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Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.04.1980, Az.: IVb ZR 510/80

Unterhaltsbedarf; Frau; Scheidung; Leistungsfähigkeit; Einkommen; Aufwendungen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
23.04.1980
Aktenzeichen
IVb ZR 510/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1980, 11965
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 28.08.1978
AG Oberhausen

Fundstellen

  • MDR 1980, 831-832 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1980, 2083-2084 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Höhe des Unterhaltsbedarfs der Frau richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten im Zeitpunkt der Scheidung.

  2. 2.

    Beruft sich der Unterhaltsschuldner, der eine Beschränkung seiner Leistungsfähigkeit behauptet, auf sein steuerpflichtiges Einkommen aus seinem Gewerbe, muß er seine Einnahmen und Aufwendungen im einzelnen so darstellen, daß die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, abgegrenzt werden können.

Der IVb-Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 1980
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Grell und
die Richter Knüfer, Lohmann, Dr. Seidl und Dr. Blumenröhr
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. August 1978 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien waren verheiratet, ihre Ehe wurde im Februar 1976 aus Verschulden des Beklagten geschieden. Sie haben eine im Juni 1975 geborene Tochter, die bei der Klägerin lebt. Der Beklagte betreibt ein Teppich- und Polstermöbelreinigungsunternehmen, in welchem die Klägerin früher mitarbeitete. Aus Anlaß der Scheidung verpflichtete sich der Beklagte durch Vertrag vom 19. Februar 1976, der Klägerin monatlich 300 DM für das Kind und 700 DM für sie selbst als Unterhalt zu zahlen. Die Zahlung für die Klägerin sollte davon abhängen, daß sie ihre bisherige Arbeit im Betrieb des Beklagten fortsetzte. Nachdem es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten gekommen war, lösten sie ihr Arbeitsverhältnis einverständlich auf. Seither erhält die Klägerin vom Beklagten für sich selbst keinen Unterhalt mehr. Sie hat auch kein sonstiges Einkommen, sondern bezieht Sozialhilfe.

2

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten monatlich 700 DM seit dem 1, Februar 1977. Das Landgericht hat Ihrer Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, soweit nicht der Unterhaltsanspruch für die Zeit bis einschließlich Juni 1978 auf den Träger der Sozialhilfeübergegangen ist; insoweit hat es die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung auch der weiteren Klage.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat keinen Erfolg.

4

1.

Nach. § 58 Abs. 1 EheG, nach dem sich gem. Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des 1. EheRG der Unterhaltsanspruch der Klägerin bestimmt, hat der Beklagte ihr den nach den Lebensverhältnissen der Parteien angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit Einkünfte aus ihrem Vermögen und Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Der Vertrag vom 19. Februar 1976 steht dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen.

5

Die gesetzlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs liegen vor. Unstreitig besitzt die Klägerin kein Vermögen und hat auch kein Arbeitseinkommen. Wie das Berufungsgericht ferner zutreffend ausgeführt hat und die Revision nicht in Zweifel zieht, ist sie zu einer Erwerbstätigkeit auch nicht verpflichtet, da sie die bei ihr lebende Tochter der Parteien versorgt.

6

2.

Die Höhe des Unterhaltsbedarfs der Klägerin richtet sich, wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, nach den Lebensverhältnissen der Parteien im Zeitpunkt der Scheidung (Hoffmann/Stephan, EheG 2. Aufl. § 58 Rdn. 31; Palandt/Diederichsen, BGB 35. Aufl. § 58 EheG Anm. 3; RGHK-BGB 10./11. Aufl.§ 58 EheG Anm. 31; Soergel/Donau, BGB 10. Aufl.§ 58 EheG Rdn. 12). Das Berufungsgericht hat den hiernach angemessenen Unterhaltsbetrag mit Jedenfalls 700 DM monatlich angenommen und hat sich dabei auf folgende Umstände gestützt: Die Klägerin sei die Ehefrau eines selbständigen gewerblichen Unternehmers gewesen, wenngleich es sich nur um einen kleinen Gewerbebetrieb gehandelt habe. Die Regelung Im Vertrag vom 19. Februar 1976 spreche dafür, daß der Beklagte selbst einen Unterhaltsbetrag in dieser Höhe angesichts der gemeinsamen Lebensverhältnisse für angemessen gehalten habe. Der Umstand, daß die Klägerin - anders als damals - jetzt nicht mehr im Betrieb des Beklagten mitarbeite, beeinflusse die Lebensverhältnisse der Partelen nicht In berücksichtigenswertem Maße. Schließlich ergebe sich die Angemessenheit daraus, daß der Beklagte dem Kind der Parteien sogar monatlich 300 DM zugestehe.

