Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.02.1983, Az.: I ZR 207/80
„Photokina“
Streitigkeit um einen Standplatz auf der "photokina 1978"; Protest in einer Werbebeilage der Zeitschrift "Schmalfilm"; Verwendung der Überschrift "photokina '78"; Warenzeichenmäßiger Gebrauch eines fremden Warenzeichens; Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 24.02.1983
- Aktenzeichen
- I ZR 207/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 12805
- Entscheidungsname
- Photokina
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 09.05.1980
- LG Köln
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- AfP 1983, 460-461
- MDR 1983, 907-908 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1983, 2195-2196 (Volltext mit amtl. LS) "Photokina"
Verfahrensgegenstand
"Photokina"
Prozessführer
der unter der Firma B. Schmalfilmgesellschaft M. und v.E. handelnde Kaufmann Gerd von E., A. straße ..., Mü.
Prozessgegner
Me.- und Au. mbH K.,
vertreten durch ihre Geschäftsführer Dieter E., Wolfgang K. L. und Hans W., Me. platz, K.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung einer Messe- und Ausstellungsbezeichnung durch eine nicht ausstellende Firma, die darunter auf ihre Nichtteilnahme hinweisen will, als Eingriff in das Recht der Messeveranstalterin auf ungestörte Ausübung ihres Unternehmens anzusehen ist.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Merkel, Dr. Zülch, Dr. Piper und Dr. Erdmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Mai 1980 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin richtet als Messegesellschaft unter anderem die alle zwei Jahre in Köln unter der Bezeichnung "photokina, Weltmesse der Photographie" stattfindende Ausstellung aus; sie ist Inhaberin des Warenzeichens Nr. 788 001 "photokina", das für Lichtbild- und Druckereierzeugnisse eingetragen ist.
Der Beklagte, der ein Filmkopierwerk betreibt, war seit 1960 Aussteller bei der "photokina" und hatte seinen Stand bis 1976 stets an derselben Stelle.
Anläßlich der "photokina" 1978 gab es wegen des Standplatzes Differenzen zwischen den Parteien. Die Klägerin wollte das zur Verfügung stehende Gelände teilweise neu aufteilen und bot dem Beklagten eine andere Ausstellungsfläche an. Der Beklagte war damit nicht einverstanden und beharrte auf seinem alten Standplatz. Nach umfangreichem Schriftwechsel lehnte der Beklagte schließlich das Angebot der Klägerin endgültig ab und verzichtete auf eine Teilnahme an der "photokina" 1978.
In einer Werbebeilage, die der Zeitschrift "Schmalfilm", Heft 9/1978 beigelegt wurde, inserierte der Beklagte unter der Überschrift "photokina '78" unter anderem mit folgendem Text:
"Suchen Sie uns nicht auf der Photokina! Wir verlassen diese aus Protest, weil die K. Me. den festen Stand der BSG (1960-1976) anderweitig vergeben hat."
Die Werbung enthielt ferner Angaben über das Angebot des Beklagten und allgemeine Anpreisungen.
Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihres Zeichenrechts, verbunden mit einem rechtswidrigen Eingriff in ihren Gewerbebetrieb. Der Protest sei ungerechtfertigt und auch der Form nach geeignet, sie herabzusetzen und ihren Geschäftsbetrieb zu beeinträchtigen. Sie habe dem Beklagten einen Standplatz angeboten, der seinem bisherigen voll entsprochen habe. Die Neuaufteilung sei erforderlich gewesen, um Jeweils geschlossene Angebotsbereiche zu bilden und könne nicht als mißbräuchlich angesehen werden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmaßnahmen zu unterlassen, in seiner Werbung für die Leistungen seines Filmkopierwerkes blickfangmäßig
"photokina ..."
herauszustellen und den Satz hinzuzufügen
"Suchen Sie uns nicht auf der Photokina! Wir verlassen diese aus Protest, weil die K. Me. den festen Stand der BSG (1960-1976) anderweitig vergeben hat."
Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, er habe von dem Zeichen keinen weiteren Gebrauch gemacht, als ihn die Klägerin allgemein für alle Firmen der Photobranche gestattet habe. Die beanstandeten Formulierungen seien aufgrund des Verhaltens der Klägerin berechtigt gewesen; er habe auch ein berechtigtes Interesse daran gehabt, seinen Kunden mitzuteilen, daß er nunmehr auf der Messe nicht mehr mit einem eigenen Stand vertreten sei, nachdem er bis zur Photokina 1978 immer einen eigenen Stand dort gehabt habe. Jedenfalls fehle die Wiederholungsgefahr, da die angegriffene Anzeige nur aus der Situation des Jahres 1978 heraus erfolgt sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Mit der Revision beantragt der Beklagte,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Anspruch der Klägerin sei aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) begründet. Die Benutzung eines bekannten Zeichens durch Dritte in ihrer Werbung zwecks Verwertung der damit erzielten Aufmerksamkeit für einen gegen den Zeicheninhaber gerichteten Angriff stelle einen Eingriff in dessen Gewerbebetrieb dar. Die Klägerin habe das Zeichen nach ihren Ausstellungsbedingungen nur den Ausstellern zur Verfügung gestellt, soweit diese damit für ihr Ausstellungsprogramm werben wollten. Demgegenüber habe der Beklagte es benutzt, um den Blick auf eine Aussage zu lenken, durch die der Eindruck erweckt werde, die Klägerin habe den Beklagten bei der Vergabe eines Messeplatzes unfair behandelt. Die gewählte Formulierung sage nicht nur etwas über sein Motiv aus, von der Messe fernzubleiben (Protest), sie schließe durch die Verbindung dieses Begriffs mit dem berichteten Verhalten der Klägerin (anderweitige Vergabe des von 1960-1976 dem Beklagten überlassenen Standes) für den Leser auch den Vorwurf ein, der Protest sei berechtigt, weil die Klägerin sich dem Beklagten gegenüber unfair verhalten habe. Das sei ein unmittelbarer und zielgerichteter Angriff auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin, weil er geeignet sei, andere Aussteller sowie Interessenten für einen Ausstellungsstand, aber auch potentielle Ausstellungsbesucher zu verunsichern und ihr Verhältnis zur Klägerin zu stören.
Dieser Angriff sei auch rechtswidrig. Der Beklagte hätte seine Mitteilung, er werde nicht auf der Messe vertreten sein, auch in anderer Form machen können, ohne das geschäftliche Verhalten der Klägerin herabzusetzen. Der Vorwurf, durch die Klägerin unfair behandelt worden zu sein, sei auch nicht schlüssig dargelegt worden. Die Korrespondenz ergebe keine unsachlichen Motive der Klägerin. Daß eine Neuaufteilung der Ausstellungsflächen erforderlich geworden sei, sei auch vom zuständigen Fachverband, der sich im Interesse des Beklagten in die Verhandlungen eingeschaltet habe, anerkannt worden.
II.
Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
1.
Die Begründung des angefochtenen Urteils gibt allerdings Anlaß zu dem Hinweis, daß nach ständiger Rechtsprechung eine Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt des Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in der Regel nur in Betracht kommt, wenn es gilt, eine regelungsbedürftige Lücke im Rechtsschutz zu schließen (vgl. BGHZ 36, 252, 257 - Gründerbildnis; BGHZ 45, 296, 307 - Höllenfeuer; GRUR 1969, 479, 481 - Colle de Cologne). Die Begründung eines Urteils, das auf dieses Recht gestützt wird, wird in der Regel auch die Darlegung enthalten müssen, daß der Klageanspruch seine Berechtigung nicht in den nach Sachlage zunächst in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften finde. Die Klägerin hatte sich auch insoweit auf die §§ 24 WZG, 1 und 16 UWG, 824 BGB berufen und die Parteien hatten dazu eingehend Stellung genommen, so daß auch aus diesem Grunde eine Erörterung dieser rechtlichen Gesichtspunkte nahegelegt war.
2.
Im Ergebnis ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, der Klageanspruch finde seine Berechtigung in § 823 Abs. 1 BGB aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Warenzeichenrechtliche Ansprüche sind im Streitfall zu verneinen, weil die Beklagte das Warenzeichen der Klägerin nach den getroffenen Feststellungen nicht warenzeichenmäßig verwendet hat. Ein solcher Gebrauch liegt vor, wenn das Zeichen so verwendet wird, daß der angesprochene Verkehr bei unbefangener Betrachtung annimmt, das Zeichen diene zur Unterscheidung der gekennzeichneten Waren von solchen anderer Herkunft (vgl. z.B. BGH GRUR 1969, 683 - Isolierte Hand; GRUR 1974, 84, 86 - Trumpf - st. Rsp.). Wird das Zeichen in einer Werbung verwendet, wie im Streitfall, so setzt der warenzeichenmäßige Gebrauch ebenfalls voraus, daß das Zeichen in diesem Sinne als Marke gebraucht und aufgefaßt wird. Da das Berufungsgericht festgestellt hat, die Beklagte habe das Zeichen benutzt, um den Blick auf die nachfolgende Aussage über seinen "Protest" zu lenken, konnte ein warenzeichenmäßiger Gebrauch verneint werden.
Auch die Anwendung der §§ 1 und 3 UWG scheidet im Streitfall aus, weil nach den Feststellungen ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien zu verneinen ist. Die Voraussetzungen des § 16 UWG sind nicht gegeben, weil die Beklagte das Zeichen nicht firmenmäßig gebraucht hat. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 824 BGB nicht vor, weil die beanstandete Aussage in ihrem Kern nach der bedenkenfreien Feststellung des Berufungsgerichts den angesprochenen Verkehrskreisen als ein (herabsetzendes) Werturteil über das "unfaire" Verhalten der Beklagten erscheinen mußte.
