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Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.07.1982, Az.: VIII ZR 196/81

Wirksamkeit der Kündigung eines Mietvertrags über ein Geschäftslokal; Einseitige Verlängerungserklärung des Mietvertrags durch den Mieter

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
14.07.1982
Aktenzeichen
VIII ZR 196/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 12438
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 27.05.1981
LG Mönchengladbach - 24.07.1980

Fundstellen

  • MDR 1983, 126 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1982, 2770-2771 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Das dem Mieter eingeräumte Optionsrecht erlischt grundsätzlich spätestens mit Ablauf der um die Optionszeit verlängerten ursprünglichen Vertragsdauer.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 1982
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Hoffmann, Wolf, Merz und Dr. Skibbe
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 1981 und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 24. Juli 1980 aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, das Mietverhältnis über das Geschäftslokal im Hause H.straße ... in M. über den 30. November 1981 hinaus durch Option zu verlängern.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin schloß am 6. Juni 1956 mit der Firma L. Sch.-... GmbH, Fle. und K., der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Mietvertrag über ein Geschäftslokal in ihrem Hause H.straße ... in M. § 2 dieses Vertrages bestimmt:

"Der Vertrag, und damit die Verpflichtung zur Mietzahlung, beginnt mit dem Eröffnungstage der Verkaufsstelle der Firma Schw. in dem oben bezeichneten Hause.

Die Vertragsdauer beträgt 10 Jahre, gerechnet vom Beginn der Ladeneröffnung, unkündbar für beide Teile.

Nach Ablauf des Vertrages steht der Mieterin ein Optionsrecht für zweimal fünf Jahre zu.

Sofern nicht ein halbes Jahr vor Ablauf der jeweiligen Vertragsdauer gekündigt wird, verlängert sich der Vertrag um ein Jahr. Die Kündigung muß schriftlich mittels Einschreibebrief erfolgen."

2

Der Mietzins betrug monatlich 1.350 DM. § 5 des Mietvertrages bestimmt dazu:

"Der vereinbarte Mietzins ist während der 10-jährigen Vertragsdauer fest. Es bleibt den Partnern vorbehalten nach Ablauf dieser Vertragsdauer und bei einer evtl. Fortführung des Mietverhältnisses über eine Neufestsetzung des Mietpreises zu verhandeln, sofern der durch das Weltwirtschaftsarchiv Hamburg festgestellte Index eine Abweichung von mindestens 25 Punkten erfährt. Hierbei ist auszugehen vom Stand des Indexes wie er am Tage des Mietbeginns Gültigkeit hatte."

3

Das Geschäftslokal wurde zum 1. Dezember 1956 eröffnet.

4

Mit Schreiben vom 14. April 1966 bestätigte die Firma Schw.-... eine Vereinbarung mit der Klägerin u.a. wie folgt:

"1.
Die monatliche Miete wird mit Wirkung ab 1. Dezember 1966 auf DM 2.650,- festgesetzt.

2.
...

3.
Der in allen sonstigen Punkten nach wie vor geltende Mietvertrag läuft bis zum 1. Dezember 1976."

5

Am 2. September 1976 schlossen die Parteien dieses Rechtsstreits eine Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag vom 6. Juni 1956, in der es u.a. heißt:

"In Abänderung des bestehenden Mietvertrages und seiner späteren Änderungen (insbesondere der vom 14.4.1966) wird folgendes vereinbart:

1.
die monatliche Miete beträgt mit Wirkung vom 1. April 1976 DM 4.500,-,

2.
...

3.
der Mietvertrag wird bis zum 30.11.1981 verlängert,

4.
...

5.
alle anderen Punkte des Mietvertrages vom 6.6.1956 und der nachträglichen Vereinbarungen bleiben unberührt."