7

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand. Insbesondere konnte das Berufungsgericht dem Vertrag vom 19. Februar 1976 entnehmen, wie die Parteien - also auch der Beklagte selbst - ihre Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung und den danach angemessenen Unterhalt eingeschätzt haben, und konnte daraus ohne Rechtsfehler Rückschlüsse auf ihren damaligen Lebenszuschnitt ziehen. Ob ihre Lebensverhältnisse wesentlich durch die Mitarbeit der Klägerin im Betrieb des Beklagten bestimmt wurden, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil die Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung maßgebend sind. Die Höhe des angemessenen Unterhalts wird daher nicht dadurch berührt, daß die Klägerin ihre Mitarbeit im Betrieb später eingestellt hat. Aus demselben Grund hat es auf die Beurteilung keinen Einfluß, wenn die Partelen, wie die Revision geltend macht, einen Unterhaltsanspruch der Klägerin - überhaupt oder in dieser Höhe - ohne deren Mitarbeit nicht für angemessen gehalten hätten.

8

Etwas anderes könnte gelten, wenn sich durch die Beendigung der Mitarbeit die Bedürfnisse der Klägerin verringert hätten, indem ein durch ihre Erwerbstätigkeit begründeter besonderer Aufwand entfiel. Dafür ist aber nichts festgestellt.

9

3.

Außer durch den Bedarf der Klägerin wird die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs durch die Leistungsfähigkeit des Beklagten bestimmt, dessen angemessener Eigenbedarf (§ 59 Abs. 1 EheG) sich ebenfalls nach den Lebensverhältnissen der Parteien im Zeitpunkt der Scheidung bemißt. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne der Klägerin den Unterhaltsbetrag von monatlich 700 DM auch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen ohne Gefährdtang des eigenen angemessenen Unterhalts zahlen. Es hat dies damit begründet, daß der Beklagte nach seinen eigenen Angaben im Jahre 1977 mit seinem Gewerbebetrieb Erlöse von rd. 94 400 DM erzielt habe. Von den Kosten, die er in Ansatz gebracht habe, könnten jedenfalls die Positionen Abschreibungen, allgemeine Kosten, Provisionen und Versicherungen nicht berücksichtigt werden, well es insoweit an einer hinreichend substantiierten Darlegung über Art und Umfang der Kosten fehle. Selbst steuerlich absetzbare Kosten brauche der Unterhaltsberechtigte sich nur dann entgegenhalten zu lassen, wenn sie zur Aufrechterhaltung des Gewerbebetriebes unbedingt nötig seien. Durch die bloße Aneinanderreihung der Beträge einzelner Kostenarten und den Hinweis, alle Kosten seien betriebsnotwendig gewesen, habe der Beklagte daher - wie das Berufungsgericht im einzelnen näher ausgeführt hat - seiner Darlegungspflicht nicht genügt.

10

Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Macht der Unterhaltsschuldner geltend, er könne den Unterhaltsbedarf des Gläubigers ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Lebensbedarfs nicht bestreiten, so hat er die Voraussetzungen einer so begründeten Beschränkung des Unterhaltsanspruchs darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (Brühl/Göppinger/Mutschier, Unterhaltsrecht 3. Aufl. Rdn. 626; Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts, 4. Aufl.§ 9 III 1; Erman/Ronke, BGB

11

6. Aufl. § 58 EheG Rdn. 22; Palandt/Diederichsen, aaO § 58 EheG Anm. 5). Die Höhe des die Leistungsfähigkeit bestimmenden Einkommens ist dabei nicht mit dem steuerpflichtigen Einkommen identisch (MünchKomm/Köhler, BGB§ 1603 Rdn. 12; Klebba JR 1959, 49). Das Steuerrecht privilegiert einzelne Einkommensarten und erkennt Aufwendungen als einkommensmindernd an, die wie Beiträge zu Kapitalversicherungen und Bausparkassen oder Darlehen zum Wohnungsbau und dergleichen keine Vermögenseinbuße zum Gegenstand haben. Dem durch das steuerliche Rechtsinstitut der Abschreibung pauschal berücksichtigten Verschleiß von Gegenständen des Anlagevermögens entspricht oft keine tatsächliche Wertminderung in Höhe des steuerlich anerkennungsfähigen Betrages (vgl. Puls DA-1975, 151). Beruft sich der Unterhaltsschuldner, der eine Beschränkung seiner Leistungsfähigkeit behauptet, auf sein steuerpflichtiges Einkommen, so braucht er zwar nicht sämtliche Belege vorzulegen, durch die gegenüber der Steuerbehörde die behaupteten Aufwendungen glaubhaft zu machen sind. Er muß jedoch seine Einnahmen und behaupteten Aufwendungen im einzelnen so darstellen, daß die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, abgegrenzt werden können. Die allein ziffernmäßige Aneinanderreihung einzelner Kostenarten wie Abschreibungen, allgemeine Kosten, Kosten für Versicherungen und dergleichen genügt diesen Anforderungen nicht. Auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe es unter Verstoß gegen § 286 ZPO unterlassen, den vom Beklagten benannten sachverständigen Zeugen Ücker zu vernehmen, ist unbegründet. Die erforderliche Darlegung kann nicht durch den Antrag auf Vernehmung eines Steuerberaters, Steuerbevollmächtigten oder Buchhalters ersetzt werden. Die Vernehmung eines solchen Zeugen kommt vielmehr erst in Betracht, wenn die Richtigkeit detailliert behaupteter Aufwendungen vom Unterhaltsgläubiger bestritten wird.