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Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.02.1981, Az.: I ZR 148/78

Schadensersatz für den Verderb von Waren ; Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ; Gesetzlicher Gerichtsstand des Erfüllungsorts ; Ermittlung des Gerichtsstandes bei Sachverhalten mit Auslandsberührung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
06.02.1981
Aktenzeichen
I ZR 148/78
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 13096
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Nürnberg - 09.08.1978
LG Nürnberg

Fundstellen

  • BGHZ 79, 332 - 337
  • IPRspr 1981, 154
  • MDR 1981, 639 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 1902-1904 (Urteilsbesprechung von Privatdozent Dr. Jan Kropholler; kritisch)
  • VersR 1981, 634

Prozessführer

Firma Oskar S. Kommanditgesellschaft, G.straße 10, M.,
vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Oskar S.

Prozessgegner

Firma O. T. Speditionsgesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnon Kommanditgesellschaft, L.straße, B.

Amtlicher Leitsatz

Art. 31 Abs. 1 CMR regelt ausschließlich die internationale gerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten aus einer dem Übereinkommen unterliegenden Beförderung. Ob ein Gericht auch örtlich zuständig ist, bestimmt sich allein nach innerstaatlichem Prozeßrecht.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 1981
durch
die Richter Alff, Dr. Zülch, Dr. Piper, Dr. Erdmann und Dr. Teplitzky
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. August 1978 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat die Beklagte, die in Wien ihren Sitz hat, vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth auf Schadensersatz in Höhe von 42.287,30 DM für den Verderb von Waren in Anspruch genommen, die diese aufgrund eines Speditionsvertrages vom 27. Juli 1976 zu den Bedingungen der CMR-Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (BGBl 1961 II S. 1119) von Nürnberg nach Kuwait hatte transportieren lassen.

2

Die Beklagte hat die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Sie meint, für die Klage sei beim Landgericht Nürnberg-Fürth weder nach der ZPO noch nach der CMR ein Gerichtsstand begründet. Art. 31 Abs. 1 CMR betreffe nur die internationale Zuständigkeit.

3

Das Landgericht hat die Klage mit im wesentlichen gleicher Begründung als unzulässig abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, die das Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen hat. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr Schadensersatzbegehren weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

4

I.

Das Berufungsgericht führt aus:

5

Art. 31 Abs. 1 CMR regele allein die internationale Zuständigkeit. Er lege lediglich fest, vor den Gerichten welcher Staaten geklagt werden könne. Einen bestimmten Gerichtsstand erkläre er nicht für verbindlich. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bestimme sich daher ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Dem stehe nicht entgegen, daß die Gerichte von Vertragsstaaten möglicherweise überhaupt nicht angerufen werden könnten, wenn nach dem innerstaatlichen Recht eines Vertragsstaats eine örtliche Zuständigkeit nicht begründet sei, und daß in derartigen Fällen bei einer Anrufung der Gerichte von Nichtvertragsstaaten die Anwendung der Vorschriften der CMR in Frage gestellt sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, daß der Versender die in Art. 31 Abs. 1 Satz 1 CMR vorgesehene Möglichkeit habe, die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts eines Vertragsstaats zu vereinbaren.

6

Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision. Sie meint, Art. 31 Abs. 1 CMR begründe neben der internationalen Zuständigkeit auch die örtliche zumindest dann, wenn nach innerstaatlichem Recht ein Gerichtsstand nicht bestimmt sei. Die Vertragsstaaten der CMR hätten sich verpflichtet, ihre Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten, die dem Abkommen unterfielen, zur Verfügung zu stellen. Im Hinblick darauf wäre es sinnwidrig, wenn die CMR einerseits die Frage der internationalen Zuständigkeit regelte, andererseits aber nicht dafür sorgte, daß vor einem danach in Betracht kommenden Gericht auch geklagt werden könne. Für die deutsche Gerichtsbarkeit wäre Art. 31 Abs. 1 Satz 1 lit. b CMR, soweit er für die Zuständigkeit an den Ort der Übernahme des Gutes anknüpft, andernfalls weithin bedeutungslos. Denn für einen deutschen Versender liege der gesetzliche Gerichtsstand des Erfüllungsorts regelmäßig außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik. Es sei aber das Ziel der CMR, den am internationalen Straßengüterverkehr Beteiligten einen möglichst einheitlichen und umfassenden Rechtsschutz zu gewähren. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Anrufung des Gerichts eines Vertragsstaats ausgeschlossen wäre, wenn Art. 31 Abs. 1 CMR nur die internationale Zuständigkeit beträfe, und wenn von den in Art. 31 Abs. 1 Satz 1 lit. a und b CMR genannten Orten nur der Ort der Übernahme des Gutes auf dem Gebiet eines Vertragsstaats läge und für diesen Ort durch innerstaatliche Vorschriften kein Gerichtsstand begründet wäre. Durch Gerichtsstandsvereinbarungen, die vom Willen beider Vertragspartner abhingen, könne dem nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Nach Sinn und Zweck der CMR könne auch nicht angenommen werden, daß die Anrufung des Gerichts eines Vertragsstaats im Einzelfall von der Vereinbarung der Parteien abhängig sein solle.

