Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.03.1983, Az.: VIII ZR 7/82
Objektive Benachteiligung der Gläubiger als Voraussetzung für eine Anfechtung außerhalb des Konkurses; Möglichkeit der Vollstreckung in eine Hälfteanteil an einem Grundstück, wenn die Befriedigung wegen eines Nießbrauchs zugunsten eines Dritten nicht möglich ist; Beeinträchtigung der Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers durch Weggabe eines Vermögenswertes; Anforderungen an den guten Glauben des unentgeltlichen Erwerbers; Notwendigkeit einer förmlichen Zustellung des Schriftsatzes für die Anfechtungsbenachrichtigung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 30.03.1983
- Aktenzeichen
- VIII ZR 7/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 14979
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 26.11.1981
- LG Düsseldorf
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 87, 166 - 168
- MDR 1983, 663 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1983, 1738-1739 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1983, 618-620
Prozessführer
Gertrud L. geb. H., G.straße ... in M.
Prozessgegner
Kaufmann Siegfried T., K.busch ... in N.
Amtlicher Leitsatz
Die schriftliche Anfechtungsanzeige dient nur zur Fristwahrung und ist kein Akt der Zwangsvollstreckung. Ihre förmliche Zustellung an den Anfechtungsgegner ist entbehrlich, wenn ihr Zugang auf andere Weise einwandfrei bewiesen werden kann.
Der VIII, Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Wolf, Merz, Dr. Skibbe und Groß
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. November 1981 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Schwiegermutter der Beklagten war bis 24. August 1970 Alleineigentümerin des Grundstücks G.straße ... in M. Sie übertrug an diesem Tage ihr Eigentum unter Vorbehalt eines Wohnrechts und des Nießbrauchs am Grundstück unentgeltlich an ihren Sohn, den Ehemann der Beklagten, und behielt sich im notariellen Vertrag das Recht vor, "von diesem Vertrag zurückzutreten für den Fall, daß der Erwerber den Grundbesitz ohne ihre Zustimmung veräußert oder seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag ihr gegenüber nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommt".
Zur Sicherung des Rückauflassungsanspruchs wurde im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen.
Ebenfalls am 24. August 1970 verschenkte der Ehemann der Beklagten notariell an diese mit Zustimmung seiner Mutter einen hälftigen Miteigentumsanteil.
Durch einen weiteren notariellen Vertrag vom 16. Juni 1978 schenkte der Ehemann der Beklagten seinen ihm verbliebenen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Die Eintragung im Grundbuch hierzu erfolgte am 2. November 1978. Die Beklagte wiederum übertrug mit notarieller Urkunde vom 23. Mai 1979 den halben Miteigentumsanteil unentgeltlich an ihre Schwiegermutter. Diese Rechtsänderung wurde am 10. September 1979 im Grundbuch eingetragen.
Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 18. September 1979 zeigte der Kläger der Beklagten an, daß er die Übertragung des Hälfteanteils des Grundstücks an sie vom 16. Juni/2. November 1978 wegen Forderungen gegen den Ehemann anzufechten beabsichtige. Durch inzwischen rechtskräftig gewordenes Teilurteil vom 20. November 1979 wurde der Ehemann der Beklagten verurteilt, an den Kläger 46.500 DM nebst Zinsen zu zahlen. Vollstreckungsversuche des Klägers gegen seinen Schuldner blieben erfolglos.
Mit Klage vom 25. August 1980, zugestellt am 27. November 1980, hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in den Miteigentumsanteil an dem Grundstück zu dulden wegen der ihm gegen den Ehemann der Beklagen zustehenden Forderung von 44.935,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. März 1980.
Hilfsweise begehrte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 44.935,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. März 1980 zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat gestützt auf § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG nach dem im Berufungsrechtszug allein noch gestellten Hilfsantrag des Klägers erkannt.
Mit der Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts durch Versäumnisurteil an.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Die Revision meint zu der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verurteilung der Beklagten zum Wertersatz, weil Rückgewähr in Natur durch Duldung der Zwangsvollstreckung in den Grundstücksanteil infolge seiner Weiterübertragung nicht mehr möglich ist (§§ 7 Abs. 1, 9 AnfG), hier fehle es an einer objektiven Benachteiligung der Gläubiger als Voraussetzung für eine Anfechtung außerhalb des Konkurses. Der Kläger hätte zwar in den der Beklagten von ihrem Mann übertragenen Hälfteanteil am Grundstück vollstrecken können. Weil die Nutzungen aufgrund des ihr eingeräumten Nießbrauchs der Schwiegermutter der Beklagten zugestanden hätten, hätte er aber keine Befriedigung erhalten. Zudem hätte bei einer Veräußerung des Grundstücks - auch im Wege der Zwangsvollstreckung - die Schwiegermutter der Beklagten ihr mit einer Vormerkung gesichertes Rücktrittsrecht durchsetzen können, zumal diese schon mit der Übertragung des Eigentumsanteiles ihres Sohnes auf die Beklagte nicht einverstanden gewesen war.
