Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.10.1982, Az.: VIII ZR 190/81
Auslegung eines Vertrages als "Fixgeschäft"; Verwendung des Zusatzes "fix" durch beide Vertragsparteien beim Vertragsschluss; Stornierung eines Lieferauftrags, wenn der Liefertermin nicht eingehalten wurde; Notwendigkeit der Setzung einer Nachlieferungsfrist und Androhung der Ablehnung der Annahme; Möglichkeit Fixgeschäfte zu vereinbaren, wenn die Einheitsbedingungen der deutschen Textilindustrie dieses ausdrücklich nicht erlauben
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 27.10.1982
- Aktenzeichen
- VIII ZR 190/81
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 12766
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 12.03.1981
Rechtsgrundlagen
- § 376 HGB
- § 6 Abs. 1 S. 3 DTEB (Einheitsbedingungen der deutschen Textilindustrie)
Fundstellen
- MDR 1983, 307-308 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1982, 1444
Prozessführer
Firma F. B. GmbH & Co KG,
vertreten durch die Firma F. B. GmbH,
diese vertreten durch ihren Geschäftsführer Bernd Sch., H.straße ... in K.
Prozessgegner
Firma La I. S. S.A.,
vertreten durch den Geschäftsführer Joan G., Gr. V. C., Barcelona 28
Amtlicher Leitsatz
Zur Auslegung eines Vertrages als "Fixgeschäft" i.S. von § 376 HGB, wenn beide Vertragschließenden bei der fernschriftlichen Vereinbarung einer festen Lieferzeit den Zusatz "fix" verwendet haben.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 1982
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier
und die Richter Dr. Skibbe, Treier, Dr. Brunotte und Dr. Paulusch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. März 1981 im Kostenpunkt und im übrigen insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben und die Widerklage zum Betrage von mehr als 45.906 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin - eine spanische Stoffherstellerin - verlangt von der Beklagten - einem deutschen Textilverarbeitungsunternehmen - den Kaufpreis für sechs unstreitig erbrachte Stofflieferungen in Höhe von 26.019,93 DM. Die Forderung entstand im Laufe einer längeren Geschäftsbeziehung, für die beide Parteien die Einheitsbedingungen der deutschen Textilindustrie (im folgenden: DTEB) zugrunde legten.
Die Beklagte rechnet mit Schadensersatzansprüchen von 91.244,05 DM auf und hat wegen des vollen Betrages ihrer Ansprüche auch Widerklage erhoben. Ihre Forderung stützt sie auf die unterbliebene Ausführung folgender von ihr als Fixhandelsgeschäfte angesehener Kaufverträge: Mit Fernschreiben vom 7. Juni 1978 bestellte die Beklagte bei der Klägerin u.a. 2500 m Stoff "Salonica 8094" in den Farben schwarz, bordeaux, weiß und matisseblau mit dem Vermerk "Lieferzeit 20.7.78 fix". Die Klägerin bestätigte die Bestellung mit Formularschreiben vom 3. Juli 1978 und gab darin als Lieferzeit "Ende Juli 1978 fix" an. Aus welchem Grunde die Lieferung nicht ausgeführt wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 2. September 1978 bestätigte die Klägerin fernschriftlich u.a. zwei von der Beklagten offenbar telefonisch oder mündlich erteilte Aufträge über 1500 m "Salonica 7442" und 3000 m "Marocco 5236" zur Lieferung am 30. September. Die Beklagte gab mit Fernschreiben vom 4. September 1978 die von der Klägerin verlangte Farbeinteilung an und fügte hinzu "Lieferzeit 20.9.-30.9. fix". Am 19. September 1978 teilte die Klägerin fernschriftlich mit, die Beklagte könne (u.a.) folgende Termine konkret vormerken: Salonica 7442 und Marocco 5236 "30.9. fix".
Mit einem weiteren Fernschreiben vom 4. Oktober 1978 kündigte die Klägerin an, die Partie "Salonica 7442" werde am "11. Oktober auf dem Flug" sein, "Marocco 5236" könne "in 2/3 Tagen geliefert werden".
