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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 04.06.1980, Az.: IVb ZB 664/80

Folgen der Anfechtung eines Verbundurteils; Folgen der beschränkten Anfechtung eines Verbundurteils hinsichtlich der Entscheidung über Folgesachen; Verlauf des Rechtsmittelverfahrens bei Teilanfechtung eines Verbundurteils; Geltung des Gebots gleichzeitiger und einheitlicher Entscheidung bezüglich des Verfahrensverbundes in der Rechtsmittelinstanz; Zweck der Verbindung von Scheidungssachen und Folgesachen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.06.1980
Aktenzeichen
IVb ZB 664/80
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1980, 12750
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Oldenburg - 14.12.1979
AG Oldenburg

Fundstellen

  • MDR 1980, 919 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1980, 2135 (Volltext mit amtl. LS)

Sonstige Beteiligte

1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, R. straße 2, Berlin 31, Vers.-Nr. 68 ... B.

2. Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen, H. straße 7-11, Oldenburg, Vers.-Nr. 28. B./68 ... B.

3. Deutsche Bundespost,
vertreten durch die Oberpostdirektion Bremen, B. platz 20, B.

Amtlicher Leitsatz

Wenn ein Verbundurteil nur hinsichtlich der Entscheidungen über Folgesachen angefochten wird, unterliegt das Rechtsmittelverfahren nicht den Regeln des Verfahrensverbundes mit dem Gebot gleichzeitiger und einheitlicher Entscheidung.

In der Familiensache
hat der IVb-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
am 4. Juni 1980
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Grell und
die Richter Knüfer, Lohmann, Dr. Seidl und Dr. Schmidt-Kessel
beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird der Beschluß des 5. Zivilsenats - 2. Senats für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. Dezember 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht Oldenburg zurückverwiesen.

Beschwerdewert: DM 1.000,-.

Gründe

1

I.

Das Amtsgericht hat im Verbundverfahren die Ehe der Parteien geschieden und - neben weiteren Entscheidungen in Folgesachen - den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Antragsgegnerin verurteilt sowie den Versorgungsausgleich geregelt. Im Rahmen der letzteren Regelung hat es von dem Rentenkonto des Ehemannes "bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte" Rentenanwartschaften auf ein dort für die Ehefrau neu einzurichtendes Rentenkonto übertragen; ferner hat es zu Lasten einer für den Ehemann bestehenden Beamtenversorgungsanwartschaft Rentenanwartschaften auf dem bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einzurichtenden Konto der Ehefrau begründet.

2

Der Ehemann hat gegen das Verbundurteil Berufung eingelegt, mit der er sich gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet und die Aufhebung der Verurteilung zur Unterhaltszahlung an die Antragsgegnerin erstrebt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat gegen das Urteil Beschwerde eingelegt, mit der sie die Feststellung beantragt, daß das Versicherungskonto des Ehemannes nicht bei ihr, sondern bei der Landesversicherungsanstalt Oldenburg/Bremen geführt werde und diese für die Durchführung des Versorgungsausgleichs zuständig sei. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat sich dabei nicht von einem beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

3

Das Oberlandesgericht hat das Verfahren über die Berufung des Antragstellers bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über den Versorgungsausgleich ausgesetzt. Die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat es durch gesonderten Beschluß als unzulässig verworfen.

4

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.

5

II.

Die weitere Beschwerde hat Erfolg.

6

1.

