Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.11.1980, Az.: VIII ZR 208/79

Änderung einer falschen Parteibezeichnung ; Klageänderung durch Parteiwechsel; Auslegung der Parteibezeichnung in der Klageschrift ; Herausgabe der gemieteten Räume

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
24.11.1980
Aktenzeichen
VIII ZR 208/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 12829
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 21.05.1979
LG Düsseldorf - 30.11.1978
AG Düsseldorf

Prozessführer

Kaufmann Dietmar van A. B. Straße 79 in D.,

Prozessgegner

"S." Disco-Kneipe Paul B. KG, M., L.-Straße 18 in B. 30,
vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter Kaufmann Paul B., ebenda,

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Bezeichnung einer Partei allein ist für die Parteistellung nicht ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist.

  2. 2.

    Bei unrichtiger äußerer Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 1980
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Wolf, Merz, Dr. Skibbe und Treier
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 1979 wird zurückgewiesen.

    Jedoch wird dieses Urteil wie folgt neu gefaßt:

    Die Berufung des Beklagten gegen das am 30. November 1978 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

    Der Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Düsseldorf entstandenen Mehrkosten. Diese fallen der Klägerin zur Last.

  2. 2.

    Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die "S." Disco-Kneipe Paul B. KG, B., vertreten durch den Komplementär Paul B., verpachtete dem Beklagten am 1. Juni 1976 ihre Diskothek im Anwesen D. B. platz 11. Sie kündigte den Vertrag am 16. Mai 1978 und vorsorglich nochmals mit Schriftsatz vom 17. April 1979 wegen Rückstandes des Beklagten mit der Pacht für mehr als einen Monat. Für diesen Fall war der Verpächter nach § 11 des Pachtvertrages zur fristlosen Kündigung des Vertrages berechtigt.

2

Mit der Klage verlangte die Firma W. R. Paul B. KG, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter, den Kaufmann Paul B., beide K. 62, B., die Verurteilung des Beklagten zur Räumung und Rückgabe der Geschäftsräume der Diskothek. Das Landgericht, an das der Rechtsstreit vom Amtsgericht verwiesen worden war, gab der Klage statt. Dieses Urteil wurde am 18. Mai 1979 vollstreckt.

3

Im zweiten Rechtszug trat als Klägerin die "S." Disco-Kneipe Paul B. KG, vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter, den Kaufmann Paul B., beide B., K. 62 (nachfolgend: "S." Disco-Kneipe), auf. Das Berufungsgericht sah hierin einen Parteiwechsel, den es rechtlich als Klageänderung einordnete. Diese ließ es zu und wies die Berufung des Beklagten zurück. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der im zweiten Rechtszug gestellte, auf § 717 Abs. 2 ZPO gestützte Antrag des Beklagten gegen die, wie das Berufungsgericht sich ausdrückte, weichende Klägerin, die Geschäftsräume der Diskothek zu räumen und an den Beklagten herauszugeben, sei nicht begründet. Es erlegte die im Verfahren vor dem Amtsgericht entstandenen Mehrkosten der Klägerin auf. Als Gegnerin des Antrags aus § 717 Abs. 2 ZPO sah das Berufungsgericht die W. R. Paul B. KG, "richtigerweise". wie es meint, die W. R. B. B., Paul B. KG Gaststättenbetrieb, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Kaufmann Paul B., B., K. 62, an. Ihr erlegte es ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die durch den Parteiwechsel bedingten Mehrkosten auf. Im übrigen hat nach dem Berufungsurteil die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges der Beklagte zu tragen.

4

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte den Klageabweisungsantrag und den Antrag aus § 717 Abs. 2 ZPO weiter.

Entscheidungsgründe

5

I.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Vertragspartner des Beklagten identisch ist mit der im Handelsregister eingetragenen "S." Disco-Kneipe mit dem Sitz in D., die bis 1976 als W. R. firmierte. Unstreitig ist ferner, daß deren persönlich haftender Gesellschafter Paul B. seine Geschäfte von B. aus betreibt. Schließlich ist unstreitig, daß Paul B. persönlich haftender Gesellschafter einer weiteren Kommanditgesellschaft ist, nämlich der W. R. B. B. Paul B. KG Gaststättenbetrieb (nachfolgend: 3 B. KG), die ihren Sitz in Berlin hat und - nur - dort tätig ist.

6

II.

Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, es fehle an einer Begründung der Revision (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO) gegen die Revisionsbeklagte, die "Spitze" Disco-Kneipe.

7

Die Revision macht geltend, der vom Berufungsgericht angenommene Parteiwechsel sei unzulässig. Über den Herausgabeanspruch der "S." Disco-Kneipe sei sachlich nicht zu entscheiden, weil diese nicht in zulässiger Weise Partei des Prozesses geworden sei. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, daß die Revision die Klage, soweit sie von der "S." Disco-Kneipe verfolgt wird, für unzulässig hält. Darauf, ob diese Begründung den Revisionsangriff gegen das angefochtene Urteil trägt, kommt es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht an (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 38. Aufl. § 554 Anm. 4 C).

8

III.

1.