Die Beklagte schrieb nunmehr am 9. Oktober 1978, angesichts der Überschreitung des bestätigten Fixtermins vom 30.9. sowie der Tatsache, daß sie einen großen Teil ihres Produktionsprogramms nicht mehr termingemäß ausliefern könne, storniere sie folgende Mengen: Salonica 7442 schwarz 750 m und bord. 300 m; Marocco 5236 bord. 300 m und schwarz 1300 m; der noch zu liefernde Saldo müsse bis 12.10. fix bei der Beklagten sein; über die durch Reklamationen und Retouren ihrer Abnehmer entstandenen enormen Verluste aufgrund der Terminsüberschreitungen müßten sich die Parteien noch unterhalten. Die Klägerin antwortete mit Fernschreiben vom gleichen Tage, sie storniere "die gesamten ausstehenden Metragen" und werde keine weiteren Lieferungen vornehmen; gleichzeitig erklärte sie sich jedoch bereit, gegen Eröffnung eines Akkreditivs andere Sorten Lagerware zu liefern, nach der die Beklagte gefragt hatte.
Die Beklagte erwiderte mit Fernschreiben vom 10. Oktober 1978, daß außer in "Salonica uni" keine weiteren Lieferungen erfolgt und alle am 19.9.1978 bestätigten Fixtermine nicht eingehalten seien; trotz Nachfristsetzung sei die Erfüllung von der Klägerin abgelehnt; deshalb mache sie "alle aus diesen Fixgeschäften resultierenden Rechte geltend". Unter Bezugnahme auf dieses Fernschreiben machte die Beklagte am 10. November 1978 einen Gesamtschaden von 110.342,- DM für entgangenen Gewinn und zusätzlichen Aufwand aus der unterbliebenen Lieferung der Bestellposten Salonica 7442, Salonica 8094 und Marocco 5236 geltend.
Das Landgericht hat der von zunächst 31.676,13 DM auf 26.019,93 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1978 ermäßigten Klage stattgegeben und die Aufrechnung sowie die Widerklage für unbegründet erklärt. Die Berufung der Beklagten, in der sie den Widerklageantrag auf 65.224,12 DM nebst Zinsen ermäßigt hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und die Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg.
I.
1.
Der mit der Klage verfolgte Kaufpreisanspruch ist seiner Entstehung nach unstreitig. Zu entscheiden ist daher nur, ob der Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Verträge vom 7. Juni und 2. September 1978 zusteht. Daß für alle Ansprüche nach dem Willen der Parteien deutsches Recht anzuwenden ist, ist ebenfalls nicht umstritten.
2.
Für den am 7. Juni 1978 bestellten und nicht gelieferten Stoff "Salonica 8094" besteht ein Schadensersatzanspruch schon deshalb nicht, weil die Beklagte vom Vertrag zurückgetreten ist und die Klägerin sich damit einverstanden erklärt hat. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte in einem Fernschreiben vom 11. September 1978 den Rücktritt erklärt, dem die Klägerin dann zugestimmt hat. Diese Auflösung des Vertrages konnte - wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt - nicht dadurch rückgängig gemacht werden, daß die Beklagte mit Fernschreiben vom 10. November 1978, also zwei Monate später, erstmalig auch für "Salonica 8094" Schadensersatz forderte.
II.
1.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Beklagten auch hinsichtlich der am 2. September 1978 bestätigten Bestellung "Salonica 7442" und "Marocco 5236" kein Schadensersatzanspruch zu, weil die Beklagte nach Ablauf der Lieferfrist keine in § 6 Abs. 2 der DTEB vorgesehene Nachfrist gesetzt habe, ein Fixgeschäft i.S. von § 376 Abs. 1 HGB nicht zustandegekommen sei und die Beklagte sich wegen eigenen vertragswidrigen Verhaltens durch Teilstornierung im Fernschreiben vom 9. Oktober 1978 nicht auf die am gleichen Tage erklärte Lieferungsverweigerung der Klägerin berufen könne.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
2.
Unbedenklich ist allerdings die Annahme, die Beklagte hätte - wenn kein Fixgeschäft vereinbart war - eine Nachlieferungsfrist setzen und die Ablehnung der Annahme androhen müssen, wenn sie Schadensersatz fordern wollte. Dabei kommt es auf die in den Vorinstanzen erörterte Frage nicht einmal an, ob die eine Nachfrist von 4 Wochen verlangende Bestimmung des § 6 Abs. 2 der DTEB die Beklagte unangemessen benachteilige und nach § 9 AGBG unwirksam sei. Denn auch nach dem dann anzuwendenden § 326 BGB hätte die Beklagte eine Nachfrist setzen und die Ablehnung der Leistung androhen müssen. Substantiiert vorgetragene Ausnahmegründe, die - wie etwa der Wegfall des Interesses infolge der Fristüberschreitung - eine Nachfrist überflüssig machen könnten, hat das Berufungsgericht verneint, ohne daß die Beklagte dagegen Revisionsrügen erhoben hätte. Die in den Tatsacheninstanzen gegebenen Hinweise der Beklagten auf Fristvereinbarungen mit ihren Abnehmern reichen dafür nicht aus, weil unklar bleibt, ob und in welchen genau zu bezeichnenden Einzelfällen verspätete Lieferungen der Klägerin tatsächlich nicht mehr hätten verwertet werden können.
