist abgelaufen sei. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages (vgl. BT-Drucks. III/2812) ist zwar Art. 1 Nr. 7 des Entwurfs gestrichen worden. Eine sachliche Änderung bedeutet dies jedoch nicht. Der Rechtsausschuß sah die Bestimmung als überflüssig an, weil durch die Aufhebung des Gesetzes vom 12. April 1938 § 1598 BGB aF nicht wieder in Kraft gesetzt werde (vgl. den Bericht der Abgeordneten Dr. Schwarzhaupt zur BT-Drucks. III/2812).

22

Da ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht in seiner Wirkung einer Anerkennung der Ehelichkeit gleichkommt, ist er ebenfalls rechtlich wirkungslos. Das hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden (BGHZ 2, 130; BGH LM BGB § 1598 Nr. 2; NJW 1979, 418, 419; ebenso OGHZ 3, 168); dem folgt der Senat. Aus den gleichen Erwägungen schließt eine vertragliche Verpflichtung des Ehemannes, die Ehelichkeit des Kindes nicht anzufechten, sein Anfechtungsrecht nicht aus.

23

Mangels einer gesetzlichen Sonderregelung gelten diese Grundsätze auch bei einer heterologen künstlichen Samenübertragung, in die der Ehemann eingewilligt hat. Diese unterscheidet sich zwar von anderen Anfechtungsfällen dadurch, daß der Ehemann nicht erst nachträglich vor die Frage gestellt wird, ob er einem ohne sein Wissen und Zutun gezeugten Kinde seiner Ehefrau die Stellung eines eigenen ehelichen Kindes belassen will. Es entspricht ärztlicher Übung, eine heterologe künstliche Samenübertragung nicht ohne das Einverständnis des Ehemannes der Frau vorzunehmen (vgl. Heiss a.a.O. Seite 64; Vasterling in: Rippmann, Die ehefremde künstliche Befruchtung der Frau, 1974, Seite 27, 31; Giesen, Die künstliche Insemination als ethisches und rechtliches Problem, Seite 32 und Frankfurter Hefte 1963, 321, 322; Pasquay, Die künstliche Insemination, 1968, Seite 79). Die Zustimmung des Ehemannes ist also in der Regel die Voraussetzung dafür, daß es überhaupt zu einer Zeugung des Kindes auf diesem Wege kommt. In gewisser Hinsicht "verdankt" das Kind sein Leben der Einwilligung des Ehemannes. Diese Besonderheiten rechtfertigen es jedoch nach geltendem Recht nicht, ausnahmsweise einen rechtsgeschäftlichen Ausschluß des Anfechtungsrechtes zuzulassen. Das Gesetz versagt Willenserklärungen, die auf den Ausschluß des Anfechtungsrechtes gerichtet sind, allgemein die rechtliche Wirkung; es kommt nicht darauf an, ob die Erwägungen, die zu dieser Regelung geführt haben, im Einzelfalle uneingeschränkt zutreffen. Unbeachtlich sind sie im vorliegenden Falle nicht: Das Familienrechtsänderungsgesetz hat es wesentlich im Interesse des Ehemannes bei der Aufhebung des § 1598 BGB aF belassen. Ihm soll die Anfechtungsfrist des § 1594 BGB als Überlegungsfrist ungeschmälert zur Verfügung stehen (vgl. Gernhuber a.a.O. § 45 III 2; Beitzke, JR 1962, 85). Auch bei der Zustimmung zu einer heterologen künstlichen Samenübertragung bedarf der Ehemann des rechtlichen Schutzes vor unüberlegten Entscheidungen über die künftige Rechtsstellung des Kindes. Ob dieser Schutz auf eine andere Weise gewährleistet werden kann, die den Interessen des Kindes mehr Rechnung trägt, kann von den Gerichten schon deshalb nicht entschieden werden, weil verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen (z.B. unterschiedliche Formerfordernisse für die Zustimmungserklärung, Notwendigkeit einer vorherigen Beratung); die Entscheidung darüber muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

24

Die Zustimmung des Klägers zu der heterologen künstlichen Samenübertragung führt auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu einem Verlust seines Anfechtungsrechtes.

25

Eine Verwirkung im Rechtssinne kommt nicht in Betracht. Sie setzt voraus, daß der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Gegner den Umständen nach darauf vertrauen durfte und sich darauf eingerichtet hat, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden. Da der Kläger die Anfechtungsklage bereits wenige Monate nach der Geburt des Beklagten erhoben hat, sind diese Voraussetzungen nicht gegeben.