Das Oberlandesgericht war nicht gehindert, die Erstbeschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu verwerfen, ohne gleichzeitig über die Berufung des Ehemannes zu entscheiden. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch dann zulässig gewesen wäre, wenn das Rechtsmittelverfahren den Regeln des Verfahrensverbundes mit dem Gebot gleichzeitiger und einheitlicher Entscheidung (§§ 623 Abs. 1, 629 Abs. 1 ZPO) unterlegen hätte. Die Regeln des Verfahrensverbundes gelten zwar, wenn gegen ein Verbundurteil Berufung oder Revision eingelegt wird, auch im Rechtsmittelverfahren (vgl. § 629 a Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie betreffen jedoch nur das Verhältnis zwischen Scheidungssache und Folgesachen (§ 623 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. auch §§ 628, 629, 629 b, 629 d ZPO) und greifen daher nicht ein, wenn ein Verbundurteil nur hinsichtlich der Entscheidungen über Folgesachen angefochten wird (ebenso Bastian/Roth-Stielow/Schmeiduch, 1. EheRG § 628 ZPO Rdn. 8; Rolland, 1. EheRG§ 629 a ZPO Rdn. 1; Zöller/Philippi, ZPO 12. Aufl. § 629 a Anm. 6; a. A. ohne nähere Begründung: Sedemund-Treiber, DRiZ 1976, 331, 337 und wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 38. Aufl. § 628 Anm. 2 B b). Das Rechtsmittelverfahren ist zwar in einem solchen Fall ebenfalls einheitlich, ohne daß es einer besonderen Verbindung durch das Gericht bedürfte, und zwar auch dann, wenn das Verbundurteil von verschiedenen Verfahrensbeteiligten angefochten worden ist (RGZ 29, 348, 350; 144, 116, 118; Baumbach/Lauterbach/Albers, a.a.O. § 521 ZPO Anm. 1 A; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 521 Rdn. 1). Das einheitliche Rechtsmittelverfahren über mehrere Folgesachen unterliegt jedoch nicht den Regeln über den Verbund zwischen Scheidungssache und Folgesachen, sondern den allgemeinen Vorschriften. Das Rechtsmittelgericht kann daher, wenn nur hinsichtlich eines Teils des Verfahrens, der einer selbständigen Entscheidung zugänglich ist, Entscheidungsreife eingetreten ist, ohne weiteres eine Teilentscheidung erlassen. Daß das im Verbundverfahren geltende. Gebot gleichzeitiger und einheitlicher Entscheidung in einem solchen Fall nicht gilt, folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschriften über das Verbundverfahren, sondern auch aus deren Zweck. Mit dem Verbund zwischen Scheidungssache und Folgesachen soll erreicht werden, daß den Ehegatten bereits im Scheidungsverfahren die möglichen Auswirkungen der Scheidung vor Augen geführt werden; darüber hinaus soll der Ehegatte, der an der Ehe festhalten will, davor geschützt werden, seine Rechtsstellung als Ehegatte zu verlieren, ohne gleichzeitig seine Rechte für den Fall der Scheidung durchsetzen zu können. Dem ersteren Gesichtspunkt ist bereits genügt, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung erster Instanz im Verbund geführt worden ist. Auch der Schutz des der Scheidung widersprechenden Ehegatten erfordert es nicht, das Rechtsmittelverfahren nach den Regeln des Verbundes zu führen, wenn der Scheidungsausspruch nicht angefochten wird. Es könnte den Interessen dieses Ehegatten nicht dienlich sein, wenn das Rechtsmittelgericht in einem solchen Fall grundsätzlich gehalten wäre, mit der Entscheidung spruchreifer Folgesachen zuzuwarten, bis auch alle übrigen Folgesachen entscheidungsreif werden, und erst dann einheitlich zu entscheiden.

7

2.

Der angefochtenen Entscheidung kann jedoch inhaltlich nicht gefolgt werden.

8

Der Bundesgerichtshof hat bereits durch Beschluß vom 20. September 1978 - IV ZB 97/78 - (LM ZPO § 621 e Nr. 8 - FamRZ 1978, 889 - NJW 1979, 108) entschieden, daß die Einlegung der Beschwerde durch eine Behörde der gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich auch dann nicht dem Anwaltszwang unterliegt, wenn das Versorgungsausgleichsverfahren Folgesache einer Scheidungssache im Sinne der §§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 623 Abs. 1 ZPO ist. Diese Entscheidung ist auf Kritik gestoßen (OLG Oldenburg FamRZ 1979, 1050; KG NJW 1979, 2251, 2253; Baumbach/Lauterbach/Albers, a.a.O. § 629 a ZPO Anm. 3 A; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG Nachtrag zur 11. Aufl. Abschnitt B VII 5; Oehlers, FamRZ 1979, 114; Walter, FamRZ 1979, 663, 671 f), der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat. Der Senat hat sich mit dieser Kritik anhand eines anderen, vom Beschwerdegericht im gleichen Sinne entschiedenen Falles in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß vom 21. Mai 1980 - IV b ZB 628/80 - eingehend auseinandergesetzt und die Einwände, die gegen die Anwendung des Behördenprivilegs des § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG auf die Behörden der gesetzlichen Rentenversicherungen in Versorgungsausgleichssachen erhoben worden sind, nicht für durchgreifend erachtet. Auf die Gründe jenes Beschlusses, der den Verfahrensbeteiligten bekanntgemacht wird, wird auch für den vorliegenden Fall Bezug genommen.

9

Die Sache muß daher an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: DM 1.000,-.

Dr. Grell
Knüfer
Lohmann
Dr. Seidl
Dr. Schmidt-Kessel