Dem Berufungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, daß die völlige Lieferungsverweigerung der Klägerin in ihrem Fernschreiben vom 9. Oktober 1978 die Beklagte nicht von der Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung befreite. Zwar war auch die Klägerin, die sich in Verzug befand, zu einer völligen Leistungsverweigerung nur aufgrund der am gleichen Tage erklärten Teilstornierung seitens der Beklagten nicht berechtigt. Ihre im raschen Fernschriftwechsel abgegebene Erklärung kann aber nicht ohne weiteres als so endgültig angesehen werden, daß nicht Aussicht bestanden hätte, die Klägerin durch Fristsetzung und Ablehnungsandrohung nachdrücklich auf ihre Vertragspflichten für die volle Leistung hinzuweisen und sie dadurch umzustimmen (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 147/74 = LM BGB § 326 (Dc) Nr. 4 = WM 1976, 75 -, vom 6. Oktober 1976 - VIII ZR 66/75 = LM BGB § 326 (J) Nr. 3 = WM 1976, 1270 - und vom 16. Juni 1982 - VIII ZR 89/81 = NJW 1982, 2316 = WM 1982, 907). Das Beharren auf der Fristsetzung und Ablehnungsandrohung kann unter solchen Umständen nicht als bloße "Förmelei" betrachtet werden. Das gilt um so mehr, wenn die Beklagte durch unberechtigte Teilstornierung Veranlassung zu der Weigerung der Klägerin gegeben hatte.
3.
Mit Recht greift die Revision jedoch das Berufungsurteil insoweit an, als darin der Abschluß eines "Fixgeschäfts" i.S. von § 376 Abs. 1 HGB verneint wird.
a)
§ 6 Abs. 1 Satz 3 der DTEB bestimmt: "Fixgeschäfte werden nicht getätigt". Damit ist aber - wie auch das Berufungsgericht annimmt - eine abweichende individuelle Vereinbarung der Parteien nicht ausgeschlossen. § 4 AGBG räumt derartigen individuellen Abreden ausdrücklich den Vorrang vor abweichenden AGB-Klauseln ein, ohne dabei zu verlangen, daß die AGB-Klausel ausdrücklich abgeändert oder auch nur erwähnt wird.
b)
Ein Fixhandelsgeschäft erfordert nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nicht nur die Festlegung einer genauen Lieferzeit oder -frist, sondern darüberhinaus Einigkeit der Parteien darüber, daß der Vertrag mit Einhaltung oder Nichteinhaltung der Lieferungszeit stehen oder fallen solle (RGZ 51, 347 m.st.Rspr., Baumbach/Duden HGB 24. Aufl., § 376 Anm. 1 B, Würdinger/Röhricht Großkom. z. HGB, Bd. IV, 3. Aufl., § 376 Anm. 7, beide m.w.N.). Ist dies im Vertrag nicht eindeutig ausgesprochen, muß durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände ermittelt werden, ob die Parteien der vereinbarten Lieferzeit eine so weitgehende Bedeutung beimessen wollten. Dabei wirkt sich nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts aus (RG "Recht" 1925, 31 Nr. 5).
c)
Das Berufungsgericht geht von diesen Grundsätzen aus. Es ist bei seiner Auslegung zu dem Ergebnis gelangt, daß jedenfalls Zweifel an dem Willen der Parteien verbleiben, den Vertrag vom 2. September 1978 als Fixgeschäft anzusehen. Als Anhaltspunkt hat es für bedeutsam gehalten, daß die Parteien die DTEB mit dem Ausschluß von Fixgeschäften dem Vertrag zugrunde gelegt haben, daß die Beklagte Terminsüberschreitungen bei früheren, von ihr ebenfalls als Fixgeschäft bezeichneten Verträgen nicht mit sofortigem Rücktritt oder Schadensersatzforderungen beantwortet habe und daß die Beklagte für die Bemessung einer mit § 6 DTEB begründeten Nachfrist ebenfalls den Ausdruck "fix" benutzt habe; dagegen hat es nicht als Indiz für ein Fixgeschäft angesehen, daß die Parteien im Vertrag die Klausel "fix" verwendet haben, daß die Beklagte nach ihrer Behauptung die Klägerin vor Abschluß der Verträge auf die Notwendigkeit unbedingter Einhaltung der Frist hingewiesen haben will und daß die Klägerin nach der für die Revisionsinstanz zu unterstellenden weiteren Behauptung der Beklagten für die streng fristgebundene Erfüllung eine höhere Vergütung als bei normalen Verträgen verlangt habe.
