Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.12.1982, Az.: I ZR 121/80
„Wiederholte Unterwerfung“
Rechtsschutzbedürfnis eines auf Unterlassung einer Zeitungsanzeige klagenden Verbandes; Rechtsschutzbefürfnis wegen Wiederholungsgefahr trotz früherer Unterwerfungserklärung; Annahme einer im Verhältnis zu mehreren Verletzten unterschiedlichen Wiederholungsgefahr als gegen die Denkgesetze verstoßend; Materiell-rechtliche Wiederholungsgefahr trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung; Eignung eines Vertragsstrafeversprechens den Versprechenden wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten; Verhalten des Vertragsstrafeversprechenden und seine Reaktion auf eine Abmahnung als in Betracht zu ziehende Umstände
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 02.12.1982
- Aktenzeichen
- I ZR 121/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 13229
- Entscheidungsname
- Wiederholte Unterwerfung
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin - 22.04.1980
- LG Berlin
Rechtsgrundlagen
- § 9a UWG
- § 13 UWG
Fundstelle
- NJW 1983, 1060-1061 (Volltext mit amtl. LS) "wiederholte Unterwerfung"
Prozessführer
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.,
vertreten durch das geschäftsführende Vorstandsmitglied Dr. Marcel K., Ku., B.
Prozessgegner
1. Kaufmann Günter Kö., Be. Straße ..., Ber.
2. Kaufmann Heinz S., F. straße ..., Ber.
Amtlicher Leitsatz
- a)
Ist durch die gegenüber einem Gläubiger übernommene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung die Wiederholungsgefahr beseitigt, so hat ein anderer durch dieselbe Verletzungshandlung Betroffener keinen Anspruch auf eine weitere, ihm gegenüber abzugebende Unterwerfungserklärung.
- b)
Ob die Wiederholungsgefahr durch die gegenüber einem Gläubiger Übernommene Verpflichtung beseitigt ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Bei ihrer Prüfung muß in den Fällen, in denen der betroffene Angreifer mit dem Vertragsstrafegläubiger nicht identisch ist, zusätzlich und in besonderem Maße auch auf die Person und die Eigenschaften des Vertragsstrafegläubigers und auf die Art seiner Beziehung zum Schuldner abgestellt werden.
In dem Rechtsstreit
hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Alff, Dr. Zülch, Dr. Piper und Dr. Teplitzky
am 2. Dezember 1982
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. April 1980 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Beklagten sind Automobilhändler. Sie warben mit einer Anzeige in der "Ber. Morgenpost" vom 17. Dezember 1978 für von ihnen vertriebene Automodelle u.a. mit dem Text "Sonderpreis nur vom 18.12.1978-22.12.1978". Auf eine Abmahnung des Verbandes Sozialer Wettbewerb vom 19. Dezember 1978 wegen dieser Zeitungswerbung gaben sie diesem Verband gegenüber am 2. Januar 1979 eine durch ein Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 5.000,- DM bewehrte Unterlassungserklärung ab.
Der Kläger mahnte die Beklagten wegen derselben Anzeige am 22. März 1979 seinerseits ebenfalls ab. Die von ihm geforderte Unterlassungserklärung verweigerten die Beklagten mit dem Hinweis auf die bereits früher übernommene Verpflichtung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ihre Waren wörtlich oder sinngemäß - sei es auch unter Nennung anderer Daten - wie folgt zu werben:
"Sonderpreis nur vom ... bis ...".
Die Beklagten haben unter Berufung auf die bereits abgegebene Unterwerfungserklärung das Rechtsschutzbedürfnis und die Wiederholungsgefahr in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat die Klage für zulässig erachtet, aber wegen fehlender Wiederholungsgefahr abgewiesen.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageantrag weiter;
die Beklagten beantragen :
Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
1.
Die gegenüber einem anderen Verband eingegangene Unterlassungsverpflichtung nehme der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da letzteres sich grundsätzlich aus der Nichterfüllung des vom Kläger geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs ergebe.
2.
Es fehle jedoch an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Diese werde im Wettbewerbsrecht zwar grundsätzlich vermutet und nach den hierbei zu stellenden strengen Anforderungen regelmäßig nur durch die Abgabe einer vertragsstrafegesicherten Unterlassungserklärung beseitigt. Einen Anspruch auf Abgabe einer solchen Erklärung habe aber nicht jeder von mehreren Verletzten. Sei nämlich eine Unterlassungserklärung bereits gegenüber demjenigen Verletzten abgegeben worden, der mit seinem Anspruch am schnellsten hervorgetreten sei, so werde dadurch - vorausgesetzt, die Erklärung sei im Einzelfall nicht aus besonderen Gründen hierfür ungeeignet - die Wiederholungsgefahr endgültig und vollständig ausgeräumt. Eine im Verhältnis zu mehreren Verletzten unterschiedliche Wiederholungsgefahr gebe es nicht; die gegenteilige Annahme bedeute einen Verstoß gegen die Denkgesetze.
