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Bundesgerichtshof
Urt. v. 25.05.1981, Az.: II ZR 172/80

Anforderungen an Differenzeinwand bei Rückgriffsforderung des Schecknehmers gegen den Scheckaussteller; Einwände bei börsentermingeschäftsfähigen Vertragsparteien; Berufung auf Differenzeinwand bei deutschen Gerichten bei Unkenntnis dieses Rechtsinstituts in Teilen des amerikanischen Rechts; Nachschussforderungen bei Warentermingeschäften

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
25.05.1981
Aktenzeichen
II ZR 172/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 12473
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 13.08.1980
LG München I

Fundstellen

  • IPRspr 1981, 18
  • JZ 1981, 627-628 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1982, 32-33 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 1898-1899 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

C. B. Co. of St. L., Inc.,
vertreten durch ihren Präsidenten, Suite 300, F. St. L., M. 63105, USA

Prozessgegner

Götz H., L. Straße 12, M.

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Der von einem börsentermingeschäftsfähigen Inländer gegen eine Forderung aus einem als Differenzgeschäft abgeschlossenen Warentermingeschäft erhobene Differenzeinwand ist von den deutschen Gerichten auch dann zu beachten, wenn die Parteien ihre Rechtsbeziehungen ausländischem Recht unterstellt haben, das den Differenzeinwand nicht kennt (Ergänzung zum Sen.Urt. v. 12. Juni 1978 - II ZR 48/77 -, LM EGBGB Art. 30 Nr. 30).

  2. b)

    Die Rückgriffsforderung des Schecknehmers gegen den Scheckaussteller unterliegt dem Differenzeinwand, wenn der Aussteller die Scheckverbindlichkeit im Auftrage des Verlierers zur Erfüllung einer Schuld aus einem Differenzgeschäft gegenüber dem Gewinner (Schecknehmer) eingegangen ist.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 1981
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Stimpel und
die Richter Dr. Schulze,
Dr. Kellermann,
Bundschuh und
Brandes
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. August 1980 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Brokerfirma aus USA, nimmt gegen den in München wohnhaften Beklagten als Aussteller eines Schecks über 55.820,00 DM Rückgriff. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Graf von H. Vermögensverwaltungen GmbH (GHV) vermittelt ihren Kunden aufgrund von Vermögensverwaltungsverträgen Warentermingeschäfte. Der Geldverkehr wird über ein Treuhandkonto abgewickelt. Zu diesem Zweck schließen die Kunden der GHV mit dem Beklagten als Treuhänder einen Treuhandvertrag, vermöge dessen der Beklagte die Gelder nach Weisung der GHV direkt an die Klägerin weiterleitet und von der Klägerin ausgeschüttete Gewinne für die Treugeber einnimmt. Mit Vertrag vom 1. Juni 1979 beauftragte die GHV die Klägerin, für sie Warentermingeschäfte in den Vereinigten Staaten von Amerika durchzuführen. Es sollte sich dabei um Differenzgeschäfte handeln, bei denen keine Waren geliefert, sondern lediglich der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem eines Gegengeschäfts gezahlt oder empfangen werden sollte. Nach den Geschäftsbedingungen der Klägerin galten für den Vertrag und seine Durchführung die Gesetze des Staates Missouri/USA, die nach der Behauptung der Klägerin den Differenzeinwand nicht kennen.

3

Mitte Juli 1979 forderte die Vertretung der Klägerin in Deutschland bei der GHV einen Nachschuß an. Auf Weisung der GHV stellte der Beklagte am 25. Juli 1979 in München einen Scheck über 55.820,00 DM auf das Treuhandkonto bei der B. H. aus und übersandte ihn der Klägerin. Den rechtzeitig vorgelegten Scheck hat die bezogene Bank nicht bezahlt, weil der Beklagte ihn gesperrt hatte.

4

Mit der im Scheckprozeß erhobenen Klage macht die Klägerin die Schecksumme nebst Zinsen und Unkosten geltend. Der Beklagte hat sich auf den Differenzeinwand berufen.

5

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil ihr der Differenzeinwand entgegenstehe. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist nicht begründet.

7

Die scheckrechtlichen Voraussetzungen für den Rückgriffsanspruch gegen den Beklagten liegen zwar vor Trotzdem hat die Klage keinen Erfolg. Da die GHV den Differenzeinwand gemäß §§ 764, 762 BGB erheben könnte, kann sich in entsprechender Anwendung von § 762 Abs. 2 BGB auch der Beklagte darauf berufen.