Mit dieser Auslegung und Würdigung hat das Berufungsgericht die vom Reichsgericht entwickelten Grundsätze verkannt und wesentliche Auslegungsgesichtspunkte übergangen.
aa)
Das Reichsgericht hat seine Rechtsprechung zur eingeschränkten Annahme von Fixgeschäften an Fällen entwickelt, in denen die Verträge keine "fix-Klausel" enthielten (vgl. RGZ 51, 347; 101, 361, 364; 108, 158; RG JW 1917, 42 Nr. 9; "Recht" 1925, 31 Nr. 9). In Fällen, in denen die Vertragschließenden nur die Leistungszeit mehr oder minder deutlich festgelegt, aber nicht das Rechtsgeschäft im ganzen oder wenigstens die Leistungszeitabrede als Fixgeschäft bezeichnet haben, ist es gerechtfertigt, jeden aus Vertragsformulierungen oder anderen Umständen herrührenden Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts wirken zu lassen. Denn die Annahme, die Parteien hätten nicht die Existenz des Vertrages von der Fristwahrung abhängig machen wollen, liegt nahe, wenn diesem Willen keinerlei wörtlicher Ausdruck verliehen worden ist.
Anders verhält es sich, wenn die Vertragschließenden für das gesamte Geschäft oder die Leistungszeit die Klausel "fix" und damit eine Bezeichnung wählen, die als Kurzbezeichnung dem in § 376 HGB geregelten Vertragstyp entspricht, Eine Vermutung oder - wie das Berufungsgericht meint - eine Lebenserfahrung, daß dennoch kein Fixgeschäft gewollt sei, läßt sich in einem solchen Fall nicht annehmen. Diese Ansicht wird ersichtlich auch von einem Teil der neueren Literatur und Rechtsprechung vertreten, wenn dort die Klausel "fix" als Hinweis oder wenigstens Indiz für ein Fixgeschäft gewertet wird (Würdinger/Röhricht a.a.O. Anm. 9; Bandasch in Gemeinschaftskom. z. HGB 3. Aufl., § 3576 Rdn. 1; Bohnenberg HGB, § 376 Anm. I; vgl. auch OLG Hamburg MDR 1975, 845 [OLG Hamburg 02.09.1974 - 8 U 189/73]).
Zweifel, die zur Ablehnung eines Fixgeschäfts führen, sind auch bei Verwendung der "fix-Klausel" nicht ausgeschlossen. Sie müssen sich aber auf Umstände gründen, die schlüssig und überzeugend gerade dafür sprechen, die Bezeichnung "fix" entgegen ihrem objektiven Erklärungswert nicht als Festlegung eines Fixgeschäfts anzusehen.
bb)
Das Berufungsgericht, dem die tatrichterliche Auslegung und Würdigung der Vertragserklärungen obliegt, hat die oben erörterten Gesichtspunkte in seine Erwägungen nicht einbezogen. Da somit der Ausgangspunkt seiner Auslegung fehlerhaft ist, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Bei der erneut vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revision - nicht gehindert, den allgemeinen Ausschluß von Fixgeschäften in § 6 Abs. 1 Satz 3 DTEB in seine Wertung einzubeziehen. Es geht insoweit nicht um den Vorrang der Individualabrede, sondern allein um die Frage, ob angesichts der in den Vertrag aufgenommenen DTEB die Bezeichnung "fix" eine andere Bedeutung hatte als im Sinne von § 376 HGB.