Ebenso wie im Falle eines rechtskräftigen Unterlassungstitels normalerweise nichts dafür spreche, daß der Verurteilte im kaufmännischen Leben das Verhalten wiederholen werde, das Gegenstand der Verurteilung gewesen sei, müsse nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber einem Gläubiger davon ausgegangen werden, daß der Verletzte einen gleichartigen Verstoß auch gegenüber anderen Konkurrenten nicht wiederholen werde; denn dies würde gegenüber dem Gläubiger des Strafversprechens die Vertragsstrafe auslösen.
Die Überlegung, dieser könne im Einzelfall nicht an der Verfolgung interessiert sein, und der Zweitgläubiger könne auch nicht überblicken, mit welchem Interesse und Nachdruck der Erstgläubiger erneute Verstöße verfolgen werde, sei nicht überzeugend; denn die Frage, ob eine Wiederholung zu befürchten sei, müsse von der Frage getrennt werden, ob bei Bestehen mehrerer Vertragsstrafeversprechen die Verfolgung besser gesichert sei. Zweifel daran, ob auch jeder künftige Verstoß gegen eine bereits abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung von dem Vertragsstrafegläubiger bemerkt und verfolgt werde, begründeten für sich allein keine Wiederholungsgefahr.
Besondere Gründe, die im vorliegenden Fall der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung die Eignung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nehmen könnten, lägen nicht vor. Weder sei die Höhe der Vertragsstrafe unzureichend noch sei vom Vertragsstrafegläubiger bekannt, daß er die Einhaltung von Vertragsstrafeverpflichtungen nicht überwache. Es sei im Gegenteil gerichtsbekannt, daß der in Frage stehende Verband Verstöße gegen Unterlassungsverpflichtungen verfolge.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe ungeachtet der früheren Unterwerfungserklärung ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage, das sich unabhängig von der materiell-rechtlichen Frage der Wiederholungsgefahr aus der Nichterfüllung des geltend gemachten (eigenen) Unterlassungsanspruchs des Klägers ergebe, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 1960, 379 - Zentrale -; 1973, 208, 209 = WRP 1973, 23 - Neues aus der Medizin -); sie wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
2.
Das Berufungsgericht ist weiter rechtsfehlerfrei - und insoweit ebenfalls ohne Beanstandungen seitens der Revision - von einem Wettbewerbsverstoß der Beklagten ausgegangen.
Soweit es die als Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr verneint hat, ist seine Beurteilung im wesentlichen tatsächlicher Natur und in der Revisionsinstanz nur beschränkt, nämlich darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht von richtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist und keine wesentlichen Tatumstände außer Acht gelassen hat (BGH GRUR 1964, 274, 275 - Möbelrabatt -). Einer solchen Nachprüfung halten die getroffenen Feststellungen stand.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Wiederholungsgefahr nur einheitlich und nicht etwa unterschiedlich im Verhältnis zu verschiedenen Verletzten beurteilt werden könne. Es hat dazu zutreffend ausgeführt, daß die Annahme einer im Verhältnis zu mehreren Verletzten unterschiedlichen Wiederholungsgefahr gegen die Denkgesetze verstoße, da es nicht denkbar sei, daß ein und derselbe Verstoß einem Verletzten - dem Vertragsstrafegläubiger - gegenüber unterlassen, anderen gegenüber aber nochmals begangen werden könne.
Es würde allerdings Bedenken unterliegen, falls das Berufungsgericht gemeint haben sollte, eine gegenüber einem von mehreren Verletzten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung sei regelmäßig geeignet, die Wiederholungsgefahr generell zu beseitigen, so daß sie von anderen Verletzten in gleicher Weise als ausreichend hinzunehmen sei wie eine ihnen selbst gegenüber eingegangene Vertragsstrafeverpflichtung, Ebensowenig kann der Auffassung beigetreten werden, nach der die strafbewehrte Unterwerfungserklärung gegenüber einem Gläubiger regelmäßig nicht ausreichend sein soll, um die Wiederholungsgefahr auch gegenüber anderen Verletzten zu beseitigen (vgl. OLG München WRP 1975, 683 und 1980, 285; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 13. Aufl., Einl. UWG Rdn. 257; Pastor, Wettbewerbsprozeß, 3. Aufl., S. 112; Nirk-Kurtze, Wettbewerbsstreitigkeiten, Rdn. 284 und Nordemann, Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Rdn. 566).
Es ist vielmehr stets eine Frage des Einzelfalls, ob durch eine allein im Verhältnis zu dem Vertragspartner wirksame Strafverpflichtung die Wiederholungsgefahr entfällt (vgl. BGH GRUR 1960, 379, 381 - Zentrale -). Wie bei jedem Vertragsstrafeversprechen kommt es auch hier entscheidend darauf an, daß die versprochene Verpflichtung geeignet erscheint, den Versprechenden wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, muß in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe geprüft werden. Der Unterschied zum Fall einer gegenüber dem verletzten Angreifer selbst abgegebenen Verpflichtungserklärung besteht allein darin, daß in Fällen der vorliegenden Art im Rahmen der Gesamtwürdigung zusätzlich und in besonderem Maße auch auf die Person und die Eigenschaften des mit dem Angreifer nicht identischen Vertragsstrafegläubigers und auf die Art der Beziehung des Schuldners zu diesem abzustellen ist. Denn das Fehlen eigener Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten Dritter begründet zwar - was das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei ausgeführt hat - für sich genommen keine Wiederholungsgefahr. Es nötigt jedoch zu der Prüfung, ob der infrage stehende Vertragsstrafegläubiger bereit und geeignet erscheint, seinerseits die nur ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten auszuschöpfen, und ob dies insbesondere vom Schuldner als so wahrscheinlich befürchtet werden muß, daß deswegen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Unterlassungsverpflichtung aufkommen können.
Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Es hat solche Zweifel vielmehr für den vorliegenden Fall unter Hinweis auf die ihm bekannte Ahndungs- und Verfolgungsbereitschaft des hier als Gläubiger infrage stehenden Verbandes und nach Prüfung und Bejahung der Angemessenheit der versprochenen Vertragsstrafe (5.000,- DM für jede Zuwiderhandlung) als nicht durchgreifend erachtet. Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Allerdings hat das Berufungsgericht einen anderen für die in solchen Fällen gebotene Gesamtwürdigung erheblichen Umstand, nämlich das Verhalten der Beklagten nach begangener Verletzungshandlung und insbesondere ihre Reaktion auf die Abmahnungen, nicht ausdrücklich in seine Überlegungen einbezogen. Es ist aber ersichtlich davon ausgegangen, daß insoweit keine besonderen Umstände zu Bedenken Anlaß geben. Das findet seine Bestätigung in der in den Vorinstanzen vorgelegten Korrespondenz. Daraus ist zu ersehen, daß sich auch aus dem Parteiverhalten - sofortige Unterwerfung gegenüber dem abmahnenden Verband, Beschränkung der Verteidigung gegenüber dem Kläger auf das Fehlen der Wiederholungsgefahr unter ausdrücklicher Betonung der beruflichen Unerfahrenheit der erst seit einem halben Jahr selbständig im Kraftfahrzeughandel tätigen Beklagten als Grund der einmaligen Verletzungshandlung - kein Grund ergibt, an der Ernsthaftigkeit des abgegebenen Unterlassungsversprechens zu zweifeln.
Solche Zweifel ergeben sich im konkreten Fall auch nicht daraus, daß die Beklagten sich geweigert haben, das - mit 1.500,- DM immerhin maßvolle - erneute Vertragsstrafeversprechen zusätzlich abzugeben. Denn in Anbetracht der ausreichenden Höhe des schon dem ersten Gläubiger versprochenen Betrages und im Hinblick auf das mit der zweiten Abmahnung wiederum verbundene Verlangen einer Abmahngebühr läßt sich aus dieser Weigerung, eine weitere Verpflichtung einzugehen, hier nicht der - für andere Fälle ähnlicher Art durchaus denkbare - Schluß ziehen, den Beklagten sei es mit der Erfüllung der eingegangenen ersten Verpflichtung nicht ernst; und zwar um so weniger, als im Zeitpunkt des Verlangens der Klägerin seit der Verletzungshandlung mehr als drei Monate und auch seit der ersten Unterwerfungserklärung bereits rund 11 Wochen verstrichen waren.
Ist demnach aber das erste Unterlassungsversprechen als ernst gemeint und hinreichend strafbewehrt zu beurteilen und somit nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Widerlegung der Vermutung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich geeignet, so ist letztere dadurch beseitigt, und zwar schlechthin mit Wirkung gegenüber jedem der durch die Verletzungshandlung Betroffenen.
Entgegen der Auffassung der Revision kann diesen auch nicht ein besonderes, etwa ungeachtet der Frage der konkreten Wiederholungsgefahr schutzwürdiges Interesse daran zugebilligt werden, auch ihrerseits durch ein ihnen gegenüber abgegebenes Unterlassungsversprechen abgesichert zu werden. Denn auch ohne eigene Vertragsstrafeansprüche sind die Verletzten im Wiederholungsfall nicht an wirksamen Sanktionen gehindert. Sie können die Einhaltung des dem anderen Gläubiger gegebenen Unterlassungsversprechens, von dem sie aufgrund ihrer Abmahnung Kenntnis erlangt haben, auch ihrerseits überwachen und im Falle eines Verstoßes des Schuldners entsprechend den vom Bundesgerichtshof bereits in anderem Zusammenhang aufgestellten Grundsätzen (BGH GRUR 1980, 241 = WRP 1980, 253 - Rechtsschutzbedürfnis -) gerichtlich gegen ihn vorgehen. Diese Möglichkeit dürfte im übrigen - zumindest nach einem jederzeit möglichen entsprechenden Hinweis des Abmahnenden - auch dem Schuldner gewärtig sein und somit zusätzlich zur Einhaltung der den anderen Gläubigern gegenüber eingegangenen Unterlassungsverpflichtung beitragen.
Das Berufungsgericht hat mithin das klageabweisende Urteil des Landgerichts zu Recht bestätigt, so daß die Revision mit Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.
Alff
Zülch
Piper
Teplitzky