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Bundesgerichtshof
Urt. v. 31.10.1980, Az.: V ZR 140/79

Beginn der Verjährung von Schadenersatzansprüchen wegen unerlaubter Vertiefung eines Grundstücks bei Errichtung eines Gebäudes; Vorliegen eines vorweggenommenen Geständnisses; Schadensersatz wegen aufgetretener Risse am Gebäude; Vorliegen einer abgeschlossene Handlung oder einer fortdauernden Handlung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
31.10.1980
Aktenzeichen
V ZR 140/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 12115
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Schleswig - 13.07.1979

Fundstellen

  • DB 1981, 841 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1981, 395 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 573 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Baufacharbeiter Karl-Heinz K., Kleine W., G.

Prozessgegner

Kaufmann Wilhelm S., M. 1/3, G.

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage des Beginns der Verjährung von Schadenersatzansprüchen wegen unerlaubter Vertiefung eines Grundstücks bei Errichtung eines Gebäudes

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 1980
durch
die Richter Offterdinger, Prof. Dr. Hagen, Linden, Dr. Vogt und Dr. Räfle
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holstelnischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 13. Juli 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer eines Einfamilienhauses in G.. Das Haus ist nicht unterkellert; seine Fundamente sind über 100 Jahre alt und stehen zum Teil auf Findlingsgestein und zum Teil auf Moorboden. Der Beklagte ist Eigentümer des Nachbargrundstücks, das ebenfalls Moorboden aufweist. Im November 1972 begann er mit der Errichtung eines größeren Gebäudes. Wegen des moorigen Baugrundes wurde (bis Ende November 1972) ein tiefer Keller ausgehoben und der Boden verdichtet. Noch vor Weihnachten 1972 wurde die Kellersohle gegossen.

2

Wegen der Bodenverhältnisse befürchtete der Kläger den Eintritt erheblicher Schäden an seinem Hause. Er trat deshalb während der Ausschachtungsarbeiten und der Bodenverdichtung an das bauausführende Unternehmen heran, um an seinem Hause eine Bestandsaufnahme zu veranlassen. Der Beklagte und sein Architekt lehnten - auch in der folgenden Zeit - jegliche Maßnahmen ab. Nachdem an seinem Hause erhebliche Risse entstanden waren, schaltete der Kläger im Januar 1974 einen Sachverständigen ein.

3

Am 24. Februar 1976 hat der Kläger Klage auf Feststellung eingereicht, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche Schäden zu ersetzen, die durch die Errichtung des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück an seinem, des Klägers, Haus entstanden seien oder noch entstehen würden. Die Klage ist dem Beklagten am 10. März 1976 zugestellt worden.

4

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

5

Das Oberlandesgericht hat, nachdem der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hatte, die Klage abgewiesen.

6

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Der Beklagte beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

I.

Das Berufungsgericht hat die Einrede der Verjährung gegenüber etwaigen Schadensersatzansprüchen des Klägers für durchgreifend erachtet: Die dreijährige Verjährungsfrist habe bereits im November 1972 zu laufen begonnen, denn schon bei Beginn der Erdarbeiten hätten sich die ersten Risse gezeigt. Der Kläger habe dies mit Schriftsatz vom 26. Mai 1976 vorgetragen; hierin liege ein vorweggenommenes Geständnis im Sinne des § 288 ZPO, weil der Beklagte sich diesen Vortrag zu eigen gemacht habe. Der Kläger habe lediglich darauf hingewiesen, daß nach seinem Vorbringen in der Klageschrift die ersten Risse erst Ende Februar 1973 sichtbar geworden seien; er habe aber nicht dargelegt, daß sein abweichender späterer Vortrag nicht der Wahrheit entsprach und durch einen Irrtum veranlaßt war (§ 290 ZPO). Das Berufungsgericht ist hiernach davon ausgegangen, daß dem Kläger "das Schadensereignis" in seinen Grundzügen vom Beginn der Erdarbeiten an bekannt gewesen sei, und hat dies für den Beginn der Verjährung als ausreichend erachtet.

8

II.

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

9

1.

Die Revision rügt, die Entscheidung aufgrund eines vorweggenommenen Geständnisses beruhe als Überraschungsurteil auf Rechtsverstoß (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO). Bei Ausübung des richterlichen Fragerechts hätte der Kläger, wie die Revision im einzelnen darlegt, dargetan und unter Beweis gestellt, daß der Vortrag im Schriftsatz vom 26. Mai 1976 objektiv unrichtig war und subjektiv auf einem Irrtum beruhte. Ob diese Verfahrensrüge durchgreift, kann auf sich beruhen, weil auch auf dem Boden der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts das Berufungsurteil keinen Bestand haben kann.

10

2.

