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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.05.1981, Az.: 2 StR 666/80

Strafbarkeit wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer; Anforderungen an die Verfahrens- und Sachbeschwerde ; Zulässigkeit einer vorläufigen Steuerfestsetzung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.05.1981
Aktenzeichen
2 StR 666/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 11192
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aachen - 31.08.1979

Fundstellen

  • BGHSt 30, 122 - 127
  • Franzheim, JR 82, 86
  • JZ 1981, 756 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1981, 777-778 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 1970-1971 (Volltext mit amtl. LS)
  • StV 1981, 548

Verfahrensgegenstand

Steuerhinterziehung

Amtlicher Leitsatz

Zur Einkommensteuererklärungspflicht des atypisch stillen Gesellschafters.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf Grund der Verhandlung vom 6. Mai 1981
in der Sitzung vom 20. Mai 1981,
an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mösl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Müller, Dr. Meyer, B. Maier, Niemöller als beisitzende Richter,
Bundesanwalt Dr. ... in der Verhandlung am 6. Mai 1981,
Staatsanwalt ... bei der Verkündung am 20. Mai 1981 als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... aus ... und
Rechtsanwalt Dr. ... aus ... als Verteidiger des Angeklagten in der Verhandlung vom 6. Mai 1981,
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 31. August 1979 mit Ausnahme des Freispruchs im Fall C I 1 der Urteilsgründe mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die nach der teilweisen Einstellung verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Der Angeklagte hat in den Jahren 1967 bis 1972 in mehreren kaufmännischen Unternehmen mitgearbeitet, für solche Unternehmen auch Geschäfte vermittelt. Anklage und Eröffnungsbeschluß werfen ihm vor, während seiner kaufmännischen Tätigkeit fortgesetzt handelnd Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer verkürzt zu haben. Die Strafkammer hat ihn wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in einem Fall zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 150,- DM verurteilt; im übrigen hat sie ihn freigesprochen.

2

Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die sie mit der Verfahrens- und der Sachbeschwerde begründet. Das Rechtsmittel hat außer im Fall C I 1 der Urteilsgründe Erfolg. Dabei können die Verfahrensrügen unerörtert bleiben, weil sie den bestehengebliebenen Freispruch im Fall C I 1 nicht berühren, und im übrigen die Sachbeschwerde zur Aufhebung des Urteils führt.

3

I.

Im Fall C I 1 rechtfertigen die Feststellungen die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung für das Jahr 1967. Insoweit bringt auch die Revision keine substantiierten Einwendungen vor.

4

II.

Nach den Feststellungen war der Angeklagte in den Jahren 1968 bis 1972 bei mehreren Gesellschaften atypisch stiller Gesellschafter; auch hat er sich in dieser Zeit als Vermittler verschiedener Geschäfte betätigt. Die Strafkammer hat ihn nur in einem Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer schuldig befunden und ihn im Übrigen vom Vorwurf der Hinterziehung von Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer freigesprochen. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

5

1.

Zur Einkommensteuer meint die Strafkammer, der Angeklagte sei in den Jahren seit 1968 weder in der Lage gewesen, eine zutreffende Einkommensteuererklärung abzugeben, noch habe das Finanzamt einen entsprechenden Bescheid erlassen können (UA S. 116); denn es habe eine unabdingbare Voraussetzung für das Veranlagungsverfahren gefehlt, da keine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für die Innengesellschaften vorgelegen hätte, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sei. Auch eine vorläufige Steuerfestsetzung sei nicht zulässig gewesen. Die Kammer beruft sich dabei auf eine Entscheidung des 1. Senats des Bundesfinanzhofs vom 17. Mai 1978 (BStBl 1978 II 579), der sie, wie sie im einzelnen ausführt, vor einer zum Teil abweichenden Entscheidung des 4. Senats des Bundesfinanzhofs vom 19. Oktober 1978 (BStBl 1978 II 632) den Vorzug gibt. Der Auffassung der Strafkammer kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.