6

Mit Schreiben vom 17. Januar 1978 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie "möchte schon jetzt den Vertrag zum nächstmöglichen Termin kündigen". Durch Schreiben der Klägerin vom 9. Mai 1979 erhielt die Beklagte sodann Kenntnis von der bereits erfolgten Weitervermietung der gekündigten Räume an eine Parfümeriekette ab 1. Dezember 1981. Nachdem die Klägerin Bemühungen der Beklagten um eine weitere Verlängerung des Mietverhältnisses mit ihr abgelehnt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 20. Juni 1979, daß sie nunmehr von ihrem Optionsrecht für zunächst weitere fünf Jahre bis zum 30. November 1986 Gebrauch mache.

7

Mit der Klage begehrt die Klägerin Feststellung, daß der Beklagten ein Optionsrecht über den 30. November 1981 hinaus nicht zusteht.

8

Die Klägerin hat dazu behauptet, die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, daß ein Optionsrecht der Beklagten nicht mehr bestehe und das Mietverhältnis endgültig zum 30. November 1981 ende. Das ergebe sich sowohl aus dem Schriftwechsel der Parteien vor den jeweiligen Vertragsverlängerungen als auch aus den von ihrem Vertreter bei den Gesprächen im Jahre 1976 geäußerten Hinweisen, daß am 30. November 1981 "endgültig Schluß" sei. Das sei von der Beklagten auch akzeptiert worden.

9

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

10

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

11

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe das zweimalige Optionsrecht für je fünf Jahre noch zu. Es sei nicht auf den Zeitraum von 10 Jahren nach Ablauf der ursprünglichen Vertragsdauer beschränkt worden, vielmehr habe es sich bei Vertragsverlängerungen auf das sich daraus ergebende Vertragsende verschoben. In den Zusatz- und Nachtragsvereinbarungen sei das durch die Formulierungen, "der in allen sonstigen Punkten nach wie vor geltende Mietvertrag" und "alle anderen Punkte des Mietvertrages und der nachträglichen Vereinbarungen bleiben unberührt", ausdrücklich festgehalten worden. Hätten die Vertragsverlängerungen zu einer Schmälerung des Optionsrechts führen sollen, so hätte das vereinbart werden müssen.

13

Da der Vertrag infolge der von Klägerin ausgesprochenen Kündigung zum 30. November 1981 auslaufe, stehe der Beklagten für den danach liegenden Zeitraum das Optionsrecht zu, welches sie für die Dauer von fünf Jahren auch bereits ausgeübt habe.

14

Die Vorinstanz hat weiter gemeint, es könne auch keine Rede davon sein, daß das Optionsrecht durch die Verlängerungsvereinbarungen überflüssig geworden oder verbraucht worden sei. Die Vertragsdauer sei vielmehr unabhängig vom Optionsrecht verlängert worden. Dabei sei ein erheblich angehobener Mietzins vereinbart worden, wozu keine Veranlassung bestanden hätte, wenn der Vertrag lediglich in Ausübung des Optionsrechts und damit im Grundsatz - wenn auch unter Berücksichtigung von § 242 BGB - zu denselben Bedingungen verlängert worden wäre. Ein Optionsrecht stünde der Klägerin mithin nur dann nicht mehr zu, wenn die Parteien dieses Recht ausdrücklich oder stillschweigend abbedungen hätten. Da die Vertragsbestimmungen für den Fortbestand des Optionsrechts sprächen, treffe die Beklagte für das Gegenteil die Darlegungs- und Beweislast. Eine ausdrückliche Absprache habe sie nicht behauptet. Aus den Verlängerungsvereinbarungen und dem Schriftwechsel oder aus Erklärungen während der Vertragsverhandlungen lasse sich eine solche Absprache nicht herleiten. Die Verhandlungen in den Jahren 1966 und 1976 hätten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu einem stillschweigenden Abbedingen des Optionsrechts geführt. Nicht bewiesen sei insbesondere, daß der Vertreter der Klägerin, der Zeuge Cl., erklärt habe, mit der Verlängerung des Mietverhältnisses solle der Vertrag endgültig sein Ende finden.

15

II.

Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

16

1.

Über die Zulässigkeit der Feststellungsklage besteht kein Streit.

17

2.