Erhebliche Bedeutung wird die DTEB-Regelung allerdings nur gewinnen, wenn noch andere gewichtige Gründe gegen ein Fixgeschäft sprechen. Es wird auch zu beachten sein, daß die unterbliebene Geltendmachung von Rücktritt oder sofortiger Schadensersatzforderung bei Fristüberschreitung in früheren Fällen - die ihrer Anzahl und ihren Umständen nach im einzelnen nicht festgestellt sind - kaum ein Indiz gegen ein Fixgeschäft ist. Nach § 376 Abs. 1 Satz 2 HGB ist jeder Käufer auch bei einem Fixgeschäft berechtigt, durch eine sofortige Erklärung weiterhin Erfüllung zu verlangen. Da sich das Fixgeschäft damit in ein normales Handelsgeschäft verwandelt, steht nichts im Wege, das Erfüllungsverlangen zugleich als Nachfristsetzung aufzufassen. Aus einer solchen Erklärung läßt sich daher ebenso wie bei mehrfach vereinbarten Fristverlängerungen (RG HRR 1927, 646) nicht von vornherein etwas gegen den ursprünglichen Fixcharakter herleiten. Auch die allgemeine Handhabung früherer Verträge durch die Beklagte und speziell ihr einen solchen Fall betreffendes Fernschreiben vom 16. März 1978 ergeben keine wesentlichen Gesichtspunkte gegen die Annahme eines Fixgeschäfts.
Andererseits wird das Berufungsgericht nochmals zu erwägen haben, ob der - von der Beklagten behauptete - höhere Preis für die streng fristgebundene Erfüllung nicht doch ein Indiz für ein Fixgeschäft darstellt. Ein höherer Preis für eine Lieferung, deren Verzögerung zu keinen anderen Folgen führt als bei jedem anderen Vertrag, erscheint wenig einleuchtend. Auch die von der Beklagten behaupteten, vor Abschluß der Verträge an die Klägerin gerichteten Hinweise, die Lieferzeitpunkte müßten auf jeden Fall eingehalten werden, sind als verstärkendes Indiz nicht ganz unbeachtlich. Schließlich wird noch zu berücksichtigen sein, daß bei der Art des Vertragsabschlusses durch wechselseitige Fernschreiben die Verwendung von Kürzeln oder Klauseln näher liegt als die ausführliche Umschreibung oder Definition von Erklärungsinhalten. Daraus kann ein stärkeres Gewicht derartiger Kurzbezeichnungen für die Auslegung der Vertragserklärungen und der mit ihnen verfolgten Ziele abzuleiten sein.
4.
Sollte das Berufungsgericht bei der Abwägung der erörterten Umstände nicht zur Annahme eines Fixgeschäfts kommen, wird es dem Beweisantritt der Beklagten darüber nachzugehen haben, ob für Modeartikel eine Branchenübung besteht, Fixgeschäfte abzuschließen. Die Zurückweisung dieses Beweisangebots verstieß gegen § 286 ZPO, wie die Revision mit Recht rügt. Die Behauptung der Beklagten über die Branchenübung in der Berufungsbegründung vom 5. Dezember 1980 bezog sich dem Zusammenhang nach eindeutig nicht nur auf den Einzelhandel, sondern auf alle Handelsstufen. Nur beispielhaft hat die Beklagte auch auf Verträge mit ihren Abnehmern hingewiesen.
Würde in der Beweisaufnahme ein Handelsbrauch mit dem behaupteten Inhalt festgestellt, wäre § 6 Abs. 1 Satz 3 der DTEB ausgeschlossen, jedenfalls aber für die Auslegung der Klausel "fix" nicht mehr erheblich. Selbst wenn kein Handelsbrauch, sondern nur eine tatsächliche Übung bewiesen würde, ergäbe sich daraus ein starkes Indiz dafür, die "fix-Klausel" im vorliegenden Fall im Sinne von § 376 HGB zu werten.
5.
Ergibt die erneute Auslegung ein Fixgeschäft, so steht der Beklagten dem Grunde nach auch ein Schadensersatzanspruch zu (§ 376 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dieser mit der Fristversäumung am 30. September 1978 entstandene Anspruch wäre weder durch ein sofortiges Erfüllungsverlangen noch durch Ausübung des Rücktrittsrechts untergegangen.
a)
Nach § 376 Abs. 1 Satz 2 HGB kann der Käufer anstelle von Schadensersatz die Erfüllung des Vertrages verlangen, sofern er dies dem Verkäufer sofort nach Ablauf der Lieferzeit anzeigt. Dabei bedeutet "sofort" nach allgemeiner Ansicht mehr als "unverzüglich" (§ 121 BGB: ohne schuldhaftes Zögern); das Erfüllungsverlangen muß ohne jede Verzögerung gestellt und kann später nicht mehr nachgeholt werden (Würdinger/Röhricht a.a.O. Anm. 33; Schlegelberger/Hefermehl HGB 4. Aufl. Bd. III, § 376 Rdn. 16). Diesen Anforderungen genügte das erst am 9. Oktober 1978 abgesandte Fernschreiben der Beklagten nicht, zumal es nach seinem Inhalt mehr eine Reaktion auf das Fernschreiben der Klägerin vom 4. Oktober war als eine unmittelbare auf die Versäumung der Lieferzeit zum 30. September. Auf die weitere Frage, ob das am 9. Oktober ausgesprochene Verlangen nach einer Teillieferung ein Erfüllungsverlangen i.S. des § 376 HGB wäre, kommt es nicht mehr an.