26

Auch ein Verstoß des Klägers gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, der die Rechtsausübung unzulässig machen würde, liegt nicht vor. Zwar widerspricht die Klage der früheren Erklärung des Klägers, die Vaterschaft anzuerkennen.

27

Wie bereits dargelegt wurde, ist diese Willenserklärung jedoch nach geltendem Recht unwirksam, soweit es um das Anfechtungsrecht geht. Es verstößt grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung beruft. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, daß ein unwirksamer Verzicht des Ehemannes auf das Anfechtungsrecht regelmäßig auch nicht auf dem Umweg über den Einwand des Rechtsmißbrauchs zum Verlust des Anfechtungsrechtes führen kann. Es müssen besondere Umstände vorliegen, um die Berufung auf die Unwirksamkeit des Verzichts als treuwidrig erscheinen zu lassen; dabei sind an die Feststellung, daß die Ausübung des Anfechtungsrechtes Rechtsmißbrauch ist, strenge Anforderungen zu stellen (BGH LM BGB § 1598 Nr. 2). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

28

Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn ein Kind mit Einwilligung des Ehemannes durch heterologe künstliche Samenübertragung gezeugt worden ist. Auch für ein solches Kind gelten die allgemeinen Vorschriften über die eheliche Abstammung, nach denen ein rechtsgeschäftlicher Ausschluß des Anfechtungsrechtes nicht möglich ist. Der Einwand des Rechtsmißbrauchs kann deshalb auch in diesen Fällen nicht allein darauf gestützt werden, daß der Ehemann zugesagt hat, die Ehelichkeit des Kindes nicht anzufechten. Demgemäß genügt die Erklärung des Klägers vom 24. Juni 1978 für sich allein nicht, um die Ausübung des Anfechtungsrechtes als rechtsmißbräuchlich erscheinen zu lassen.

29

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, grundsätzlich zu der Frage Stellung zu nehmen, wann bei einer künstlichen Fremdinsemination die Ausübung des Anfechtungsrechtes unzulässig sein kann. Besondere Umstände, die einen Verstoß des Klägers gegen Treu und Glauben begründen könnten, sind nämlich nicht ersichtlich. Die Feststellungen des Berufungsgerichts und der Vortrag der Parteien ergeben nicht, daß die erfolgreiche Anfechtung der Ehelichkeit den Beklagten besonders hart treffen würde. Daß er die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes des Klägers verliert und nichtehelich wird, ist die gesetzliche Folge einer erfolgreichen Anfechtung. Wegen der Verbesserungen, die die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder erfahren hat, hat dieser Umstand auch gegenüber früher an Gewicht verloren. Es besteht ferner kein ausreichender Grund anzunehmen, daß der Beklagte nach Abschluß des Anfechtungsverfahrens seinen wirklichen Erzeuger nicht feststellen könne. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten ist der Samenspender dem Arzt bekannt, der die künstliche Samenübertragung ausgeführt hat. Es ist daher möglich, daß der Arzt ihm diesen Mann benennt (vgl. dazu die Leitsätze der Rechtsberatertagung der Ärztekammern des Bundesgebietes vom 5. Juni 1970, zitiert bei Balz, Heterologe künstliche Samenübertragung beim Menschen, 1980, Seite 10). Zwischen den Parteien hatte sich auch eine engere Vater-Kind-Beziehung, deren Auflösung die seelische Entwicklung des Beklagten beeinträchtigen könnte (vgl. dazu BGH LM BGB § 1598 Nr. 2), nicht entwickeln können.