6

Eine Steuerhinterziehung (§ 392 AbgO aF, § 370 AO) begeht unter anderem, wer zum eigenen oder zum Vorteil eines anderen vorsätzlich bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt werden. Eine solche Verkürzung tritt dann ein, wenn der Steuergläubiger die ihm gebührende Steuer nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erhält (vgl. RGSt 60, 182, 186; BGHSt 23, 319, 322). Welches Verhalten zur Verkürzung des Steueranspruchs führt, ist für die einzelnen Steuerarten nach den jeweils einschlägigen Steuergesetzen zu beurteilen. § 392 AbgO aF bedarf deshalb zu seiner Anwendung der Ausfüllung durch steuergesetzliche Tatbestände (BGHSt 20, 177, 180;  23, 319, 322).

7

Da bei der Einkommensteuer die Fälligkeit der Steuerschuld erst mit dem Erlaß eines Steuerbescheids eintritt (vgl. § 25 EStG), wird diese Steuer dann verkürzt, wenn infolge steuerunehrlichen Verhaltens des Steuerpflichtigen eine Veranlagung unterbleibt oder verspätet vorgenommen wird (BGH BStBl 1956 I 441; OLG Hamm FR 1963, 301). Die Tat ist in dem Zeitpunkt vollendet, in dem die Veranlagungsarbeiten spätestens abgeschlossen worden wären (BGH Urteil vom 9. Oktober 1953 - 1 StR 448/53; BGH BStBl 1956 I S. 442).

8

Steuerhinterziehung kann durch steuerunehrliches Tun und durch pflichtwidriges Unterlassen begangen werden. Geeignete Tathandlung ist nicht nur ein Verhalten mit dem Ziel, bei der Steuerbehörde durch Täuschung einen Irrtum über den Steueranspruch zu erregen oder zu unterhalten. Auch das Verschweigen erheblicher Tatsachen mit der Wirkung, daß die Steuerbehörde von der Steuerpflicht nicht oder nicht rechtzeitig Kenntnis erhält und deshalb von einer Veranlagung und Beitreibung der Steuer absieht, führt zur Steuerverkürzung (vgl. RGSt 71, 216; BGHSt 23, 319, 322; BGH NJW 1953, 1841, 1842).

9

Zu Unrecht verneint die Strafkammer hier den Tatbestand der Steuerhinterziehung mit der Begründung, daß eine Einzelveranlagung des Angeklagten wegen eines Verfahrenshindernisses nicht zulässig gewesen sei. Dem Angeklagten war die Abgabe von Einkommensteuererklärungen nicht, wie die Kammer meint, unmöglich; er war nur nicht in der Lage, die genaue Höhe der Gewinnanteile - gegebenenfalls vermindert durch Verluste - anzugeben, die ihm aus den Beteiligungen zufließen würden und die noch nicht festgestellt waren. Daß er diese genauen Angaben nicht machen konnte, befreite ihn nicht von der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen unter Mitteilung eben dieses Unvermögens.

10

Die von der Strafkammer zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie betreffen, wie schon die Leitsätze deutlich machen, allein steuerrechtliche Verfahrensfragen, nicht aber die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen. In Frage steht dort nur, wann bei der Erforderlichkeit gesonderter Gewinn- und Verlustfeststellungen ein Steuerpflichtiger endgültig zur Einkommensteuer veranlagt werden kann (vgl. dazu jetzt Art. 13 des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980, BGBl I 1545). Hieraus kann nicht der Schluß gezogen werden, daß ein Steuerpflichtiger vor Abschluß des gesonderten Gewinn- und Verlustfeststellungsverfahrens zur Abgabe von Steuererklärungen und Mitteilung seiner Einkünfte nicht verpflichtet sei. Er muß in diesen Fällen die Behörde auf das Bestehen der Gesellschaftsverhältnisse hinweisen, erforderlichenfalls mitteilen, daß er zur genauen Angabe seines Gewinns oder Verlustes (noch) nicht in der Lage ist. Das hat die Strafkammer übersehen.