3.
a)
Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen betriebsbezogenen Eingriff angenommen. Die Werbebeilage habe sich nicht gegen den Betrieb der Klägerin als solchen, sondern allenfalls gegen eine ihrer zeitlich begrenzten Veranstaltungen gerichtet, die nicht mit dem Betrieb identisch sei. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, daß zum Schutzbereich des Unternehmens im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB die gesamte unternehmerische Tätigkeit in ihren einzelnen Erscheinungsformen gehört (vgl. BGHZ 3, 270, 279 - Constanze I: BGHZ 29, 65 69 - Stromunterbrechung). Dazu durfte das Berufungsgericht auch die Tätigkeit der Klägerin als Veranstalterin der "Photokina" rechnen. Auch daß es sich um einen Eingriff in diese Sphäre handelt, hat das Berufungsgericht unter den Voraussetzungen des Streitfalls rechtsbedenkenfrei mit der Ausführung festgestellt, der durch den Gebrauch des Zeichens erkennbar gegen die Klägerin gerichtete "Protest" sei geeignet, andere Aussteller sowie Interessenten für einen neuen Ausstellungsstand, aber auch potentielle Ausstellungsbesucher zu verunsichern und deren Verhältnis zur Klägerin zu stören. Daß das Berufungsgericht diesen Eingriff auch als für die rechtliche Beachtung hinreichend schwer beurteilt hat, erscheint entgegen der Ansicht der Revision noch vertretbar.
b)
Die Revision wendet sich weiter gegen die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als widerrechtlich und meint, der Beklagte habe lediglich seinen Kunden mitgeteilt, daß die Klägerin den Stand, den er von 1960 bis 1976 inne gehabt habe, anderweitig vergeben habe und daß er deshalb aus Protest die "Photokina 1978" verlasse. Daraus werde der Leser nicht mehr entnehmen, als daß der Verfasser darüber verärgert sei, nicht jedoch, daß die Klägerin ihn tatsächlich unfair behandelt habe. Dem steht Jedoch die das Urteil tragende Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, die Werbung schließe für den Leser den Vorwurf ein, der Protest sei berechtigt, weil die Klägerin sich gegenüber dem Beklagten unfair verhalten habe - es werde nicht nur informiert, sondern über die Klägerin eine negative Aussage gemacht. Diese tatrichterliche Feststellung ist rechtlich vertretbar, sie widerstreitet insbesondere nicht der Lebenserfahrung. Die Revision setzt dem lediglich eine eigene abweichende Würdigung entgegen, mit der sie in der Revisionsinstanz nicht gehört werden kann.
Der Beklagte hat sich mit seinem "Protest" entgegen der Meinung der Revision auch nicht in den Grenzen des Art. 5 GG gehalten. Auf die Grundsätze des Höllenfeuer-Urteils (BGHZ 45, 308 [BGH 21.06.1966 - VI ZR 261/64]), wonach negative Werturteile im Hinblick auf Art. 5 GG nicht widerrechtlich seien, solange es sich nicht um böswillige Schmähkritik handele, kann sich die Beklagte nicht berufen. In jenem Falle handelte es sich um eine Pressefehde. Das Urteil ging davon aus, daß die Vermutung für die freie Rede streite, wenn es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handele. Solche Voraussetzungen liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor. Auch auf das Metallzeitung-Urteil (GRUR 1979, 564) kann sich die Revision nicht berufen. Der Senat hat dort allerdings die Verwendung des "Bild"-Zeichens als Überschrift einer Rubrik, in der sich die genannte Mitglieder-Zeitung mit der Bild-Zeitung kritisch auseinandersetzte im Hinblick auf Art. 5 GG für nicht widerrechtlich erklärt. Dort war jedoch Gegenstand der Entscheidung ausschließlich die Verwendung des fremden Titels, nicht dagegen, wie im Streit fall der etwa diskriminierende Inhalt des darunter veröffentlichten Textes. Wie dort, hätten auch im Streitfall keine Bedenken erhoben werden können, wenn der Beklagte, was auch das Berufungsgericht berücksichtigt hat, mit Rücksicht auf seine langjährige Beteiligung an der "Photokina" dieses Zeichen verwendet hätte, um darunter seine Kunden in neutraler Form über sein Fernbleiben von der "Photokina 1978" zu unterrichten (vgl. OLG Hamburg, WRP 1979, 732).
4.
Die Revision wendet sich schließlich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen. Auch darin kann ihr nicht beigetreten werden, weil der Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat. Da die "Photokina" periodisch fortgesetzt wird, erscheint eine im Kern gleiche Wiederholung eines derartigen Hinweises nicht von vornherein ausgeschlossen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
Die Revision war danach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Merkel
Zülch
Piper
Erdmann