8

1.

Die GHV hätte die Erfüllung der Nachschußforderung der Klägerin unter Berufung auf den Differenzeinwand verweigern können.

9

a)

Der Differenzeinwand ist nicht durch § 58 BörsG ausgeschlossen. Nach dem Vorbringen der Klägerin hatten die von der GHV erteilten Aufträge inoffizielle Börsentermingeschäfte zum Gegenstand, weil Geschäfte nach Maßgabe des Börsenterminhandels einer ausländischen Börse abzuwickeln waren, also keine Zulassung durch eine deutsche Börse (§ 50 BörsG) stattgefunden hatte. Beide Vertragsparteien waren gemäß § 53 BörsG börsentermingeschäftsfähig. Deshalb scheidet der Termineinwand gemäß § 55 BörsG aus. Nach § 58 BörsG kann von demjenigen, der börsentermingeschäftsfähig ist, ein Einwand aus den §§ 762, 764 BGB nicht erhoben werden gegen Ansprüche aus Börsentermingeschäften in Waren oder Wertpapieren, die zum Börsenterminhandel (§ 50 BörsG) zugelassen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 58, 1 [BGH 20.12.1971 - II ZR 156/69] m.w.N.; Urt. v. 4. Juni 1975 - VIII ZR 232/73 -, LM BörsG Nr. 3), die der Senat zuletzt durch das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 16. März 1981 - II ZR 110/80 - bestätigt hat, ist § 58 BörsG weder unmittelbar noch entsprechend auf inoffizielle Börsentermingeschäfte in Waren und Wertpapieren, die zum Börsenterminhandel an ausländischen Börsen zugelassen sind, anwendbar. Deshalb bleibt, wenn das Börsentermingeschäft - wie hier - gleichzeitig Differenzgeschäft ist, der Differenzeinwand gemäß §§ 764, 762 BGB zulässig, auch wenn die Geschäftspartner börsentermingeschäftsfähig sind.

10

b)

Die Klägerin und die GHV haben für ihre Rechtsbeziehungen die Geltung des Rechts des Staates Missouri/USA vereinbart. Nach der Behauptung der Klägerin, die das Berufungsgericht als richtig unterstellt hat, kennt diese Rechtsordnung den Differenzeinwand nicht. Für die Revisionsinstanz ist deshalb davon auszugehen, daß die Geschäfte zwischen der Klägerin und der GHV nach dem Recht des Staates Missouri für beide Vertragsparteien verbindlich waren Dies ändert aber nichts daran, daß sich der Beklagte vor deutschen Gerichten dennoch auf den Differenzeinwand berufen kann.

11

Durch Urteil vom 12. Juni 1978 - II ZR 48/77 -, LM EGBGB Art. 30 Nr. 30 hat der Senat entschieden, daß der durch Vereinbarung einer ausländischen Rechtsordnung, die den Differenzeinwand nicht kennt, herbeigeführte Ausschluß dieses Einwands jedenfalls dann gegen den ordre public verstößt und deshalb unbeachtlich ist, wenn der an dem Geschäft beteiligte Inländer nicht zum Kreise der börsentermingeschäftsfähigen Personen gehört. Dazu ist ausgeführt worden, der Anschluß des Differenzeinwands verstoße gegen den Zweck von § 764 BGB. Grund für die in §§ 764, 762 BGB getroffene Regelung sei nicht nur der Gedanke, daß es sich um Sachverhalte handle, die den Schutz der Gerichte nicht verdienten, sondern auch die Gefährlichkeit von Spiel- und Differenzgeschäften; diese Vorschriften sollten den Einzelnen vor den wirtschaftlichen Gefahren dieser Geschäfte schützen. Es handle sich somit um Schutzgesetze, die gleichzeitig der Ordnung des innerstaatlichen Soziallebens dienten. Sie könnten bei uneingeschränkter Anerkennung des Ausschlusses des Differenzeinwands durch ausländische Rechte ihrer Wirkung beraubt werden. Dies zu verhindern und damit der in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Gesetzgebers zur Durchsetzung zu verhelfen, sei ein berechtigter Grund für die Nichtanerkennung des Ausschlusses des Differenzeinwandes durch ausländisches Recht jedenfalls dann, wenn sich ein nichtbörsentermingeschäftsfähiger Inländer darauf berufe (im Ergebnis ebenso Wengler in der Anm. zum vorstehenden Sen.Urt. JZ 1979, 175; a. A. Lüer, JZ 1979, 171). Ob dies auch gilt, wenn der an dem Differenzgeschäft beteiligte Inländer zum Kreis der börsentermingeschäftsfähigen Personen im Sinne von § 53 BörsG gehört, brauchte der Senat damals nicht zu entscheiden. Auf diese Frage kommt es nunmehr an. Sie muß im gleichen Sinne beantwortet werden.