30

Auf der anderen Seite sind dem unstreitigen Parteivortrag verschiedene Umstände zu entnehmen, die gegen ein treuwidriges Verhalten des Klägers sprechen. Der Samenübertragung sind im vorliegenden Falle nicht die Untersuchungen vorausgegangen, die nach ärztlicher Auffassung notwendig sind (vgl. dazu Vasterling a.a.O. Seite 30, 31; Giesen, Die künstliche Insemination als ethisches und rechtliches Problem, Seite 32 f.; Heiss a.a.O. Seite 64 f.; Pasquay a.a.O. Seite 78 f.; Hanack a.a.O. Seite 171 f.): So ist nicht ausreichend geprüft worden, ob eine heterologe künstliche Samenübertragung als Maßnahme gegen eine durch den Ehemann verursachte Kinderlosigkeit der Ehegatten medizinisch angezeigt war. Unstreitig war der Kläger nicht zeugungsunfähig; aus der Ehe war bereits ein Kind hervorgegangen, das tödlich verunglückt war. Ob der von beiden Parteien vorgetragene Tabletten- und Alkoholmißbrauch des Klägers zu einer Schädigung seines Erbgutes geführt haben konnte, ist ersichtlich nicht geprüft worden. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers hatte der die Samenübertragung ausführende Arzt zu ihm keine persönliche Verbindung. Demgemäß hat der Arzt den Kläger auch nicht über die bei einer heterologen künstlichen Samenübertragung auftretenden Probleme unterrichtet und beraten. Darauf kann aber aus rechtlicher Sicht zum Schutze des Mannes vor unüberlegten Entscheidungen und auch im Interesse des Kindes keinesfalls verzichtet werden. Dem einschlägigen Schrifttum ist zu entnehmen, daß die heterologe künstliche Samenübertragung eine Fülle schwerwiegender rechtlicher, ethischer, religiöser, medizinischer und gesellschaftlicher Fragen aufwirft. Ob sie rechtlich erlaubt und mit den religiösen und ethischen Überzeugungen des Mannes vereinbar ist; ob der Zustand seiner Ehe und sein eigenes seelisches Befinden es ihm ermöglichen, die Existenz eines nicht von ihm stammenden Kindes in der Familie ohne Konflikte und schwere seelische Beeinträchtigungen auf Dauer zu ertragen; welche Auswirkungen auf die eheliche Gesinnung seiner Ehefrau das Bewußtsein haben kann, ein Kind von einem anderen Manne empfangen zu haben; nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl des Samenspenders zu erfolgen hat; ob es auf Dauer rechtlich zulässig und praktisch möglich ist, die Art der Zeugung und die wahre Abstammung auch vor dem Kind zu verheimlichen, und welche menschlichen und rechtlichen Konflikte eine Offenlegung dieser Umstände zur Folge haben kann: das alles wird der Ehemann nur nach reiflicher Überlegung und umfassender Aufklärung über die gesamte Problematik einigermaßen abschätzen können. Daß der Kläger Frauenarzt ist, machte eine solche Beratung nicht entbehrlich; aus seiner beruflichen Stellung folgt allenfalls, daß er die medizinischen Probleme übersehen konnte. Sie enthob den ausführenden Arzt nicht der Notwendigkeit, den übrigen Fragen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dazu bestand Anlaß. Die - inzwischen geschiedene - Ehe des Klägers befand sich unstreitig schon damals seit längerer Zeit in einer schweren Krise. Seit 1977 lebten die Ehegatten getrennt. Nach dem Vertrag des Beklagten wollte seine Mutter die Ehe durch ein Kind retten, das durch heterologe künstliche Samenübertragung gezeugt werden sollte. Der Zustand der Ehe bot also nicht die Gewähr für stabile Verhältnisse, wie sie auch im Interesse des erhofften Kindes zu wünschen waren. Hinzu kommt, daß der Wunsch nach einer heterologen künstlichen Samenübertragung von der Mutter des Beklagten ausging, wie das vom Kläger in Ablichtung vorgelegte Schreiben vom 24. Juni 1978 zeigt. Der Kläger hat zwar eingewilligt, und es ist zugunsten des Beklagten zu unterstellen, daß das Einverständnis bei Durchführung der Samenübertragung fortbestand. Der Beklagte trägt aber selbst vor, daß der Kläger infolge Tabletten- und Alkoholmißbrauchs in seinen Entschlüssen unbeständig sei. Der Kläger befand sich nach seinem unwidersprochenen Vortrag in der Zeit von Dezember 1978 bis Mai 1979 wegen seiner Krankheit wiederholt in stationärer Behandlung. Danach bot auch sein seelischer Zustand nicht die Gewähr, daß er das auf Wunsch seiner Ehefrau durch künstliche Fremdinsemination gezeugte Kind auf Dauer als eigenes annehmen werde. Hätte der ausführende Arzt diese Umstände festgestellt, hätte er nach den aus dem einschlägigen Schrifttum ersichtlichen ärztlichen Gepflogenheiten dringend von einer heterologen künstlichen Samenübertragung abraten müssen.

31

Die Erklärung des Klägers vom 24. Juni 1978 entfaltet danach für das vorliegende Statusverfahren unter keinem Gesichtspunkt rechtliche Wirkungen. Damit ist nicht entschieden, ob sich daraus vermögensrechtliche Verpflichtungen des Klägers (Unterhalt, Schadensersatz) ergeben können.

Mai
Zorn
Dr. Lang
Gärtner
Winter