2.
Die Revision verkennt, daß eine Gläubigerbenachteiligung bereits dann gegeben ist, wenn der Schuldner sachlich ungerechtfertigt durch Weggabe eines Vermögenswertes die Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers beeinträchtigt oder erschwert (BGHZ 12, 238, 240; Senatsurteil vom 2. Juni 1959 - VIII ZR 182/58 = WM 1959, 888, 890; Böhle-Stamschräder/Kilger, AnfG, 5. Aufl. § 1 Anm. IV 1 und § 3 Anm. II 4). Nur die Weggabe völlig wertloser Gegenstände aus dem Schuldnervermögen, auf die eine Zugriffsmöglichkeit zum Zwecke der Verwertung nicht besteht, verkürzt das Vermögen des Schuldners nicht zum Nachteil der Gläubiger (Senatsurteile vom 16. Mai 1979 - VIII ZR 156/78 = WM 1979, 776; vom 15. Oktober 1975 - VIII ZR 62/74 = WM 1975, 1182; vom 2. Juni 1959 a.a.O.). Daß die Grundstückshälfte, die die Beklagte vom Schuldner übertragen erhalten hatte, völlig wertlos gewesen sei, kann ernstlich nicht angenommen werden. Der Schuldner wie die Beklagte haben den Wert des Hälfteanteils in den von ihnen geschlossenen, notariell beurkundeten Schenkungsverträgen vom 16. Juni 1978 und 23. Mai 1979 jeweils mit 70.000 DM angegeben. Es mag sein, daß im Hinblick auf den Nießbrauch der Mutter des Schuldners an dem Grundstück die Realisierung eines im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragenen Grundpfandrechts (§§ 866 ff ZPO), dem die Rückauflassungsvormerkung der Mutter des Schuldners nicht im Wege gestanden hätte, für den Kläger keine sofortige Befriedigung für seine Forderung gebracht hätte und daß der Versuch einer Zwangsversteigerung wegen des bestehenden Rücktrittsrechts nicht möglich erschien. Andererseits hätte aber der Kläger als Gläubiger eine grundbuchmäßige Sicherung seiner Forderung erhalten; denn die Rückauflassungsvormerkung bewirkte keine Grundbuchsperre (RGZ 132, 419, 424), sondern wahrte nur für das Rücktrittsrecht der Mutter des Schuldners bei dessen berechtigter Ausübung den Rang (Soergel/Baur, BGB, 11. Aufl. § 883 Rdn. 35 ff).
3.
Ohne Erfolg greift die Revision die Feststellungen des Berufungsgerichts an, die Mutter des Schuldners habe ihr Rücktrittsrecht aus dem notariellen Vertrag vom 24. August 1970 wegen der Übertragung des Hälfteanteils von ihrem Sohn auf die Beklagte nicht ausgeübt. Es mag sein, was die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt hatte, daß die Berechtigte nach der Übertragung der zunächst im Eigentum des Schuldners gebliebenen ideellen Grundstückshälfte am 16. Juni 1978 auf ihr Rücktrittsrecht "gepocht" hat. Tatsächlich aber, das ergibt die darüber aufgenommene notarielle Urkunde, hat die Beklagte unentgeltlich und ohne Bezugnahme auf die Ausübung des Rücktrittsrechts die Grundstückshälfte am 23. Mai 1979 auf ihre Schwiegermutter weiterübertragen.
4.
Ohne Erfolg bleibt auch der Angriff der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Haftungsbeschränkungen nach § 7 Abs. 2 AnfG für die Beklagte verneint. Guter Glaube des unentgeltlichen Erwerbers im Sinne von § 7 Abs. 2 AnfG liegt nur vor, wenn er als Leistungsempfänger weder weiß noch den Umständen nach annehmen muß, daß die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger des Leistenden infolge von dessen freigebiger Zuwendung verkürzt wird. Der gute Glaube muß dabei bis zu dem Zeitpunkt fortgedauert haben, an dem das Empfangene aus dem Vermögen des Bedachten wieder ausgeschieden ist (RGZ 92, 227, 229). Der Anfechtungsgegner muß seinen guten Glauben beweisen (BGH Urteil vom 11. November 1954 - IV ZR 64/54 = WM 1955, 407, 411; RGZ 92, a.a.O.). Da das Berufungsgericht festgestellt hat, daß gegen den Ehemann der Beklagten bereits im Sommer 1979 mindestens in einem Falle ein Versäumnisurteil ergangen ist, hätte die Beklagte darlegen und beweisen müssen, daß sie noch zur Zeit der Vollendung des Rechtserwerbs ihrer Schwiegermutter durch deren Eintragung im Grundbuch, also wenige Tage vor dem Zugang der Anfechtungsankündigung, noch in gutem Glauben hinsichtlich der Vermögensverhältnisse ihres Mannes war (vgl. BGH Urteil vom 15. Februar 1956 - IV ZR 266/55 = WM 1956, 703, 706). Das hat sie nicht getan.