Für die Klägerin ist im zweiten Rechtszug ausgeführt worden, es liege kein Parteiwechsel vor, sondern nur die Änderung einer falschen Parteibezeichnung in die richtige, die durch eine Rubrumsberichtigung zu korrigieren sei. Gleichzeitig erteile die "S." Disco-Kneipe der im ersten Rechtszug als Klägerin bezeichneten W. R. Paul B. KG die Ermächtigung zur Führung des Rechtsstreits und genehmige die bisherige Prozeßführung. Für den Fall, daß die Ermächtigung nicht wirksam sein sollte, erkläre die "S." Disco-Kneipe den Eintritt in den Rechtsstreit anstelle der bisherigen Klägerin.

9

Das Berufungsgericht hat eine Berichtigung des Rubrums abgelehnt. Es hat ausgeführt, in der Berufungserwiderung der Klägerin sei mitgeteilt worden, den Prozeß habe bislang die werbende Gesellschaft 3 B. KG geführt. Diese Gesellschaft sei nicht diejenige, welche im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf eingetragen sei, früher als "W. R. D. Paul B. KG" firmiert habe und gegenwärtig die Firmenbezeichnung "S." Disco-Kneipe führe. Durch das Vorbringen in der Berufungserwiderung sei die "S." Disco-Kneipe im Wege der durch Parteiwechsel vorgenommenen Klageänderung, die sachdienlich und daher zuzulassen sei, Klägerin geworden.

10

2.

Die Revision rügt die Zulassung des Parteiwechsels, den sie für unstatthaft hält, weil er bedingt erklärt worden sei und weil ein gewillkürter Parteiwechsel nicht mehr zulässig sei, wenn hierdurch ein wie hier bereits rechtshängiger Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO beeinträchtigt würde.

11

Damit hat sie keinen Erfolg, weil das Berufungsgericht einen Parteiwechsel gar nicht hätte annehmen dürfen. Die Klägerin hat nämlich nur eine - auch noch in der Berufungsinstanz zulässige (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. Grundzüge § 50 Anm. 2 A; Zöller/Vollkommer, ZPO, 12. Aufl. vor § 50 Anm. III 1 b; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl. vor § 50 Rdn. 8, 9 jeweils m.w.Nachw.; Kisch, Parteiänderung im Zivilprozeß 1912 S. 536, 537) - Berichtigung der Parteibezeichnung vorgenommen.

12

a)

Die Bezeichnung der Partei allein ist für die Parteistellung nicht ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei unrichtiger äußerer Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (RGZ 157, 369, 374; BGHZ 4, 328, 334; Senatsbeschluß vom 9. November 1977 - VIII ZB 34/77 = WM 1978, 69; BFH BB 1979, 362). Die vom Revisionsgericht frei vorzunehmende Auslegung der in der Klageschrift zum Ausdruck gelangten prozessualen Willenserklärung (BGHZ 4, 335 [BGH 24.01.1952 - III ZR 196/50]) führt zu dem Ergebnis, daß die 3 B. KG nicht als Klägerin angesehen werden kann. Mit der in der Klageschrift gewählten Bezeichnung V. R. ist, wie jedenfalls aufgrund der im Laufe des Rechtsstreits erfolgten zulässigen Klarstellung erkennbar geworden ist (vgl. RGZ 157, 375; Thomas/Putzo, ZPO, 10. Aufl. Vorbem. III 1 zu § 50), ausschließlich die im Vertrag vom 1. Juni 1976 als "Verpächter" bezeichnete "S." Disco-Kneipe als Klägerin angesprochen worden.

13

Der Umstand, daß in der Klageschrift als Sitz der Klägerin B. angegeben, im Handelsregister als Sitz der "S." Disco-Kneipe aber D. eingetragen ist, steht der Annahme nicht entgegen, daß diese Gesellschaft von vornherein die Klägerin war. Diese Eintragung im Handelsregister ist nämlich unwichtig. Denn Sitz der Gesellschaft ist der Ort der Geschäftsführung (Baumbach/Duden, HGB, 23. Aufl. § 105 Anm. 6). Da Paul die Geschäfte der "S." Disco-Kneipe von aus betreibt, ist deshalb Sitz dieser Firma B. Konstitutive Bedeutung kommt der Eintragung des Sitzes einer Kommanditgesellschaft im Handelsregister nicht zu (vgl. Baumbach/Duden a.a.O. § 13 c Anm. A; Einführung Buch I Anm. 7).