7

II.

In der Rechtsprechung hat sich - soweit ersichtlich die Frage, ob Art. 31 Abs. 1 CMR nicht nur für die internationale, sondern auch für die örtliche gerichtliche Zuständigkeit von Bedeutung ist, bislang nur vereinzelt gestellt (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1973, 177;  1979, 381;  OLG Saarbrücken, VersR 1976, 267; LG Aachen, AWD-RIW 1976, 588; LG Hamburg, VersR 1979, 246). Das Landgericht Hamburg (aaO) ist der Ansicht, daß Art. 31 Abs. 1 CMR aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auch die örtliche Zuständigkeit begründe, solange nach innerstaatlichem Recht kein Gerichtsstand gegeben sei. Demgegenüber wird im Schrifttum überwiegend die Meinung vertreten, daß Art. 31 Abs. 1 CMR grundsätzlich nur die internationale Zuständigkeit regele (vgl. Helm in Großkommentar zum HGB, Anhang 3 zu § 452, Art. 31 CMR Anm. 5; Muth in Hein-Eichhoff-Pukall-Krien, Güterkraftverkehrsrecht, Anm. zu Art. 31 CMR; ders., Leitfaden zur CMR, 4. Aufl., Anm. zu Art. 31; Precht-Endrigkeit, CMR-Handbuch, Art. 31 Anm. 3; Gran in Anm. zu LG Hamburg aaO, VersR 1979, 664; a.A. Suhr in Anm. zu LG Hamburg aaO, VersR 1979, 830; vgl. auch Willenberg, NJW 1968, 1020, 1024). Loewe (Europäisches Transportrecht, Bd. 11, 1976, S. 503, 581 Nr. 245) führt aus, es sei die Absicht der Verfasser des Übereinkommens gewesen, die in Art. 31 Abs. 1 Satz 1 lit. a und b CMR genannten Gerichte nicht nur dann anrufen zu können, wenn das nationale Recht - außerhalb der CMR - einen Gerichtsstand vorsehe; vielmehr zwinge die CMR die Mitgliedsstaaten, ihre Gerichtsbarkeit in diesen Fällen zur Verfügung zu stellen, wobei es allerdings dem nationalen Recht obliege zu bestimmen, welches Gericht im Einzelfall sachlich und örtlich zuständig sein solle. Der Senat ist der Ansicht, daß Art. 31 Abs. 1 CMR ausschließlich die internationale gerichtliche Zuständigkeit betrifft, und daß sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit allein nach innerstaatlichem Recht richtet.

8

Nach Art. 31 Abs. 1 CMR kann der Kläger wegen aller Streitigkeiten aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung - außer durch Vereinbarung der Parteien bestimmte Gerichte von Vertragsstaaten - die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Hauptniederlassung oder die Zweigniederlassung oder Geschäftsstelle hat, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag geschlossen worden ist, oder der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Die Vorschrift regelt also im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander die Frage, in welchem Staat Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung gerichtlich geltend gemacht werden können. Sie regelt damit - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat und auch von der Revision nicht verkannt wird - die internationale gerichtliche Zuständigkeit.

9

Daraus, daß die Vertragsstaaten die Frage der internationalen Zuständigkeit in bestimmter Weise geregelt haben, folgt nicht ohne weiteres, daß die für die internationale Zuständigkeit maßgebenden Umstände auch für den Gerichtsstand bestimmend seien. Insoweit läßt sich der Regelung nur entnehmen, daß die Vertragsstaaten festgelegt haben, im Gebiet welcher Staaten Klage erhoben werden kann, nicht aber, daß sie für jeden einzelnen Fall, in dem nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 lit. a und b CMR die internationale Zuständigkeit gegeben ist, auch die örtliche Zuständigkeit begründet oder sich zur Begründung einer solchen Zuständigkeit verpflichtet hätten. Aus dem Grundgedanken der CMR, auf den die Revision verweist, folgt nichts anderes. Mit der Revision kann zwar davon ausgegangen werden, daß es dem Sinn und Zweck des Übereinkommens entspricht, seinen Vorschriften eine möglichst umfassende und einheitliche Anwendung zu sichern. Das ergibt sich insbesondere auch daraus, daß im Zusammenhang mit der materiell-rechtlichen Rechtsvereinheitlichung, die die CMR enthält, auch bestimmte prozessuale Fragen (vgl. Art. 31 CMR) einheitlich geregelt worden sind (vgl. die amtliche Denkschrift zur CMR, BT-Drucks. 3/1144, S. 44). Indessen folgt daraus nicht, daß Art. 31 Abs. 1 CMR, um die Anrufung von Gerichten der Vertragsstaaten in jedem Falle sicherzustellen, über die internationale Zuständigkeit hinaus auch die örtliche geregelt und insoweit mit innerstaatlicher Wirkung die Gerichtsstandsbestimmungen der Vertragsstaaten ergänzt hätte.