11

Hier hat das Verschweigen der Steuerpflicht bewirkt, daß die Finanzbehörden keine Kenntnis von der Beteiligung des Angeklagten an Innengesellschaften erhielten. Damit aber wurde ihnen die Möglichkeit genommen, durch Aufforderung an die erklärungspflichtigen Gesellschafter, notfalls durch Schätzungen, die erforderliche einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für Innengesellschaften herbeizuführen (zu Personalgesellschaften vgl. BFH BStBl 1974 II 414). Die Behörden hätten bei Kenntnis der Steuerpflichtigkeit etwaige Verfahrenshindernisse für die Einzelveranlagungen selbst beseitigen können. Das Verschweigen der Steuerpflichtigkeit kann deshalb, wie in der neuen Hauptverhandlung noch aufzuklären sein wird, zu einer verspäteten Veranlagung geführt haben.

12

Die Feststellungen der Strafkammer ergeben auch, daß der Angeklagte seine Steuerpflicht pflichtwidrig verschwiegen hat. Nach der Höhe seiner Einkünfte war er zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. Daß er Verlustzuweisungen aus seinen Beteiligungen erwartete, ließ die Erklärungspflicht nicht entfallen. Etwaige Verluste konnte er mit geschätzten Ansätzen geltend machen.

13

Die bisherigen Feststellungen zur inneren Tatseite reichen nicht aus, um eine Steuerhinterziehung aus subjektiven Gründen verneinen zu können. Sie ergeben vor allem nicht, daß der Angeklagte die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen verkannt hat. Wenn er wegen der fehlenden Feststellungsbescheide eine endgültige Veranlagung (noch) nicht für möglich hielt und sich selbst deshalb als in einem "Erklärungsnotstand" befindlich ansah, besagt dies nicht notwendig, daß er sich über seine Pflicht zur Abgabe von Erklärungen über seine Einkünfte im oben angegebenen Umfang im unklaren war. Dagegen spricht jedenfalls, daß er seit vielen Jahren unternehmerisch tätig ist (vgl. zur inneren Tatseite auch BGH NJW 1953, 1841, 1842; BayObLG NJW 1964, 2171).

14

2.

a)

Soweit die Hinterziehung von Umsatzsteuer in Frage steht, ist - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - der Freispruch im Fall C I 2 der Urteilsgründe nicht gerechtfertigt.

15

Nach diesen Feststellungen vermittelte der Angeklagte - unabhängig von seiner gesellschaftlichen Beteiligung - im Jahre 1968 als selbständiger Unternehmer für die H. Bauträger GmbH & Co KG von dieser errichtete Eigenheime an Kaufinteressenten. Dafür zahlte sie ihm pro Tag einen Unkostenbeitrag von 100,- DM. Sobald sich ein Interessent ein bestimmtes Kaufobjekt reservieren ließ, erhielt er außerdem 500,- DM Provision. Dieser Betrag verblieb ihm jedoch nur dann, wenn es zum Abschluß eines notariellen Kaufvertrages über das reservierte Kaufobjekt kam. Dann stand ihm die endgültige Provision von 3 bis 3,5 % des Kaufpreises zu, auf die die gezahlten 500,- DM anzurechnen waren. Der Angeklagte erhielt auf diese Weise vor Abschluß notarieller Verträge im Jahr 1968 insgesamt 34.855,- DM.