II.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Wert des Hälfteanteils an dem Grundstück, für den die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 AnfG Ersatz leisten muß, erreiche mindestens die Klageforderung. Entgegen der Meinung der Revision hat es dabei das Nießbrauchsrecht der Schwiegermutter berücksichtigt. Es trifft nicht zu, daß dieses Recht jeden Gläubigerzugriff auf den Miteigentumsanteil hätte verhindern können. Das war nämlich schon für die Eintragung einer Sicherungshypothek (§ 866 ZPO), die das Rücktrittsrecht nicht ausgelöst hätte, nicht der Fall. Zum Wert des Hälfteanteils an dem Grundstück hatte der Kläger - abgesehen von seinem Hinweis darauf, daß in den beiden notariellen Urkunden vom 16. Juni 1978 und vom 23. Mai 1979 der Schuldner wie die Beklagte den Wert jeweils mit 70.000 DM angegeben hatten - in seiner Berufungsbegründung vorgetragen, daß in der entsprechenden Lage ein qm-Preis von 350 DM für Grundstücke bezahlt werde, so daß von einem reinen Grundstückswert von 175.000 DM auszugehen sei, zu dem noch der Wert des darauf errichteten Zweifamilienhauses mit 200.000 DM hinzukomme. An Belastungen seien bei der Übertragung der Grundstückshälfte auf die Beklagte nominal 40.000 DM und der Nießbrauch der betagten Mutter des Schuldners vorhanden gewesen. Selbst wenn man letzteren mit 100.000 DM bewerte, verbleibe für den Hälfteanteil an dem Grundstück noch immer ein Wert von 117.500 DM. Die Beklagte hat diesen unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag des Klägers nicht bestritten. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage angenommen hat, angesichts der allseits bekannten Situation auf dem Immobilienmarkt bedürfe es keiner näheren Darlegung dazu, daß der übernommene Miteigentumsanteil mindestens den Wert der Klageforderung erreichte, so ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
III.
1.
Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Anfechtungsanzeige nach § 4 AnfG, die der Beklagten durch Einschreiben mit Rückschein übermittelt worden ist, sei ihr in gehöriger Form zugegangen; denn einer Zustellung nach §§ 166 ff ZPO bedürfe es hierfür nicht.
2.
a)
In der Literatur ist umstritten, ob für die Anfechtungsbenachrichtigung nach § 4 AnfG eine förmliche Zustellung des Schriftsatzes nach § 169 ff ZPO notwendig ist (verneinend: Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 4 Anm. I 1; Jaeger AnfG, 2. Aufl. § 4 Anm. 2; Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 9. Aufl. § 181 VI 2; bejahend: Warneyer/Bohnenberg, AnfG, 4. Aufl. S. 170). Das Reichsgericht hat zwar in RGZ 126, 76, 78 ausgeführt, das Anfechtungsgesetz verlange in § 4, daß der Gläubiger seine Anfechtungsabsicht selbst dem künftigen Anfechtungsgegner durch Zustellung eines Schriftsatzes mitteilt, wobei die Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB) eingehalten werden müsse, doch wird in dieser Entscheidung zu der Frage, in welcher Form die Zustellung erfolgen muß, nichts gesagt (vgl. auch RG JW 1936, 578).
b)
Die Ankündigung einer künftigen Anfechtung nach § 4 AnfG ist zwar der Vorpfändung nach § 845 ZPOähnlich, bei der nach dem Gesetz die Benachrichtigung durch den Gerichtsvollzieher dem Drittschuldner und dem Schuldner zugestellt werden muß. Das Berufungsgericht weist aber zu Recht darauf hin, daß beide Maßnahmen nicht miteinander vergleichbar sind. Die Vorpfändung hat nach § 845 Abs. 2 ZPO die Wirkung eines Arrestes, sofern die Pfändung der Forderung innerhalb von drei Wochen, gerechnet ab Zustellung der Vorpfändung, dieser nachfolgt. Die Vorpfändung hat also bereits die Wirkung einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung (vgl. Hahn, Materialien zur CPO, Bd. 2, S. 460, Begründung zu § 691 des Entwurfs). Die Anfechtungsanzeige nach dem Anfechtungsgesetz dagegen dient nur zur Fristwahrung. Sie ist noch kein Akt der Zwangsvollstreckung. Aus diesem Grunde ist bei ihr eine förmliche Zustellung entbehrlich, wenn, wie hier, der Zugang des die Anfechtung ankündigenden Schriftsatzes an den Anfechtungsgegner einwandfrei bewiesen werden kann.
IV.
Da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, hat die Beklagte auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Wolf
Merz
Dr. Skibbe
Groß