Zutreffend ist allerdings der - von der Revision nicht in Zweifel gezogene - Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß auch für Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Vertiefung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 909 BGB) die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB gilt (BGH Urt. v. 23. April 1963, VI ZR 60/62, VersR 1963, 753). Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß für den Beginn der Verjährung danach zu unterscheiden ist, ob eine abgeschlossene Handlung vorliegt oder ob eine fortdauernde Handlung (evtl. mehrere über einen längeren Zeitraum wiederholte Handlungen) gegeben ist (vgl. BGH Urt. v. 26. Juni 1972 III ZR 16/70, LM BGB § 952 Nr. 43; BGH Urt. v. 4. März 1977, V ZR 236/75, LM BGB § 852 Nr. 59). Nur im ersten Fall beginnt die Verjährung des gesamten Anspruchs schon in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte eine allgemeine Kenntnis vom Schaden hat; nicht erforderlich ist in diesem Falle, daß er den Schaden in vollem Umfang und in allen Einzelheiten kennt (vgl. insoweit das erwähnte Urteil vom 23. April 1963 m.w.N.). Geht es dagegen nicht um die Fortdauer schädigender Einwirkungen ein und derselben Handlung, sondern um Wiederholungen der schädigenden Handlung selbst, die mit neuen Schädigungen verbunden sind, so läuft die Verjährungsfrist für jede Einzelhandlung besonders; der strafrechtliche Begriff der fortgesetzten Handlung ist für die Beurteilung der bürgerlich-rechtlichen Frage des Verjährungsbeginns grundsätzlich nicht maßgeblich (vgl. die erwähnten Urteile vom 26. Juni 1972 und vom 4. März 1977, jeweils m.w.N.). Handelt es sich schließlich - wofür bei der Errichtung eines Hauses manches sprechen könnte - um mehrere Teilakte einer natürlichen Handlungseinheit, so beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs für Schäden, die in späteren Zeitabschnitten entstehen, ebenfalls nicht schon mit der Kenntnis des Verletzten vom Eintritt irgendeines Schadens, sondern frühestens jeweils nach Beendigung des einzelnen Zeitabschnitts, wenn nicht gar insgesamt erst mit Abschluß des schädigenden Handelns insgesamt (BGH Urt. v. 26. Juni 1972 aaO).

11

Die Revision weist darauf hin, daß der Kläger (auch im zweiten Rechtszuge durch Schriftsatz vom 14. Februar 1979) unter Beweisantritt vorgetragen hat, die Risse an seinem Haus seien auf die vom Beklagten durchgeführten Bauarbeiten zurückzuführen, insbesondere auf die Ausschachtung, den Bodenaustausch und die Bodenverdichtung sowie die daraus folgende Absenkung des Grundwasserstandes; mit fortschreitender Bauarbeit und nach ihrer Beendigung seien immer weitere Risse und Schäden entstanden. Als mögliche Ursachen werden in dem genannten Schriftsatz gleichwertig die Kellerausschachtung, das Abpumpen von Grundwasser und "der Druck des gewichtigen Gebäudes" angeführt. Nach den oben dargelegten Grundsätzen kämen hiernach mehrere Verjährungsfristen mit unterschiedlichem Verjährungsbeginn in Betrachts. Das Ausschachten des Kellers ist eine natürliche Handlungseinheit, so daß der etwa auf den Ausschachtungsarbeiten beruhende Schadensersatzanspruch frühestens vom Zeitpunkt der Beendigung der Arbeiten an (im Jahre 1972) zu verjähren begonnen hätte; insoweit könnte der Klageanspruch in der Tat verjährt sein. Das Abpumpen des Wassers wäre entweder ebenfalls als eine einheitliche natürliche Handlung oder als mehrere ständig wiederholte unerlaubte Handlungen anzusehen, so daß allenfalls gleichzeitig mit den einzelnen Pumpvorgängen die Ansprüche wegen der jeweiligen Schadensfolgen zu verjähren begännen (vgl. die mehrfach erwähnten Urteile vom 26. Juni 1972 und vom 4. März 1977). Soweit schließlich der "Druck des gewichtigen Gebäudes" als Ursache bestimmter Schäden in Frage kommt (vgl. zu einem solchen Anwendungsfall des § 909 BGB BGHZ 44, 130, 135 [BGH 13.07.1965 - V ZR 169/64]; vgl. auch BGH Urt. v. 5. März 1971, V ZR 168/68, LM § 909 Nr. 12), hätte die Verjährung frühestens mit der Vollendung des Rohbaues begonnen (vgl. insoweit das eingangs zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23. April 1963).

12

Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen darüber, welche der möglichen unerlaubten Handlungen zu den Schäden an dem Hause des Klägers - oder zu einem Teil dieser Schäden - geführt haben und wann die Handlungen (mit Ausnahme der Erdarbeiten) abgeschlossen worden sind. Da alle hiernach verbleibenden Zweifel zu Lasten des Beklagten gehen, der sich auf Verjährung beruft (Senatsurteil vom 4. März 1977 aaO), kann das Urteil keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Da weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Offterdinger
Hagen
Linden
Vogt
Räfle