10

Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, daß dem Kläger - bei gegebener internationaler Zuständigkeit - die Möglichkeit genommen sei, die Gerichte von Vertragsstaaten anzurufen, wenn die örtliche Zuständigkeit dafür nicht begründet sei, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Diese Folge, die sich im übrigen nur beim Fehlen einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 CMR einstellt, kann nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Frage sein, ob Art. 31 Abs. 1 CMR auch die örtliche gerichtliche Zuständigkeit begründet. Daß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 lit. b CMR bei dieser Auslegung weitgehend bedeutungslos wäre, soweit er für die internationale Zuständigkeit an den Ort der Übernahme des Gutes anknüpft, ist nicht zu erkennen. Diese Bestimmung entfaltet ihre Wirkung, wenn das innerstaatliche Recht - wie in Dänemark und Schweden - den Gerichtsstand des Übernahmeortes vorsieht oder einrichtet, wenn es - wie in Frankreich (Art. 14 Code Civil) - den eigenen Staatsangehörigen den Gerichtsstand des Wohnsitzes des Klägers für Klagen gegen Ausländer beim Fehlen eines anderen Gerichtsstandes eröffnet oder wenn es sonst einen Gerichtsstand zur Verfügung hält. Allein unter dem Gesichtspunkt, daß - wie die Revision meint - für deutsche Versender der Erfüllungsort im allgemeinen nicht im Inland liegt und in solchen Fällen ein inländischer Gerichtsstand häufig nicht begründet ist, läßt sich Art. 31 Abs. 1 CMR als Teil eines internationalen Abkommens nicht beurteilen. Hier Abhilfe zu schaffen, ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung. Insoweit ist es vielmehr Sache des Gesetzgebers, die Gerichtsstandsfrage, die nicht nur in einem Sinne beantwortet werden kann, einer mit den Vorschriften der CMR übereinstimmenden Regelung zu unterziehen.

11

Auch Wortlaut und Entstehungsgeschichte geben nichts dafür her, daß die vertragsschließenden Staaten mit Art. 31 Abs. 1 CMR mehr als nur die internationale Zuständigkeit geregelt hätten. Zutreffend hat das Berufungsgericht insoweit darauf hingewiesen, daß Art. 31 Abs. 1 nicht von den Gerichten des gewöhnlichen Aufenthalts, der Niederlassung, des Übernahmeortes oder des Ablieferungsortes spricht, sondern lediglich von den Gerichten eines Staates, auf dessen Gebiet diese Orte liegen. Auch nach Loewe (aaO) obliegt es dem nationalen Recht zu bestimmen, welches Gericht im Einzelfall sachlich und örtlich zuständig sein soll. Soweit er meint, es sei die Absicht der Verfasser des Übereinkommens gewesen, die in § 31 Abs. 1 Satz 1 lit. a und b genannten Gerichte nicht nur unter der Voraussetzung anrufen zu können, daß das nationale Recht - außerhalb der CMR - einen Gerichtsstand vorsehe, daß die CMR die Mitgliedstaaten vielmehr zwinge, ihre Gerichtsbarkeit in diesen Fällen zur Verfügung zu steilen, mag das als Aufforderung an den Gesetzgeber, die Gerichtsstandsbestimmungen des nationalen Rechts an die Regelung der internationalen Zuständigkeit in Art. 31 Abs. 1 CMR anzugleichen, seine Berechtigung haben. Im Übereinkommen selbst hat das aber keinen Ausdruck gefunden. Dem Ratifikationsverfahren hat im Gegenteil die Annahme zugrunde gelegen, daß Art. 31 Abs. 1 CMR nur über die internationale Zuständigkeit Bestimmung treffe, indem er sich darauf beschränke festzustellen, im Gebiet welcher Staaten Klage erhoben werden könne (so die amtliche Denkschrift zur CMR, BT-Drucks. 3/1144, S. 45).

12

Da für das angerufene Gericht ein Gerichtsstand auch sonst nicht begründet ist, haben die Vorinstanzen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zutreffend verneint.

13

III.

Die Revision der Klägerin war danach zurückzuweisen.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Alff
Zülch
Piper
Erdmann
Herr RiBGH Dr. Teplitzky befindet sich in Urlaub und ist daher an der Unterschrift verhindert, Alff