14

Daß die Klägerin in der Klageschrift nur falsch bezeichnet wurde, ergibt sich auch aus folgendem:

15

Klägerin der hier erhobenen Räumungsklage, die auf die Kündigung des Pachtvertrages gestützt wurde, konnte nur die "S." Disco-Kneipe als Verpächterin sein. Es ist nämlich weder vorgetragen noch sonst aus der Klageschrift ersichtlich, daß der Klageanspruch an eine nicht mit der "S." Disco-Kneipe (früher W. R.) identische Gesellschaft abgetreten oder daß eine solche Gesellschaft ermächtigt worden sei, die Räumungsklage in Prozeßstandschaft für die Verpächterin zu erheben (vgl. BFH aaO). Auch der Beklagte selbst ist in der ersten Tatsacheninstanz davon ausgegangen, daß seine Verpächterin die Klage erhoben hat. Für die Annahme, unter der Angabe des Klagerubrums W. R. sei die Firma 3 B. KG, eine unstreitig nur in B. tätige Gesellschaft zu verstehen, findet sich in der Klagebegründung nicht der geringste Anhaltspunkt. Dort wird vielmehr ausdrücklich mitgeteilt, die Parteien (des Rechtsstreits) hätten den Pachtvertrag vom 1. Juni 1976 geschlossen. Schon damit ist unzweideutig klargestellt, daß die in B. tätige und dort eine Gast- und Vergnügungsstätte betreibende 3 B. KG nicht als Klägerin gemeint sein konnte.

16

b)

Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin habe in der Berufungserwiderung klargestellt, daß den Prozeß bislang die werbende Gesellschaft 3 B. KG geführt habe, beruht auf einem unrichtigen Verständnis des Inhalts der Berufungserwiderung. Die Erwähnung der Firma 3 B. KG ist in erster Linie im Zusammenhang mit den Ausführungen der Berufungserwiderung zu sehen, bei der Klägerin "S." Disco-Kneipe, früher W. R. D. Paul B. KG, handele es sich wegen der Verpachtung ihres Geschäftsbetriebes, der "S." Disco-Kneipe in D. an den Beklagten, praktisch nicht mehr um eine werbende Firma; werbend tätig sei vielmehr die in Berlin ansässige Firma 3 B., die ebenso wie alle anderen B.-Gesellschaften von ihrem in B. wohnhaften Komplementär Paul B. zentral von B. aus geleitet werde. Ersichtlich sollte daher mit diesen Ausführungen erläutert werden, aus welchen Gründen in der Klageschrift nicht D., sondern B. als Sitz der Klägerin angegeben worden war. Die Ausführungen auf S. 5 der Berufungserwiderung, wonach "äußerst vorsorglich" die Firma "S." Disco-Kneipe die bisherige Prozeßführung der W. R. genehmigt und der Firma 3 B. KG die Ermächtigung erteilen wird, den Räumungsanspruch im eigenen Namen geltend zu machen, können nur dahingehend gedeutet werden, daß eine Prozeßstandschaft für den Fall geltend gemacht wird, daß das Gericht der - von der Klägerin bekämpften - Auffassung sein sollte, mit der in der Klageschrift gewählten Bezeichnung W. R. sei in Wirklichkeit die 3 B. KG gemeint.

17

Mithin ist davon auszugehen, daß Klägerin von vornherein die "S." Disco-Kneipe war und daß die Klage nur unter einer unrichtigen Parteibezeichnung erhoben worden ist, die richtiggestellt werden konnte und auch richtiggestellt worden ist.

18

3.

Aus dem Dargelegten ergibt sich zugleich, daß die Meinung des Berufungsgerichts, die 3 B. KG sei Gegnerin des Antrags des Beklagten aus § 717 Abs. 2 ZPO geworden, unrichtig ist. Diesen Antrag hat der Beklagte gegen die Vollstreckerin des landgerichtlichen Urteils gerichtet. Das war aber nicht die am Rechtsstreit nicht beteiligte 3 B. KG, sondern die Klägerin, die "S." Disco-Kneipe, wenn auch unter ihrem früheren Firmennamen. Der gegen die 3 B. KG gerichtete Revisionsantrag des Beklagten geht deshalb ins Leere.

19

IV.

1.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Herausgabeanspruch hinsichtlich der vermieteten Räume zu, wird von der Revision nicht angegriffen; ein Rechtsirrtum ist insoweit auch nicht ersichtlich. Ohne Beanstandung durch die Revision hat das Berufungsgericht insbesondere festgestellt, daß der Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt der am 17. April 1979 ausgesprochenen Kündigung mit mehr als einer Monatspacht im Rückstand war, was die Verpächterin nach § 11 des Pachtvertrages zur fristlosen Kündigung berechtigte.

20

2.

Der Antrag des Beklagten aus § 717 Abs. 2 ZPO ist unbegründet, weil der Pachtvertrag nach den Ausführungen zu IV 1 jedenfalls durch die Kündigung vom 17. April 1979 beendet worden ist und deshalb die am 18. Mai 1979 vorgenommene Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils gerechtfertigt war.

21

V.

Die Revision war demnach zurückzuweisen.

22

Die Kostenentscheidung des Berufungsurteils war von Amts wegen zu berichtigen, weil eine Belastung der am Rechtsstreit nicht beteiligten 3 B. KG mit Kosten nicht gerechtfertigt ist. Die §§ 559 Abs. 1, 308 Abs. 1 ZPO stehen nicht entgegen, weil über die Prozeßkosten auch ohne Antrag zu erkennen ist (§ 308 Abs. 2 ZPO; RG JW 1913, 696). Zur Klarstellung hat der erkennende Senat den Tenor des Berufungsurteils neu gefaßt.

23

Nach § 97 Abs. 1 ZPO waren dem Beklagten die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen.

Braxmaier
Wolf
Merz
Dr. Skibbe
Treier