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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.04.1980, Az.: 3 StR 108/80

Unmittelbares Ansetzen durch das Einschlagen eines Nagels in einen Autoreifen, um das spätere Anhalten des Fahrers zu einem schweren Raub auszunutzen ; Neues Vorbringen des Angeklagten hinsichtlich seiner Unkenntnis vom Mitführen einer Waffe im Revisionsverfahren ; Neues Vorbringen des Angeklagten hinsichtlich eines Rücktritts vom Versuch im Revisionsverfahren

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.04.1980
Aktenzeichen
3 StR 108/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 13990
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Kleve - 24.10.1979

Fundstelle

  • NJW 1980, 1759-1760 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Gemeinschaftlich versuchter schwerer Raub

Prozessführer

1. Betonbauer Egon-Paul L. aus D., dort geboren am ... 1941.

2. Kaufmännischer Angestellter Peter S. aus D., geboren am ... 1942 in G.

3. Arbeiter Siegfried K. aus D., geboren am ... 1930 in T.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 30. April 1980,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Schmidt,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schubath, Dr. Schauenburg, Laufhütte, Dr. Gribbohm als beisitzende Richter,
Staatsanwalt ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
für den Angeklagten L. Rechtsanwalt ..., D.,
für den Angeklagten S. Rechtsanwalt Dr. ..., D. als Verteidiger,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve - auswärtige Strafkammer in Moers - vom 24. Oktober 1979 werden verworfen.

Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes unter anderem zu Freiheitsstrafe von je vier Jahren verurteilt.

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Die gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen, haben keinen Erfolg.

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Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen waren die Angeklagten L. und S. übereingekommen, sich Geld durch Überfall auf eine Bank oder einen Geldboten zu beschaffen. Ende Juni/Anfang Juli 1979 konzentrierten sie ihre Beobachtungen auf die Zweigstelle Moers der Landeszentralbank und auf die dort ein- und ausgehenden Personen, die sie für Geldboten hielten. So beobachteten und verfolgten sie den Zeugen C., der als Hausmeister der Raiffeisenbank in Neukirchen-Vluyn mit seinem Pkw zwei- bis dreimal wöchentlich Papiere und seltener auch Geld zwischen beiden Geldinstituten transportierte. Sie entschlossen sich, ihn zu überfallen, und gewannen als weiteren Mittäter den Mitangeklagten K.

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Einem zuvor gefaßten Plan entsprechend fuhren sie am 25. Juli 1979 mit einem gestohlenen VW Polo, der mit von einem anderen Pkw gestohlenen Kennzeichen versehen war, nach Neukirchen-Vluyn, wo sie den Wagen in der Nähe der Raiffeisenbank parkten. Sie gingen zum Parkplatz der Raiffeisenbank, wo C. seinen Pkw abgestellt hatte. Hier stieß S. einen ca. 14 cm langen Nagel in den rechten schlauchlosen Vorderreifen dieses Pkw und brachte am anderen, zu einer Öse umgebogenen Ende des Nagels einen Draht an, den er am Pfosten eines Zaunes befestigte. Nach dem Plan der Täter sollte bei Abfahrt des Pkw der Nagel aus dem Reifen gezogen werden und daraus die Luft langsam entweichen. Die Angeklagten gingen nach vorher angestellten Versuchen davon aus, C. werde mit dem Fahrzeug noch bis zur Kreuzung Andreas-Bräm-Straße/Poststraße fahren und dort wie üblich in Richtung Moers abbiegen können; nach etwa 500 bis 1000 Metern werde aber der defekte Reifen derart platt sein, daß er das Fahrzeug anhalten müsse. Die Angeklagten wollten ihm mit dem von ihnen entwendeten Pkw nachfahren. S. und K. sollten dann aussteigen und C. zunächst anbieten, ihm beim Wechseln des defekten Reifens zu helfen; dann aber sollte K. ihn mit einer scharf geladenen und entsicherten Pistole in Schach halten, während S. die Tasche, in der die Täter Geld vermuteten, aus dem Pkw nehmen sollte.

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Zu dem Überfall kam es nicht, weil die Angeklagten wegen ihres auffälligen Verhaltens schon seit längerem von der Polizei beobachtet wurden. Sie wurden festgenommen, nachdem S. den Nagel in den Reifen getrieben hatte und die Angeklagten auf die Abfahrt C. warteten, um ihm zu folgen. Etwa zehn Minuten nach ihrer Festnahme belud der von den Überwachungsmaßnahmen unterrichtete C. seinen Pkw mit der Tasche und fuhr in Richtung Moers zur Landes Zentralbank. Die Luft entwich während der Fahrt tatsächlich in der von den Angeklagten vorhergesehenen Weise aus dem Vorderreifen. Da C. jedoch auf Grund der polizeilichen Überwachungsmaßnahmen Verdacht schöpfte, hielt er nicht, wie er es sonst getan hätte, sofort an, sondern fuhr weiter zur Landeszentralbank. Dort stellte er fest, daß der Reifen platt war.

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I.

Soweit die Angeklagten behaupten, jeder von ihnen sei schon vor der Festnahme entschlossen gewesen, das Vorhaben aufzugeben, und damit vom Versuch wirksam zurückgetreten, entfernt sich ihr Vorbringen von den das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen und der rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung der Strafkammer; damit können sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Das gleiche gilt für die Behauptung L.s, er habe von der mitgeführten Schußwaffe nichts gewußt; es handele sich insoweit um einen Exzeß eines Mittäters, der ihm nicht zugerechnet werden könne.

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II.

Die Verurteilung wegen versuchten schweren Raubes enthält auch sonst keinen Rechtsfehler. Insbesondere ist die Annahme der Strafkammer, das Verhalten der Angeklagten sei bereits über das Stadium bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgegangen, nicht zu beanstanden.

8

Nach § 22 StGB liegt der Versuch einer strafbaren Handlung dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Das ist, wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, nicht erst dann der Fall, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, sondern schon dann, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt (vgl. BGHSt 26, 201, 202 mit weiteren Nachweisen; 28, 162, 163; BGH GA 1980, 24). Die Rechtsprechung (BGH a.a.O.) verlangt zwar, daß das Tun des Täters ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergehen soll. Es kann dahinstehen, was alles vom Begriff des Zwischenaktes umfaßt wird. Dazu gehören jedenfalls nicht solche Handlungen, die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden.

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Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Verurteilung wegen versuchten schweren Raubes gerechtfertigt. Die Angeklagten haben nicht lediglich auf das Erscheinen und Wegfahren des Boten gewartet. Mit dem Einschlagen des Nagels in den Reifen begann nach ihrer Vorstellung vielmehr die Tatausführung. Daß der Bankbote erst nach etwa zehn Minuten erscheinen, sein Auto besteigen und mit diesem einige hundert Meter weit fahren mußte, bevor die ihn verfolgenden Täter sich durch die Nötigungsmittel des § 249 StGB in den Besitz des Geldes setzen konnten, unterbrach den unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang nicht und hindert deshalb nicht die Annahme eines Versuchs. Diese Handlungen gehörten notwendig zum Plan der Tat selbst und bildeten mit dieser eine natürliche Einheit.

Schmidt
Dr. Schubath
Dr. Schauenburg
Laufhütte
Dr. Gribbohm