Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.01.1982, Az.: 1 StR 813/81
Rücktritt vom Tötungsversuch durch Rettungsmaßnahmen; Versuch; Rücktritt; Freiwilliges Bemühen; Ernsthaftes Bemühen; Tatvollendung; Verhinderung der Vollendung der Tat; Untauglicher Versuch; Vollendung unmöglich
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 19.01.1982
- Aktenzeichen
- 1 StR 813/81
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 11259
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Rottweil - 08.09.1981
Rechtsgrundlage
Fundstelle
- StV 1982, 219
Verfahrensgegenstand
Gefährliche Körperverletzung
Amtlicher Leitsatz
Das von § 24 I 1 StGB geforderte freiwillige und ernsthafte Bemühen, die Vollendung der Tat (hier: eines Tötungsversuchs) zu verhindern, verliert nicht dadurch seine Bedeutung, daß der Versuch von vornherein nicht zur Vollendung führen konnte.
In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 19. Januar 1982
gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 8. September 1981
- 1.
im Schuldspruch dahin abgeändert, daß an die Stelle der Verurteilung wegen versuchten Totschlags die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung tritt (§§ 223, 223 a StGB);
- 2.
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch
- a)
der Einzelstrafe wegen versuchten Totschlags
- b)
der Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Sie hat auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden.
Gründe
Der Generalbundesanwalt führt aus:
"Die Revision ist wirksam auf die Verurteilung wegen versuchten Totschlags, den dazugehörigen Einzelstrafausspruch sowie den Ausspruchüber die Gesamtstrafe beschränkt worden. Sie hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. An die Stelle der zum Wegfall kommenden Verurteilung wegen versuchten Totschlags tritt die wegen gefährlicher Körperverletzung.
Der Angeklagte ist mit strafbefreiender Wirkung von dem Tötungsversuch an seiner Freundin Monika M. zurückgetreten -§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB -.
Es kann hier dahinstehen, ob der Tötungsversuch bereits beendet war, als der Angeklagte nach dem wuchtigen Stich in den Unterleib der Zeugin M. das Messer in eine Ecke des Badezimmers warf, oder ob, wie die Revision meint, mangels genauerer Feststellungen über die Vorstellungen des Angeklagten von einem unbeendeten Versuch auszugehen ist. Darauf kommt es hier deshalb nicht an, weil der Angeklagte sich jedenfalls freiwillig und ernsthaft bemüht hat, den von ihm durch Verbluten befürchteten Tod der Zeugin und damit die Vollendung der Tat zu verhindern. Dies ergibt sich eindeutig daraus, daß er selbst den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes zu Hilfe rief und die Sanitäter auf der Fahrt ins Krankenhaus zur Eile aufforderte (UA S. 8). Damit hat er gezeigt, daß er die Zeugin durch ärztliche Hilfe retten wollte. Unerheblich ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB, daß durch die Verletzung tatsächlich keine Lebensgefahr für die Zeugin M.bestand (Dreher/Tröndle, StGB 39. Aufl. RdNr. 14 zu § 24). Daß die Tat durch das Opfer entdeckt war, als der Angeklagte sich um die Abwendung des Erfolgs bemühte, ist unschädlich (BGH, Beschluß vom 16. Februar 1977 - 3 StR 15/77 -). Daß die Rettungshandlungen des Angeklagten deshalb nicht mehr freiwillig waren, erscheint nach den Urteilsfeststellungen ausgeschlossen: Die Zeugin schleppte sich ins Wohnzimmer und saß blutverschmiert im Sessel; der Angeklagte rechnete mit Verbluten ohne sofortige ärztliche Hilfe.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags muß daher entfallen, zumal die Möglichkeit weiterer Aufklärung der inneren Tatseite und der Motivation nicht ersichtlich ist (UA S. 12).
Die Feststellungen tragen jedoch die Verurteilung des Angeklagten auch wegen gefährlicher Körperverletzung nach den§§ 223, 223 a Abs. 1 StGB zum Nachteil der Zeugin M. Eine Änderung des Schuldspruchs durch das Revisionsgericht ist möglich. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich auch gegen diesen Schuldvorwurf nicht anders verteidigen kann als bisher.
Die Änderung des Schuldspruchs insoweit zieht die Aufhebung des dazugehörigen Einzelstrafausspruchs und der Gesamtstrafe nach sich."
Dem tritt der Senat bei. Im Hinblick darauf, daß der Schuldspruch keine der in § 74 Abs. 2 GVG aufgeführten Straftaten mehr zum Gegenstand hat, verweist der Senat die Sache an eine gewöhnliche Strafkammer zurück.
Ulsamer
Maul
Schikora
Foth