Bei der Verlängerungsoption, wie sie von der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Mietvertrag vom 6. Juni 1956 vereinbart worden ist, handelt es sich um die Befugnis des Mieters, durch einseitige rechtsgestaltende Erklärung das bestehende Mietverhältnis um die Optionszeit zu verlängern (Senatsurteil vom 20. Dezember 1967 - VIII ZR 119/65 = WM 1968, 100 = NJW 1968, 551). Auch wenn, wie hier, vereinbart worden ist, dem Mieter stehe das Optionsrecht "nach Ablauf" des Vertrages zu, muß es bis zum Vertragsablauf ausgeübt sein (BGH Urteil vom 17. Mai 1967 - V ZR 96/64 = WM 1967, 935).

18

3.

In Bezug auf die Verlängerungsoption läßt die Praxis in der Vertragsgestaltung eine über Jahrzehnte im wesentlichen einheitliche Übung erkennen.

19

a)

In dem der Entscheidung des Reichsgerichts vom 11. Juni 1920 (RGZ 99, 154, 155) zugrunde liegenden, für die Zeit vom 1. April 1914 bis 31. März 1919 geschlossenen Mietvertrage bestimmte § 8, daß die Kündigung sechs Monate und drei Tage vor seinem Ablauf zu erfolgen habe und daß, falls von keiner Seite rechtzeitig gekündigt werde, der Vertrag immer wieder als auf ein Jahr verlängert zu betrachten sei und "in allen Punkten" seine Gültigkeit behalte. In der handschriftlich zugefügten Schlußbemerkung 7 des zitierten Vertrages war dem Mieter das Recht eingeräumt worden, nach Ablauf des Vertrages denselben unter den gleichen Bedingungen auf drei Jahre zu verlängern. In dem vom erkennenden Senat am 4. Dezember 1974 entschiedenen Falle (VIII ZR 160/73 = WM 1975, 56) hatte sich der Vermieter damit einverstanden erklärt, daß seine Mieter das Lokal zuerst für 1 1/4 Jahr mieten könnten und ihnen das Recht zustehe, durch Erklärung gegenüber dem Vermieter den Vertrag auf 10 bis 30 Jahre zu verlängern. Vereinbart war außerdem, wie hier, unter bestimmten Voraussetzungen die Neufestsetzung des Mietzinses verlangen zu können. Nach § 5 jenes Mietvertrages hatten nur die Mieter das Recht, im ersten Jahr mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Alsdann konnte der Vertrag nur alle drei Jahre von den Mietern mit einer Frist von sechs Monaten zum 31. Dezember des betreffenden Jahres gekündigt werden. Geschah dies nicht, so lief der Vertrag stillschweigend weiter.

20

Die Kumulierung unterschiedlicher Möglichkeiten einer Mietvertragsverlängerung durch Ausübung des Optionsrechts oder durch Unterlassen einer Kündigung sowie durch den Abschluß von Ergänzungsvereinbarungen unter gleichzeitiger Sicherstellung einer Mietzinsanpassung kann als so charakteristisch gelten, daß das Revisionsgericht zu eigener Auslegung derartiger typischer Klauseln befugt ist.

21

b)

Der Auslegung des Berufungsgerichts vermag der erkennende Senat, abgesehen davon, daß die Auswirkungen des § 5 des Mietvertrages im Falle einer Option von der Vorinstanz nicht bedacht worden sind, schon deshalb nicht zu folgen, weil sie sich - entgegen §§ 133, 157 BGB - zu stark am Wortlaut des Vertrages orientiert. Sie hat überdies zur Folge, daß wegen des unbegrenzten Fortbestehens des Optionsrechts vertragliche Bindungen über einen Zeitraum aufrechterhalten werden können, der auch für Dauerschuldverhältnisse nicht tragbar ist.