12

Auch für diesen Personenkreis gelten nach deutschem Recht grundsätzlich die §§ 764, 762 BGB. Dies ist nur ausnahmsweise gemäß § 58 BörsG bei solchen Differenzgeschäften nicht der Fall, die als Börsentermingeschäfte in Waren und Wertpapieren an einer deutschen Börse zugelassen sind. In dieser Regelung kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber auch diesen Personenkreis grundsätzlich für schutzbedürftig hält und deshalb nur unter den engen Voraussetzungen der Zulassung der Geschäfte an deutschen Börsen eine Ausnahme gestattet. Auch diese Regelung könnte bei uneingeschränkter Anerkennung des Ausschlusses des Differenzeinwands durch ausländische Rechtsordnungen ihrer Wirkung beraubt werden. Dies durch eine Änderung der Rechtsprechung zuzulassen, besteht angesichts der "unrühmlichen Entwicklungen im Warenterminhandel" (vgl. Hadding/Häuser, WM 1980, 1278 Fn. 1 m.w.N.; ferner die Sen.Urt. v. 16. 2.81 - II ZR 179/80, WM 1981, 374 = ZIP 1981, 376 und Urt. v. 6. 4.81 - II ZR 84/80) heute weniger Anlaß denn je. Hinzu kommt, daß - wie der Senat im Urteil vom 16. März 1981 - II ZR 110/80 - dargelegt hat, die im Börsengesetz gezogene Abgrenzung zwischen börsentermingeschäftsfähigen, also weniger schutzbedürftigen und nichttermingeschäftsfähigen Personen den veränderten tatsächlichen Verhältnissen und den Anforderungen an einen angemessenen Rechtsschutz in diesem Bereich nicht mehr entspricht, daß es aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein kann, sondern dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß, eine andere Abgrenzung zu finden (vgl. dazu Wengler a.a.O. Fn. 6).

13

2.

Entgegen der Ansicht der Revision kann sich auch der Beklagte auf den Differenzeinwand berufen. Er hat den Scheck auf Weisung der GHV ausgestellt. Mit dem Scheckbetrag sollte eine Nachschußforderung der Klägerin aus den Warentermingeschäften mit der GHV beglichen werden. Er diente also der Erfüllung einer Verbindlichkeit der GHV aus Differenzgeschäften. Zu diesem Zweck ist der Beklagte gegenüber der Klägerin die (Rückgriffs-)Verbindlichkeit aus dem Scheckvertrag eingegangen. Nach §§ 764, 762 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Verbindlichkeit durch ein Differenzgeschäft nicht begründet. Dies gilt gemäß §§ 764, 762 Abs. 2 BGB auch für eine Verbindlichkeit, durch die der verlierende Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Schuld aus einem Differenzgeschäft dem gewinnenden Teil gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht. Hätte also die GHV den Scheck selbst ausgestellt, hätte sie den Differenzeinwand auch der Scheckforderung entgegenhalten können. Dies kann nicht anders sein, wenn ein Dritter - wie hier der Beklagte - im Auftrage des verlierenden Teils eine solche Verbindlichkeit eingeht, denn sonst würde die Absicht des Gesetzes in einem wesentlichen Punkt durchlöchert (vgl. Staudinger/Brändl, BGB 10./11. Aufl. § 762 Anm. 32). § 762 Abs. 2 BGB ist daher entsprechend auch anzuwenden, wenn eine dritte Person im Auftrage des Verlierers dem Gewinner gegenüber eine Verbindlichkeit zur Erfüllung der Schuld aus einem Differenzgeschäft eingeht. Damit begründet weder das Grundgeschäft noch die Scheckhingabe eine Verbindlichkeit. Da bei einem Scheck Erfüllung erst mit seiner Einlösung eintritt, kann der Scheckaussteller bis zu diesem Zeitpunkt den Differenzeinwand erheben.

14

Nach alledem haben die Vorinstanzen die Klage mit Recht abgewiesen.

Stimpel
Dr. Schulze
Dr. Kellermann
Bundschuh
Brandes