Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.11.1980, Az.: V ZR 148/79
Tragen der Kosten für eine Außenisolierung einer Mauer bei Abriss eines an eine gemeinsame Giebelmauer angebautes Haus; Eingriff in die Bestandsfähigkeit eines Nachbarhauses bei witterungsbedingten Feuchtigkeitsschäden auf Grund eines Hausabrisses
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.11.1980
- Aktenzeichen
- V ZR 148/79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 12080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Bremen - 24.07.1979
- LG Bremen
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHZ 78, 397 - 400
- MDR 1981, 305-306 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1981, 866-867 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Stadtgemeinde B.,
vertreten durch den Senator für Finanzen (Liegenschaftsamt), Haus des R., B. 1,
Prozessgegner
Albert M. sen., Robert-K.-Straße ..., B.,
Amtlicher Leitsatz
Wer sein an eine gemeinsame Giebelmauer angebautes Haus abreißt, muß die Kosten einer dadurch nötig gewordenen Außenisolierung der Mauer tragen.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 1980
durch
den Vorsitzenden Richter Hill und
die Richter Offterdinger, Dr. Eckstein, Dr. Vogt und Dr. Räfle
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 24. Juli 1979 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die auf den beiden Grundstücken errichteten Häuser hatten eine gemeinsame halbscheidige Giebelmauer. Im Jahre 1977 ließ die Klägerin ihr Haus abreißen; ausgenommen blieb der an die Giebelmauer grenzende Schornstein des Hauses. Ein neuer Anbau an die Giebelmauer ist nicht beabsichtigt; der örtliche Bebauungsplan sieht den Bau von Garagen vor. Nach dem Abbruch des Hauses ließ die Klägerin zum Schutz gegen Witterungseinflüsse eine Fassadenverkleidung an der Mauer und einen Außenputz am Schornstein anbringen. Die dafür aufgewendeten Kosten von 7.262,24 DM verlangt sie zur Hälfte (3.631,12 DM) vom Beklagten ersetzt.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Giebelmauer auch nach dem Abbruch des Hauses der Klägerin Miteigentum der Parteien geblieben und noch als gemeinsame Grenzeinrichtung anzusehen sei. Bei den durch den Hausabbruch nötig gewordenen Aufwendungen zur Isolierung der Mauer habe es sich jedenfalls, so führt das Berufungsgericht aus, nicht um Unterhaltungskosten im Sinne des § 922 Satz 2 BGB gehandelt, weil der Abbruch allein im Interesse der Klägerin gelegen habe. Durch den Abbruch ihres Hauses habe die Klägerin zudem die Zweckbestimmung der Giebelmauer verändert (§ 922 Satz 3 BGB). Da der Beklagte den Abbruch nicht habe verhindern können, habe ihm ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auf Freistellung von den Isolierungskosten zugestanden. Das gelte auch dann, wenn die Giebelmauer mit dem angebauten Schornstein nach dem Hausabriß Alleineigentum des Beklagten geworden sein sollte.
Die Revision hat keinen Erfolg.
II.
Nach der Rechtsprechung des Senats steht eine halbscheidig auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Giebelmauer, an die von beiden Seiten angebaut ist, im Miteigentum der beiden Grundstücksnachbarn je zur Hälfte (BGHZ 27, 197; 43, 127, 129; 57, 245). Sie bleibt auch nach dem Abriß eines der Häuser im Miteigentum jedenfalls dann, wenn ein neuer Anbau an die Giebelmauer beabsichtigt ist (BGHZ 57, 245) oder wenn sie sich in anderer Weise - etwa durch Vermietung zu Reklamezwecken - weiter nutzen läßt (Senatsurteil vom 22. November 1974, V ZR 177/73, WM 1975, 663 = Betrieb 1975, 1843; BGHZ 43, 127, 132; Glaser, JR 1976, 425). Ein Wiederaufbau des Hauses kommt hier unstreitig nicht in Betracht. Ob sich die Giebelmauer für die Klägerin anderweitig nutzen läßt, ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Darauf kommt es vorliegend aber auch nicht an; denn die Eigentumsverhältnisse nach dem Abbruch des Hauses sind hier nicht ausschlaggebend. Von Bedeutung ist nur, daß die Giebelmauer im Zeitpunkt des Hausabbruches Miteigentum und gemeinsame Grenzeinrichtung beider Parteien war.