22

Das Reichsgericht hat im zitierten Urteil vom 11. Juni 1920 (aaO) ausgesprochen, das Optionsrecht bestehe grundsätzlich nur bis zum Ablauf der ursprünglichen Vertragszeit, sei also im damals entschiedenen Falle am 31. März 1919 erloschen. Ein Überdauern dieses Zeitpunktes könne nur angenommen werden, wenn die Fassung des Mietvertrages oder sonstige Umstände den Willen der Vertragsschließenden, das Optionsrecht dem Mieter auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Vertragszeit zu gewähren, dies klar erkennen ließen. Als nicht ausreichend hat das Reichsgericht die Formulierung angesehen, daß der wegen unterbliebener Kündigung um ein Jahr verlängerte Vertrag "in allen Punkten" seine Gültigkeit behalten sollte.

23

Eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der oben unter a) beschriebenen kombinierten Verlängerungsklauseln muß darauf Bedacht nehmen, daß bei der Miete von Gewerberaum insbesondere der Mieter wegen des regelmäßig notwendigen Investitionsaufwandes für eine betriebsgerechte Einrichtung und Ausstattung der Mieträume ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an einer langfristigen Vertragsdauer hat. Sie ermöglicht ihm, seine Kalkulation zeitlich auf eine sichere Grundlage zu stellen. Im vorliegenden Falle konnte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten von vornherein auf eine Vertragsdauer von 20 Jahren einstellen. Diese Zeitspanne ist so bemessen, daß sie nach allgemeiner Lebenserfahrung ausreicht, selbst größeren Investitionsaufwand wieder zu erwirtschaften. Erreicht der Mieter, wie im vorliegenden Falle, vor Ablauf der ursprünglichen Vertragsdauer durch rechtsgeschäftliche Einigung mit dem Vermieter eine Verlängerung der ursprünglichen Mietzeit um die Dauer, die er durch Ausübung des Optionsrechts auch hätte gewinnen können, oder tritt dieser Erfolg dadurch ein, daß sich der Vertrag - mangels Kündigung - automatisch verlängert, so ist der bei Abschluß des Mietvertrages bedachte Sinn und Zweck der Optionsbefugnis erreicht und das Gestaltungsrecht damit erloschen (§ 157 BGB). Die Voraussetzungen für ein Erlöschen des Optionsrechts sind hier gegeben. Am 30. November 1981 bestand das Mietverhältnis länger als 20 Jahre.

24

c)

Soll das Optionsrecht abweichend von dem Grundsatz, daß es jedenfalls mit Ablauf der um die Optionszeit verlängerten ursprünglichen Vertragsdauer erlischt, fortbestehen, so bedarf dies einer unmißverständlichen Vereinbarung der Vertragsparteien. Darin stimmt der erkennende Senat mit dem Reichsgericht überein. An einer solchen Absprache fehlt es hier, denn in dem Bestätigungsschreiben vom 14. April 1966 ist - wie in dem vom Reichsgericht entschiedenen Falle - lediglich gesagt, "der in allen sonstigen Punkten nach wie vor geltende Mietvertrag" laufe bis zum 1. Dezember 1976, und im Nachtrag vom August/September 1976 heißt es nur, "alle anderen Punkte des Mietvertrages vom 6.6.1956 und der nachträglichen Vereinbarungen bleiben unverändert".

25

Kommt es zum Streit darüber, ob die Vertragsparteien sich dahin geeinigt haben, das Optionsrecht des Mieters solle nicht mit dem Ablauf der um die Optionszeit verlängerten ursprünglichen Vertragsdauer erlöschen, so trifft - unabhängig von der jeweiligen Prozeßsituation - den Mieter die Darlegungs- und Beweislast für das Fortbestehen des Optionsrechts.

26

3.

Das angefochtene Urteil konnte danach keinen Bestand haben.

27

Weiterer Sachaufklärung und Beweiserhebung bedarf es nicht. Deshalb konnte der erkennende Senat in der Sache selbst entscheiden und die von der Klägerin begehrte Feststellung aussprechen (§ 565 Abs. 3 ZPO).

28

Als im Rechtsstreit unterlegene Partei hat die Beklagte dessen Kosten zu tragen.

Braxmaier
Hoffmann
Wolf
Merz
Dr. Skibbe