b)
Hat der Käufer nach der Fristversäumung den Rücktritt vom Vertrage erklärt, kann er nicht mehr nachträglich zum Schadensersatz übergehen, weil der Vertrag bereits aufgelöst ist. Der Wortlaut des Fernschreibens der Beklagten vom 9. Oktober läßt nicht eindeutig erkennen, ob es sich - jedenfalls hinsichtlich der darin angegebenen Teilmenge - um einen solchen Rücktritt handeln sollte. Denn die Beklagte hat zwar erklärt, sie "storniere" einen Teil der Bestellung; gleichzeitig hat sie aber angekündigt, sie halte ein Gespräch über den Ausgleich der ihr nach ihrer Behauptung entstandenen Verluste für notwendig. Ob in einer solchen Erklärung ein Rücktritt oder das Verlangen nach Schadensersatz zu sehen ist, ist an sich Sache der tatrichterlichen Auslegung (Senatsurteil vom 28. März 1979 - VIII ZR 15/78 = WM 1979, 674 unter II 3 a). Da aber das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - diese Frage nicht erörtert hat und weitere Aufklärung hierzu nicht erforderlich ist, kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen. Entscheidend ist, wie die Erklärung vom Standpunkt des Empfängers aus aufzufassen war (Senatsurteile vom 27. November 1963 - VIII ZR 63/62 = LM BGB § 326 (Ea) Nr. 5 zu II 2 - und vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 27/81 = NJW 1982, 1278 = WM 1982, 512 zu II 2 c). Danach kann es aber keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagte die Angelegenheit nicht mit der bloßen "Stornierung" auf sich beruhen lassen, sondern auch Ausgleich ihrer Verluste fordern wollte. Ihre Erklärung ist daher nicht als Rücktritt aufzufassen, der einen Übergang zum Schadensersatz ausgeschlossen hätte, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Stornierung nur eines Teils der Bestellung als Teilrücktritt wirksam gewesen wäre.
c)
Mit ihrem Hinweis im Fernschreiben vom 9. Oktober auf notwendige Gespräche über einen Verlustausgleich hat die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch hinreichend deutlich und rechtzeitig angekündigt. Ihre Bemerkung im Fernschreiben vom 10. Oktober, sie behalte sich alle Rechte vor, kann bei sinngemäßer Auslegung nur als Bekräftigung der schon angekündigten Ansprüche gedeutet werden. Da die beiden Fernschreiben zwar nicht "sofort" (vgl. oben zu a), wohl aber "alsbald" nach Ablauf der Lieferzeit abgesandt wurden, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Schadensersatzanspruch nach § 376 Abs. 1 HGB von der alsbaldigen Geltendmachung abhängt (wie es das Reichsgericht in "Das Recht" 1930 Nr. 1245 für den Rücktritt gefordert hat; a.A. Würdinger/Röhricht a.a.O. § 376 Anm. 24) und ob die spezifizierte Anmeldung von Ersatzansprüchen in dem späteren Fernschreiben vom 10. November 1978 noch "alsbald" geschehen wäre.
III.
Die Revision ist damit unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung eines Anspruchs auf Schadensersatz für den Vertrag vom 7. Juni 1978 wendet, dagegen begründet, soweit auch die Ansprüche aus den Bestellungen vom 2. September 1978 abgewiesen wurden. Hinsichtlich dieses Teils war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Den Wert des Auftrags vom 7. Juni 1978 (Stoff "Salonica 8094 hat die Beklagte mit 131.160,- DM beziffert und 35 % davon (45.906 DM) als entgangenen Gewinn gefordert. Nur in Höhe dieses Betrages konnte die Abweisung der Widerklage endgültig bestätigt werden, während das Berufungsgericht noch aufzuklären haben wird, ob in den weiterhin geltend gemachten Schadenposten für Produktionsausfallsaufwand, Wattierstoffe und Flugkosten auch ein - ebenfalls unbegründeter - Anteil für den Auftrag vom 7. Juni enthalten ist.
Dr. Skibbe
Treier
Dr. Brunotte
Dr. Paulusch