Mit dem Abbruch des Hauses ist die Giebelmauer freigelegt und dadurch der Gefahr witterungsbedingter Feuchtigkeitsschäden ausgesetzt worden. Damit ist die Mauer in einer Weise verändert worden, daß sie ihre Funktionsfähigkeit für das Nachbargebäude nicht mehr erfüllen konnte. Ein solcher, ohne Zustimmung des betroffenen Nachbarn vorgenommener Eingriff verstößt gegen § 922 Satz 3 BGB. Darunter fallen nicht nur Eingriffe in die Substanz einer Grenzeinrichtung, sondern auch Handlungen, die den Bestimmungszweck der Einrichtung und ihre bisherige Brauchbarkeit für diesen Zweck zum Nachteil des Miteigentümers aufheben oder mindern (vgl. Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht 5. Aufl. § 7 V). Denn nach dem Schutzzweck des § 922 Satz 3 BGB kann jeder der Nachbarn verlangen, daß sein Recht auf ungehinderte Benutzung der Grenzeinrichtung unangetastet bleibt. Diesem Schutzzweck widerspricht es, wenn ein Nachbar durch Abriß seines Hauses die Bestands- und Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Giebelmauer derart beeinträchtigt, daß der andere Nachbar gezwungen ist, sich durch bauliche Maßnahmen erst wieder die Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen, die ihm die Mauer bislang bot. Es kommt daher hier nicht darauf an, daß die Giebelmauer äußerlich unverändert geblieben ist; entscheidend ist, daß ihr durch den Abriß des angebauten Hauses der bisherige Schutz gegen Feuchtigkeitseinwirkungen genommen wurde und daß sie folglich in dem freigelegten Zustand für den Beklagten nicht mehr als Hausabschlußwand nutzbar war (insoweit abweichend: Meisner/Stern/Hodes a.a.O. § 7 V Fußn. 89; BGB-RGRK 12. Aufl. § 922 Rdn. 8, jeweils im Anschluß an OLG Hamm OLGZ 26, 32).
Dies bedeutet nicht, daß dem Nachbarn verboten werden könnte, sein Haus abzureißen. Nach § 903 BGB ist jeder der Nachbarn berechtigt, über die auf seinem Grundstück befindlichen Aufbauten frei zu verfügen; insoweit ist er auch ohne Zustimmung des anderen zum Abbruch seines an die Kommunmauer grenzenden Gebäudes befugt. Nur muß er dabei so vorgehen, daß das Recht des Nachbarn auf eine ungehinderte Weiterbenutzung der Giebelmauer gewährleistet bleibt. Wird deshalb infolge des Abbruches die gemeinsame Giebelmauer in ihrer Bestands- und Funktionsfähigkeit als Abschlußwand des Nachbargebäudes beeinträchtigt, so liegt darin eine gegen § 922 Satz 3 BGB verstoßende Änderung dieser Grenzeinrichtung, wenn nicht der Eigentümer des abgerissenen Hauses von vornherein diejenigen Maßnahmen trifft, die zur Verhinderung oder Beseitigung solcher Auswirkungen im Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind (insofern zutreffend: OLG Hamm MDR 1979, 757; BGB-RGRK a.a.O. Rdn. 7). Bei den dazu nötigen Aufwendungen handelt es sich nicht etwa um Unterhaltungskosten im Sinne des § 922 Satz 2 BGB, die - unter der Voraussetzung fortbestehenden Miteigentums - von beiden Nachbarn gleichmäßig zu tragen wären. Denn hierzu rechnen nicht Aufwendungen, die als Folge eines von einem Nachbarn veranlaßten, gegen § 922 Satz 3 BGB verstoßenden Eingriffs in die Bestandsfähigkeit der Giebelmauer notwendig werden (a.M. OLG Karlsruhe MDR 1971, 1011 [OLG Karlsruhe 14.10.1970 - 5 U 115/69]; dagegen mit Recht Soergel/Baur, BGB 11. Aufl. § 922 Rdn. 5; vgl. auch OLG Zweibrücken AgrarR 1979, 81).
Da somit die Klägerin durch das Anbringen einer Fassadenverkleidung an der Giebelmauer nur die Vorkehrungen getroffen hat, die sie beim Abbruch ihres Hauses zur Erhaltung des funktionsgerechten Zustandes der Giebelmauer treffen mußte, kann sie die dafür aufgewendeten Kosten weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus ungerechtfertigter Bereicherung vom Beklagten erstattet verlangen.
Soweit das Oberlandesgericht Hamm in MDR 1979, 757, 758 davon ausgeht, daß der Eigentümer des stehengebliebenen Hauses derartige Isolierungskosten tragen müsse, weil er auch ohne den Anbau des später abgerissenen Nachbarhauses für die nötige Außenisolierung der Giebelmauer hätte sorgen müssen, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Durch den gemeinsamen - vorliegend gleichzeitigen Anbau an die Giebelmauer ist beiden Nachbarn dieser Vorteil zugute gekommen. Sache der Klägerin ist es daher, die Aufwendungen zu tragen, die allein durch den Abriß ihres Hauses notwendig geworden sind.
Was die Kosten des Schornsteinverputzes anbelangt, sie kann mit dem Berufungsurteil dahingestellt bleiben, ob der sie zu dem abgerissenen Haus gehörende Schornstein durch seiner statische Verbindung mit der Giebelmauer wesentlicher Bestteil dieser Mauer geworden ist (§ 94 Abs. 1 BGB) oder ob er im Alleineigentum der Klägerin steht. In dem einen wie dem deren Falle war die Klägerin gehalten, durch einen Verputzen Feuchtigkeitseinwirkungen auf die Giebelwand zu verhindernd.
Demnach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 9 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Hill
Dr. Eckstein
Vogt
Räfle