16

Seine verbleibenden (bedingten) Provisionsansprüche brachte er, noch bevor einer der von ihm vermittelten Kaufverträge notariell beurkundet worden war, in das "H. Wirtschaftsbüro Gerd T." ein, an dem er im Innenverhältnis zu 50 % an Gewinn und Verlust beteiligt wurde. Als in der Folgezeit notarielle Kaufverträge über die oben genannten Eigenheime geschlossen wurden, flössen die noch ausstehenden Provisionsbeträge dem "Wirtschaftsbüro" zu und wurden von diesem ordnungsgemäß versteuert. Ausgenommen von dieser Versteuerung blieben jedoch die im Jahr 1968 vom Angeklagten bezogenen Vorschüsse.

17

Der Ansicht der Strafkammer, daß der Angeklagte für diese Vorschüsse nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Diese Pflicht traf den Angeklagten hier aus denselben Gründen, wie sie von der Strafkammer im Fall B der Urteilsgründe zutreffend angenommen wurden. Die Steuerpflicht entfiel nicht deshalb, weil der Angeklagte seine Provisionsansprüche in das "Hellweger Wirtschaftsbüro" eingebracht hatte. Hierdurch wurde das "Wirtschaftsbüro" zwar Gläubiger dieser Ansprüche gegen die H. Bauträger KG, nicht aber zugleich Steuerschuldner für die Beträge, die dem Angeklagten bereits vor Einbringung der Provisionsansprüche zugeflossen waren. Dies würde sonst auf eine im Gesetz nicht vorgesehene, unzulässige Abtretung einer Schuld hinauslaufen, von der das Finanzamt als Steuergläubiger nicht einmal Kenntnis erlangt hatte.

18

Die Steuerschuld des Angeklagten entstand mit dem Abschluß der notariellen Kaufverträge: in diesem Zeitpunkt war seine Leistung erbracht. Allerdings wird geprüft werden müssen, wann genau die notariellen Verträge geschlossen worden sind, in welcher Höhe Provisionsansprüche in möglicherweise verschiedenen Jahren entstanden sind und wie sie sich auf die gezahlten Vorschüsse und möglicherweise Unkostenbeiträge verteilen. Hiervon kann abhängen, ob eine Umsatzsteuerschuld - etwa wegen Nichterreichung von Freibeträgen (vgl. § 19 UStG) - entfällt und sich der Angeklagte aus diesem Grunde der Hinterziehung von Umsatzsteuer nicht schuldig gemacht hat. Entsprechende Einzelheiten können den bisherigen Feststellungen nicht entnommen werden.

19

b)

Im Fall B der Urteilsgründe ist die Verurteilung des Angeklagten wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, enthalten die Ausführungen der Strafkammer auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO). Gleichwohl ist das Urteil auch in diesem Fall aufzuheben, weil die Möglichkeit besteht, daß zwischen Fall B und Fall C I 2 (s. vorstehend zu a) Fortsetzungszusammenhang besteht. Feststellungen zu einem Gesamtvorsatz enthält das angefochtene Urteil naturgemäß nicht; es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß solche Feststellungen noch getroffen werden können. Liegt eine fortgesetzte Handlung vor, in die auf Grund neuer Feststellungen möglicherweise auch noch weitere Einzelakte einzubeziehen sind, so wäre, würde die Verurteilung im Fall B als einem Teilakt aufrecht erhalten, die Strafklage für alle übrigen Teilakte verbraucht. Die Strafkammer wird demgemäß auch im Fall B neu entscheiden müssen.

20

3.

Was schließlich die Gewerbesteuer anbelangt, so war der Angeklagte zwar als atypisch stiller Gesellschafter grundsätzlich nicht selbst gewerbesteuerpflichtig. Soweit er außerhalb der Gesellschaften als selbständiger Unternehmer tätig geworden ist (Provisionsfälle), mußte er jedoch Steuererklärungen abgeben und Gewerbesteuer entrichten, wenn sein Gewerbesteuerertrag in den hier in Betracht kommenden Jahren bestimmte Beträge überstieg (§§ 5, 7 GewStG, § 25 GewStDV). Das ist bisher nicht geprüft.

Mösl
Müller
Meyer
Maier
Niemöller